Hans F. K. Günther

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Hans F. K. Günther (Scherl-Bilderdienst 1936)

Hans Friedrich Karl Günther (* 16. Februar 1891 in Freiburg im Breisgau; † 25. September 1968 ebenda) war ein deutscher Philologe, der in der Weimarer Republik und in der Zeit des Nationalsozialismus als Rassentheoretiker tätig war und als „Rassengünther“,[1] „Rasse-Günther“[2] oder „Rassepapst“[2] bekannt wurde. Er gilt neben Houston Stewart Chamberlain[3] als einer der Urheber der nationalsozialistischen Rassenideologie.

Biografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weimarer Republik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Studium und Kriegsteilnahme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hans Friedrich Karl Günther wurde als Sohn eines Kammermusikers geboren. Er studierte vergleichende Sprachwissenschaft und Germanistik an der Universität Freiburg, besuchte jedoch auch naturwissenschaftliche Vorlesungen über Zoologie und Geographie und hörte Vorlesungen bei Eugen Fischer. Das Sommersemester 1911 verbrachte er an der Sorbonne in Paris. Im Jahr 1914 wurde er in Freiburg zum Dr. phil. promoviert und meldete sich anschließend als Kriegsfreiwilliger. Aufgrund einer Erkrankung verbrachte er mehrere Monate im Krankenhaus und war während des Ersten Weltkriegs beim Roten Kreuz tätig.

Auf dem Weg zur NSDAP[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1919 legte Günther die Kriegsteilnehmerprüfung für das höhere Lehramt an Schulen ab und war im Probedienst tätig. Günther verstand sich jedoch als politischer Schriftsteller. Sein Erstlingswerk (nach der Dissertation) war die „Bekenntnisschrift“ mit dem Titel Ritter, Tod und Teufel. Der heldische Gedanke. Heinrich Himmler war 1924 von diesem Buch sehr beeindruckt.

Von 1920 bis 1922 erstellte Günther im Auftrag seines völkischen[4] Verlegers Julius Friedrich Lehmann sein populäres Hauptwerk Rassenkunde des deutschen Volkes. Adolf Hitler besaß vier Ausgaben dieses Werks, die ihm von Lehmann, dreimal mit Widmungen, überreicht wurden: In der dritten Ausgabe von 1923 heißt es: „dem erfolgreichen Vorkämpfer des deutschen Rassengedanke“; die 1928er Ausgabe wurde mit einem „Weihnachtsgruss“ übersandt; und in der 14. Ausgabe von 1930 bezeichnet Lehmann Hitler als „Bahnbrecher des Rassengedankens“.[5] Diese letzte Ausgabe in Hitlers Büchersammlung, mit einem ausführlichen Anhang über europäische Juden, trägt viele Gebrauchsspuren.

1922 studierte Günther am Anthropologischen Institut der Universität Wien und arbeitete im Museum für Tier- und Völkerkunde in Dresden bei Bernhard Struck. Ein weiteres Studium folgte 1922 bei Theodor Mollison in Breslau. Auch 1922 wurde Günther Mitglied im national-völkischen Deutschbund, später in einer Nebenzelle der Artamanen. Seit 1923 lebte er zusammen mit seiner zweiten Frau, einer Norwegerin, in Skandinavien. Er erhielt gelegentlich von verschiedenen Universitäten wissenschaftliche Aufträge, unter anderem von der Universität Uppsala und vom schwedischen Staatsinstitut für Rassenbiologie des Herman Lundborg. In Norwegen lernte Günther Vidkun Quisling kennen und schätzen. Er verkehrte in deutschen nationalsozialistischen Kreisen. Der völkische Architekt und Schriftsteller Paul Schultze-Naumburg vermittelte ihm Kontakte zu Richard Walther Darré und Baldur von Schirach.

