Ethen

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Strukturformel und Kalottenmodell
Strukturformel des Ethen Kalottenmodell des Ethen
Allgemeines
Name Ethen, Ethylen, Äthylen
Summenformel C2H4
CAS-Nummer 74-85-1
Kurzbeschreibung farbloses, brennbares Gas
Eigenschaften
Molmasse 28,05 g/mol
Dichte 1,26 g/l
Schmelzpunkt -169 °C
Siedepunkt -104 °C
Dampfdruck 41000 hPa
Löslichkeit 250 ml/l Wasser
Schmelzwärme 3,35 kJ/mol
Verdampfungswärme 13,9 kJ/mol
Thermodynamik (gasförmig)
Cp 42,9 J/(mol · K)
ΔfH0g 52,47 kJ/mol
S0 219,32 J/(mol · K)
Sicherheitshinweise
R- und S-Sätze R: 12
S: 9-16-33
MAK nicht festgelegt

Soweit möglich und gebräuchlich, wurden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Normbedingungen.

Ethen (früher Ethylen beziehungsweise Äthylen) ist ein farbloses, süßlich riechendes Gas. Es ist das einfachste Alken (ungesättigte Kohlenwasserstoffe mit einer Kohlenstoffdoppelbindung) und in der chemischen Industrie sowie als Phytohormon von hoher Bedeutung.

Historische Informationen

Ab 1795 wurde Ethen Olefingas genannt, weil es durch Reaktion mit Chlor das ölige 1,2-Dichlorethan bildet, welches zum ersten Mal 1785 von vier niederländischen Chemikern synthetisiert wurde. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Suffix -en unter der Bedeutung verwandt mit verwendet, so wurde von dem Ethylrest (C2H5) das Gas Ethylen abgeleitet. Dieser Name wurde bis 1852 verwendet. 1866 wurde es nach der Nomenklatur von August Wilhelm von Hofmann in Ethen umbenannt. Diese Nomenklatur war schließlich auch Basis für die IUPAC-Nomenklatur.

Es gibt keine genauen Daten zur Erstentdeckung des Ethens, aufgrund der oben genannten Daten kann davon ausgegangen werden, dass es schon mehrere Jahrhunderte, wenn nicht länger, bekannt ist. 1806 versuchte John Dalton eine richtige Strukturformel aufzustellen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelang die synthetische Darstellung pflanzlicher Säuren wie zum Beispiel der Bernsteinsäure aus dem Ethen.

Molekülgeometrie

Zwischen den beiden Kohlenstoffatomen besteht eine Doppelbindung, die für Rotation der Atome eine wesentlich größere Barriere als eine Kohlenstoffeinfachbindung darstellt, im Molekül entsteht deswegen eine Spannung, die das Ethen wesentlich reaktiver als zum Beispiel das Ethan macht. Aufgrund der sp²-Hybridisierung der Kohlenstoffatome ist das Molekül planar, das heißt alle Atome liegen in einer Ebene. Der Winkel zwischen den zwei Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen beträgt 117° und weicht damit nur leicht vom theoretischen Wert der trigonal planaren Form mit 120° ab.

Eigenschaften und Gefahren

(F+)

Auf Grund der reaktiven C=C-Doppelbindung ist die Addition an diese Bindung eine typische Reaktion des Ethens. In Wasser sind bei 0 °C nur 250 ml/l Ethen löslich, in organischen (unpolaren) Lösungsmitteln ist Ethen jedoch gut löslich. Ethen hat einen leicht süßlichen, unangenehmen Geruch, die Doppelbindung der Alkene kann der Mensch riechen, die Geruchsschwelle liegt bei 260 ppm (parts per million). Der Heizwert von Ethen beträgt 59955 kJ/Nm³. Ethen verbrennt an der Luft mit leicht rußender, leuchtender Flamme.

Ethen ist hochentzündlich. Ethenbehälter müssen an einem gut belüfteten Ort aufbewahrt werden. Von Zündquellen ist es fernzuhalten, und es müssen Maßnahmen gegen elektrostatische Aufladung getroffen werden. Bei einem Luftvolumenanteil von 3 bis 36 Prozent bildet es explosive Gemische. Einatmen von Ethen führt zu Übelkeit, Schwindel und Bewusstlosigkeit.

Der Flammpunkt liegt bei -136 °C, der Zündpunkt bei 450 °C.

