„Milchsäuregärung“ – Versionsunterschied

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Nach den gebildeten Hauptendprodukten und den Abbauwegen unterscheidet man verschiedene Typen der Milchsäuregärung:
Nach den gebildeten Hauptendprodukten und den Abbauwegen unterscheidet man verschiedene Typen der Milchsäuregärung:
* homofermentative Milchsäuregärung, bei der als Hauptendprodukt nur Milchsäure gebildet wird,
* homofermentative Milchsäuregärung, bei der als Hauptendprodukt nur Milchsäure gebildet wird,
* heterofermentative Milchsäuregärung, bei der als Hauptendprodukte neben Milchsäure Kohlenstoffdioxid und im Fall von [[Hexosen]]-Abbau Ethanol, im Fall von [[Pentosen]]-Abbau [[Essigsäure]] gebildet wird,
* heterofermentative Milchsäuregärung, bei der als Hauptendprodukte neben Milchsäure im Fall von [[Hexosen]]-Abbau Ethanol sowie Kohlenstoffdioxid, im Fall von [[Pentosen]]-Abbau [[Essigsäure]] gebildet wird,
* Milchsäuregärung durch ''[[Bifidobacterium]]'', bei der als Hauptendprodukt Milchsäure und Essigsäure gebildet wird.
* Milchsäuregärung durch ''[[Bifidobacterium]]'', bei der als Hauptendprodukt Milchsäure und Essigsäure gebildet wird.


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Dabei werden die Zucker zunächst in der [[Glykolyse]] zu [[Pyruvat]] abgebaut. Dieses wird vom [[Enzym]] [[Laktatdehydrogenase]] mit dem bei der [[Oxidation]] von [[Glycerinaldehydphosphat]] zu [[Phosphoglycerinsäure|Phosphoglycerat]] gebildeten [[Coenzym]] [[NADH]] zu [[Lactate|Lactat]] ([[Anion]] der Milchsäure) [[Reduktion (Chemie)|reduziert]], das NADH wird dabei zu NAD<sup>+</sup> oxidiert.
Dabei werden die Zucker zunächst in der [[Glykolyse]] zu [[Pyruvat]] abgebaut. Dieses wird vom [[Enzym]] [[Laktatdehydrogenase]] mit dem bei der [[Oxidation]] von [[Glycerinaldehydphosphat]] zu [[Phosphoglycerinsäure|Phosphoglycerat]] gebildeten [[Coenzym]] [[NADH]] zu [[Lactate|Lactat]] ([[Anion]] der Milchsäure) [[Reduktion (Chemie)|reduziert]], das NADH wird dabei zu NAD<sup>+</sup> oxidiert.


:<math>\mathrm{Pyruvat + \ NADH + \ H^+ \rightarrow \ Lactat + \ NAD^+}</math>
:<math>\mathrm{Pyruvat + \ NADH + \ H^+ \longrightarrow \ Lactat + \ NAD^+}</math>


Im Verlauf der Glykolyse werden je Molekül [[Glucose]] je zwei Moleküle Lactat, NADH und ATP gebildet, so dass die Summengleichung der homofermentativen Milchsäuregärung lautet:
Im Verlauf der Glykolyse werden je Molekül [[Glucose]] je zwei Moleküle Lactat, NADH und ATP gebildet, so dass die Summengleichung der homofermentativen Milchsäuregärung lautet:


:<math>\mathrm{Glucose + 2 \ ADP + 2 \ P_i \rightarrow \ 2 \ Lactat + \ 2 \ H^ + \ + 2 \ ATP + 2 \ H_2 O}</math>
:<math>\mathrm{Glucose + 2 \ ADP + 2 \ P_i \longrightarrow \ 2 \ Lactat + \ 2 \ H^ + \ + 2 \ ATP + 2 \ H_2 O}</math>


Die Nettoenergieausbeute beträgt also 2 Moleküle ATP je Molekül Glucose.
Die Nettoenergieausbeute beträgt also 2 Moleküle ATP je Molekül Glucose.
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=== Heterofermentative Milchsäuregärung ===
=== Heterofermentative Milchsäuregärung ===
Der Weg der heterofermentativen Milchsäuregärung wird von Milchsäurebakterien eingeschlagen, denen das Enzym [[Aldolase]] fehlt. Dieses ist für den Embden-Meyerhof-Parnas-Weg (Glykolyse) zur Spaltung von Fructose-1,6-bisphosphat in die beiden [[Triosen|Phosphotriosen]] [[Dihydroxyacetonphosphat]] und [[Glycerinaldehydphosphat]] erforderlich. Heterofermentative Milchsäuregärer können durch diesen speziellen Stoffwechselweg sowohl Hexosen (wie beispielsweise Glucose oder Fructose), als auch insbesondere Pentosen ([[Xylose]], [[Ribose]]) über [[Xylulose-5-phosphat]] abbauen. Typische Vertreter sind die obligat heterofermentativen Milchsäuregärer ''[[Oenococcus oeni]]'' und ''[[Leuconostoc mesenteroides]]'', oder die fakulativen Gärer ''[[Lactobacillus pentosus]]'' und ''[[Lactobacillus plantarum]]''.
[[Datei:Heterofermentative Milchsäuregärung.png|miniatur|none|hochkant=3.0|Die heterofermentative Milchsäuregärung in der Übersicht. Der Abbauweg der Hexosen führt zu anderen Produkten als der von Pentosen.]]


