Ungelöste Probleme der Mathematik
Im Prinzip lassen sich beliebig viele ungelöste mathematische Probleme beschreiben, denn das Themengebiet der Mathematik ist unbegrenzt. Dennoch haben sich in der Geschichte der Mathematik mehrfach wichtige ungelöste Probleme herauskristallisiert, die innerhalb der Wissenschaft als bedeutend anerkannt wurden und an deren Lösung daher mit besonderem Eifer gearbeitet wurde und wird. Dabei kann auch der Fall eintreten, dass das Problem innerhalb des vorausgesetzten formalen Systems prinzipiell unlösbar ist (nicht entscheidbar).
Millennium-Probleme
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Zuletzt stellte im Jahr 2000 das Clay Institute in Cambridge, Massachusetts, die sieben (aus seiner Sicht) wichtigsten ungelösten Probleme der Mathematik vor und lobte für eine veröffentlichte Lösung ein Preisgeld von jeweils einer Million Dollar aus. Bisher wurde eines der sogenannten Millennium-Probleme gelöst, als Grigori Perelman durch seinen Beweis der allgemeineren Geometrisierung von 3-Mannigfaltigkeiten im Jahr 2002 die Poincaré-Vermutung verifizieren konnte.
Hilbertsche Probleme
→ Hauptartikel: Hilbertsche Probleme
Als Vorbild für das Clay Institute diente offensichtlich David Hilbert, der am 8. August 1900 auf dem Internationalen Mathematikerkongress in Paris 23 bis dahin ungelöste Probleme der Mathematik formulierte. 13 dieser Probleme sind bisher umfassend „gelöst“ worden, wobei die Lösung in einigen Fällen in dem Beweis besteht, dass eine Lösung unmöglich oder die zu Grunde liegende Fragestellung nicht entscheidbar ist (siehe z. B. Hilberts erstes Problem). Zu dreien von ihnen sind noch keine befriedigenden Resultate vorhanden. Bei einigen Problemen erwies sich im Lauf der weiteren Entwicklung der Mathematik, dass die Fragestellung zu eng gefasst war und neu interpretiert werden musste. Als prominentestes ungelöstes Problem gilt weiterhin die Riemannsche Vermutung, die ebenfalls in der Clay-Liste enthalten ist. Ein weiteres bekanntes Problem der Liste ist die Goldbachsche Vermutung.
Smale-Probleme
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1998 stellte Stephen Smale eine Liste von 18 mathematischen Problemen auf, angeregt durch eine Aufforderung von Wladimir Arnold, einen Ersatz für die Hilbert-Liste für das neue Jahrhundert zu finden. Wladimir Arnold ist selbst für seine mathematischen Probleme bekannt, die auch in einem Buch veröffentlicht wurden.[1]
Weitere bekannte ungelöste Probleme und Fragen
Zahlentheorie:
- Collatz-Problem (auch bekannt als 3n+1-Problem, Hasse-Algorithmus, Ulams-Problem)
- abc-Vermutung, eine der wichtigsten offenen Fragen der Theorie diophantischer Gleichungen in der Zahlentheorie, die viele weitere wichtige Sätze zur Folge hätte.
- Gibt es unendlich viele Primzahlzwillinge? Oder gar Primzahlvierlinge oder Primzahlsechslinge?
- Liegt zwischen und stets mindestens eine Primzahl (Legendresche Vermutung)? Sie zählt neben der Goldbachschen Vermutung, dem Problem der Primzahlzwillinge und der Frage, ob es unendlich viele Primzahlen p der Form gibt, zu den Landau-Problemen (nach Edmund Landau).[2]
- Gibt es ungerade vollkommene Zahlen? Gibt es unendlich viele vollkommene Zahlen?
- Für welche natürlichen Zahlen gibt es endliche projektive (oder affine) Ebenen der Ordnung ? Nur für Primzahlpotenzen? Für ?
- Beal-Vermutung von Andrew Beal (eine Verallgemeinerung der Fermatvermutung, für die Lösung lobte Beal 1 Million Dollar aus)
- Lässt sich jede ganze Zahl als Summe dreier ganzzahliger Kuben darstellen?
- Existieren bei der Taxicab-Zahl andere Werte als für und .
