Hooligan

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Ausschreitungen von Fans des 1. FC Lokomotive Leipzig während eines Spiels

Als Hooligan (engl. „Rowdy“, „Rabauke“) wird im deutschen Sprachgebrauch eine Person bezeichnet, die vor allem im Rahmen bestimmter Großereignisse wie beispielsweise Fußballspielen durch aggressives Verhalten auffällt. Der Duden, der den Begriff 1991 aufnahm, definiert Hooligan als „meist im Gruppenverband auftretender Jugendlicher, dessen Verhalten von Randale und gewalttätigen Übergriffen bei öffentlichen Veranstaltungen (z. B. Fußballspielen) gekennzeichnet ist“. Verwendet wird auch das Kurzwort Hool insbesondere im Jargon sowie Hooliganismus für die Gesamtheit des Phänomens („Rowdytum“).[1][2]

Definition

Mit dem Begriff „Hooligans“ werden meist junge Männer bezeichnet, die sich in Gruppen im Umfeld von Fußballspielen oder anderen Großereignissen Schlägereien mit rivalisierenden Gruppen oder auch mit Sicherheitskräften wie der Polizei liefern. Diese können sich spontan beim Aufeinandertreffen der Gruppen bilden, finden teilweise aber auch organisiert an abgesprochenen Orten statt. Häufig gehen sie mit massiven Formen des Vandalismus sowie auch mit Gewalt gegen unbeteiligte Dritte einher. Die Beteiligten selbst betonen den Nervenkitzel und sehen ihr Verhalten eher als „Wettstreit unter harten Männern“ (Eckert, Steinmetz & Wetzstein, 2001). Zudem spiele das besondere Erleben in der Gruppe, das Zusammengehörigkeitsgefühl, gegenseitige Anerkennung und auch Machterleben eine Rolle. Historisch fanden bereits seit dem Mittelalter gewalttätige Ausschreitungen unter Zuschauern von Wettkämpfen statt sowie im organisierten Fußball bereits zu Anbeginn seiner Geschichte (Dunning, 1999; Frosdick & Marsh, 2005). Gelegentlich kommt es auch bei anderen Sportarten wie Eishockey, Rugby, Cricket oder American Football zu gewalttätigen Ausschreitungen im Publikum (Frosdick & Marsh, 2005), jedoch am häufigsten im Kontext des Kulturphänomens „Fußball“.[3]

Die Hooligan-Bewegung stammt ursprünglich aus England und hat sich schnell ausgebreitet. In den 1950er und 1960er Jahren war dieses Rowdytum in Großbritannien auch bei Tanzveranstaltungen in Großstädten weit verbreitet. Die ersten Fälle randalierender Hooligans gehen bis ans Ende des 19. Jahrhunderts zurück. In der Fußball-Fankultur sind Hooligans von „normalen“ Fans, „Kutten“ und Ultras zu unterscheiden, da sie Gewalt „kultivieren“. Als Zwischenform wurde von Gunter A. Pilz jedoch die Bezeichnung Hooltras geprägt.[4]

Etymologie

Hooligan bzw. O’Hooligan ist ein irischer Nachname (irisch Ó hUallacháin, „Nachfahre des Uallachán“, Diminutiv zu uallach „launisch, reizbar, stolz, eitel“). Wie der Name zur Bezeichnung für Rowdys wurde, gilt als ungesichert. Häufig genannt wird eine fiktive irische Familie namens O’Hoolihan, die aufgrund ihrer Gewalttätigkeit Ende des 19. Jahrhunderts in einem Lied der britischen Music Halls sowie als ein Charakter von Cartoons bedacht wurde.[5] 1898 wurde in einem Londoner Polizeibericht ein Ire namens Patrick Hoolihan (oder Hooligan) mit dem Spitznamen Hooley als Randalierer und Anführer einer Jugendbande (O’Hooligan Boys) im Londoner Stadtteil Lambeth genannt.[6]

Neben diesen Varianten scheint auch eine slawische Herkunft möglich, da um 1900 der Begriff auch in Russland Verwendung fand. Erst seit den 1970er Jahren wurde der Begriff zunächst in England, seit Mitte der 1980er Jahre auch in Deutschland, im Kontext zur Fankultur im Fußball verwendet, während er vorher allgemein für Straßenkriminalität und Rowdytum stand.[7]

Auch in den Vereinigten Staaten – vermutlich durch irische Auswanderer – war der Begriff geläufig; so war z. B. eine Bande von Italo-Amerikanern in Ocean Hill, einem Stadtteil in Brownsville (New York), in den 1930er Jahren als Ocean Hill Hooligans bekannt. In der deutschen Sprache soll das Wort „Hooligan“ erstmals 1906 von Arthur Pfungst verwendet worden sein.

