Berufsbezeichnung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 30. September 2016 um 20:22 Uhr durch Williwilli (Diskussion | Beiträge) (Klammern korrigiert | Klammerfehler - Helfer gesucht). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Eine Berufsbezeichnung benennt einen Beruf. Jeder Beruf beinhaltet auch Tätigkeitsüberbegriffe bzw. Berufsgruppen, z. B. „Sachbearbeiter“, „Techniker“, „Handwerker“, „Gestalter“, „Designer“ (vgl. Berufliche Funktion). In Personalunion können auch mehrere Funktionen ausgeübt werden, z. B. „Abteilungsleiter Forschung, Betriebsratsmitglied und Beauftragter für Arbeitsschutz“. Sprachwissenschaftlich gesehen sind Berufsbezeichnungen eine Untergruppe der Personenbezeichnungen, d. h. der Nomen Agentis, die einen der Haupttypen der Substantive darstellen.[1]

Deutschland

Führung von Berufsbezeichnungen

Eine Berufsbezeichnung kann führen, wer einen Beruf a) ausübt (auch beurlaubt, arbeitsunfähig, suspendiert) oder b) erlernt hat und dauerhaft nicht mehr ausübt. Mit Ausnahme von Frankreich gibt es diese in grammatisch weiblicher als auch in grammatisch männlicher Form.

Personen in der Ausbildung dürfen eine Berufsbezeichnung nur führen, wenn diese mit einem entsprechenden Zusatz versehen ist. In Deutschland wird zwischen der Führung von Berufsbezeichnungen und der Führung von Titeln bzw. akademischen Graden unterschieden. Einschlägig ist z. B. die Strafvorschrift § 132a Strafgesetzbuch.

Geschützte Berufsbezeichnungen

Die Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft und Kultur führt zur Führung des akademischen Grades vor einer Berufsbezeichnung aus: „Wer seinem Namen die Bezeichnung ‚Diplombetriebswirt‘ anfügt, führt einen Hochschulgrad, denn die Bezeichnung ‚Diplom-…‘ setzt einen Hochschulabschluss voraus. Wer sich hingegen ‚Betriebswirt‘ nennt, führt die entsprechende Berufsbezeichnung.“[9]

Beispiele nicht geschützter Berufsbezeichnungen

Viele Berufsbezeichnungen, bei denen man dem Anschein nach auf eine nach ordnungsgemäßer Prüfung abgeschlossene Ausbildung oder ein abgeschlossenes wissenschaftliches Studium schließen könnte, sind nicht geschützt.

Sie können somit von jeder Person aufgrund nicht vorhandener gesetzlicher Regelung legal geführt werden und sind kein Beweis besonderer Fachkompetenzen oder gar besonderer rechtlicher Befugnisse. Werden allerdings auch ungeschützte Berufsbezeichnungen im Berufsleben (z. B. bei Bewerbungen, Vertragsabschlüssen) verwendet, ohne dass man über die entsprechende Qualifikation verfügt, verstößt dies eventuell als irreführende Werbung gegen die Paragraphen § 3 oder § 16 des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG). Unter bestimmten Voraussetzungen kommt auch eine Strafbarkeit wegen Betrugs gem. § 263 StGB in Betracht; dies gilt insbesondere für Formen des Anstellungsbetrugs.

Beispiele solcher Bezeichnungen, die als staatliche Abschlüsse oder Amtsbezeichnungen missdeutet werden können, sind

Schweiz

In der Schweiz sind die Regeln zu geschützten Berufsbezeichnungen in unterschiedlichen Gesetzen geregelt. Für die Titel, die von den vom Bund geführten Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH Zürich und ETH Lausanne) vergeben werden, gilt das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über die Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH-Gesetz).[10] Dort heißt es in Artikel 38:

„Mit Buße wird bestraft, wer:

a. sich als Dozent einer ETH ausgibt, ohne dass er dazu ernannt worden ist;
b. einen ETH-Titel führt, ohne dass er ihm verliehen worden ist;
c. einen Titel verwendet, der den Eindruck erweckt, er sei ihm von einer ETH verliehen worden.“