- Gilbreaths Vermutung
- Vermutung von Polignac, siehe Alphonse de Polignac
- Dirichlet-Teilerproblem (siehe Teileranzahlfunktion)
- Chowla-Vermutung (und damit verbunden Sarnak-Vermutung)
- Lindelöfsche Vermutung
- Totient-Problem von Lehmer in der Zahlentheorie (siehe den Artikel Derrick Henry Lehmer).
- Vermutung von Schanuel, eine zentrale Vermutung in der Theorie transzendenter Zahlen.
- Fermat-Catalan-Vermutung[3]
- Ist die Euler-Mascheroni-Konstante irrational, ist sie transzendent?
- Kummer-Vandiver-Vermutung (von Harry Vandiver, siehe dort) über die Klassenzahl von Kreisteilungskörpern
- Gibt es unendlich viele reelle quadratische Zahlkörper mit eindeutiger Primfaktorzerlegung (Klassenzahl 1)? Nach heuristischen Überlegungen von Henri Cohen, Hendrik Lenstra und numerischen Rechnungen trifft dies auf etwa drei Viertel zu, ein Beweis fehlt. Bei imaginärquadratischen Zahlkörpern sind dagegen genau 9 mit eindeutiger Primfaktorzerlegung (Gaußsches Klassenzahlproblem, Kurt Heegner, Harold Stark, Alan Baker).
- Problem von Brocard und Ramanujan
- Gibt es einen perfekten Euler-Ziegel?
- Lonely Runner Conjecture aus dem Gebiet diophantischer Approximation, aufgestellt von Jörg Wills (siehe dort)
Algebra:
- im Umkreis des Burnside-Problems (nach William Burnside) gibt es nach wie ungelöste Vermutungen, zum Beispiel: für welche natürlichen Zahlen m, n ist die freie Burnside-Gruppe endlich ? Dabei ist m der Rang (Anzahl Generatoren) und n der Exponent (es gibt ein kleinstes n so dass für alle Gruppenelemente)
- Hadamard-Vermutung über die Existenz von Hadamard-Matrizen.
Kombinatorik, Graphentheorie:
- Hadwiger–Nelson-Problem: Wie viele Farben sind mindestens notwendig, um eine Ebene einzufärben, wenn je zwei Punkte mit Abstand unterschiedlich gefärbt sein müssen?
- Hadwigers Vermutung in der Graphentheorie
- Bestimmung von Ramsey-Zahlen wie
- Problem der Bestimmung der Anzahl Magischer Quadrate (nur für kleine Seitenlängen genau bekannt).
Geometrie, Topologie:
- Novikov-Vermutung von S. P. Nowikow in der Topologie. Die Vermutung besagt die Homotopie-Invarianz der höheren Signaturen (Verallgemeinerungen der Signatur) einer Mannigfaltigkeit.
- Baum-Connes-Vermutung von Paul Frank Baum und Alain Connes über die topologische Charakterisierung des Raums irreduzibler unitärer Darstellungen einer Gruppe (verbunden mit der K-Theorie von Operatoralgebren in der nichtkommutativen Geometrie). Aus ihr folgt die Nowikow-Vermutung.
- Carathéodory-Vermutung (nach Constantin Carathéodory) in der Differentialgeometrie: jede konvexe, geschlossene, genügend glatte Fläche im dreidimensionalen euklidischen Raum hat mindestens zwei Nabelpunkte. Beispiele sind die Sphäre, in der alle Punkte Nabelpunkte sind und das verlängerte Rotationsellipsoid mit genau zwei Nabelpunkten. 1940 gab Hans Ludwig Hamburger einen Beweis für analytische Flächen.
- Weinstein-Vermutung (von Alan Weinstein): jedes Reeb-Vektorfeld in Kontaktmannigfaltigkeiten hat geschlossene Orbite (siehe Kontaktgeometrie).
- Toeplitz-Vermutung (Otto Toeplitz 1911): gibt es für jede geschlossene Jordan-Kurve ein eingeschriebenes Quadrat (das heisst alle Ecken liegen auf der Kurve) ? Für Spezialfälle wie stückweise analytische Kurven (wie Polygone, Arnold Emch 1916) oder konvexe Kurven ist bekannt, dass dies zutrifft. Der allgemeine Fall ist offen.