Sozialstruktur und Organisation

Das Phänomen des Hooliganismus wurde zunächst sozialstrukturell untersucht, wonach sich Jugendliche aus unteren sozialen Schichten früher und stärker an gleichaltrigen Gruppen orientieren. Demnach neigten sie, bedingt durch den erhöhten Druck, zur aggressiven Selbstbehauptung sowie kollektiver Abgrenzung zu anderen Gruppierungen. Für Jugendliche, deren familiäre Bindungen schwach oder gestört sind, biete sich der Fußball zu einer kollektiven Identität an (Bohnsack, 1997; Dunnig, 1999; Pilz, 1996). Befunde empirischer Studien bestätigten solches aber nur teilweise; so gab es tatsächlich Hinweise auf schwierige Milieus (Armstrong 1998, Böttger 1998, Dunning 2000), jedoch wurden in anderen Studien auch eine Rekrutation aus allen sozialen Schichten festgestellt (Pilz, 1995; Valk, 1995).[8]

Seit Ende der 1970er Jahre kam es aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs in Großbritannien zu einer Neuorientierung dieser Subkultur. So bildeten sich etwa in London und Liverpool die sogenannten Casuals, die sich durch eher hochpreisige Kleidung sowie das Fehlen von Fanutensilien wie Fanschals auszeichnen und damit bis heute in der Szene prägend wirken. Diese grenzen sich unter anderem zur Skinheadbewegung ab und zeigen ein Bedürfnis nach medialer Präsenz. Organisatorisch bildeten sie sogenannte Firms oder Crews, in denen etwa 150 Mitglieder zum Kern gehörten sowie weitere 500 als Mitläufer gedeutet werden. Zu den medial bekanntesten zählten die Headhunters aus Chelsea sowie die Inter City Firm aus West Ham. Nach wissenschaftlichen Einschätzungen gebe es aber keine strenge Hierarchie, vielmehr fuße sie auf Erfahrung und sozialer Stellung durch „Kampferfahrung“.[9]

Hooligans und Rechtsextremismus

In der britischen Hooliganszene wurden vor allem in den 1980er Jahren Kontakte zur National Front beobachtet (Harnischmacher, 2006). Andere Studien verneinen politische Motive eher (Lösel et al., 2001), insbesondere, da Hooligans einen erhöhten Kontrolldruck seitens der Polizei befürchten und so ihre Tätigkeiten ungestört ausüben können. Zum Teil werden solche Kooperationen auch strikt abgelehnt. Zweckgemeinschaften würden jedoch mit rechtsextremen Skins und anderen neonazistischen Gruppen gebildet.[10]

In Deutschland wurde in Sachsen-Anhalt 2008 erstmals eine rechtsextremistische Hooligan-Schlägertruppe, die Blue White Street Elite, durch das Innenministerium verboten. Die Gruppe klagte gegen das Verbot. Nach Rückverweisung durch das Bundesverfassungsgericht im Revisionsverfahren wurde das Verbot im zweiten Rechtsgang vom Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt im Jahr 2010 aufgehoben. Das OVG kam zu der Erkenntnis, dass die Gruppe keine Vereinigung im Sinne des Vereinsgesetzes sei und das Verbot daher rechtswidrig ist (Az. 3 K 380/10).[11]

Nach den von der sogenannten HoGeSa („Hooligans gegen Salafisten“) organisierten Krawallen in Köln am 26. Oktober 2014 kündigte das Bundesamt für Verfassungsschutz an, zu prüfen, inwieweit Hooligans von extremistischen Gruppen instrumentalisiert werden. Gemäß Bundesverfassungsschutzpräsident Maaßen seien die auf Gewaltausübung und Alkoholkonsum fixierten Hooligans zum größten Teil politisch desinteressiert und bislang kein Beobachtungsobjekt für den Verfassungsschutz.[12]

Prävention und Strafverfolgung in Deutschland

Die Polizei agiert in Deutschland mit szenekundigen Beamten in Zivil, die besonders gewaltbereite Personen an Spieltagen verstärkt beobachten bzw. mit Meldeauflagen belegen. Zur Gewaltprävention werden vielfältige Maßnahmen angesetzt, durch die sich Hooligans und normale Zuschauer besser identifizieren und überwachen lassen. Dabei werden die Hooligans mitunter als Begründung für die Notwendigkeit neuer Sicherheitsmaßnahmen herangezogen, wie z. B. die Videoüberwachung in den Städten anlässlich der Fußball-WM 2006.

