Tradwife

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Diese Kühlschrank-Werbung aus den 1940er-Jahren repräsentiert den von vielen Tradwives idealisierten Lebensstil.

Tradwife (Plural: Tradwives; Kurzform für traditional wife, zu Deutsch „traditionelle Ehefrau“) ist ein Neologismus, der Ende der 2010er Jahre in den Social Media aufgekommen ist. Mit ihm beschreiben sich einige Frauen in der westlichen Welt selbst, die sich ausdrücklich für ein Leben entscheiden, das überlieferten Geschlechterrollen entspricht. Tradwives verzichten auf eine berufliche Karriere im klassischen Sinne und propagieren ein Dasein als Mutter und Hausfrau. Dieser Lebensstil wird in aller Regel von den Betroffenen als Akt der Selbstverwirklichung gesehen.

Tradwives präsentieren ihr Leben auf Social-Media-Plattformen wie TikTok oder Instagram und agieren dort als Influencerinnen. Verschiedentlich wird Tradwives eine inhaltliche Nähe zu rechtsextremen und antifeministischen Ideologien vorgeworfen.

Begriff und Inszenierung als Tradwife[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Phänomen der Tradwives sowie der dazugehörige Hashtag in den sozialen Medien stammen ursprünglich aus den USA.[1] Zu Beginn der 2020er Jahre erlangten Tradwives aber auch in Europa Bekanntheit – beispielsweise in Frankreich,[2] Deutschland,[3] Großbritannien[4] und den Niederlanden.[5]

Tradwives orientieren sich stark an traditionellen Werten wie Ehe und Familie – Letzteres aber vor allem im Sinne der heterosexuellen Kleinfamilie.[1] In aller Regel üben sie selbst keine berufliche Tätigkeit aus, sondern konzentrieren sich auf die Verrichtung von Sorge- sowie Haus- und Familienarbeit. Diese Arbeiten werden in diesem Zusammenhang positiv dargestellt und erfahren so eine Ästhetisierung.[6] Darüber hinaus legen Tradwives viel Wert darauf, ihrem Ehemann zu gefallen und sich um ihn zu kümmern.[7] Mehrmals wurde darauf hingewiesen, dass die Selbstinszenierung der Tradwives stark an das Familien- und Frauenideal der 1950er erinnert.[2][8][9] Allerdings lässt sich ein solches Leben oftmals nur dann führen, wenn der Ehemann genug Geld verdient, um die Familie ernähren zu können.[9]

Einige Tradwives beziehen sich auf den Feminismus und ihr Recht, sich den eigenen Lebensstil selbst aussuchen zu dürfen.[7][9] Von anderen von ihnen ist demgegenüber zu hören, dass Femininität besser als Feminismus und das Patriarchat zu begrüßen sei.[10] Die Philosophin Catherine Newmark äußerte den Verdacht, dass das Phänomen der Tradwives dadurch zu erklären sei, dass das gesellschaftliche Ideal der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für viele Frauen kaum zu erreichen ist.[9]

Die meisten Tradwives sind weiß, es gibt allerdings eine wachsende Anzahl Schwarzer Frauen, die sich für ein traditionell geprägtes Ehe- und Familienleben entscheiden. Der Begriff Tradwife wird hier jedoch eher vermieden. Stattdessen sprechen diese Frauen davon, selbst in einer „traditionellen“ bzw. „biblischen“ Ehe zu leben. Die Betroffenen sehen diesen Lebensstil als Mittel gegen Überarbeitung und ökonomische Unsicherheit.[11]

