„Virialsatz“ – Versionsunterschied

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== Skalare Formulierung ==
== Skalare Formulierung ==
Das '''Virial''' ''G'' eines Systems aus ''N''&nbsp;[[Teilchen]] ist die Summe der [[Skalarprodukt]]e aus den Zeitableitungen der [[Impuls (Mechanik)|Impulse]] <math>\dot {\vec{p_i}}</math> und den Orten <math>\vec{r_i}</math> dieser Teilchen, d.&nbsp;h.:
Das '''Virial''' ''G'' eines Systems aus ''N''&nbsp;[[Teilchen]] ist die Summe der [[Skalarprodukt]]e aus den [[Impuls (Mechanik)|Impulsen]] <math>\vec{p_i}</math> und den Orten <math>\vec{r_i}</math> dieser Teilchen, d.&nbsp;h.:


:<math>G= \sum_{i=1}^N \vec{p_i} \cdot \vec{r_i}</math>.<ref>{{Literatur | Autor=Josef Honerkamp, Hartmann Römer | Titel=Klassische Theoretische Physik | Verlag=Springer | Jahr=2012 | ISBN=9783642232626 | Online={{Google Buch | BuchID=AcMoBAAAQBAJ | Seite=44 | Hervorhebung=Virial | Linktext=Kapitel 2.12 Der Virialsatz}}}}</ref>
:<math>G= \sum_{i=1}^N \dot {\vec{p_i}} \cdot \vec{r_i}</math>


Ist das Virial [[Beschränktheit|beschränkt]], so gilt der Virialsatz:
Ist das Virial [[Beschränktheit|beschränkt]], so gilt der Virialsatz:

Version vom 18. Dezember 2014, 15:19 Uhr

Der Virialsatz (lateinisch vis ‚Kraft‘) ist eine Beziehung zwischen dem zeitlichen arithmetischen Mittelwert der kinetischen Energie und dem zeitlichen Mittel der potentiellen Energie eines abgeschlossenen stationären physikalischen Systems. Der Virialsatz ist ursprünglich als Satz der klassischen Mechanik formuliert und ermöglicht allgemeine Abschätzungen der Anteile potentieller und kinetischer Energie auch in komplexen Systemen zum Beispiel in der Astrophysik. Es gibt auch einen quantenmechanischen Virialsatz.

Der Virialsatz wurde 1870 von Rudolf Clausius in dem Aufsatz Über einen auf die Wärme anwendbaren mechanischen Satz aufgestellt.[1]

Skalare Formulierung

Das Virial G eines Systems aus N Teilchen ist die Summe der Skalarprodukte aus den Impulsen und den Orten dieser Teilchen, d. h.:

.[2]

Ist das Virial beschränkt, so gilt der Virialsatz:

Dabei ist die Resultierende der auf das i-te Teilchen einwirkenden Kräfte, die von anderen Teilchen des Systems ausgeübt werden. Da ein abgeschlossenes System betrachtet wird, existieren keine äußeren Kräfte. bezeichnet den zeitlichen Mittelwert für Zeiten .

Ist die Kraft konservativ und besitzt sie ein Potential U, das homogen vom Grad k ist, d. h., für α > 0 gilt , so vereinfacht sich die obige Form zu

Mit der Gesamtenergie folgt:

bzw.

Für den bekanntesten Fall (Gravitation, Coulombsche Kraft) ergibt sich z. B.:

Insbesondere ergibt sich, dass die Gesamtenergie für die Anwendung des Virialtheorems im Fall k = -1 negativ sein muss (da positiv oder Null ist), entsprechend der Grundvorraussetzung des Virialtheorems, dass das System räumlich beschränkt sein soll, also gravitativ bzw. durch Coulombkräfte gebunden.

Für den Fall harmonischer Schwingungen (k =2) ist:

Sonderfälle

Geschlossene Bahnen

In zwei Sonderfällen von harmonischen Potentialen, nämlich für das Potential des harmonischen Oszillators () und des Coulombpotentials (), erhält man geschlossene Bahnen. Dann kann das zeitliche Mittel auch über einen Bahndurchlauf erfolgen.[3]

Vielteilchensystem

Befindet sich ein Vielteilchensystem im thermischen Gleichgewicht, so kann das System als ergodisch betrachtet werden, d. h., das Zeitmittel ist gleich dem Scharmittel für alle Beobachtungsgrößen. Da dies insbesondere für die kinetische und die potentielle Energie gilt und das Scharmittel der Energien aus der Summe der Einzelenergien, geteilt durch die Anzahl N der Objekte, gebildet wird, lässt sich das Scharmittel durch die Gesamtenergien ausdrücken. Wir erhalten daher für Gleichgewichtssysteme:

ohne Mittelung über die Zeit, denn die Werte sind zeitlich konstant.

Ableitung des Virialsatzes

Hier wird der Darstellung im Lehrbuch von Landau und Lifschitz gefolgt, wo der Virialsatz in Zusammenhang mit Skalierungsverhalten mechanischer Größen (mechanische Ähnlichkeit) diskutiert wird. Dabei wird nur ausgenutzt, dass die kinetische Energie quadratisch in den Geschwindigkeiten ist und die Impulse werden formal über eingeführt. Dann ist nach dem Satz von Euler über homogene Funktionen:

woraus folgt:

Nun bildet man den asymptotischen Grenzwert des zeitlichen Mittelwerts:

Insbesondere gilt für den zeitlichen Mittelwert der Zeitableitung des Virials G:

Hat man es mit einem System zu tun, in dem Geschwindigkeiten und Orte der Teilchen beschränkt sind (z.B. periodische Bahnen), so folgt

und es folgt mit der Virialsatz:

wenn man annimmt, dass das Potential U eine homogene Funktion der Ortskoordinaten vom Grad k ist.

