Charta der Vielfalt

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Logo der Charta der Vielfalt

Die Charta der Vielfalt ist ein 2006 veröffentlichtes Manifest und ein deutscher Wirtschaftsverband mit Beteiligung der Bundesregierung, der sich für ein vorurteilsfreies Arbeitsumfeld einsetzt. Arbeitgeber können die Charta unterzeichnen und erklären damit, dass sie Chancengleichheit für ihre Mitarbeiter herstellen bzw. fördern werden. Mitte 2014 gab es rund 1800 Unterzeichner, darunter neben bekannten Großkonzernen auch kleine Unternehmen, akademische und soziale Einrichtungen und Behörden.[1] Kritiker werfen verschiedenen Charta-Unterzeichnern vor, diese nur zur Verbesserung ihres Images zu nutzen.

Inhalt der Charta

Das Manifest „Charta der Vielfalt“[2] handelt vom Diversity Management. Die Charta erklärt, dass die deutsche Wirtschaft infolge von Globalisierung und demografischem Wandel nur erfolgreich sein könne, wenn sie die „Vielfalt“ (Diversität) der Mitarbeiter nutze, das heißt ihre unterschiedlichen persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten. Daher solle ein Arbeitsumfeld geschaffen werden, in dem alle Mitarbeiter die gleiche Wertschätzung und Förderung erfahren, unabhängig von Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller Orientierung und Identität. Dies fördere den wirtschaftlichen Erfolg und das Ansehen der Unternehmen.

Zur Umsetzung dieser Ziele stellt die Charta ein Sechs-Punkte-Programm auf. Es verpflichtet Führungskräfte bzw. Vorgesetzte zur Schaffung und Pflege einer geeigneten Organisationskultur; die Personalprozesse seien im Sinne der Charta zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Die Unterzeichner erklären, die Vielfalt der Gesellschaft grundsätzlich anzuerkennen und gewinnbringend nutzen zu wollen. Zudem verpflichten sie sich, die Ziele der Charta intern und extern zu kommunizieren, jährlich über ihre Fortschritte zu berichten und die Mitarbeiter in die Umsetzung mit einzubeziehen. Die Charta endet mit dem Satz:

„Wir sind überzeugt: Gelebte Vielfalt und Wertschätzung dieser Vielfalt hat eine positive Auswirkung auf die Gesellschaft in Deutschland.“

Geschichte und Organisation

Zahl der Unterzeichner und der betroffenen Arbeitnehmer, 2006 bis 2010

Die Charta der Vielfalt wurde im Dezember 2006 von Daimler, der Deutschen BP, der Deutschen Bank und der Deutschen Telekom initiiert;[3] Bundeskanzlerin Angela Merkel übernahm von Beginn an die Schirmherrschaft.[4][5] 2007 bis 2010 wurde die Initiative von Maria Böhmer betreut, Staatsministerin im Bundeskanzleramt und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration.[6]

Am 10. September 2010 gründeten elf Unternehmen[7] den Verein Charta der Vielfalt e.V. mit Sitz in Berlin. Er übernahm die weitere Organisation, sodass die Initiative wieder direkter von der Wirtschaft gelenkt wurde;[8] die Bundesregierung blieb mit der Migrations- und Integrationsbeauftragten (seit 2013 Aydan Özoğuz) als Vereinsmitglied sowie deren Referent Bernd Knopf als Mitglied im Vereinsvorstand vertreten. Weitere Vorstandsmitglieder waren Mitte 2014 Ana-Cristina Grohnert (Vorsitzende, Ernst & Young), Kirsten Sánchez Marín (stellvertretende Vorsitzende, Henkel), Kerstin Pramberger (Deutsche Bank) und Andrea Schmitz (Metro).[9]

Der Verein hatte Mitte 2014 20 institutionelle Mitglieder; neben der Vertreterin der Bundesregierung waren dies folgende Unternehmen: Adidas, BASF, Bayer, BMW, BP Europa, Commerzbank, Daimler, Deutsche Bahn, Deutsche Bank, Deutsche Post, Deutsche Telekom, Ernst & Young, E.ON, GE Germany, Henkel, Metro, Osram, SAP und Siemens. Nicht mehr vertreten sind die Gründungsmitglieder Ford Deutschland und McDonald’s Deutschland.[7][10]

Projekte

Der Verein „Charta der Vielfalt“ organisiert verschiedene weitere Projekte.