Im Januar 1929 veröffentlichte der von dem späteren NS-Chefideologen Alfred Rosenberg gegründete Kampfbund für deutsche Kultur seine ersten Mitteilungen, in denen Künstler wie beispielsweise Rainer Maria Rilke, Hugo von Hofmannsthal und Max Liebermann als Träger „internationalistischer“ Ideen diffamiert wurden. Zur Lektüre empfohlen wurden den Kampfbund-Mitgliedern stattdessen – neben Gedichten von Baldur von Schirach und völkischen Schriften von Otto Bangert, Maria Kahle, Agnes Miegel oder Bogislav von Selchow – insbesondere auch die Schriften von Hans F. K. Günther.[6]

Finanzielle Engpässe zwangen Günther 1929 zur Rückkehr nach Deutschland. In Dresden musste er von einer halben Lehrerstelle existieren, bis Wilhelm Frick, der erste nationalsozialistische Minister in einem deutschen Land, ihm 1930 gegen den Willen der Universität Jena zu einem eigens für ihn eingerichteten Lehrstuhl für Sozialanthropologie verhalf.[7] Günther hatte in akademischer Hinsicht außer seiner Promotion hierfür keinerlei Voraussetzungen, was zu scharfen Protesten von Ordinarien aus ganz Deutschland führte. Seine Antrittsvorlesung erhielt durch die Anwesenheit Hitlers, der die Einrichtung eines Lehrstuhls für „Rassefragen und Rassenkunde“[8] in Jena angeregt haben soll, und Hermann Görings symbolhafte Bedeutung.

Günther war Protagonist der Nordischen Bewegung.[9] Seit 1930 war er Herausgeber der vom Nordischen Ring, später (ab 1936) Nordischer Ring in der Nordischen Gesellschaft, veröffentlichten Zeitschrift Rasse. Monatsschrift der Nordischen Bewegung.[10]

1931 verübte der zur Tatzeit 17-jährige Karl Dannbauer aus Wien auf Günther einen Anschlag und verletzte ihn am Arm. Obwohl Dannbauer nicht parteipolitisch gebunden war, instrumentalisierten die Nationalsozialisten seine Tat als „Mordhetze des Marxismus“.[11] Dannbauer selbst gab vor Gericht an, gegen die „wissenschaftlichen Köpfe“ der NS-Bewegung vorgehen zu wollen, um das Proletariat zu schützen.[12]

Zum 1. Mai 1932 trat Günther der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 1.185.391).[13]

Zeit des Nationalsozialismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Karriere und Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vortrag über „Vererbung oder Erziehung“

1935 wurde Günther ordentlicher Professor für Rassenkunde, Völkerbiologie und ländliche Soziologie an der Universität Berlin. Am 1. November 1935 holte er sich die spätere Angestellte der Rassenhygienischen Forschungsstelle, Sophie Ehrhardt, an sein Berliner Universitätsinstitut für Völkerbiologie, ländliche Soziologie und Bauerntumsforschung. Ehrhardt schrieb in jener Zeit in einem Aufsatz der Zeitschrift für ärztliche Fortbildung, dass das deutsche Volk über das Recht verfüge, „bewusst Rassenpolitik sowie Auslese“ zu treiben. Selektiert werden müssten, wie sie schrieb, „geistig Minderwertige“, „Rheinlandbastarde“ und vor allem „die Juden“.[14] Von 1940 bis 1945 war Günther Professor und Institutsdirektor an der Universität Freiburg.

Günther stützte sich in seiner Lehre auf Arthur de Gobineaus Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen und auf Houston Stewart Chamberlains Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts. Er war von „der kulturellen Überlegenheit der nordischen Rasse und der Abträglichkeit der Rassenmischung“ überzeugt und erhielt in der Zeit des Nationalsozialismus zahlreiche Ehrungen.[15] So war er 1935 der erste Preisträger des Preises der NSDAP für Wissenschaften, 1937 erhielt er die Rudolf-Virchow-Plakette der Deutschen Philosophischen Gesellschaft. 1941 erhielt er von Hitler die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft.