==== Biochemie ====
Der Weg der heterofermentativen Milchsäuregärung wird von Milchsäurebakterien eingeschlagen, denen das Enzym [[Aldolase]] fehlt. Dieses ist für den Embden-Meyerhof-Weg zur Spaltung von Fructose-1,6-bisphosphat in die beiden [[Triosen|Phosphotriosen]] Phosphodihydroxyaceton und Glycerinaldehydphosphat erforderlich. Heterofermentative Milchsäuregärer können durch diesen speziellen Stoffwechselweg sowohl Hexosen (wie Glucose), als auch insbesondere Pentosen über Xylulose-5-phosphat abbauen. Die heterofermentativen Milchsäuregärung wird auch als '''Phosphoketolase-Weg''' bezeichnet.<ref>Katharina Munk (Hrsg.): ''Taschenlehrbuch Biologie: Mikrobiologie''. Thieme Verlag Stuttgart 2008; ISBN 978-3-13-144861-3; S. 355</ref>
[[Datei:Heterofermentative lactic acid fermentation.svg|miniatur|none|hochkant=5.0|Die heterofermentative Milchsäuregärung in der Übersicht. Der Abbauweg der Hexosen führt zu anderen Produkten als der von Pentosen. NADH bzw. NADPH sind als „2 [H]“ abgekürzt. Für Einzelheiten bitte Text beachten.]]
Heterofermentative Milchsäurebakterien sind auf den Abbau von Pentosen spezialisiert. Diese wird unter ATP-Verbrauch in [[Pentose-5-phosphat]] überführt und in Xylulose-5-phosphat isomerisiert, was eine Epimerase ({{EC|5.1.3.1}}) katalysiert. Das Produkt wird dem [[Enzym|Schlüsselenzym]] des Stoffwechselweges, der [[Phosphoketolase]] ({{EC|4.1.2.9}}), unter Einbeziehung eines anorganischen [[Phosphate]]s (P<sub>i</sub>) in die Triose Glycerinaldehydphosphat und [[Acetylphosphat]] gespalten. Glycerinaldehydphosphat wird im Zuge der Glykoylse regulär zu Pyruvat umgesetzt, wobei zwei Moleküle ATP sowie ein Molekül Reduktionsäquivalente in Form von NADH gewonnen werden. Dieses NADH wird reoxidiert, indem Pyruvat zu Lactat reduziert wird. Diese Reaktion entspricht dem letzten Schritt der homofermentativen Milchsäuregärung (siehe oben).


Das bei der Spaltung erhaltene Acetylphosphat wird zu [[Acetat]] umgesetzt. Die energiereiche Säureanhydridbindung wird genutzt, um ATP über Substratkettenphosphorylierung zu gewinnen. Daher wird bei diesem Schritt ATP aufgebaut, die Reaktion katalyisert eine [[Acetatkinase]] ({{EC|2.7.2.1}}).
Wie bereits mit den Eingangsschritten des [[Entner-Doudoroff-Weg]]es wird Glucose durch eine [[Hexokinase]] zunächst zu Glucose-6-phosphat durch ATP-Verbrauch aktiviert. Dieses oxidiert eine Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase zu 6-Phosphogluconat unter [[Nicotinamidadenindinukleotidphosphat|NADP<sup>+</sup>]]-Verbrauch. Dieses wird zu [[Ribulose-5-phosphat]] decarboxyliert und mit NADP<sup>+</sup> oxidiert, was eine Phosphogluconat-Dehydrogenase katalysiert. Ribulose-5-phosphat wird dann zu Xylulose-5-phosphat epimerisiert.