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Vorwurf gegenüber Tradwives lautet, dass sie ein sexistisches Familienbild propagieren. Die Kommunikationswissenschaftlerin Ashley A. Mattheis erkennt bei Tradwives das Bedürfnis, sich einem starken Mann unterordnen zu wollen.[12] Der von vielen Tradwives propagierte Verzicht auf Erwerbsarbeit und finanzielle Eigenständigkeit sowie die von einigen behauptete vermeintliche Dichotomie zwischen Weiblichkeit und Feminismus werden ebenfalls kritisiert. Aufgrund dieser Aspekte wird Frauen, die sich als Tradwives identifizieren, von mehreren Seiten vorgeworfen, antifeministisch zu sein, auch wenn sie sich selbst nicht so sehen oder äußern.[13][14][15]

Laut Sophia Sykes und Veronica Hopner vom Global Network on Extremism & Technology gibt es sowohl gemäßigt konservative Tradwives, die keine inhaltlichen Schnittmengen mit rechtsextremen Gruppierungen haben, als auch solche, die der Alt-Right und der White-Supremacy-Bewegung nahestehen.[16] So kommt es vor, dass einige Tradwives gegen die Gleichstellung der Geschlechter und Migration offen Position beziehen.[17]

Weiterhin ist fraglich, inwieweit der von Tradwives propagierte Lebensstil wirklich traditionell ist, da historisch der Verzicht auf eine Erwerbsfähigkeit meist nur den (weißen) Familien der Mittelklasse vorbehalten war.[18] Der Anthropologe Devin Proctor kritisiert daher, dass Tradwives den traditionellen Lebensstil einer bestimmten Gruppe unzulässigerweise auf alle Menschen übertragen würden.[18] Außerdem argumentiert Ashley A. Mattheis, dass es rechtsextremen und faschistischen Akteuren sehr leicht gemacht werde, Tradwives für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.[19]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Felix del Campo: New Culture Wars: Tradwives, Bodybuilders and the Neoliberalism of the Far-Right. In: Critical Sociology. Band 49, Nr. 4–5, S. 585–894, doi:10.1177/08969205221109169.
  • Zoe Hu: The Agoraphobic Fantasy of Tradlife. In: University of Pennsylvania Press (Hrsg.): Dissent. Band 70, Nr. 1, 2023, S. 54–59, doi:10.1353/dss.2023.0030.
  • Eviane Leidig: The Women of the Far Right. Social Media Influencers and Online Radicalization. Columbia University Press, New York 2023, ISBN 978-0-231-55830-3.
  • Ashley A. Mattheis: #TradCulture: Reproducing whiteness and neo-fascism through gendered discourse online. In: Shona Hunter, Christi van der Westhuizen (Hrsg.): Routledge Handbook of Critical Studies in Whitness. Routledge, London / New York 2021, ISBN 978-1-032-13934-0, S. 91–101.
  • Viktoria Rösch: Heimatromantik und rechter Lifestyle. Die rechte Influencerin zwischen Self-Branding und ideologischem Traditionalismus. In: GENDER: Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft. Band 15, Nr. 2, 2023, S. 25–40, doi:10.3224/gender.v15i2.03.
  • Catherine Tebaldi, Dominika Baran: Of tradwives and TradCaths: The anti-genderism register in global nationalist movements. In: Gender & Language. Band 17, Nr. 1, 2023, S. 1–13, doi:10.1558/genl.25635.
  • Catherine Tebaldi: Tradwives and truth warriors: Gender and nationalism in US white nationalist women’s blogs. In: Gender & Language. Band 17, Nr. 1, 2023, S. 14–38, doi:10.1558/genl.18551.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Tradwife – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Ann Toma-Toader: Antifeminismus auf Tiktok. Propaganda mit dem Kochlöffel. In: taz. 7. März 2024, abgerufen am 9. März 2024.