Für Titel, die durch eine Lehre, optional ergänzt durch eine Ausbildung an einer Fachhochschule, erworben werden, gilt das Bundesgesetz über die Berufsbildung (Berufsbildungsgesetz, BBG).[11] Während das Gesetz die eigentlichen Titel nicht nennt, sondern dabei auf den Verordnungsweg verweist, der diese für die einzelnen Berufe individuell regelt, definiert es in Artikel 36 ebenfalls einen Titelschutz:

„Titelschutz

Nur Inhaberinnen und Inhaber eines Abschlusses der beruflichen Grundbildung und der höheren Berufsbildung sind berechtigt, den in den entsprechenden Vorschriften festgelegten Titel zu führen.“

Artikel 63 nennt auch gleich die Strafbestimmungen:

„Titelanmassung

1 Mit Buße wird bestraft, wer:
a. einen geschützten Titel führt, ohne die erforderlichen Prüfungen bestanden oder ein gleichwertiges Qualifikationsverfahren erfolgreich durchlaufen zu haben;
b. einen Titel verwendet, der den Eindruck erweckt, er oder sie habe die entsprechende Prüfung bestanden oder ein gleichwertiges Qualifikationsverfahren erfolgreich durchlaufen.
2 Die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb bleiben vorbehalten.“

Berufsbezeichnungen in Europa aus genderlinguistischer Perspektive

Sprachliche Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei Berufsbezeichnungen

Im Jahr 1976 erfolgte die Veröffentlichung der Vorlage:EG-RL der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Gleichstellung der Frau im Arbeitsleben. Danach wurden in Europa eine Reihe von gesetzlichen Maßnahmen verabschiedet. Es erfolgte die Herausgabe von Verordnungen und Gründungen von Kommissionen, welche für eine Gleichbehandlung von Männern und Frauen sorgen sollten und diese Forderung auch auf sprachlicher Ebene zum Ausdruck brachten. So wurde z.B. in der Bundesrepublik Deutschland 1979 geregelt, dass künftig in Ausbildungsordnungen männliche und weibliche Berufsbezeichnungen verwendet werden müssen. Das Bürgerliche Gesetzbuch wurde 1980 um den Paragraphen § 611b BGB ergänzt, indem eine geschlechtsneutrale Arbeitsplatzausschreibung verankert wurde.[12] In den Niederlanden wurde beispielsweise das Gesetz zur Gelijke behandeling van mannen en vrouwen bij de arbeid verabschiedet, welches die Forderung enthielt, dass weibliche sowie männliche Personen durch eine Stellenanzeige angesprochen werden müssen.[13] In Frankreich veröffentlichte 1986 eine durch die Regierung geschaffene Kommission ein Zirkular (Circulaire du 11 mars 1986 relative à la féminisation des noms de métier, fonction, grade ou titre), welches unter anderem die Verwendung von weiblichen Berufsbezeichnungen thematisierte und für eine einheitliche Regelung sorgen sollte.[14] Die Umsetzung der oben beschriebenen Maßnahmen verlief nicht immer unproblematisch, jedoch zeigt sich an diesen Beispielen, dass in Europa die sprachliche Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei Berufsbezeichnungen ab den 70er Jahren deutlich vorangetrieben wurde.

Neutralisation und Feminisierung

Um eine sprachliche Gleichbehandlung der beiden Geschlechter zu erzeugen, lassen sich zwei Hauptstrategien unterscheiden. Eine davon ist die Neutralisation. Diese Strategie bietet wiederum zwei mögliche Varianten, um eine sprachliche Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei Berufsbezeichnungen zu erzielen. Zum einen kann dies durch die Verwendung von sogenannten geschlechtsneutralen Personenbezeichnungen geschehen, durch die sowohl weibliche als auch männliche Personen angesprochen werden können. Als Beispiele für diese Art der geschlechtsneutralen Berufsbezeichnungen wären im Deutschen z.B. „die Fachkraft“ oder „die Lehrkraft“ zu nennen. Im Englischen sollte beispielsweise fireman durch firefighter ersetzt werden, denn durch die Verwendung dieser Berufsbezeichnung können sowohl Männer als auch Frauen gleichermaßen angesprochen werden. Die zweite Möglichkeit die Neutralisation anzuwenden kann im Deutschen dadurch erreicht werden, dass eine Pluralform eines normalisierten Adjektivs oder Partizips verwendet wird, z. B. „die Studierenden“ oder „die Angestellten“.