- Dichteste Kugelpackungen in höheren Dimensionen sind meist unbekannt (der dreidimensionale Fall ist die Kepler-Vermutung).
Analysis, Dynamische Systeme:
- Vermutung von Mark J. Ablowitz, A. Ramani, Harvey Segur über die Anwendbarkeit der Inversen Streutransformation bei nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen vom Evolutionstyp, nämlich dass diese Reduktionen auf gewöhnliche nichtlineare Differentialgleichungen mit Painlevé-Eigenschaft besitzen.
- Ist die Mandelbrotmenge überall lokal zusammenhängend ? Das Problem ist eines der Hauptprobleme der komplexen Dynamik (MLC-Vermutung). Aus einer positiven Antwort würde folgen, dass die Mandelbrotmenge hyperbolisch ist.
- Vermutung von Berry und Tabor (Michael Berry, Michael Tabor 1977): Im generischen Fall des Quantenchaos, Quantendynamik des geodätischen Flusses auf kompakten Riemannschen Flächen, verhalten sich die Energie-Eigenwerte der zugehörigen Hamiltonfunktion wie unabhängige Zufallsvariable, falls das zugrundeliegende klassische System exakt integrabel ist.
- Lehmer-Problem oder Mahler-Maß-Problem von Lehmer (nach Derrick Henry Lehmer) in der Analysis.
- Pompeiu-Problem der Analysis, nach Dimitrie Pompeiu
- Ein von Ian Stewart[4] unter seine Liste von ungelösten Problemen aufgenommenes Problem ist die Frage, ob die „Autobahn“ ein Attraktor bei einem zellulären Automaten namens Langton´s Ameise ist (bei beliebigen Anfangsbedingungen).
- Problem invarianter Unterräume (Invariant Subspace Problem). Es handelt sich um einen ganzen Fragenkomplex, von dem je nach Wahl des zugrundeliegenden Raumes oder Operatortyps eine Reihe von Teilresultaten und offenen Fragen bekannt sind. Gefragt wird danach, ob ein Operator T in einem unendlich dimensionalen Raum H (häufig Hilbert- oder Banachräume) einen nichttrivialen invarianten Unterraum W besitzt (). Für Banachräume fand Per Enflo ein Gegenbeispiel. Für endlich dimensionale Vektorräume ist die Existenz invarianter Unterräume linearer Operatoren (Matrizen) dagegen die Regel (siehe Untervektorraum).
Algebraische Geometrie:
- Nagata-Problem über den Grad einer ebenen algebraischen Kurve mit vorgegebenen Punkten und Multiplizitäten (siehe Masayoshi Nagata)
- Jacobi-Vermutung von Ott-Heinrich Keller (siehe dort). Sei eine polynomiale Abbildung, deren Jacobideterminante nirgends verschwindet. Ist die Abbildung dann bijektiv ? Sie ist eines der Probleme auf der Liste von Stephen Smale.
- Standardvermutungen für algebraische Zyklen von Alexander Grothendieck über den Zusammenhang algebraischer Zyklen und Weil-Kohomologietheorien in der algebraischen Geometrie, mit denen Grothendieck ursprünglich in den 1960er Jahren hoffte, die Weil-Vermutungen vollständig (einschließlich der Riemannvermutung) zu beweisen und eine Theorie reiner Motive zu konstruieren, was sich aber bis heute als zu schwierig erwies. Viele der Standardvermutungen würden sich aus der Vermutung von Hodge (eines der Millennium-Probleme) und deren arithmetisches Analogon, der Tate-Vermutung (von John T. Tate) ergeben.
- André-Oort-Vermutung über Shimura-Varietäten in der arithmetischen Geometrie (nach Yves André, Frans Oort). In Spezialfällen bewiesen (unter anderem Emmanuel Ullmo, Andrei Yafaev, Bas Edixhoven, Jonathan Pila, Jacob Tsimerman).
- Auflösung von Singularitäten in der algebraischen Geometrie. Der Fall der Charakteristik 0 der zugrundeliegenden Körper wurde von Heisuke Hironaka gelöst, der Fall der endlichen Charakteristik p ist in den meisten Fällen (vier und mehr Dimensionen) offen (für Dimension zwei und drei Shreeram Abhyankar).