1992 wurde die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) beim Landeskriminalamt Düsseldorf eingerichtet. Die ZIS registriert und beobachtet bundesweit Fußball-Gewalttäter im Rahmen der Datei und steht mit anderen Ländern über den internationalen Datenaustausch in Verbindung, um den Einlass von Hooligans in Stadien zu verhindern.

Für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 wurde eine besondere Schwere der Gewalttaten befürchtet, die jedoch größtenteils ausblieb. Allerdings wurden bei Aufeinandertreffen von Hooligans aus Deutschland, England und Kroatien in mehreren deutschen Städten (v. a. Dortmund, Stuttgart, Frankfurt am Main) mehrere hundert Personen festgenommen. Die größten Ausschreitungen gab es am Rande des Spieles Deutschland gegen Polen. In dessen Verlauf wurden in der Dortmunder Innenstadt 429 Personen festgenommen. Während der Fußball-Europameisterschaft 2008 wurden noch vor dem ersten Spiel der deutschen Nationalmannschaft (erneut gegen Polen) ungefähr 150 Hooligans wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch verhaftet und erst am nächsten Morgen wieder entlassen. Im Zuge der Spiele Kroatien gegen die Türkei sowie Niederlande gegen Russland kam es zu innerstädtischen Auseinandersetzungen der jeweiligen Fangruppierungen, welche ebenfalls zu Festnahmen führten.

Insbesondere aus dem Umfeld der Ultras wird das Vorgehen der Polizei oft als repressiv und unverhältnismäßig kritisiert sowie eine mangelnde Trennschärfe zwischen Hooligans, Ultras und „normalen“ Fußballfans bemängelt. Polizei, Kommunen und Vereine kritisieren hingegen, dass sich die Ultras nicht ausreichend an der Identifizierung von Tätern beteiligen und die Arbeit der Polizei durch Provokationen und mangelnde Kooperation erschweren. Ein gängiger Schlachtruf der Ultras lautet all cops are bastards (A.C.A.B.).

Die meisten Hooligan-Gruppierungen veranstalten ihre Aufeinandertreffen heute nur noch selten an bestimmten Spieltagen, sondern immer öfter bei Wald-und-Wiesen-Treffen fernab von den Begegnungen. Hierzu verabreden und treffen sich verschiedene Gruppierungen zur selbstinszenierten „dritten Halbzeit“ an ruhigen und verlassenen Orten, in Wäldern, auf Feldern oder auch in Gewerbegebieten. Dieses deviante Verhalten führt in der Regel zu Ermittlungsverfahren und Verurteilungen wegen Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung.

Laut einer Bestätigung des Urteils des Landgerichts Dresden durch den Bundesgerichtshof 2015 können Hooligan-Gruppierungen vor Gericht als kriminelle Vereinigung eingestuft werden. Verhandelt wurde gegen Mitglieder der ehemaligen Hooligans Elbflorenz aus Dresden. Im Urteil hieß es: „Weil die Gruppierung der Angeklagten gerade auch auf die Ausübung von Tätlichkeiten im Rahmen von Schlägereien ausgerichtet war, bestand ihr Zweck und ihre Tätigkeit daher in der Begehung strafbarer (gefährlicher) Körperverletzungen.“ Diese seien, auch bei freiwilligen und geplanten Zusammenstößen verfeindeter Hooligan-Gruppen sittenwidrig und strafbar.[13]

Berichterstattung von Einzelfällen

Adrian Maleika war ein Fan von Werder Bremen und das erste Todesopfer bei Übergriffen von Hooligans in Deutschland. Beim DFB-Pokalspiel des Hamburger Sportvereins gegen Werder Bremen am 16. Oktober 1982 in Hamburg kam es zu einem Zwischenfall, als Mitglieder der Hamburger Fan-Gruppierung Die Löwen einer Gruppe Werder-Fans auflauerten und diese angriffen. Dabei traf ein Stein den 16-jährigen Adrian Maleika am Kopf, die Angreifer traten anschließend noch weiter auf den am Boden liegenden Jungen ein. Maleika wurde ins Krankenhaus gebracht, starb jedoch am darauffolgenden Tag infolge der schweren Schädelverletzung. Das in Deutschland wohl bekannteste Opfer randalierender Fußballhooligans ist der französische Gendarm Daniel Nivel. Am 21. Juni 1998 kam es im nordfranzösischen Lens nach dem Spiel Deutschland gegen Jugoslawien bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1998 zu Straßenschlachten zwischen deutschen Hooligans und der Polizei. Nivel erlitt damals schwerste Kopfverletzungen, fiel sechs Wochen ins Koma und ist seitdem schwerbehindert. Die Bilder und Videos der Prügelszene gingen um die ganze Welt.