Die zweite Strategie ist die Feminisierung. Diese wird dadurch erreicht, indem beide Geschlechter „sichtbar“ gemacht werden. Soll heißen, dass durch eine Beidnennung, also die Nennung der weiblichen und der männlichen Berufsbezeichnung, eine sprachliche Gleichbehandlung erzielt werden kann.[15]

Bsp. für mögliche Doppelnennungen:

  • dt. „alle Lehrerinnen und Lehrer“ oder „Lehrer/innen“.
  • franz. les étudiantes et les étudiants oder les étudiantEs.

Auffälligkeiten bei männlichen und weiblichen Berufsbezeichnungen im europäischen Sprachraum

„Männer in stereotypen Frauenberufen“

Männliche Berufsbezeichnungen werden häufig als Ableitungsbasis für weibliche Berufsbezeichnungen herangezogen.[16] So erfolgt die Bildung von weiblichen Berufsbezeichnungen beispielsweise im Deutschen meist durch das Anhängen des Femininsuffixes -in, an ein maskulines Personensuffix,[17] wie z. B. bei „Fahr-er-in“. Im Gegensatz dazu dienen weibliche Berufsbezeichnungen selten als Basis für eine Derivation, um ein männliches Pendant zu schaffen. Meist erfolgt eine Schaffung gänzlich neuer maskuliner Termini, welche oft mit einer (sprachlichen) Aufwertung des Berufs verbunden sind.[18][19][20] Als Beispiel im Deutschen kann hier die Berufsbezeichnung „Entbindungspfleger“ angefügt werden. Diese wurde im Jahr 1985 geschaffen, nachdem das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. März 1972 den ministeriellen Sprachschöpfer/innen untersagte die Bezeichnungen „Hebammer“ oder „Hebammerich“ zu verwenden. Diese Bezeichnungen wurden ausgeschlossen, weil diese einen eindeutig femininen Ursprung und Charakter hätten. So setzte sich neben anderen Vorschlägen wie z. B. „Geburtspfleger“ oder „Geburtenassistent“ die Berufsbezeichnung „Entbindungspfleger“ durch.[16][21] Auch z. B. im Französischen wurde die Berufsbezeichnung sage-femme ‚Hebamme‘ nicht als Ableitungsbasis für das männliche Pendant genutzt, sondern die Bezeichnung accoucheur ‚Geburtshelfer‘ eingeführt.[19] Häufig werden von neugeschaffenen männlichen Berufsbezeichnungen dann wieder weibliche Berufsbezeichnungen abgeleitet.[21][19]

Beispiele:

  • dt. „Erzieher“ und „Erzieherin“
  • franz. accoucheur ‚Geburtshelfer‘ und accoucheuse ‚Geburtshelferin‘

Männliche und weibliche Berufsbezeichnungen und ihr Prestige

Oft werden männliche Berufsbezeichnungen mit einer prestigereicheren Tätigkeit verbunden, als ihr weibliches Pendant. Soll heißen, dass feminine Formen oft mit beruflichen Tätigkeiten verbunden werden, die nicht so viel Ansehen genießen und einen niedrigeren Status innerhalb der entsprechenden Gesellschaft innehaben, wie ihr männliches Pendant.

Beispiele:

  • pol. kierownik (m) leitet ein Unternehmen vs. kierowniczka (f) leitet einen Laden[22]
  • dt. „Direktor“ (m) leitet ein Unternehmen vs. „Direktrice“ (w) leitende Angestellte in der Bekleidungsindustrie[23]
  • franz. couturier ‚Modeschöpfer‘ (m) vs. couturière ‚Schneiderin‘ (w)[24]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Regina Wittemöller: Weibliche Berufsbezeichnungen im gegenwärtigen Deutsch. Frankfurt 1988, S. 31.
  2. a b c d Architektengesetz. In: landesrecht-bw.de. juris GmbH, abgerufen am 11. November 2015.
  3. Ingenieurgesetz. In: landesrecht-bw.de. juris GmbH, abgerufen am 11. November 2015.
  4. Gesetz über die Errichtung einer Ingenieurkammer und über die Berufsordnung der Beratenden Ingenieure in Baden-Württemberg. In: landesrecht-bw.de. juris GmbH, abgerufen am 11. November 2015.
  5. Gesetz über die Berufsbezeichnung „Staatlich geprüfte Lebensmittelchemikerin“ und „Staatlich geprüfter Lebensmittelchemiker“ (Lebensmittelchemiker-BerufsbezeichnungsG). In: Berliner Vorschrifteninformationssystem. 12. November 1997, abgerufen am 12. November 2012.
  6. Gesetz zum Schutz der Berufsbezeichnung „Staatlich geprüfte Lebensmittelchemikerin“ und „Staatlich geprüfter Lebensmittelchemiker“ (LMChemG). In: Brandenburgisches Vorschriftensystem (BRAVORS). 26. November 1998, abgerufen am 12. November 2012.
  7. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Berufsbezeichnung „Lebensmittelchemiker“. (PDF) In: Homepage des Landtag Nordrhein-Westfalen. 28. Februar 2006, abgerufen am 11. November 2012.
  8. Gesetz zum Schutze der Berufsbezeichnung »Lebensmittelchemikerin« oder »Lebensmittelchemiker« (Lebensmittelchemiker-Gesetz). In: Justizportal Hamburg. 13. Juni 1977, abgerufen am 12. November 2012.
  9. Anerkennung von Berufsbezeichnungen (Memento vom 19. Februar 2008 im Internet Archive) Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft und Kultur
  10. SR 414.110
  11. SR 412.10
  12. Ingrid Samel: Einführung in die feministische Sprachwissenschaft. Berlin 2000, S. 95–96.
  13. Marinel Gerritsen: Towards a more gender-fair usage in Netherlands Dutch. In: Marlis Hellinger, Hadumod Bußmann (Hrsg.): Gender Across Languages. The linguistic representation of women and men. Volume 2. Amsterdam 2002, S. 81–108 (98).
  14. Elisabeth Burr: Gender and language politics in France. In: Marlis Hellinger, Hadumod Bußmann (Hrsg.): Gender Across Languages. The linguistic representation of women and men. Volume 3. Amsterdam 2003, S. 119–139 (122).
  15. Hadumod Bußmann, Marlis Hellinger: German. Engendering female visibility in German. In: Marlis Hellinger, Hadumod Bußmann (Hrsg.): Gender Across Languages. The linguistic representation of women and men. Volume 3. Amsterdam 2003, S. 141–174 (154–155).
  16. a b Regina Wittemöller: Weibliche Berufsbezeichnungen im gegenwärtigen Deutsch. Frankfurt 1988, S. 83.
  17. Regina Wittemöller: Weibliche Berufsbezeichnungen im gegenwärtigen Deutsch. Frankfurt 1988, S. 31–32.
  18. Uwe Kjær Nissen: Gender in Spanish. In: Marlis Hellinger, Hadumod Bußmann (Hrsg.): Gender Across Languages. The linguistic representation of women and men. Volume 2. Amsterdam 2002, S. 251–279 (263).
  19. a b c Marion Saliter: Französisch – eine Männersprache? Vergleichende Untersuchungen zum Französischen und Deutschen. Aachen 2003, S. 116.
  20. Peter Haase: Feminisierung im spanischen Sprachraum. Berufs-, Amts- und Funktionsbezeichnungen: El juez, la juez, la jueza. Hamburg 2010, S. 155–156.
  21. a b Ingrid Samel: Einführung in die feministische Sprachwissenschaft. Berlin 2000, S. 105.
  22. Gabriela Koniuszaniec, Hanka Blaszkowska: Language and gender in Polish. In: Marlis Hellinger, Hadumod Bußmann (Hrsg.): Gender Across Languages. The linguistic representation of women and men. Volume 3. Amsterdam 2003, S. 259–285 (268).
  23. Hadumod Bußmann, Marlis Hellinger: German. Engendering female visibility in German. In: Marlis Hellinger, Hadumod Bußmann (Hrsg.): Gender Across Languages. The linguistic representation of women and men. Volume 3. Amsterdam 2003, S. 141–174 (154).
  24. Marion Saliter: Französisch – eine Männersprache? Vergleichende Untersuchungen zum Französischen und Deutschen. Aachen 2003, S. 119.

Weblinks