Die Abbau von Pentosen wird auch als '''Phosphoketolaseweg''' bezeichnet.<ref>Katharina Munk (Hrsg.): ''Taschenlehrbuch Biologie: Mikrobiologie''. Thieme Verlag Stuttgart 2008; ISBN 978-3-13-144861-3; S. 355</ref> Die Nettoenergieausbeute beträgt also 2 Moleküle ATP je Molekül Pentose.
Xylulose-5-phosphat wird mit dem [[Enzym|Schlüsselenzym]] des Stoffwechselweges, der [[Phosphoketolase]], unter Einbeziehung eines [[Phosphate|Phosphats]] in die Triose Glycerinaldehydphosphat und Acetylphosphat gespalten. Glycerinaldehydphosphat wird über den Embden-Meyerhof-Weg zu Milchsäure umgesetzt, wobei 2 Mol ATP gewonnen werden. Acetylphosphat wird über [[Acetyl-CoA]] und [[Acetaldehyd]] zu [[Ethanol]] unter Verbrauch von NADH reduziert. Diese Schritte regenerieren Reduktionsäquivalente, die bei der Umsetzung von Glucose zu Ribulose-5-phosphat verbraucht worden sind. In der Bilanz wird von den zwei gewonnenen ATP eins zur [[Phosphorylierung]] der abzubauenden Glucose verwendet, so dass die Nettoenergieausbeute bei der heterofermentativen Milchsäuregärung für Hexosen nur 1 Mol ATP je Mol Glucose beträgt.


:<math>\mathrm{Glucose + ADP + P_i \xrightarrow{(Hexosen)} Lactat + Ethanol + CO_2 + ATP}</math>
:<math>\mathrm{Pentose + 2\ ADP + 2\ P_i \longrightarrow Lactat + Acetat + 2\ ATP + 2\ H_2O}</math>


Bei Vergärung von Pentosen fehlen die beiden Oxidationsschritte Glucose-6-phosphat → 6-Phosphogluconsäure → Ribulose-5-phosphat, so dass Acetylphosphat nicht als Wasserstoffakzeptor zu Ethanol reduziert werden muss. In diesem Fall wird das Phosphat des Acetylphosphat auf ADP durch [[Substratkettenphosphorylierung]] übertragen, so dass Essigsäure statt Ethanol als Endprodukt entsteht und 1 ATP zusätzlich gewonnen wird. Die Nettoenergieausbeute beträgt also 2 Moleküle ATP je Molekül Pentose.


Auch Hexosen können verwertet werden. Hierbei wird diese, beispielsweise Glucose, wie bereits mit den Eingangsschritten des [[Entner-Doudoroff-Weg]]es durch eine [[Hexokinase]] zunächst zu Glucose-6-phosphat durch ATP-Verbrauch aktiviert. Dieses oxidiert eine Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase zu 6-Phosphoglucono-δ-Lacton unter [[Nicotinamidadenindinukleotidphosphat|NADP<sup>+</sup>]]-Verbrauch. Das Lacton wird anschließend durch eine 6-Phosphoglucolactonase zu 6-Phosphogluconat hydrolysiert. Dieses wird dann zu Ribulose-5-phosphat decarboxyliert und mit NADP<sup>+</sup> oxidiert, was eine Phosphogluconatdehydrogenase ({{EC|1.1.1.44}}) katalysiert. Ribulose-5-phosphat wird dann zu Xylulose-5-phosphat epimerisiert und schließlich durch die Phosphoketolase gespalten. Im Gegensatz zum Abbauweg von Pentosen wird jedoch kein Acetat gebildet, da zwei zusätzliche Reduktionsäquivalente verbraucht werden müssen. Daher wird das entstandene Acetylphosphat über über [[Acetyl-CoA]] und [[Acetaldehyd]] zu [[Ethanol]] unter Verbrauch dieser Reduktionsäquivalente reduziert.
:<math>\mathrm{Pentose + 2\ ADP + 2\ P_i \xrightarrow{(Pentosen)} Lactat + Acetat + 2\ ATP}</math>


In der Bilanz wird von den zwei gewonnenen ATP eins zur [[Phosphorylierung]] der abzubauenden Glucose verwendet, beim Acetatzweig aber keines gebildet. Infolgedessen beträgt die Nettoenergieausbeute bei der heterofermentativen Milchsäuregärung für Hexosen nur ein Molekül ATP je Hexose:
Da der Abbau von Pentosen günstiger ist als der von Hexosen, sind heterofermentative Milchsäuregärer auf den Abbau von Pentosen spezialisiert.<ref>Georg Fuchs (Hrsg.), Hans. G. Schlegel (Autor): ''Allgemeine Mikrobiologie''. Thieme Verlag Stuttgart; 8. Auflage 2007; ISBN 3-13-444608-1; S. 355</ref>. Diese stammen beispielsweise aus Pflanzenmaterial.