Eine Reihe offener Probleme in der mathematischen Physik stellte Barry Simon 1984 zusammen (Simon-Probleme, aktualisiert 2000).[5]
Lösungen für berühmte Probleme
- 1974: letzte der Weil-Vermutungen bewiesen
- 1977: Vier-Farben-Problem
- 1983: Vermutung von Mordell
- 1985: Bieberbachsche Vermutung
- 1995: Fermatsche Vermutung
- 1998: Keplersche Vermutung
- 2002: Catalansche Vermutung
- 2002: Poincaré-Vermutung
Sonstige
Es gibt für verschiedene Teilgebiete der Mathematik bekannte Problemzusammenstellungen, so von Robion Kirby für die Geometrie und Topologie niedrigdimensionaler Mannigfaltigkeiten[6] oder das Buch von Richard K. Guy über ungelöste Probleme der elementaren Zahlentheorie.
Ungeklärte Lösungsversuche
- 2012: Shinichi Mochizuki hat möglicherweise die abc-Vermutung bewiesen.
„Ungelöste“ Probleme der Geometrie
Über viele Jahrhunderte hinweg gab es auch in der Geometrie, einem Teilgebiet der Mathematik, einige berühmte ungelöste Probleme (Konstruktionen). Diese werden auch die „Klassischen Probleme der antiken Mathematik“ genannt. Erst 1882 (Beweis der Unmöglichkeit der Quadratur des Kreises) konnte auch das letzte dieser „ungelösten“ geometrischen Probleme als „unmöglich lösbares“ Problem erkannt werden.
Siehe auch
Literatur
- Vincent Blondel, Alexandre Megrestski: Unsolved Problems in Mathematical Systems and Control Theory, Princeton UP, 2009
- Fan Chung, Ronald Graham: Erdős on Graphs: His Legacy of Unsolved Problems, A. K. Peters, 1999
- Hallard T. Croft, Kenneth J. Falconer, Richard K. Guy: Unsolved Problems in Geometry, Springer 2013
- Victor Klee, Stan Wagon: Alte und neue ungelöste Probleme in der Zahlentheorie und Geometrie der Ebene, Birkhäuser, Basel 1997, ISBN 3-7643-5308-2 (Zentralblatt-Rezension)
- Simon Singh: Fermats letzter Satz, dtv, 2000, ISBN 3-423-33052-X
- Pierre Basieux: Die Top Seven der mathematischen Vermutungen. rororo, 2004, ISBN 3-499-61932-6
- Richard K. Guy: Unsolved problems in number theory (3. Auflage), Springer-Verlag, New York 2004, ISBN 0-387-20860-7 (englisch; Zentralblatt-Rezension)
- Elliott Pearl: Open problems in topology, Elsevier, 2007, ISBN 0-444-52208-5 (englisch; Zentralblatt-Rezension)
- George G. Szpiro: Das Poincaré-Abenteuer. Ein mathematisches Welträtsel wird gelöst, Piper, 2010, ISBN 978-3-492-25725-1
- Ian Stewart: Die letzten Rätsel der Mathematik, rororo 2015
- Heinrich Tietze: Gelöste und ungelöste Probleme der Mathematik aus alter und neuer Zeit. 14 Vorträge für Laien und für Freunde der Mathematik, 2 Bände, DTV 1982, auch 7. Auflage, Beck Verlag, München 1980
Einzelnachweise
- ↑ Wladimir Arnold: Arnolds problems, 2. Aufl., Springer 2004
- ↑ Weisstein, Eric W.: Landau's Problems, MathWorld
- ↑ Fermat Catalan Conjecture, Mathworld
- ↑ Ian Stewart, Die letzten Rätsel der Mathematik, rororo 2015, Kapitel 17
- ↑ Eric Weisstein: Simon´s Problems
- ↑ Kirby, Problems in low dimensional manifold theory, Algebraic and geometric topology (Proc. Sympos. Pure Math., Stanford Univ., Stanford, Calif., 1976), S. 273–312
Weblinks
- www.zeit.de – zur Problematik eines Beweises mit Computer Mit weiteren Links zum Thema
- Webseite des Clay Institutes zu den sieben Millennium-Problemen (englisch)