Kontakte zu Rosenberg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 3. Dezember 1936 schrieb Alfred Rosenberg an Walther Darré, dass er mit Günther zu der Übereinkunft gekommen sei, dass der „Nordische Ring“ als Organisation aufgelöst werde. Der Name „Nordischer Ring“ bleibe jedoch bestehen, werde allerdings auf ein neues Gremium, das dem „Obersten Rat“ der „Nordischen Gesellschaft“ unterstehen soll, übertragen.[16]

Am 19. November 1936 wurden die Wissenschaftler Ninck und Otto Höfler im Zusammenhang mit dem Thema Die Lage der indogermanischen Religionsforschung von Rosenberg und Mitarbeitern des zu diesem Zeitpunkt in Jena als Professor arbeitenden Hans F. K. Günther scharf angegriffen.[17]

Am 26. März 1941 eröffnete Alfred Rosenberg im Rahmen seiner geplanten Hohen Schule das Institut zur Erforschung der Judenfrage.[18] Hans F. K. Günther nahm an der dreitägigen Veranstaltung als Ehrengast teil. In den Vorträgen wurde der „Volkstod“ der Juden als Ziel formuliert. Er sollte durch „Verelendung der europäischen Juden bei Zwangsarbeit in riesigen Lagern in Polen“ erreicht werden. Klaus Schickert formulierte in seinem Beitrag über die Judengesetze in Südosteuropa: „Die Dinge treiben mit einer zunehmenden Geschwindigkeit ihrer Endlösung entgegen.“[19] Und Alfred Rosenberg sagte in seiner Rede: „Das Wort Richard Wagners: ,Der Jude ist der plastische Dämon des Verfalls der Menschheit‘, zeigt über alles Zufällige hinaus die Symbolik der geschichtlichen Lage.“[20]

Rassenideologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausgehend von seinem Werk Ritter, Tod und Teufel wurde Günther zum Begründer des sogenannten „nordischen Gedankens“, mit dem die vermeintliche Gefährdung der „nordischen Rasse“ propagiert und Wege aufgezeigt wurden, diese durch „Aufnordung“ biologisch aufzuwerten. Dadurch sollte dem Bauerntum zu neuer Größe verholfen und die notwendige „Entstädterung“ eingeleitet werden.

Jedem von Günther entwickelten Menschentyp schrieb er bestimmte seelische Eigenschaften zu, die gemeinsam mit den äußerlichen Rassemerkmalen vererbt würden. Dabei entwickelte er im Laufe seiner nationalsozialistischen Karriere eine „Wertigkeitsskala“:

  • Die „nordische Rasse“ sollte sich besonders durch Merkmale wie „Urteilsfähigkeit“, „Wahrhaftigkeit und Tatkraft“ auszeichnen. Weiter seien dabei der „Gerechtigkeitssinn“, das „Einzeltum“, die „Leidenschaftslosigkeit“ wie auch „Zurückhaltung bei der Geschlechtlichkeit“ besonders kennzeichnend für diese Rasse.
  • Dagegen zeichne sich die „westische (mediterrane) Rasse“ durch „Leidenschaftlichkeit“ und „geistige Beweglichkeit“ sowie „Heiterkeit“ und „Geselligkeit“ aus.
  • Der „ostischen Rasse“ bzw. „alpinen Rasse“[21] – gemeint sind dabei entgegen der verwirrenden Begrifflichkeit Personen, die überwiegend im Südwesten des deutschen Sprachraums leben – schreibt er „Verschlossenheit“, „Geduld“ und „Fleiß“ zu, wobei diese „empfänglich für Leitung und Führung“ sowie „bequem“ und damit „fügsam als Untertan“ sei und eine besondere „Anhänglichkeit an Familie und Örtlichkeit“ habe.
  • Als weiteren Typ beschreibt Günther die „dinarische Rasse“ (nach dem Dinarischen Gebirge), die sich durch ihren „besonderen Sinn für Ehre“ auszeichne und „überall eine stark vaterländische, besser: heimatliche Gesinnung“ habe. Besonders bemerkenswert an dieser Rasse sei „Verlässlichkeit“, „Tapferkeit“ und „Stolz“. Sie habe eine „gewisse händlerische und kaufmännische Begabung“ und neige „zu leichter Erregbarkeit“ sowie „zu schnellem Aufbrausen, ja zum Jähzorn und zu besonderer Rauflust“. Die dinarische Rasse sei darüber hinaus „gutmütig“, „derb“, „roh“ und „sentimental“.