:<math>\mathrm{Hexose + ADP + P_i \longrightarrow Lactat + Ethanol + CO_2 + ATP + H_2O}</math>

==== Variationen ====
Bei der heterofermentative Milchsäuregärung kann die Phosphoketolase auch [[Fructose-6-phosphat]] als Substrat akzeptieren, dabei entstehen neben Acetylphosphat [[Erythrose]]-4-phosphat. Letzteres wird zu Erythrit-4-phosphat reduziert und nach Phosphatabspaltung zu [[Erythrit]] umgesetzt. Dieser als „Erythritweg“ bezeichnete Nebenweg hat indes nur eine geringe Aktivität.

Alternativ kann auch das Glycerinaldehyd zu [[Glycerin]] abgebaut werden. Hierbei wird Glycerinaldehyd zunächst zu Glycerin-1-phosphat reduziert und dann zu Glycerin hydrolysiert.

==== Bedeutung ====
Da der Abbau von Pentosen günstiger ist als der von Hexosen, sind heterofermentative Milchsäuregärer auf den Abbau von Pentosen spezialisiert.<ref>Georg Fuchs (Hrsg.), Hans. G. Schlegel (Autor): ''Allgemeine Mikrobiologie''. Thieme Verlag Stuttgart; 8. Auflage 2007; ISBN 3-13-444608-1; S. 355</ref>. Diese stammen beispielsweise aus Pflanzenmaterial, das diese Bakterien abbauen. Neben Hexosen kommen in größeren Mengen Pentosen auch im [[Traubenmost]], [[Wein]] oder [[Sauerteig]] vor, so dass viele heterofermentative Milchsäuregärer dort wachsen.

Die Wachstumsraten von heterofermentative Milchsäuregärer sind beim Abbau von Hexosen niedriger als beim Abbau von Pentosen, da die Reduktionsäquivalente langsamer reoxidiert werden. Der Grund dafür ist die geringe Aktivität der Acetaldehyddehydrogenase. Außerdem wird für diesen Abbauweg [[Coenzym A]] als Cofaktor benötigt. Daher ist die Versorgung mit [[Pantothensäure]] für die Aufrechterhaltung des Abbauweges nötig. Andernfalls wird die Bildung von Ethanol inhibiert. Damit die Gärung ablaufen kann, müssen die Reduktionsäquivalente durch die Bildung von Glycerin bzw. Erythrit regeneriert werden (Coenzym&nbsp;A-unabhängig). Da beim Abbau von Pentosen Coenzym A nicht benötigt wird, hat dort ein Mangel von Pantothensäure keinen direkten Einfluss.


=== ''Bifidobacterium''-Gärung ===
=== ''Bifidobacterium''-Gärung ===
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Die Milchsäuregärung wird auch zur Konservierung von [[Pflanzen]]material als [[Futtermittel]] in der [[Landwirtschaft]] eingesetzt. Man bezeichnet das in der Regel in [[Silo]]s durchgeführte Verfahren als Silierung und das Produkt als [[Silage]].
Die Milchsäuregärung wird auch zur Konservierung von [[Pflanzen]]material als [[Futtermittel]] in der [[Landwirtschaft]] eingesetzt. Man bezeichnet das in der Regel in [[Silo]]s durchgeführte Verfahren als Silierung und das Produkt als [[Silage]].


== Quellen ==
== Literatur ==
* Zaunmüller, T. ''et al''. (2006): ''Variations in the energy metabolism of biotechnologically relevant heterofermentative lactic acid bacteria during growth on sugars and organic acids''. In: ''Appl Microbiol Biotechnol''. 72(3):421–429; PMID 16826375; {{DOI|10.1007/s00253-006-0514-3}}
* Georg Fuchs (Hrsg.), Hans. G. Schlegel (Autor): ''Allgemeine Mikrobiologie''. Thieme Verlag Stuttgart, 8. Auflage 2007, ISBN 3-13-444608-1, S. 353ff.
* Georg Fuchs (Hrsg.), Hans. G. Schlegel (Autor): ''Allgemeine Mikrobiologie''. Thieme Verlag Stuttgart, 8. Auflage 2007, ISBN 3-13-444608-1, S. 353ff.
* Katharina Munk (Hrsg.): ''Taschenlehrbuch Biologie: Mikrobiologie''. Thieme Verlag Stuttgart 2008, ISBN 978-3-13-144861-3, S. 376ff.
* Katharina Munk (Hrsg.): ''Taschenlehrbuch Biologie: Mikrobiologie''. Thieme Verlag Stuttgart 2008, ISBN 978-3-13-144861-3, S. 376ff.