Literatur

  • Robert Braun, Rens Vliegenthart: The Contentious Fans. The Impact of Repression, Media Coverage, Grievances and Aggressive Play on Supporters’ Violence. In: International Sociology. 2008, Jg. 23, H. 6, ISSN 0268-5809, S. 796–818.
  • Marius Breucker: Transnationale polizeiliche Gewaltprävention – Maßnahmen gegen reisende Hooligans. Ergon-Verlag, Würzburg 2003, ISBN 3-89913-275-0.
  • Bill Buford: Geil auf Gewalt. Carl Hanser, München 2001, ISBN 3-446-17160-6.
  • Klaus Farin: Die dritte Halbzeit. Thomas Tilsner Verlag, Bad Tölz 2002, ISBN 3-910079-49-0.
  • Martin King: Hoolifan. Trolsen Communicate, Hamburg 2003, ISBN 3-9809064-0-X.
  • Thomas Schneider u. a.: Fußballrandale: Hooligans in Deutschland. Klartext-Verlag, Essen 1998, ISBN 3-88474-448-8.
  • Alexander Hoh: In kleinen Gruppen ohne Gesänge. Trolsen Communicate, Hamburg 2009, ISBN 978-3-9812649-2-0.
  • Cass Pennant: Congratulations – You have just met the I.C.F (West Ham United) – Die Geschichte der West Ham Intercity Firm. Trolsen communicate, Hamburg 2006, ISBN 978-3-9809064-2-5.
  • Daniel Ryser: Feld Wald Wiese – Hooligans in Zürich. Echtzeit, Zürich 2010, ISBN 978-3-905800-28-9.
  • Michael Pettau: Auf dem Acker: Ein Hooligan-Roman. Trolsen Communicate, Hamburg 2011, ISBN 3981401913.
  • Ralf Heck: Zwischen Eigentor und Aufstand. Ultras in den gegenwärtigen Revolten. S. 163 - 170. In: Kosmoprolet 4, Berlin 2015
  • Philipp Winkler: Hool. Aufbau Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-351-03645-4.

Filme

Weblinks

Commons: Hooliganismus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


Wiktionary: Hooligan – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Hooligan in duden.de, abgerufen am 28. Oktober 2014
  2. Hooliganismus in duden.de, abgerufen am 28. Oktober 2014
  3. Thomas Bliesener: Hooliganismus. In: Diskriminierung und Toleranz – Psychologische Grundlagen und Anwendungsperspektiven. Springer 2009, S. 319f. online in Google Bücher
  4. Bernd Strauss (Hrsg.), Gunter A. Pilz: Sportzuschauer. Hogrefe 2012, S. 217
  5. hooligan, Oxford dictionaries, abgerufen am 6. November 2014
  6. hooligan, Michael Quinion in World Wide Words, abgerufen am 7. November 2014
  7. Thomas König: Fankultur. Eine soziologische Studie am Beispiel des Fußballfans. LIT Verlag Münster 2002, S. 69 online in Google Bücher
  8. Thomas Bliesener: Hooliganismus. In: Diskriminierung und Toleranz – Psychologische Grundlagen und Anwendungsperspektiven. Springer 2009, S. 325
  9. Thomas König: Fankultur. Eine soziologische Studie am Beispiel des Fußballfans. LIT Verlag Münster 2002, S. 72
  10. Thomas Bliesener: Hooliganismus. In: Diskriminierung und Toleranz – Psychologische Grundlagen und Anwendungsperspektiven. Springer 2009, S. 323
  11. „Blue White Street Elite“: Verbot von rechter Hooligan-Gruppierung in Sachsen-Anhalt aufgehoben. In: stern.de, 21. Oktober 2010. Abgerufen am 7. Dezember 2010.
  12. Aktionen der Hooligans ruft Verfassungsschutz auf den Plan. AFP vom 28. Oktober 2014
  13. BGH-Urteil: Hooligan-Gruppe kann kriminelle Vereinigung sein, Spiegel Online vom 22. Januar 2014