In seinen Vergleichen stellt Günther die „nordische Rasse“ als höchstentwickelte, aber auch als am stärksten in ihrem Bestand gefährdete Rasse dar. Seine Theorien wurden zeitweise zur maßgeblichen ideologischen Grundlage der nationalsozialistischen Rassenpolitik, die nicht nur zum Holocaust an den Juden und den Völkermord an den als „Zigeuner“ Verfolgten, sondern auch zur Ermordung zahlloser Angehöriger der als minderwertig diskriminierten slawischen Völker führte. Allerdings hielt Günther selbst das Thema Judentum für untergeordnet und meinte bereits in den zwanziger Jahren, der Begriff des Ariers sei veraltet. Das hinderte ihn allerdings nicht, sich in seiner Rassenkunde ausgiebig antisemitischer Klischees zu bedienen. Sein Wunsch war, dass die Juden nach „Palästina oder ein anderes, ihren Erbanlagen angemessenes Gebiet“ auswandern.

Das deutsche Volk sollte „aufgenordet“ werden. Das Wort „Aufnordung“ hatte er von Ludwig Ferdinand Clauß übernommen, der damit allerdings keine Züchtungsgedanken, sondern eine gesellschaftliche Förderung bestimmter, von ihm als „nordisch“ (nord-west-europäisch) aufgefasster Kulturelemente verband. Bei Günther wurde dieser ursprünglich rein kulturell gedachte Prozess biologisch umgedeutet und in diesem Zusammenhang so prominent, dass die ursprüngliche Bedeutung nahezu in Vergessenheit geriet. Die Leitsätze der Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene stellten dabei für Günther in seinem Buch Der nordische Gedanke unter den Deutschen, 2. Auflage 1927, nur die Mindestforderung dar. Dort war langfristig die Zwangssterilisation „minderwertiger“ Menschen sowie deren schnellstmögliche Isolation in Arbeitslagern vorgesehen. Günther befürwortete nicht nur in weitem Umfang Zwangssterilisationen von Menschen mit „minderwertigen Erbanlagen“, sondern auch Zwangsabtreibungen oder die Deportation von Kindern schwarzafrikanischer französischer Besatzungssoldaten und deutscher Mütter, die als „Rheinlandbastarde“ diffamiert wurden. Er war somit einer der Vordenker der nationalsozialistischen Rassenhygiene.

Für die Verbreitung von Günthers Theorien sorgte unter anderem Theodor Fritschs Handbuch der Judenfrage, das bis 1944 eine Auflage von 330.000 Exemplaren erreichte, im Kapitel Rassenkunde des deutschen Volkes.

Zeitgenössische Kritiker von Günthers Nordizismus waren unter anderen Karl Saller,[22] Friedrich Merkenschlager,[23] Ernst Kretschmer[24] sowie Friedrich Keiter.[25]

Nachkriegszeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die letzten Kriegstage verbrachte Günther bei seinem Freund Paul Schultze-Naumburg in Weimar. Er floh vor der anrückenden Roten Armee nach Baden-Württemberg, wurde dort kurz nach Kriegsende von der französischen Besatzungsmacht verhaftet und bis 1948 interniert. Nach Entlassung aus französischer Lagerhaft wurde er 1949 in einem Entnazifizierungsverfahren von der Spruchkammer Freiburg als „Minderbelasteter“ eingeordnet. Nach einem Berufungsverfahren 1951, in dem Vertreter der Universität Freiburg vortrugen, Günther habe sich in seiner Rassenkunde an Grenzen gehalten, die auch von Gelehrten dieses Zweiges der Wissenschaft anderer Staaten eingehalten worden wären, wurde er als „Mitläufer“ eingestuft und aus dem Universitätsdienst entlassen, konnte aber weiterhin publizistisch tätig sein.[26]

