Nikolaikirche (Anklam)

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Nikolaikirche Anklam (Oktober 2014)

Die Nikolaikirche ist neben der Marienkirche die zweite, jüngere der beiden großen mittelalterlichen Stadtkirchen in Anklam, Mecklenburg-Vorpommern.

Geschichte

St. Nikolai um 1880. Der Kirchturm brannte im Zweiten Weltkrieg aus und soll durch das Projekt Ikareum rekonstruiert werden.

Der um 1280 begonnene Bau wurde bis zum Ende des 14. Jahrhunderts vollendet. 1300 wurde die Kirche erstmals urkundlich erwähnt. Sie ist benannt nach Nikolaus von Myra, der als Schutzpatron der Seefahrer gilt. Mit dem Einbau des Chorgestühls wurde die Nikolaikirche etwa 1500 endgültig fertiggestellt. Im Gegensatz zur Marienkirche mit ihrem romanischen Ursprung handelt es sich bei der Nikolaikirche um einen rein gotischen Bau, obwohl eine Vorgängerkirche bereits seit 1180 errichtet wurde. Bis zu ihrer Zerstörung galt die Kirche als ein Wahrzeichen Anklams und war ein weithin sichtbares Lotsenzeichen. Das bedeutende Gebäude der Backsteingotik ist eine dreischiffige Hallenkirche mit vierstöckigem Turm und Sakristei. Das Kirchenschiff war bis 1945 mit einem großen Satteldach bedeckt. Der Turm hatte seit jeher einen hohen gotischen Spitzhelm mit über 100 Metern Höhe, welcher mehrmals durch Blitzeinschläge und Stürme beschädigt und wiederhergestellt wurde. Zusammen mit der St. Marienkirche, die am Ende des 19. Jahrhunderts einen ähnlichen Turmhelm erhielt, bildeten beide Kirchen das unverwechselbare Stadtbild Anklams mit ihren „Zwillingstürmen“. Der Turmhelm von St. Nikolai wies eine Besonderheit auf: Seine Spitze zeigte eine deutlich sichtbare Verwindung. Im Volksmund hieß es, dass der Teufel persönlich die Kirchturmspitze verdreht hätte. Am 25. Juni 1848 wurde in der Nikolaikirche der Flugpionier Otto Lilienthal getauft, dessen Geburtshaus sich in unmittelbarer Nähe der Kirche befand.

Der Innenraum war mit wertvollen Ausstattungsgegenständen reich verziert. Trotz Auslagerung im Zweiten Weltkrieg sind einige Teile bis heute verschollen. Andere, wie etwa die prunkvollen Leuchter, die Apostelglocke und Teile des Chorgestühls befinden sich heute in der Anklamer Marienkirche und im Kulturhistorischen Museum Stralsund. Mittelalterliche Freskenmalereien an den Seitenwänden und Pfeilern sind nur noch in Bruchstücken erhalten.

Beim schwersten Bombenangriff auf Anklam am 9. Oktober 1943 wurden die Fensterverglasungen der Nikolaikirche durch Druckwellen und Splitter der in der Umgebung einschlagenden Bomben zerstört. Die Kirche selbst wurde jedoch nicht getroffen.

Die Zerstörung der Kirche erfolgte erst am 29. April 1945 durch deutschen Granatenbeschuss auf die bereits von der Roten Armee besetzte Stadt. Dabei stürzte der Turmhelm in das Kirchenschiff. Die Kirche brannte teilweise aus, nur der Turmstumpf und die Umfassungsmauern mit Freipfeilern und Scheidbögen blieben stehen.

Nach dem Krieg wurde die Ruine notdürftig gesichert. Nur der Südanbau mit den beiden Kapellen, dem Südeingang und der Sakristei wurden wieder überdacht und zeitweise von der Kirchengemeinde genutzt, während der Turm provisorisch begehbar gemacht und mit einer kleinen Turmspitze versehen wurde, um den Turm als Plattform für Funkantennen zu nutzen. Das Kirchenschiff blieb der Witterung über 50 Jahre lang schutzlos ausgeliefert.

