Friedrich Traugott Wahlen
Friedrich Traugott Wahlen (* 10. April 1899 in Gmeis (heute zu Mirchel); † 7. November 1985 in Bern, von Trimstein und Bern), war ein Schweizer Professor für Landwirtschaft an der ETH Zürich, Politiker (BGB) und Bundesrat.
Er plante bereits in den 1930er Jahren die Selbstversorgung der Schweiz mit Grundnahrungsmitteln. Während des Zweiten Weltkrieges wurde die «Anbauschlacht» (nach ihm auch als «Plan Wahlen» bezeichnet) von ihm mit viel persönlichem Engagement geführt. Dabei wurden sogar die Grünanlagen in Städten zur Anpflanzung von Kartoffeln, Zuckerrüben und Getreide genutzt, so dass der Selbstversorgungsgrad von 52 % (1939) auf 72 % (1945)[1] gesteigert werden konnte.
Werdegang
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem Studium der Agronomie an der ETH Zürich, die er mit einer Dissertation über Leguminosen abschloss, zog er ins Ausland. Nach Deutschland, Holland und England lebte er ab 1923 in Kanada. Dort heiratete er Helene Rosalie Hopf aus Thun. Nach fünf Jahren kehrte er nach Zürich zurück. Er versuchte nun mit Nachdruck, den seiner Meinung nach gegenüber der Viehzucht vernachlässigten Getreideanbau wieder zu fördern. Er war Redaktor des Landwirtschaftsblatts «Grüne» von 1936 bis 1941 und organisierte einen entsprechenden Pavillon an der Landi 1939. Mit seinem Vortrag am 15. November 1940, kurz nachdem die Schweiz von den Achsenmächten eingekreist worden war, startete er seinen lange vorbereiteten und auf einem grossen Kataster aufbauenden Anbauplan. Die Rede wurde quasi als landwirtschaftlicher Rütli-Rapport aufgefasst und Wahlen damit zum Vater der Anbauschlacht.
In die Politik stieg er allerdings erst 1942 wirklich ein, als er sich für die Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei in den Ständerat wählen liess. Von 1943 bis 1949 war er Professor für Pflanzenbau an der ETH Zürich. 1949 wurde er als Direktor der Abteilung für Landwirtschaft an die FAO berufen. Er verbrachte in dieser Stellung erneut zehn Jahre im Ausland, zunächst in Washington und dann in Rom. Von 1958 bis 1959 hatte er die Funktion des stellvertretenden Generaldirektors der FAO inne.[2]
Bundesrat
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wahlen wurde am 11. Dezember 1958 als Vertreter des Kantons Bern in den Bundesrat gewählt, vorwiegend durch die Stimmen der Sozialdemokraten und der eigenen rechtskonservativen Partei. Sein schärfster Gegenkandidat in der Wahl war Rudolf Gnägi, der später sein Nachfolger werden sollte.
Am 31. Dezember 1965 trat Wahlen zurück. Während seiner Amtszeit stand er folgenden Departementen vor:
- 1959: Justiz- und Polizeidepartement
- 1959: Post- und Eisenbahndepartement ad interim, wegen der Erkrankung von Giuseppe Lepori
- 1960–1961: Volkswirtschaftsdepartement
- 1962–1965: Politisches Departement
Die spätere Bekanntheit von Wahlen basierte allerdings weniger auf seiner Arbeit im Bundesrat als mehr auf seinen Aktivitäten vor und nach dieser Zeit. Einige wesentliche Entscheide fielen dennoch in seine Amtszeit, wobei sich sein Einfluss darauf allerdings nicht direkt beurteilen lässt. Auf dem internationalen Parkett setzte sich Wahlen für eine Vollmitgliedschaft beim Europarat ein, diese wurde 1963 verwirklicht. Er war auch an der Vermittlerrolle der Schweiz in der UNO (in der sie zu jener Zeit noch nicht Mitglied war) interessiert. Im Jahr 1962 zeichnete sein Departement für die Beilegung des Konfliktes zwischen Frankreich und seiner ehemaligen Kolonie Algerien verantwortlich (→ Geschichte Algeriens). Weiterhin erreichte Wahlen die Bewilligung signifikanter Kredite für die Entwicklungshilfe, zunächst für die kriegsgeschädigten Nachbarländer, dann auch für die Dritte Welt.