Auch nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft zog Günther seine Theorien nicht zurück. Im unter seinem Namen Ende 1951 überarbeiteten und wiederaufgelegten Buch Gattenwahl (Erstauflage 1941) unterbreitete er in den 1950er Jahren noch – nach Auffassung heutiger Literatur damals allgemein konsensfähige – Warnungen wie beispielsweise vor der Heirat mit „Zuckerkranken, Frauenrechtlerinnen und Gewohnheitstrinkern“. In dem Schlusskapitel dieses Buches verharmloste er die Zwangssterilisationen der Zeit des Nationalsozialismus und stellte die gesetzlich vorgeschriebenen Ehegesundheitszeugnisse als richtungweisend dar.

Günther, der in seinen letzten Lebensjahren in Emmendingen lebte, publizierte auch nach 1945, unter anderem unter den Pseudonymen Ludwig Winter und Heinrich Ackermann. Auch in rechtsextremen Zeitschriften wie Nation und Europa wurden seine Werke weiterhin abgedruckt.[27] In seiner Schrift Der Begabungsschwund in Europa, die 1959 im Verlag Hohe Warte des rechtsextremen Bundes für deutsche Gotterkenntnis erschien, warnte er vor einer zunehmenden „Verdummung der Bevölkerung“, weil sich die sittlich Haltlosen unkontrolliert und die Begabten viel zu selten fortpflanzten. Der „Untergang des Abendlandes könne nur durch eine überlegte Familienpolitik aufgehalten werden, die von den Tatsachen der Vererbung, Siebung, Auslese und Ausmerze ausgingen“. Unter Pseudonym war er leitendes Mitglied der international tätigen Northern League, die sich als Schützer einer nordischen Rasse verstand.[28]

Die nationalsozialistischen Verbrechen verharmloste Günther bis an sein Lebensende. „Wie viele Greuel wurden über das Konzentrationslager Buchenwald zusammengelogen“, schrieb er in Mein Eindruck von Adolf Hitler.

Ein Teil des Nachlasses Günthers wurde vom Anthropologischen Institut der Universität Mainz übernommen.

Wirkungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Günther war zwischen den beiden Weltkriegen einer der meistgelesenen und umstrittensten deutschen Publizisten, dessen Schriften (wenn auch nach 1945 nur noch in kleiner Auflage) noch bis in die 1960er Jahre herausgegeben wurden und ein Publikum fanden.

Seine nationalsozialistische Rassenlehre wurde, wie in einem Aufsatz von Friedrich Keiter 1932,[29] zunächst auch offen kritisch betrachtet (so schrieb Keiter etwa: „Man geht fehl, wenn man den von Hans F. K. Günther entfachten Rassenglauben aus der Naturwissenschaft ableitet; er gehört in die Geistesgeschichte. […]“).[30] Die Rassenkunde des deutschen Volkes erlebte allein bis 1933 16 Auflagen in über 50.000 Exemplaren.

Nicht zuletzt aufgrund seiner Schriften verfünffachten sich zwischen 1922 und 1927 die in Deutschland publizierten Presseartikel zum Thema Rasse. Ab 1929 erschien zudem eine Kurzfassung mit dem Titel Kleine Rassenkunde des deutschen Volkes. Diese populäre Ausgabe, vom Verlag auch als „Volksgünther“ gepriesen, erreichte bis 1935 das 145. Tausend der Gesamtauflage und bis 1942 das 295. Tausend.[31]

Mit seinen rund 30 zwischen 1920 und 1944 veröffentlichten rassenideologischen Büchern handelte sich der Schriftsteller den Spitznamen „Rassengünther“ ein.[32]

Im August 1933 traf sich Günther in Jena mit dem Soziologen und Zionisten Arthur Ruppin.[33] Dieses Zusammentreffen wurde 2019 Gegenstand von Dani Gals Film White City, „in dem der Künstler Berührungspunkte im Denken von Zionisten und Nationalsozialisten nachvollziehbar macht“. Was bei dieser Begegnung zwischen Günther und Ruppin gesprochen wurde, „hat Gal aus Tagebucheinträgen Ruppins konstruiert“.[34]