Deutscher Diversity-Tag

Der „Deutsche Diversity-Tag“ ist ein bundesweiter Aktionstag zum Thema „Vielfalt“. Er fand erstmals am 11. Juni 2013 statt. Rund 240 Unternehmen und weitere Organisationen beteiligten sich mit 360 Aktionen. Am 3. Juni 2014 fand der „2. Deutsche Diversity-Tag“ statt, unter Beteiligung von rund 330 Organisationen mit etwa 600 Aktionen.[11]

Diversity-Konferenz

Der Verein gestaltet den fachlichen Austausch zum Thema Diversity Management durch eine jährlich stattfindende Konferenz in Kooperation mit dem Tagesspiegel. Sie fand erstmals unter dem Titel „DIVERSITY 2012“ am 8. und 9. November 2012 in Berlin statt. Referenten waren unter anderem Kristina Schröder, Maria Böhmer, Brigitte Ederer, Marion Schick, Dilek Kolat, Michael Schmidt und Christine Hohmann-Dennhardt. 2013 fand die Konferenz am 28. und 29. November in Berlin statt. Als Redner traten unter anderem Gerald Hüther, Gertraude Krell, Wilfried Porth, Marion Schick, Monika Schulz-Strelow, Isabell M. Welpe und Cem Özdemir auf.[12]

Jugend denkt Vielfalt in NRW

Das „Projekt Jugend denkt Vielfalt in NRW“ fand im Oktober und November 2012 statt, unter der Schirmherrschaft von Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. 180 Jugendliche erarbeiteten mit sechs Charta-Mitgliedern bzw. -Unterzeichnern Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Vielfalt und erhielten Einblicke in die Arbeitswelt im Wirtschaftssektor.[13]

Kritik

Ein Jahr nach dem Start der Initiative sprach der Spiegel unter dem Titel „Schöner Schein zum Nulltarif“ von „nebulösen Inhalten“ und bezweifelte, dass konkrete Erfolge erzielt worden seien. Der Mitbegründer Deutsche Telekom habe auf die Frage nach der Einstellung zusätzlicher Migranten geantwortet, man habe Stellen abgebaut und würde nicht nach der Herkunft der Bewerber fragen.[5] Das Manager Magazin stellte den Charta-Mitbegründer BP als ein Beispiel für Unternehmen dar, die sich nach außen hin verantwortungsbewusst gäben, im operativen Geschäft jedoch die Nachhaltigkeit vernachlässigten.[14] Die Frankfurter Allgemeine Zeitung stellte 2011 fest, dass der Deutsche Fußballbund zwar öffentlichkeitswirksam die Charta unterzeichnet, aber keine einzige Frau ins Präsidium berufen habe. Acht von den damals dreizehn Mitgliedern des Charta-Vereins hätten keine Frau im Vorstand.[15] Hardy Wagner kritisierte eine fehlende Berücksichtigung der Unterschiedlichkeit menschlicher Persönlichkeitsstruktur in der Charta der Vielfalt.[16]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Unterzeichner der Charta der Vielfalt auf www.charta-der-vielfalt.de, abgerufen am 30. Juni 2014.
  2. Die Charta im Wortlaut auf www.charta-der-vielfalt.de, abgerufen am 30. Juni 2014. Archiv (Memento vom 30. Juni 2014 auf WebCite) vom 30. Juni 2014.
  3. Über die Charta auf www.charta-der-vielfalt.de, abgerufen am 30. Juni 2014.
  4. Vielfalt als Chance 2008 auf www.charta-der-vielfalt.de, abgerufen am 30. Juni 2014.
  5. a b Anna Reimann: "Charta der Vielfalt": Schöner Schein zum Nulltarif auf www.spiegel.de, 5. Dezember 2007, abgerufen am 30. Juni 2014.
  6. Historie auf www.charta-der-vielfalt.de, zuletzt abgerufen am 30. Juni 2014.
  7. a b Pressemitteilung des Integrationsbeauftragten auf www.bundesregierung.de, 23. September 2010, abgerufen am 17. Februar 2016.
  8. Charta der Vielfalt e.V. auf www.charta-der-vielfalt.de, abgerufen am 30. Juni 2014.
  9. Vereinsstruktur auf www.charta-der-vielfalt.de, abgerufen am 30. Juni 2014.
  10. Vereinsmitglieder auf www.charta-der-vielfalt.de, abgerufen am 30. Juni 2014.
  11. Über den Diversity-Tag auf www.charta-der-vielfalt.de, abgerufen am 1. Juli 2014.
  12. Website der DIVERSITY-Konferzenz, abgerufen am 8. April 2014.
  13. Website des Projekts Jugend denkt Vielfalt in NRW, abgerufen am 20. Dezember 2012.
  14. Mehr Schein als Sein auf www.manager-magazin.de, 26. Oktober 2010, abgerufen am 1. Juli 2014.
  15. „Charta der Vielfalt“ – Ein bisschen bunter, bitte auf www.faz.net, 19. August 2011, abgerufen am 1. Juli 2014.
  16. Wagner, Hardy: Missing Link im Diversity-Konzept der Charta der Vielfalt, in: TrainerJournal. Hrsg.: Bernhard Laukamp. Nr. 86, Juni 2015, ISSN 2192-5801, S. 23.