Anwendungsbeispiel: Massenbestimmung astronomischer Haufen

Anwendung findet der Virialsatz beispielsweise in der Astrophysik und der Himmelsmechanik. Dort benutzt man das Newton’sche Gravitationspotential, das homogen vom Grad −1 ist. Dann gilt:

Der Virialsatz erlaubt es, recht gute Abschätzungen für die Gesamtmassen dynamisch gebundener Systeme wie Sternhaufen oder Galaxienhaufen zu finden. Die Gesamtmasse eines solchen Haufens kann dann vollständig durch Beobachtungsgrößen wie Radialgeschwindigkeiten, Winkelabstände und scheinbare Helligkeiten der Einzelobjekte ausgedrückt werden. Die einzige Voraussetzung für die Anwendung des Virialsatzes ist die Kenntnis des Abstandes des Haufens. Wir wollen das Vorgehen bei einer Massenbestimmung eines solchen Haufens hier skizzieren:

Die kinetische Gesamtenergie eines Stern- oder Galaxienhaufens ist durch

gegeben. Aber weder die Einzelmassen mi noch die Geschwindigkeitsbeträge |vi| sind Beobachtungsgrößen. Die Einführung der Gesamtmasse erlaubt die Umformung

Nun trifft man zwei Annahmen:

a) Die Einzelmassen mi sind proportional zu den Einzelleuchtkräften li und daher gilt

wobei der letzte Term das leuchtkraftgewichtete Mittel über die Geschwindigkeiten bezeichnet.

b) Das System ist sphärisch symmetrisch und befindet sich im Gleichgewicht (man sagt auch es ist virialisiert). Daher sind die Geschwindigkeiten über die Raumrichtungen gleichverteilt (Gleichverteilungssatz). Dann gilt

wobei vR die radialen Pekuliargeschwindigkeiten bezeichnet, d. h. die Abweichungen der Radialgeschwindigkeit vom Haufenmittelwert. Damit erhält man:

Andererseits gilt für die potentielle Gesamtenergie unter der Bedingung der sphärischen Symmetrie

mit

  • der Gravitationskonstanten G,
  • dem Gesamtradius R des Systems,
  • und dem morphologischen Faktor α, der von der radialen Verteilungsfunktion, also der Geometrie des Haufens, abhängt. Für eine (allerdings unrealistische) Gleichverteilung innerhalb des Radius R ist beispielsweise α = 5/3. Im Allgemeinen ist der Faktor aus den beobachteten Winkelabständen der Einzelsysteme zum Haufenzentrum zu bestimmen.

Durch Anwendung des Virialsatzes für die Gravitation erhalten wir die Gesamtmasse des Haufens zu

Eine weitere astrophysikalische Anwendung ist die Abschätzung der Jeans-Masse.

Verallgemeinerung auf Tensoren

Im Rahmen der Kontinuumsmechanik wird der tensorielle Virialsatz aus der stoßfreien Boltzmann-Gleichung und den daraus abgeleiteten Jeans-Gleichungen bewiesen und in der Astrophysik verwendet. Wenn als Wechselwirkung wiederum die Gravitation angenommen wird, hat der Satz die Form

mit

  • dem Trägheitstensor
  • dem Tensor der kinetischen Energie,
  • dem Spannungstensor und
  • dem Tensor der potentiellen Energie.

Im statischen Fall fällt die Zeitableitung auf der linken Seite der Gleichung weg, und da der Spannungstensor spurfrei ist, ergibt die Spur der Gleichung wieder den skalaren Virialsatz.

Quantenmechanik

Für die Quantenmechanik behält der Virialsatz seine Gültigkeit, wie von Fock gezeigt wurde.[4]

Der Hamiltonoperator des Systems aus Punktteilchen sei

Man bilde den Kommutator von mit , gebildet aus dem Ortsoperator und dem Impulsoperator des n-ten Teilchens:

Bildet man das Virial durch Summierung über die Teilchen , so folgt

mit der kinetischen Energie . Nach den Heisenbergschen Bewegungsgleichungen ist die linke Seite geich . Der Erwartungswert verschwindet in einem stationären Zustand, sodass mit

die Quantenversion des Virialsatzes folgt, wobei die spitzen Klammern für quantenmechanische Erwartungswerte der jeweiligen Operatoren für einen stationären Zustand stehen.

Literatur

Gibt eine einfache Herleitung des skalaren Virialsatzes.
Hier findet man die tensorielle Verallgemeinerung und Anwendungen.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Rudolf Clausius: Über einen auf die Wärme anwendbaren mechanischen Satz. Annalen der Physik, Band 217, 1870, S. 124–130.
  2. Josef Honerkamp, Hartmann Römer: Klassische Theoretische Physik. Springer, 2012, ISBN 978-3-642-23262-6 (Kapitel 2.12 Der Virialsatz in der Google-Buchsuche).
  3. Julius Wess: Theoretische Mechanik. Springer-Verlag, 2008, ISBN 978-3-540-74869-4 (Kapitel über Homogene Potentiale in der Google-Buchsuche).
  4. V. Fock: Bemerkung zum Virialsatz. In: Zeitschrift für Physik A Hadrons and Nuclei. 63. Jahrgang, Nr. 11, 1930, S. 855–858, doi:10.1007/BF01339281.