Vor allem in den Vereinigten Staaten, wo die Politik der Rassentrennung in einigen Bundesstaaten bis Mitte der 1960er Jahre gesetzlich verankert und erst durch den Civil Rights Act von 1964 abgeschafft worden war, wurden Günthers Rassetypologien und Anschauungen auch nach 1945 noch geschätzt, was unter anderem dazu führte, dass ihn die American Society of Human Genetics 1953 zum korrespondierenden Mitglied wählte.

Die NPD verwendet in dem politischen Lexikon auf ihrer Website Hans F. K. Günther als Quelle zur Erklärung des Begriffs „Rasse“:

„Rasse ist eine Menschengruppe, welche bei allen ihren Vertretern ein in der Hauptsache gleiches leiblich-seelisches Bild zeigt.“

Hans F. K. Günther, bedeutender Anthropologe

Veröffentlichungen (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Monographien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verlagsanzeige (1936)

Als Herausgeber[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • mit Auguste Reber-Gruber: Rasse. Monatsschrift für den nordischen Gedanken. Hrsg. im Auftrag des Nordischen Ringes in der Nordischen Gesellschaft von HFKG. Teubner, Leipzig/Berlin 1934–1944.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Historische Hintergründe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Karl Saller: Die Rassenlehre des Nationalsozialismus in Wissenschaft und Propaganda. Progress, Darmstadt 1961.
  • Hans-Jürgen Lutzhöft: Der Nordische Gedanke in Deutschland 1920–1940. Klett, Stuttgart 1972, ISBN 3-12-905470-7.
  • Peter Emil Becker: Wege ins Dritte Reich (Teil II). Sozialdarwinismus, Rassismus, Antisemitismus und Völkischer Gedanke. Thieme, Stuttgart/New York 1990, ISBN 3-13-736901-0.
  • Rasse-Günther – Das Wort nordisch. In: Der Spiegel. 1/1952.
  • Uwe Hoßfeld: Die Jenaer Jahre des ‚Rasse-Günther’ von 1930 bis 1935: Zur Gründung des Lehrstuhls für Sozialanthropologie an der Universität Jena. In: Medizinhistorisches Journal 34,1 (1999), S. 47–103.