Maße (vor der Zerstörung)

Turmhöhe mit Spitze: 103,00 m
Höhe bis zur Giebeleindeckung des Turmes: 58,00 m
Grundriss des Turmes: 12,50 x 12,50 m
Umfassungsraum: 23,00 m x 55,00 m
Höhe bis zum Scheitel des Gewölbes: 16,50 m
Höhe bis zum First des Daches: 35,00 m

Apostelglocke

Von den Glocken der Nikolaikirche ist die Apostelglocke erhalten geblieben. Sie wurde 1450 von Rickert de Monkehagen gegossen. Mit einem Gewicht von 4500 kg, einem Durchmesser von fast 180 cm und dem Schlagton h0 ist sie die drittgrößte Glocke des Pommerschen Evangelischen Kirchenkreises und die größte mittelalterliche Glocke Mecklenburg-Vorpommerns[1]. Seit der Bergung aus den Trümmern der Nikolaikirche im Jahr 1946 und dem Einbau im Jahr 1947 ist sie Teil des Glockengeläuts der Marienkirche.

Begonnener Wiederaufbau

Nikolaikirche Anklam, Notdach (1995/96–2010)

Anfang der 1990er Jahre wurde die Situation des Gebäudes zunehmend kritisch, es bestand Einsturzgefahr. Anklamer Bürger schlossen sich zum Förderkreis Nikolaikirche Anklam/Vorpommern e. V. (seit 2009 Förderkreis Nikolaikirche Anklam e. V.) zusammen, um sich für den Erhalt und Wiederaufbau der Kirche einzusetzen. 1995 bis 1996 wurde das Kirchenschiff mit einem Notdach versehen und gesichert.

Seitdem wurden umfangreiche Sicherungs- und Restaurierungsarbeiten an den erhaltenen Gebäudeteilen und am Turm durchgeführt, die aus Mitteln der Städtebauförderung, der Denkmalpflege, städtischen Zuschüssen und Spenden finanziert wurden.

Im Jahre 2004 übernahm die Hansestadt Anklam im Rahmen eines Erbbaurechtsvertrags die Verantwortung für das entwidmete Gebäude und im Jahr 2007 wurde mit Planungen für eine umfassende Sicherung und den Wiederaufbau der ehemaligen Kirche begonnen.

Nikolaikirche Anklam, Errichtung des neuen Daches (2010/2011)

Mit Hilfe des Konjunkturpaketes der Bundesregierung, des Landes Mecklenburg-Vorpommern und der Hansestadt Anklam wurde das Dach des Kirchenschiffs in den Jahren 2010 bis 2011 in der ursprünglichen Form und Höhe wieder errichtet.

Vom Frühjahr 2013 bis zum Frühjahr 2014 wurde das Dach des Südanbaus (Kapellen, Vorhalle, Sakristei) erneuert.

Für die zukünftige Nutzung der Nikolaikirche für Ausstellungen und Veranstaltungen gibt es eine Konzeption unter dem Arbeitstitel Ikareum.[2] Diese sieht unter anderem eine begehbare Turmspitze in historischer Form und ein für Ausstellungen und Veranstaltungen nutzbares Kirchenschiff in mehreren transparenten Ebenen unter Einbeziehung des Dachraumes vor.

Neue Fenster in der Nikolaikirche

Die Fenster im Kirchenschiff der Nikolaikirche wurden am 9. Oktober 1943 infolge der Bombentreffer in der Nähe des Gebäudes zerstört und bis zum Beginn der Wiederaufbauarbeiten im Jahr 1995 nicht ersetzt.

Das erste neue Bleiglasfenster entstand als Reproduktion des „Nikolausfensters“ aus dem Jahr 1909 und wurde am 2. Oktober 2004 eingeweiht. Das mit Spenden finanzierte Fenster wurde durch die Glasgestaltung GmbH Altlandsberg gefertigt. Es zeigt den Heiligen Nikolaus, der segnend die Hand über die Nikolaikirche hält.

Im Jahr 2004 wurde vom Förderkreis Nikolaikirche Anklam e.V. parallel zum Einbau des Nikolausfensters eine Spendenaktion ins Leben gerufen, um mit kleinen Spenden die weitere Verglasung des Kirchenschiffes voranzutreiben. Die ersten Fensterscheiben der Spendenaktion wurden ab dem Sommer 2009 in der Nikolaikirche eingesetzt und erhielten je nach Wunsch des Spenders einen kurzen per Sandstrahlverfahren aufgebrachten Schriftzug. Die Spendenaktion wurde im Sommer 2014 abgeschlossen.