Herstellung und Vorkommen

Deutschland (2,9 Mio Tonnen 1989) ist in Europa der größte Ethenhersteller, gefolgt von Frankreich (2,5 Mio Tonnen) und England (1,9 Mio Tonnen).

Ursprünglich wurde Ethen durch Dehydratisierung von Ethanol oder durch Isolierung aus Kokereigas gewonnen, diese Verfahren werden trotz Nachteilen gegenüber anderen Verfahren in vielen Entwicklungsländern Südamerikas, Asiens und Afrikas immer noch angewendet. Heutzutage wird es in den Industrieländern durch Cracken von Erdgas, Erdöl, Ethan, oder höheren Kohlenwasserstoffen gewonnen, auch kann es aus Gasfraktionen, die bei Erdöldestillation anfallen, isoliert werden. Die Ausbeute bei diesen Verfahren ist wesentlich höher. Im Labor wird es durch Eliminierung von Dichlorethan und Zink gewonnen. Bei vielen petrochemischen Prozessen fällt Ethen in großen Mengen an, es ist daher billig.

Ethen wird zum Beispiel aus Holz frei gesetzt (Holzgas), wenn dieses unter Sauerstoffabschluss erhitzt wird. In Pflanzen wird es ausgehend von der Aminosäure Methionin gebildet, und als Pflanzenhormon verwendet. Manchmal, ortsabhängig, meist in Amerika, kommt Ethen auch, sogar bis zu 20 Prozent, im Erdgas vor.

Ethen-Pipelinesystem

In Deutschland und Teilen der Niederlande wird derzeit ein Ethen-Pipelinesystem zum Transport zwischen den einzelnen Chemiestandorten aufgebaut, von Rotterdam über Antwerpen in den Raum Köln und weiter in den Emscher-Lippe-Raum. Die Landesregierungen von Niedersachsen und Schleswig-Holstein unterstützten die Ethen-Pipeline vom Ruhrgebiet an die deutsche Küste.

Gleichzeitig soll die nördlich und südlich der Elbe gelegenen Industriestandorte Brunsbüttel und Stade mit einer 54 Kilometer langen Chemie- und Gas-Pipeline verbunden werden. Schleswig-Holstein und Niedersachsen wollen mit der Pipeline die Rohstoffversorgung der Chemieunternehmen an der Küste und damit die Absatzmöglichkeiten für ihre Produkte im deutschen und europäischen Raum verbessern. Die geplante Verbindung ist zugleich ein Element im Chem-Coast-Projekt des Verbands der Chemischen Industrie (VCI). In Stade besteht Anschluss an eine Ethen-Pipeline nach Böhlen in Sachsen. Darüber hinaus ist eine weitere Verbindung von Stade über Wilhelmshaven nach Gelsenkirchen vorgesehen, wo jeweils große chemische Fabriken bestehen.

Verwendung

Datei:Wacker-Verfahren.jpg
Wacker-Verfahren zur Herstellung von Aldehyden aus Ethen (Alkene)

Ethen ist Ausgangsstoff zur Herstellung zahlreicher organischer Verbindungen wie Anthracen, 2-Chlorethanol, Chlorethan, Propanal, Ethanal, Isopren, Vinylacetat, Propansäure, Buten, Styrol, Ethandiol und weitereren Stoffen. Kleine Mengen Ethen werden für die Herstellung von Stoffen wie Ethylenoxid und Ethanol verwendet. Im Wacker-Verfahren wird Ethen großtechnisch unter Verwendung von molekularem Sauerstoff in Aldehyde (Acetaldehyd) umgesetzt. Enorme Mengen Aldehyde werden jährlich nach dieser Methode produziert.

Ethen war als Betäubungsmittel neben Lachgas bis vor wenigen Jahren vor allem bei schwachen Betäubungen in Gebrauch. Es wirkt narkotisch und muskelentspannend. 1923 wurde es in Chicago zum ersten Mal öffentlich benutzt, die narkotische Wirkung des Ethens ist etwas stärker als die des Lachgases und hat einen ähnlichen Wirkmechanismus. Heute wird es jedoch nicht mehr verwendet, da es brennbar ist und unangenehm riecht. Außerdem ist die Narkosewirkung des Ethens im Vergleich zu anderen gebräuchlichen Betäubungsmitteln nicht sehr gut, um eine gute Wirkung zu erzielen müsste das Narkosegemisch mindestens 80 Prozent Ethen enthalten.