Indem er sich 1963 für den Beitritt der Schweiz zum Moskauer Abkommen zum Verzicht auf Atomwaffen einsetzte, sorgte er dafür, dass der Schweiz der Zugang zur friedlichen Nutzung der Atomtechnologie offen blieb. Während und nach dem Krieg waren in der Schweiz verschiedene Anstrengungen unternommen worden, selber eine Atombombe zu bauen (→ Atommacht).
Am Ende der Amtszeit nahm der Protestant Wahlen deutlich gegen die in der Verfassung verankerten konfessionellen Ausnahmeartikel Stellung, die aus der Zeit des Sonderbundskrieges stammten und die Religionsfreiheit besonders der Katholiken einschränkten sowie die Beziehungen zum Ausland belasteten.
Wahlen war Bundespräsident im Jahre 1961 und Vizepräsident im Jahre 1960. Sein Nachlass wird aufbewahrt im Schweizerischen Bundesarchiv in Bern und im Archiv für Zeitgeschichte an der ETH in Zürich.
Nach dem Rücktritt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach seinem Rücktritt Ende 1965 engagierte sich Wahlen weiterhin in der Politik und beteiligte sich aktiv an mehreren Abstimmungskämpfen, darunter für die Einführung des Frauenstimmrechts 1971 sowie für die Aufhebung der konfessionellen Ausnahmeartikel 1973.[3] Angebote zum Wechsel in die Privatwirtschaft lehnte er ab. Mehrmals vertrat er den Bundesrat im Ausland, so 1971 bei der 2500-Jahr-Feier der Iranischen Monarchie. Wahlen wirkte im sogenannten «Rat der vier Weisen» mit, der eine einvernehmliche Lösung der Jurafrage finden sollte.
Ehrungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1946: Ehrendoktor der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich
- Mehrere weitere Ehrendoktortitel
- 1943 Marcel-Benoist-Preis
- 1982 Albert-Einstein-Medaille
- 1962 Ehrenbürgerrecht der Stadt Bern
Schriften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Unsere Landwirtschaft in der Kriegszeit. Die Aufgaben unserer Landwirtschaft in der Landesversorgung der Kriegszeit. Vortrag, gehalten in der Gesellschaft Schweizerischer Landwirte in Zürich am 15. November 1940 von Dr. F.T. Wahlen, Chef der Sektion für landw. Produktion und Hauswirtschaft im Eidg. Kriegsernährungsamt. Benteli, Bern, 1940.
- Das Schweizerische Anbauwerk 1940–1945. Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft, Zürich 1946
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Urs Altermatt (Hrsg.): Die Schweizer Bundesräte. Ein Biografisches Lexikon. Artemis Verlag, Zürich und München 1991, ISBN 3-7608-0702-X
- Friedrich Wahlen in: Internationales Biographisches Archiv 51/1985 vom 9. Dezember 1985, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Peter Moser: Friedrich Traugott Wahlen. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Peter Moser: Friedrich Traugott Wahlen. In: Archiv für Agrargeschichte.
- Literatur von und über Friedrich Traugott Wahlen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Zeitungsartikel über Friedrich Traugott Wahlen in den Historischen Pressearchiven der ZBW
- Friedrich Traugott Wahlen in der Datenbank Dodis der Diplomatischen Dokumente der Schweiz
- Friedrich Traugott Wahlen in der Archivdatenbank des Schweizerischen Bundesarchivs
- Ansprache von Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen zur Zivilschutzvorlage, Schweizer Radio, 21. Mai 1959
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Stellungnahme des Schweizer Bundesrates zur Motion Schibli «Förderung der inländischen Nahrungsmittelproduktion» vom 28. Februar 2007
- ↑ FAO: its origins, formation and evolution 1945–1981 [1]
- ↑ Der Bund 13. Mai 1973 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 18. Januar 2024.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Markus Feldmann | Mitglied im Schweizer Bundesrat 1959–1965 | Rudolf Gnägi |
Personendaten | |
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NAME | Wahlen, Friedrich Traugott |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Landwirtschaftler, Professor für Landwirtschaft an der ETH Zürich und Politiker (SVP) |
GEBURTSDATUM | 10. April 1899 |
GEBURTSORT | Mirchel |
STERBEDATUM | 7. November 1985 |
STERBEORT | Bern |
- Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten
- Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements
- Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements
- Ständerat (Zürich)
- SVP-Mitglied
- BGB-Mitglied
- Ehrendoktor der Universität Zürich
- Ehrenbürger im Kanton Bern
- Hochschullehrer (ETH Zürich)
- Schweizer
- Geboren 1899
- Gestorben 1985
- Mann
- Bundespräsident (Schweiz)