Version vom 27. März 2010, 23:00 Uhr

Milchsäuregärung bezeichnet Wege des Energiestoffwechsels bei Lebewesen, bei denen verschiedene Zucker zu Milchsäure allein oder daneben noch anderen Endprodukten abgebaut werden. Es sind exergone chemische Umsetzungen, die den Lebewesen als Energiequelle dienen. Vor allem Milchsäurebakterien betreiben die Milchsäuregärungen. Bei Sauerstoffmangel kann aber auch in manchen Pilzen, Pflanzen und Tieren sowie in Menschen Milchsäure aus Zuckern gebildet werden.

Biochemischer Ablauf

Nach den gebildeten Hauptendprodukten und den Abbauwegen unterscheidet man verschiedene Typen der Milchsäuregärung:

  • homofermentative Milchsäuregärung, bei der als Hauptendprodukt nur Milchsäure gebildet wird,
  • heterofermentative Milchsäuregärung, bei der als Hauptendprodukte neben Milchsäure im Fall von Hexosen-Abbau Ethanol sowie Kohlenstoffdioxid, im Fall von Pentosen-Abbau Essigsäure gebildet wird,
  • Milchsäuregärung durch Bifidobacterium, bei der als Hauptendprodukt Milchsäure und Essigsäure gebildet wird.

Homofermentative Milchsäuregärung

Die homofermentative Milchsäuregärung als Übersichtsschema, ausgehend von Glucose. Hierbei werden pro Molekül Glucose zwei Moleküle ATP gebildet.

Bei der homofermentativen Milchsäurebildung werden die Zucker zu Milchsäure umgesetzt, welches unter physiologischen Bedingungen als Lactat vorliegt. Als Beispiel die Summengleichung der Umsetzung von Glucose:

Dabei werden die Zucker zunächst in der Glykolyse zu Pyruvat abgebaut. Dieses wird vom Enzym Laktatdehydrogenase mit dem bei der Oxidation von Glycerinaldehydphosphat zu Phosphoglycerat gebildeten Coenzym NADH zu Lactat (Anion der Milchsäure) reduziert, das NADH wird dabei zu NAD+ oxidiert.

Im Verlauf der Glykolyse werden je Molekül Glucose je zwei Moleküle Lactat, NADH und ATP gebildet, so dass die Summengleichung der homofermentativen Milchsäuregärung lautet:

Die Nettoenergieausbeute beträgt also 2 Moleküle ATP je Molekül Glucose.

Da Lactat aufgrund seiner elektrischen Ladung nicht durch Zellmembranen diffundieren kann, muss es aktiv aus der Zelle exportiert werden, um eine Übersäuerung zu verhindern. Das Medium wird angesäuert.

Die homofermentative Milchsäuregärung wird von homofermentativen Milchsäurebakterien und bei Sauerstoffmangel von manchen Pilzen, Pflanzen und Tieren sowie Menschen durchgeführt.

Heterofermentative Milchsäuregärung

Der Weg der heterofermentativen Milchsäuregärung wird von Milchsäurebakterien eingeschlagen, denen das Enzym Aldolase fehlt. Dieses ist für den Embden-Meyerhof-Parnas-Weg (Glykolyse) zur Spaltung von Fructose-1,6-bisphosphat in die beiden Phosphotriosen Dihydroxyacetonphosphat und Glycerinaldehydphosphat erforderlich. Heterofermentative Milchsäuregärer können durch diesen speziellen Stoffwechselweg sowohl Hexosen (wie beispielsweise Glucose oder Fructose), als auch insbesondere Pentosen (Xylose, Ribose) über Xylulose-5-phosphat abbauen. Typische Vertreter sind die obligat heterofermentativen Milchsäuregärer Oenococcus oeni und Leuconostoc mesenteroides, oder die fakulativen Gärer Lactobacillus pentosus und Lactobacillus plantarum.

Biochemie

Die heterofermentative Milchsäuregärung in der Übersicht. Der Abbauweg der Hexosen führt zu anderen Produkten als der von Pentosen. NADH bzw. NADPH sind als „2 [H]“ abgekürzt. Für Einzelheiten bitte Text beachten.