  2. a b Jade Vigreux: Les «tradwives» ou le retour en force de la femme au foyer des années 1950. In: Dernières Nouvelles d’Alsace. 8. März 2024, abgerufen am 9. März 2024 (französisch).
  3. Christin Jordan: Zurück in die 1950er. In: tagesschau.de. 11. März 2024, abgerufen am 21. März 2024.
  4. Jessica Morgan: Inside The World Of The Real #TradWives Of The UK. In: refinery29.com. 27. Januar 2020, abgerufen am 12. März 2024 (englisch).
  5. #Tradwife haalt inspiratie uit christendom, terecht? 'Zomaar teksten uit Bijbel plukken is nooit sterk'. In: NPO Radio 1. 14. August 2023, abgerufen am 9. März 2024 (niederländisch).
  6. Viktoria Rösch: Heimatromantik und rechter Lifestyle. Die rechte Influencerin zwischen Self-Branding und ideologischem Traditionalismus. In: GENDER. Band 15, Nr. 2, 2023, S. 25–40, hier S. 26 (utb.de [abgerufen am 9. März 2024]).
  7. a b Sadie Nicholas: Darling, I'll do anything to make you happy! How the Tradwives sacrifice their own careers to satisfy their husbands' every whim... and insist it's the secret of marital bliss. In: Daily Mail. 24. Januar 2020, abgerufen am 9. März 2024 (englisch).
  8. Sabine Winkler: Darum romantisieren immer mehr junge Frauen die 50er auf TikTok. In: Die Welt. 14. Oktober 2022, abgerufen am 9. März 2024.
  9. a b c d Catherine Newmark: Tradwives: Unsere lieben Hausfrauen. In: Die Zeit. 28. Februar 2020, abgerufen am 9. März 2024.
  10. Devin Proctor: The #tradwife persona and the rise of radicalized white domesticity. In: Persona Studies. Band 8, Nr. 2, 2022, S. 7–26, hier S. 15 (englisch, informit.org [abgerufen am 9. März 2024]).
  11. Nylah Burton: Black “Tradwives” Say Marriage Is The Key To Escaping Burnout. In: refinery29.com. 21. Dezember 2022, abgerufen am 9. März 2024 (englisch).
  12. Ashley A. Mattheis: #TradCulture: Reproducing whiteness and neo-fascism through gendered discourse online. In: Shona Hunter, Christi van der Westhuizen (Hrsg.): Routledge Handbook of Critical Studies in Whitness. Routledge, London / New York 2021, ISBN 978-1-03-213934-0, S. 91–101, hier S. 93 (englisch).
  13. Devin Proctor: The #tradwife persona and the rise of radicalized white domesticity. In: Persona Studies. Band 8, Nr. 2, 2022, S. 7–26, hier S. 9 (englisch, informit.org [abgerufen am 9. März 2024]).
  14. Britta Wintgens: Phänomen Tradwives: Warum die Anti-Feminismus-Bewegung gerade auf Instagram boomt. In: Elle. 29. Februar 2020, abgerufen am 9. März 2024.
  15. Sian Norris: Frilly dresses and white supremacy: welcome to the weird, frightening world of ‘trad wives’. In: The Guardian. 31. Mai 2023, abgerufen am 9. März 2024 (englisch).
  16. Sophia Sykes, Veronica Hopner: Tradwives: The Housewives Commodifying Right-Wing Ideology. Global Network on Extremism & Technology, 7. Juli 2023, abgerufen am 9. März 2024 (englisch).
  17. Anna Kelsey-Sugg, Siobhan Marin: For some, being a tradwife is about more time with family. For others, it's a dangerous far-right ideology. ABC News, 21. August 2021, abgerufen am 9. März 2024 (englisch).
  18. a b Devin Proctor: The #tradwife persona and the rise of radicalized white domesticity. In: Persona Studies. Band 8, Nr. 2, 2022, S. 7–26, hier S. 10 (englisch, informit.org [abgerufen am 9. März 2024]).
  19. Ashley A. Mattheis: #TradCulture: Reproducing whiteness and neo-fascism through gendered discourse online. In: Shona Hunter, Christi van der Westhuizen (Hrsg.): Routledge Handbook of Critical Studies in Whitness. Routledge, London / New York 2021, ISBN 978-1-03-213934-0, S. 91–101, hier S. 94 (englisch).