Georg Diederichs

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Georg Diederichs, 1969

Georg Diederichs (* 2. September 1900 in Northeim; † 19. Juni 1983 in Hannover) war ein deutscher SPD-Politiker, niedersächsischer Landtagsabgeordneter, Sozialminister und Ministerpräsident sowie einer der Väter des Grundgesetzes. Zur Zeit des Nationalsozialismus hat er als Widerständler über ein Jahr im Gefängnis und im Konzentrationslager (KZ Esterwegen) zugebracht.

Leben

Schule und Studium

Diederichs (mitte) bei einer Plenartagung des Bundesrates in Bonn, 1962.

Georg Diederichs wurde am 2. September 1900 als Sohn einer konservativen Apothekerfamilie geboren. 1918 legte Diederichs sein Abitur in Goslar ab und absolvierte eine zweijährige Apothekerlehre in der väterlichen Apotheke. Danach studierte er ab 1922 in Göttingen Staats- und Wirtschaftswissenschaften sowie Pharmazie. Während seiner Studienzeit schloss er sich dem Corps Hercynia (heute Corps Teutonia-Hercynia Göttingen) an, einer Studentenverbindung im Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV). Aus dieser Zeit trug er drei Schmisse aus 19 Mensuren deutlich sichtbar im Gesicht. Sein pharmazeutisches Staatsexamen legte er 1924 ab, im Jahr 1926 wurde er Diplom-Volkswirt.

Erstes politisches Engagement und Leben im „Dritten Reich“

Im selben Jahr begann er seine politische Tätigkeit als Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), wechselte aber 1930 zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Während der Zeit des Dritten Reichs unterstützte er Gesinnungsgenossen und Corpsstudenten materiell und organisatorisch und wurde von der Staatsmacht der „unerlaubten Parteiweiterführung“ beschuldigt. Er verbrachte ein Jahr im Gefängnis Fuhlsbüttel; anschließend war er mehrere Monate im Konzentrationslager Esterwegen interniert. Dem Einsatz seines damaligen Arbeitgebers war es zu verdanken, dass Diederichs wieder aus dem KZ entlassen wurde. Danach zog er nach Berlin. Von 1939 bis 1945 war er Soldat bei der Wehrmacht, davon drei Jahre an der Ostfront eingesetzt. Er diente als Soldat im Sanitätswesen. Sein höchster Dienstgrad war der eines Unteroffiziers.

Politische Anfänge in der Nachkriegszeit

Nach dem Krieg wurde er von der britischen Besatzungsmacht im Oktober 1945 als Bürgermeister seiner Geburtsstadt Northeim eingesetzt. Damals war die Position noch mit dem Amt des Verwaltungsleiters verbunden. Als die Funktionen Bürgermeister und Stadtdirektor im Januar 1946 getrennt wurden, entschied sich Diederichs für die ehrenamtliche Funktion des Bürgermeisters. Bald wandte er sich jedoch der Landespolitik zu und wurde 1947 als Abgeordneter in den niedersächsischen Landtag gewählt.

Wirken im Parlamentarischen Rat

Grab in Northeim

1948–1949 war er als Mitglied des verfassunggebenden Organs, des Parlamentarischen Rates, an der Gestaltung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland beteiligt. Er wurde vom Niedersächsischen Landtag in dieses Gremium gewählt. Diederichs fungierte als stellvertretender Vorsitzender der Ausschüsse für Wahlrechtsfragen und Besatzungsstatut. Er wirkte am ersten Wahlgesetz für die Bundestagswahl mit und trug in der umstrittenen Wahlrechtsfrage wesentlich zum Kompromissvorschlag eines personalisierten Verhältniswahlsystems bei.[1]

In der Landespolitik

Da ein Landtagsmandat seinerzeit noch keinen Vollzeitjob darstellte, entschied er sich 1950 dazu die Ratsapotheke in Hannover zu pachten und neben dem Mandat seiner gelernten Tätigkeit als Apotheker nachzugehen. Als mit der Zeit seine politischen Ämter immer bedeutender und zahlreicher wurden, gab er die Apotheke jedoch auf.

Von 1947 bis 1955 fungierte er als stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im niedersächsischen Landtag. Von 1952 bis 1955 war Diederichs Vorsitzender des Ausschusses für innere Verwaltung und hatte maßgeblichen Einfluss auf die Neugestaltung der niedersächsischen Gemeindeverfassung. Ab 1955 war er Vizepräsident des Landtages. 1957 wurde er niedersächsischer Sozialminister und vom 29. Dezember 1961 bis zum 8. Juli 1970 war er Ministerpräsident des Landes Niedersachsen. Während der 1950er Jahre gehörte er zu den klaren Gegnern der Atomenergie in der SPD.

Es ist dem maßgeblichen Wirken Diederichs zu verdanken, dass 1965 das Konkordat zwischen der Katholischen Kirche und dem Lande Niedersachsen zustande kam, welches vor allem in seiner eigenen Partei sehr umstritten war.

Seine herausragenden Verdienste finden sich im Ausbau des Bildungswesens und bei den Strukturverbesserungen in ländlichen Gemeinden. Diederichs war noch im hohen Alter Präsident des Roten Kreuzes in Niedersachsen. Georg Diederichs starb 1983 in Hannover. Sein Grab befindet sich auf dem Stadtfriedhof von Northeim.

Sonstiges

Nach Georg Diederichs war bis zum Schuljahresbeginn 2009/2010 eine Hauptschule in Clausthal-Zellerfeld benannt. Anlässlich seines 21. Todestages erfolgte am 22. Juni 2004 die Enthüllung einer Göttinger Gedenktafel[2] für ihn[3] am Haus des Corps Teutonia-Hercynia durch seine Witwe Karin-Rut Diederichs.

Gerne zitiert wird sein Ausspruch „Soll der große Wurf gelingen, müssen beide Flügel schwingen“, der auf den linken und den rechten Parteiflügel anspielt.

Im Volksmund wurde Georg Diederichs oftmals „Schorse“[4][5] genannt.

Diederichs begeisterte sich für den Physiker Georg Christoph Lichtenberg, dessen Aphorismen er sehr mochte.

Auszeichnungen und Ehrungen

  • In Northeim erinnert mit dem Georg-Diederichs-Ring eine Straße an den Politiker.

Quellen

Commons: Georg Diederichs – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Notz/Wickert: Die geglückte Verfassung. 2009 S. 66.
  2. Stadtarchiv Göttingen: Gedenktafeln.
  3. http://www.stadtarchiv.goettingen.de/personen/diederichs.htm.
  4. SPD-Niedersachsen: My fair Daddy. In: Der Spiegel. Nr. 47, 1969, S. 128 (online17. November 1969). Zitat: „… seit Ende 1961 amtierenden Ministerpräsidenten Dr. Georg (‚Schorse‘) Diederichs …“
  5. Puppen tanzen. In: Der Spiegel. Nr. 24, 1970, S. 33 (online8. Juni 1970). Zitat: „… eine Große Koalition unter Führung des früheren Apothekers Georg (‚Schorse‘) Diederichs.“
  6. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF; 6,9 MB).