Monografien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Friedrich Hertz: Hans Günther als Rassenforscher. Philo-Verlag, Berlin 1930. (Erkenntniskritischer Ansatz).
  • Elvira Weisenburger: Hans Friedrich Karl Günther, Professor für Rassenkunde. In: Michael Kißener, Joachim Scholtyseck (Hrsg.): Die Führer der Provinz. NS-Biographien aus Baden und Württemberg (= Karlsruher Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus 2). UVK, Konstanz 1997, ISBN 3-87940-566-2, S. 161–199.
  • Erich Freisleben: Grundelemente der Rassenkunde und Rassenhygiene der Weimarer Zeit. Eine Untersuchung zu zwei Standardwerken. Dissertation. Freie Universität Berlin 2003.
  • Peter Schwandt: Hans F. K. Günther. Porträt, Entwicklung und Wirken des rassistisch-nordischen Denkens. VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2008, ISBN 978-3-639-01276-7.
  • Sabrina Rogahn: Rassismus popularisieren. Hans F. K. Günthers „Rassenkunden“ in der Rezensionsliteratur 1922–1942. Campus, Frankfurt a. M. 2022, ISBN 978-3-593-51635-6.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Hans F. K. Günther – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ute Felbor: Das Institut für Vererbungswissenschaft und Rasseforschung der Universität Würzburg 1937–1945. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen, Band 11, 1993, S. 155–173, hier: S. 162.
  2. a b Rasse-Günther – Das Wort nordisch. In: Der Spiegel, 1/1952.
  3. Claus-Ekkehard Bärsch: Die politische Religion des Nationalsozialismus. 2., vollst. überarb. Aufl., München 2002, ISBN 3-7705-3172-8.
  4. Hans-Peter Kröner: Günther, Hans Friedrich Karl. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 515.
  5. Timothy Ryback: Hitler’s Private Library: The Books that Shaped His Life. New York 2008, S. 110. Lehmann hatte Hitler auch die 14. Ausgabe von 1930 übersandt, und Hitler besaß zwei andere Bücher von Günther. Die Originalwidmungen sind in Ambrus Miskolczy: Hitlers Library. Budapest 2003, S. 94.
  6. Jan-Pieter Barbian: Literaturpolitik im »Dritten Reich«. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder. Überarb. und aktualisierte Auflage, Nördlingen 1995, ISBN 3-423-04668-6, S. 56 ff.
  7. Tom Bräuer, Christian Faludi: Die Universität Jena in der Weimarer Republik. Steiner, Stuttgart 2013, S. 347–372.
  8. Blanke Weber: Rassenwahn und Intrigen. Uni Jena und die NS-Zeit. Deutschlandfunk.
  9. Stefan Breuer: Die Völkischen in Deutschland. Darmstadt 2008, ISBN 978-3-534-21354-2, S. 115.
  10. W. Benz, H. Graml, H. Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus. 3. Auflage. München 1998, S. 615.
  11. Sozialdemokratischer Pressedienst, 27. Aug. 1931.
  12. Das Attentat gegen Prof. Günther vor Gericht. In: Jenaische Zeitung, 20. Aug. 1931, S. 4.
  13. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/12470322
  14. Hans Joachim Lang: Ein schöner Einblick in die Forschungsarbeit. Vorbereitende Beiträge Tübinger Wissenschaftler für die Zwangssterilisation und Ermordung deutscher Sinti. In: Ulrich Hägele (Hrsg.): Sinti und Roma und wir. Ausgrenzung, Internierung und Verfolgung einer Minderheit, Tübingen, S. 79. (Angegebene Quelle: Sophie Ehrhardt: Das Bild des deutschen Menschen. In: Zeitschrift für ärztliche Fortbildung, Jg. 1934, S. [um die 265].)
  15. Hans-Peter Kröner: Günther, Hans Friedrich Karl. In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. 2005, S. 515 (zitiert).
  16. Gerd Simon: Chronologie Nordistik. Schwerpunkt Otto Höfler, Version vom 3. Juni 2004, S. 20. (Quelle: Bundesarchiv, BA NS 8/173, Bl. 151–152.) Online verfügbar: Universität Tübingen (Abger. 28. September 2008; PDF; 384 kB)
  17. Dieter Schiefelbein: Das Institut zur Erforschung der Judenfrage Frankfurt am Main. Vorgeschichte und Gründung 1935–1939. Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-88270-803-4, S. 15 f. (Quelle: BA, NS 21/556 K, Huth an Sievers).
  18. Anja Heuss: Kunst- und Kulturgutraub. Heidelberg 1999, ISBN 3-8253-0994-0, S. 100 f.; Willem de Vries: Kunstraub im Westen 1940–1945. Alfred Rosenberg und der Sonderstab Musik. Frankfurt a. M. 2000, ISBN 3-596-14768-9, S. 97.