Im Gedenken an die Zerstörung und die Opfer des Zweiten Weltkrieges wurde im Sommer 2009 mit dem Gedenkfenster ein zweites – ebenfalls mit Spenden finanziertes und durch die Glasgestaltung GmbH Altlandsberg gefertigtes – farbiges Bleiglasfenster neben dem Nikolausfenster eingesetzt. Neben mehreren Spruchbändern, die an die Zerstörung Anklams und die Opfer erinnern, zeigt das Fenster die Nikolaikirche in drei Stadien: zum Zeitpunkt der Zerstörung, als Ruine ohne Dach kurz nach Ende des Krieges und als im Wiederaufbau befindliches Gebäude mit dem Notdach.

Die jüngsten Buntglasfenster in der Nikolaikirche, die Lilienthal-Chorfenster, sind der zukünftigen Nutzung des Gebäudes als Ausstellungs- und Veranstaltungsgebäude mit dem Projektnamen Ikareum gewidmet. Die vom Engländer Graham Jones im Rahmen des 2010 veranstalteten Gestaltungswettbewerb entworfenen und von den Glasstudios Derix Taunusstein hergestellten drei Fenster wurden im Jahr 2014 gefertigt, im November 2014 in der Nikolaikirche eingesetzt und am 19. Dezember 2014 eingeweiht.

In Erinnerung an die hanseatische Vergangenheit Anklams und als Würdigung für den Städtebund DIE HANSE werden seit dem Jahr 2010 über eine Spendenaktion der Hansestadt Anklam Fensterscheiben mit Wappen von Hansestädten der Neuzeit in der Nikolaikirche eingesetzt. Bisher fanden die Wappen der folgenden Hansestädte ihren Platz in der Nikolaikirche:[3]

2010 2011 2012 2013 2014 2015
Attendorn (S) Anklam (W) Göttingen (N) Harderwijk (N) Deventer (N) Demmin (N)
Bremen (S) Gronau (S) Herford (N) Kalmar (N) Greifswald (N)
Lüneburg (S) Stade (S) Kalkar (N) Korbach (N) Wismar (N)
Mühlhausen (S) Stralsund (S) Salzwedel (N) Kyritz (N)
Osnabrück (S) Lippstadt (N) Visby (N)
Stettin (S) Lübeck (N)
Neuss (N)
Rostock (N)
Tangermünde (N)
S: Südseite, W: Westseite, N: Nordseite der Nikolaikirche

Im Frühjahr 2015 wurden in das Fenster über dem Westeingang der Nikolaikirche Anklam rund um das Wappenfenster von Anklam die Wappenfenster der vier Partnerstädte/-gemeinden Anklams (Heide, Burlöv/Schweden, Gmina Ustka/Polen, Limbaži/Lettland) eingesetzt. Die als Geschenk für das 750-jährige Stadtjubiläum der Stadt im Jahr 2014 gespendeten Wappenfenster wurden nach Vorbild der Hanse-Wappenfenster gestaltet und gefertigt und unterscheiden sich von diesen nur durch den roten Hintergrund der Städte-/Gemeindenamen über dem Wappen.[4]

Aktuelle Nutzung

Sonderausstellung 2007: „Ikarus – Der fliegende Mensch“ (In der Kirche wurde Otto Lilienthal 1848 getauft)

Die Kirche kann seit 1999 während der Sommermonate (Mai–September) besichtigt werden und wird für Ausstellungen und Veranstaltungen genutzt. Seit 2008 ist der Turm mit einer überdachten Aussichtsplattform in circa 50 m Höhe für die Öffentlichkeit zugänglich.

Weblinks

Commons: Nikolaikirche (Anklam) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Die Apostelglocke, abgerufen am 19. Juli 2014
  2. Projektstudie Ikareum (PDF; 3,4 MB)
  3. Spendenaktion: Hanse-Wappenfenster, abgerufen am 14. September 2015
  4. Wappenfenster der Partnerstädte, abgerufen am 19. Januar 2016

Koordinaten: 53° 51′ 23″ N, 13° 41′ 23″ O