Heterofermentative Milchsäurebakterien sind auf den Abbau von Pentosen spezialisiert. Diese wird unter ATP-Verbrauch in Pentose-5-phosphat überführt und in Xylulose-5-phosphat isomerisiert, was eine Epimerase (EC 5.1.3.1) katalysiert. Das Produkt wird dem Schlüsselenzym des Stoffwechselweges, der Phosphoketolase (EC 4.1.2.9), unter Einbeziehung eines anorganischen Phosphates (Pi) in die Triose Glycerinaldehydphosphat und Acetylphosphat gespalten. Glycerinaldehydphosphat wird im Zuge der Glykoylse regulär zu Pyruvat umgesetzt, wobei zwei Moleküle ATP sowie ein Molekül Reduktionsäquivalente in Form von NADH gewonnen werden. Dieses NADH wird reoxidiert, indem Pyruvat zu Lactat reduziert wird. Diese Reaktion entspricht dem letzten Schritt der homofermentativen Milchsäuregärung (siehe oben).

Das bei der Spaltung erhaltene Acetylphosphat wird zu Acetat umgesetzt. Die energiereiche Säureanhydridbindung wird genutzt, um ATP über Substratkettenphosphorylierung zu gewinnen. Daher wird bei diesem Schritt ATP aufgebaut, die Reaktion katalyisert eine Acetatkinase (EC 2.7.2.1).

Die Abbau von Pentosen wird auch als Phosphoketolaseweg bezeichnet.[1] Die Nettoenergieausbeute beträgt also 2 Moleküle ATP je Molekül Pentose.


Auch Hexosen können verwertet werden. Hierbei wird diese, beispielsweise Glucose, wie bereits mit den Eingangsschritten des Entner-Doudoroff-Weges durch eine Hexokinase zunächst zu Glucose-6-phosphat durch ATP-Verbrauch aktiviert. Dieses oxidiert eine Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase zu 6-Phosphoglucono-δ-Lacton unter NADP+-Verbrauch. Das Lacton wird anschließend durch eine 6-Phosphoglucolactonase zu 6-Phosphogluconat hydrolysiert. Dieses wird dann zu Ribulose-5-phosphat decarboxyliert und mit NADP+ oxidiert, was eine Phosphogluconatdehydrogenase (EC 1.1.1.44) katalysiert. Ribulose-5-phosphat wird dann zu Xylulose-5-phosphat epimerisiert und schließlich durch die Phosphoketolase gespalten. Im Gegensatz zum Abbauweg von Pentosen wird jedoch kein Acetat gebildet, da zwei zusätzliche Reduktionsäquivalente verbraucht werden müssen. Daher wird das entstandene Acetylphosphat über über Acetyl-CoA und Acetaldehyd zu Ethanol unter Verbrauch dieser Reduktionsäquivalente reduziert.

In der Bilanz wird von den zwei gewonnenen ATP eins zur Phosphorylierung der abzubauenden Glucose verwendet, beim Acetatzweig aber keines gebildet. Infolgedessen beträgt die Nettoenergieausbeute bei der heterofermentativen Milchsäuregärung für Hexosen nur ein Molekül ATP je Hexose:

Variationen

Bei der heterofermentative Milchsäuregärung kann die Phosphoketolase auch Fructose-6-phosphat als Substrat akzeptieren, dabei entstehen neben Acetylphosphat Erythrose-4-phosphat. Letzteres wird zu Erythrit-4-phosphat reduziert und nach Phosphatabspaltung zu Erythrit umgesetzt. Dieser als „Erythritweg“ bezeichnete Nebenweg hat indes nur eine geringe Aktivität.

Alternativ kann auch das Glycerinaldehyd zu Glycerin abgebaut werden. Hierbei wird Glycerinaldehyd zunächst zu Glycerin-1-phosphat reduziert und dann zu Glycerin hydrolysiert.

Bedeutung

Da der Abbau von Pentosen günstiger ist als der von Hexosen, sind heterofermentative Milchsäuregärer auf den Abbau von Pentosen spezialisiert.[2]. Diese stammen beispielsweise aus Pflanzenmaterial, das diese Bakterien abbauen. Neben Hexosen kommen in größeren Mengen Pentosen auch im Traubenmost, Wein oder Sauerteig vor, so dass viele heterofermentative Milchsäuregärer dort wachsen.

Die Wachstumsraten von heterofermentative Milchsäuregärer sind beim Abbau von Hexosen niedriger als beim Abbau von Pentosen, da die Reduktionsäquivalente langsamer reoxidiert werden. Der Grund dafür ist die geringe Aktivität der Acetaldehyddehydrogenase. Außerdem wird für diesen Abbauweg Coenzym A als Cofaktor benötigt. Daher ist die Versorgung mit Pantothensäure für die Aufrechterhaltung des Abbauweges nötig. Andernfalls wird die Bildung von Ethanol inhibiert. Damit die Gärung ablaufen kann, müssen die Reduktionsäquivalente durch die Bildung von Glycerin bzw. Erythrit regeneriert werden (Coenzym A-unabhängig). Da beim Abbau von Pentosen Coenzym A nicht benötigt wird, hat dort ein Mangel von Pantothensäure keinen direkten Einfluss.