Auch zum Reifen unreifer Früchte wie der Ananas, Bananen und Tomaten wird es benutzt (siehe Biologische Wirkung). Ethen ist des Weiteren ein Brenngas und wird für Hochgeschwindigkeits-Flammspritzen verwendet. Ethen ist in der chemischen Industrie Ausgangstoff für die Synthese von über 30 Prozent aller Petrochemikalien, es hat das Ethin nach dem Zweiten Weltkrieg weitesgehend verdrängt, weil Ethin teurer herzustellen ist, während Ethen bei industriellen Prozessen in Massen anfällt, seitdem Erdöl in großen Massen zu Verfügung steht.

Es wird zudem zur Herstellung vieler Kunststoffe wie dem Polyethen (große Mengen), Polyvinylether, Polyvinylchlorid (PVC), Polyester,dem Copolymer Ethylenvinylacetat (E/VA) oder nur Polyvenylacetat und Polystyrol (über Ethylbenzol) benötigt. Außerdem wird es zur Herstellung von Schädlingsbekämpfungsmitteln und chemischer Waffen wie dem Senfgas ( 2,2-Dichlordiethylsulfid) verwendet. In der Nachkriegszeit wurde das Ethen, das bei der Verbrennung von Holz unter Luftabschluss entsteht (Holzgas) wegen Treibstoffmangels auch zum Antrieb von Lastkraftwagen verwendet.

Biologische Wirkung

Phytohormon

Ethen ist ein Phytohormon (Pflanzenhormon). Es wird von Pflanzen ausgehend von der Aminosäure Methionin synthetisiert, teilwese stimuliert durch das Phytohormon Auxin. Als Hormon beeinflusst es das Keimwachstum und die Alterung der Pflanze. Es bewirkt die Fruchtreifung, die Entwicklung der Blüten, den Abwurf der Blätter im Herbst sowie das Absterben von Pflanzenteilen. Als gasförmigen Stoff findet man Ethen dabei vor allen in den Räumen zwischen den Zellen, den Interzellularen.

Bereits 1901 zeigte Dimitri Neljubow, dass Ethen bei Pflanzen die so genannte Tripelresponse auslöst. Diese tritt bei keimenden Wurzeln auf, die mit Ethen begast werden. Aufgefallen war der Effekt bei Pflanzen an defekten Stadtgasleitungen, die ein ungewöhnliches Wachstum zeigten. Es handelt sich dabei um eine Hemmung des Längenwachstums in Zusammenwirken mit einer Verdickung des Stengels und eine Deaktivierung des Gravitropismus, also des Wachstums in Richtung der Erdanziehungskraft. Diese Wirkung kommt zustande durch eine Umorientierung der Microtubuli, die als Skelettstrukturen die Wachstumsrichtung (Anlagerung von Zellulosefasern) des Keimes vorgeben. Sie werden von einer vertikalen in eine horizontale Orientation gebracht. Als biologischer Sinn wird die Überwindung von Hindernissen angenommen: Ethen wird während des gesamten Wachstums gebildet und staut sich vor Hindernissen, an diesen kommt es zum Dickenwachstum und somit zu einer größeren Kraftentfaltung durch die Wurzelspitze.

Die zweite Funktion des Ethen bezieht sich auf verschiedene Alterungsprozesse der Pflanze. Dazu gehören sowohl die Reifung von Früchten und die Entwicklung von Blüten als auch der Abwurf von Blättern (Abszission) oder das Absterben von Pflanzenteilen (Seneszenz). Wichtig für diese Funktionen ist die lawinenartige Steigerung der verfügbaren Ethenmenge, die dadurch zustande kommt, dass die Synthese von Ethen durch die Präsenz desselben aktiviert wird. Auf diese Weise reift etwa eine Frucht an allen Stellen zugleich. Die Wirkung bei der Reifung von Früchten wird in der Landwirtschaft ausgenutzt, um unreif geerntete Früchte nachträglich zu Stoffwechselvorgängen zu veranlassen, die die Früchte reifen lassen.

Seit Mitte der 1990er Jahre werden durch gezielte Genveränderung Tomaten hergestellt, die besonders haltbar sind (Flavour-Saver-Tomaten). Das für die Herstellung des Ethens zuständige Gen wird dabei ausgeschaltet. Diese Tomaten können dann nach Bedarf mit Ethen begast werden und dadurch reif gemacht werden. Häufig werden Früchte beabsichtigt nicht zum Reifen gebracht, dann transportiert, und erst am Zielort mit Hilfe von Ethen gereift. Auch können unreife Tomaten reif gemacht werden, indem man einige reife Tomaten dazulegt. Diese sondern Ethen ab und bringen die unreifen Tomaten so zum Reifen.