  19. Klaus Schickert: Weltkampf. Die Judenfrage in Geschichte und Gegenwart. Jg. Heft 1/2, (April–September) 1941, S. 42; Reinhard Bollmus: Das Amt Rosenberg und seine Gegner. Studien zum Machtkampf im nationalsozialistischen Herrschaftssystem. München 1970, S. 120 (Quelle: Rede zur Eröffnung des Instituts zur Erforschung der Judenfrage, 26. März 1941, in: Weltkampf, Jg. 1941, Heft 1/2, S. 64–72) (2. Aufl. 2006, ISBN 3-486-54501-9).
  20. Zitiert in Léon Poliakov, Josef Wulf: Das Dritte Reich und seine Denker. München u. a. 1978, S. 142 (Quelle: „Das Archiv“, März 1941, S. 1150–1153; vgl. Dokument CXLIII – 305/306).
  21. Günther benützte die Ausdrücke „ostische Rasse“ und „alpine Rasse“ synonym, vgl. Helmut Heiber: Der Generalplan Ost. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Dokumentation 6 (1958), Heft 3, S. 306 (PDF).
  22. Horst Gies: Richard Walther Darré. Der „Reichsbauernführer“, die nationalsozialistische „Blut und Boden“-Ideologie und Hitlers Machteroberung. Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2019, ISBN 978-3-412-50291-1, S. 263.
  23. Horst Gies: Richard Walther Darré. Der „Reichsbauernführer“, die nationalsozialistische „Blut und Boden“-Ideologie und Hitlers Machteroberung. 2019, S. 85.
  24. Jutta Person: Der pathographische Blick. Physiognomik, Atavismustheorien und Kulturkritik 1870–1930. Königshausen & Neumann, Würzburg 2005, ISBN 3-8260-3135-0, S. 235.
  25. Ute Felbor: Rassenbiologie und Vererbungswissenschaft in der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg 1937–1945. Königshausen & Neumann, Würzburg 1995 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Beiheft 3; zugleich Dissertation Würzburg 1995), ISBN 3-88479-932-0, S. 115 f.
  26. Uwe Hoßfeld: Hans F. K. Günther. In: Michael Fahlbusch, Ingo Haar, Alexander Pinwinkler: Handbuch der völkischen Wissenschaften. Akteure, Netzwerke, Forschungsprogramme. Walter de Gruyter, 2017, S. 252.
  27. So z. B. in Ausschnitten sein Werk von 1940: Formen Urgeschichte der Ehe. In: Nation Europa. Band 7, Nr. 12, 1957, S. 20 ff.
  28. Andrew S. Winston: Shared Eugenic Visions: Raymond B. Cattell and Roger Pearson. Institute for the Study of Academic Racism, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 18. August 2015; abgerufen am 25. Juni 2015.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ferris.edu
  29. Friedrich Keiter: Günthers Rassenlehren. In: Deutsche Sängerschaft. Band 5, 1932, S. 199–204.
  30. Ute Felbor: Rassenbiologie und Vererbungswissenschaft in der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg 1937–1945. Königshausen & Neumann, Würzburg 1995, ISBN 3-88479-932-0 (Zugleich Dissertation Würzburg 1995), S. 98–100, 115–119.
  31. Michael Vetsch: Ideologisierte Wissenschaft. Rassentheorien in der deutschen Anthropologie zwischen 1918 und 1933. Lizenziatsarbeit in Neuester Geschichte. Bern 2003, S. 34 (uni-hamburg.de [PDF; abgerufen am 9. März 2020]).
  32. Michael Vetsch: Ideologisierte Wissenschaft. Rassentheorien in der deutschen Anthropologie zwischen 1918 und 1933. S. 34.
  33. Shlomo Sand: Die Erfindung des jüdischen Volkes. Israels Gründungsmythos auf dem Prüfstand. Propyläen, Berlin 2011, ISBN 978-3-549-07376-6, S. 388, Fn. 489.
  34. Carmela Thiele: Revision der Moderne: Weissenhof City – Von Geschichte und Gegenwart der Zukunft einer Stadt. In: Die Tageszeitung, 12. August 2019, S. 16. Der Film ist Teil einer Ausstellung über die Weißenhofsiedlung in der Staatsgalerie Stuttgart, über die Carmela Thiele berichtet. Zu den Tagebüchern siehe: Arthur Ruppin: Briefe, Tagebücher, Erinnerungen. Veröffentlichung des Leo Baeck Instituts, herausgegeben von Schlomo Krolik. Jüdischer Verlag Athenäum, Königstein im Taunus 1985, ISBN 3-7610-0368-4.
  35. S. 12–20: „Dieser Abschnitt lehnt sich im wesentlichen“ … an dieses Buch an, in Theodor Fritsch (Hg.): Handbuch des jüdischen Volkes. Online-Version eines Reprints. Verlagsprofil des Reprints beachten: Roland Bohlinger