Bifidobacterium-Gärung

Gärungsschema bei Bifidobacterium bifidum.

Das Milchsäurebakterium Bifidobacterium bifidum besitzt ebenso wie heterofermentative Milchsäurebakterien keine Aldolase, umgeht den Aldolase-Schritt jedoch auf andere Weise: Fructose-6-phosphat wird phosphorolytisch zu Erythrose-4-phosphat und Acetylphosphat gespalten. Erythrose-4-phosphat wird mit einem weiteren Molekül Fructose-6-phosphat in Transaldolase- und Transketolase-Reaktionen zu zwei Molekülen Xylulose-5-phosphat umgesetzt, die beide phosphorolytisch durch eine Phosphoketolase zu Glycerinaldehydphosphat und Acetylphosphat gespalten werden (Pentosephosphatweg). Mit den drei Molekülen Acetylphosphat werden 3 ADP zu 3 ATP phosphoryliert, wodurch Energie in Form von drei Molekülen ATP konserviert und Essigsäure als eins der beiden Endprodukte gebildet wird. Die beiden Moleküle Glycerinaldehydphosphat werden wie bei anderen Milchsäurebakterien zu Milchsäure, dem zweiten Endprodukt der Gärung, umgesetzt, wobei vier Moleküle ADP zu ATP phosphoryliert werden. Die Nettoenergieausbeute beträgt also 2,5 Moleküle ATP je Molekül Glucose.

Beispiele für das Auftreten von Milchsäuregärung

Milchsäuregärung durch Milchsäurebakterien

Bakterien, die Milchsäure als einziges oder hauptsächliches Gärungsprodukt erzeugen, werden als Milchsäurebakterien bezeichnet. Sie bilden eine Ordnung grampositiver Bakterien und zeichnen sich durch das Fehlen der für die Elektronentransportphosphorylierung nötigen Porphyrine und Cytochrome aus, so dass sie ihre Energie nur mittels an den Zuckerabbau gekoppelter Substratkettenphosphorylierung gewinnen können.

Man unterscheidet dabei:

  • heterofermentative Stämme von Milchsäurebakterien, die als Hauptendprodukte neben Milchsäure und Kohlenstoffdioxid bei Hexosen-Abbau Ethanol und bei Pentosen-Abbau Essigsäure bilden. Diesen Bakterien mangelt es an Aldolase, dem Schlüsselenzym der Glykolyse. Hierzu gehören die Gattungen Leuconostoc und einige Angehörige der Gattung Lactobacillus, hauptsächlich Lactobacillus buchneri.
  • Die Bakterien-Art Bifidobacterium bifidum, die die Bifidobacterium-Gärung durchführt[3].

Milchsäuregärung in belasteten Muskelzellen

Im Vergleich zur aeroben Atmung wird bei Gärungen nur eine geringe Menge Energie gewonnen, da dabei statt Citratzyklus und anschließender Atmungskette nur die Substratkettenphosphorylierung genutzt wird. Die Gärung ist jedoch ein Weg, um durch Substratkettenphosphorylierung schnell ATP zu bilden.

So gibt es beim Menschen spezialisierte Zellen, die ihre Energie ausschließlich aus Milchsäuregärung beziehen. Erythrozyten beispielsweise können wegen fehlender Mitochondrien Glucose nur unter anaeroben Bedingungen verstoffwechseln. Muskelzellen vermögen ATP in der Milchsäuregärung zu erzeugen, auch wenn nicht genügend Sauerstoff für eine aerobe Atmung zur Verfügung steht. Bei anstrengender körperlicher Arbeit kann es vorkommen, dass die Sauerstoffversorgung der Muskeln nicht mehr mit dem erhöhten Bedarf Schritt halten kann. Dann stellen sich die Zellen von aerober Zellatmung auf anaerobe Milchsäure-Gärung um. Der Körper greift auf das im Muskel gespeicherte Glykogen zurück und zerlegt es ohne ATP-Verbrauch in Glucose-6-phosphat. Dieses wird dann anaerob zu Lactat abgebaut. Das heißt, dass die Milchsäuregärung in diesem Fall durch die Menge des vorhandenen Glycogens begrenzt wird. Die Milchsäure sammelt sich in den Muskeln an und führt zu einer Übersäuerung. Muskelerschöpfung und Müdigkeit ergeben sich in der Folge. Zusammen mit Mikroverletzungen verursacht die Ansäuerung durch die gebildete Milchsäure wahrscheinlich auch den Muskelkater. Nach etwa 45 Sekunden wird die Milchsäuregärung bei hoher Belastung im Muskeln von dem verzögerten Abbau von Glucose und Fettsäuren abgelöst. Die individuelle anaerobe Schwelle kann durch einen Lactattest überprüft werden, der Auskunft über die Belastbarkeit gibt.