Ebenfalls essentiell ist Ethen als „Alarmstoff“ bei Schädlingsbefall an der Pflanze sowie bei Verwundungen. Gemeinsam mit anderen Stoffen wie der Salicylsäure und Jasmonat bewirkt das Ethen eine Abgrenzung des betroffenen Bereiches sowie die Bereitstellung von pflanzlichen Giften. Als Gas wirkt Ethen dabei auch auf benachbarte Pflanzenteile oder Pflanzen und setzt auch dort die Alarmkaskade in Gang.

Der Wirkmechanismus des Ethen ist wie bei anderen Phytohormonen noch sehr wenig erforscht. Man nimmt an, dass Ethen auf spezifische Rezeptormoleküle (Ethenrezeptor ETR) an den Zellmembranen wirkt, die innerhalb der Zelle eine Wirkkaskade in Gang setzen. Konkret handelt es sich dabei um die Aktivierung der Serotonin-Threonin-Kinase CTR1. Das Signal wird weitergegeben an verschiedene Zellkern-Proteine (EIN3/EIL-Proteine), die als Transkriptionsfaktoren bei der Genexpression wirken und somit bestimmte Gene aktivieren. Das erste bekannte Zielgen dieser Proteine wurde als Ethen-Response-Faktor 1 (ERF1) beschrieben. Dieser Faktor steuert wiederum mehrere Gene, sodass bei der Wirkung von Ethen auf dieses System immer eine ganze Reihe von genetischen Aktivitäten ausgelöst werden. Bei der Fruchtreifung müssen etwa verschiedene Enzyme zur Erweichung der Zellwand gebildet werden, bei der Seneszenz chitin- und zelluloseabbauende Enzyme (Chitinasen, Zellulasen). Sehr umfangreich ist das Repertoire beim Pflanzenstreß, also der durch Ethen ausgelösten Reaktion auf Schädlinge und Verwundungen. Produziert werden in dieser Situation unter anderen Chitinasen (als Giftstoffe für Insekten), Glucanasen, Proteinase-Inhibitoren (Hemmstoffe für proteinabbauende Enzyme, gegen Pilze) und sehr viele weitere Abwehrstoffe.

Die Ethen-Synthese in der Pflanze geht von der Aminosäure Methionin aus. Dabei entsteht in einem ersten Schritt durch die Kopplung an Adenosin das S-Adenosylmethionin (SAM). Aus dem Folgeprodukt 1-Aminocyclopropancarbonsäure (ACC) wird durch die ACC-Oxidase Ethen freigesetzt. Die Bildung der Oxidase wird durch Ethen selbst stimuliert (siehe oben), wodurch wie bei einer Kettenreaktion in benachbarten Zellen die Ethenbildung vorrangetrieben wird.

Reaktionen

Ethen verbrennt bei optimaler Sauerstoffzufuhr zu Wasser und Kohlendioxid
Bei Hitze und unter Luftabschluß zerfällt Ethen zu Methan und Kohlenstoff.

Ethen geht, weil es aufgrund der Kohlenstoffdoppelbindung ungesättigt ist, gerne Additionsreaktionen mit Wasserstoff, Wasser und Halogenen ein.

Ethen reagiert mit Wasser zu Ethanol, allerdings ist die Reaktionsgeschwindigkeit ohne geeigneten Katalysator sehr gering.
Ethen reagiert mit Chlor zu Chlorethan und Wasserstoff.
Ethen reagiert mit Wasserstoff unter hohen Druck und der Anwesenheit von metallischer Katalysatoren wie Platin und Nickel zu Ethan.
Ethenmoleküle polymerisieren bei 600 °C zu Polyethen.
Unter Energieaufwand zerfällt Ethen zu Wasserstoff und Ethin.

Literatur

  • Claus-Jürgen Estler: Pharmakologie und Toxikologie. Schattauer 1992
  • Thomas Heidermann: Rußbildung in vorgemischten Ethen-Luft-Flammen bei hohem Druck. Cuvillier (15. Oktober 1995).
  • Christoph Richter: Transport von Ethen durch Polyelektrolytgele mit Silberionen als Carriern. Shaker Verlag (2. Januar 1995).
  • Sven Rudolph: Synthese, Eigenschaften und Blends von Ethen/1-Hexen-Copolymeren. Tectum Verlag (2000).

Weblinks

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