Auch bei größeren Tieren gelangt häufig Sauerstoff nicht schnell genug in die Gewebe, so dass nötige Energie durch Gärung gewonnen wird.[4] Alligatoren und Krokodile vermögen blitzschnelle Angriffe zu starten, die viel Energie kosten. Diese Energie stammt aus der Milchsäuregärung. Auch Elefanten, Nashörner, Wale und Robben sind auf die Milchsäuregärung angewiesen. Man vermutet, dass große Saurier völlig auf Gärungen angewiesen waren.

Vor allem in Ruhephasen wird das Lactat (Anion der Milchsäure) durch das Blut abtransportiert und in der Leber zu Pyruvat oxidiert.

Milchsäuregärung zur Herstellung von Lebens- und Futtermitteln

Zur Konservierung von Lebensmitteln wird die Milchsäuregärung mindestens seit der Jungsteinzeit eingesetzt. Durch die Milchsäurebildung wird das Lebensmittel gesäuert und Verderbniserreger fast vollständig in ihrer Aktivität gehemmt oder sogar abgetötet. Beispiele sind Sauermilchprodukte wie Joghurt, Quark und Buttermilch, Brottrunk, Sauerkraut, Saure Bohnen, das koreanische Gimchi, das japanische Tsukemono und andere Sauergemüse.

Weiterhin wird die Milchsäuregärung zum Brotbacken mit Sauerteig und zur Reifung von Rohwürsten wie Teewurst, Salami und anderen Rohwürsten angewendet.

Zur Milchsäuregärung bei Milchprodukten benötigen die Milchsäurebakterien das Enzym Lactase, welches unter Verwendung von H2O den Milchzucker Lactose (C12H22O11) in Glucose (C6H12O6) und Galactose (C6H12O6) umwandelt. Beide so entstandenen Zucker werden über einen oder mehrere der oben beschriebenen Wege umgesetzt.

Die Milchsäuregärung wird auch zur Konservierung von Pflanzenmaterial als Futtermittel in der Landwirtschaft eingesetzt. Man bezeichnet das in der Regel in Silos durchgeführte Verfahren als Silierung und das Produkt als Silage.

Literatur

  • Zaunmüller, T. et al. (2006): Variations in the energy metabolism of biotechnologically relevant heterofermentative lactic acid bacteria during growth on sugars and organic acids. In: Appl Microbiol Biotechnol. 72(3):421–429; PMID 16826375; doi:10.1007/s00253-006-0514-3
  • Georg Fuchs (Hrsg.), Hans. G. Schlegel (Autor): Allgemeine Mikrobiologie. Thieme Verlag Stuttgart, 8. Auflage 2007, ISBN 3-13-444608-1, S. 353ff.
  • Katharina Munk (Hrsg.): Taschenlehrbuch Biologie: Mikrobiologie. Thieme Verlag Stuttgart 2008, ISBN 978-3-13-144861-3, S. 376ff.
  • Neil A. Campbell: Biologie. Spektrum Lehrbuch, 6. Auflage, Herausgegeben von J.Markl, Spektrum Verlag, Heidelberg, Berlin 2003, ISBN 3-8274-1352-4.
  • Michael T. Madigan, John M. Martinko: Brock Mikrobiologie 11. Auflage, Pearson Studium, München, 2006, ISBN 3-8273-7187-2.

Einzelnachweise

  1. Katharina Munk (Hrsg.): Taschenlehrbuch Biologie: Mikrobiologie. Thieme Verlag Stuttgart 2008; ISBN 978-3-13-144861-3; S. 355
  2. Georg Fuchs (Hrsg.), Hans. G. Schlegel (Autor): Allgemeine Mikrobiologie. Thieme Verlag Stuttgart; 8. Auflage 2007; ISBN 3-13-444608-1; S. 355
  3. Wytske de Vries and A. H. Stouthamer: Pathway of Glucose Fermentation in Relation to the Taxonomy of Bifidobacteria. In: Journal of Bacteriology. Band 93(2), 1967, S. 574–576.
  4. Albert L. Lehninger, David L. Nelson und Michael M. Cox: Lehninger Biochemie. Springer, Berlin; 3., vollst. überarb. u. erw. Auflage 2009; ISBN 978-3-540-41813-9; S. 584ff.

Siehe auch