Raphael M. Bonelli

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Raphael Maria Bonelli (* 10. September 1968 in Schärding, Österreich) ist ein österreichischer Neurowissenschaftler an der Sigmund Freud PrivatUniversität Wien sowie Psychiater und systemischer Psychotherapeut in eigener Praxis.

Raphael Bonelli bei der Fachtagung "Psychotherapie & Beichte"

Leben

Bonelli wurde als erstes von fünf Kindern eines Ärzteehepaars geboren und ging in Wien zur Schule. Er studierte von 1986 bis 1993 Medizin an der Universität Wien und promovierte 1994 mit einer Dissertation über die Bipolare affektive Störung. Von 1995 bis 2002 absolvierte er die Facharztausbildung für Neurologie,[1] von 1996 bis 2005 eine Psychotherapieausbildung in systemischer Therapie, die er mit einer Lehranalyse beim Grazer Psychoanalytiker Walter Pieringer abschloss.

Er spezialisierte sich 1999 auf die neuropsychiatrische Erkrankung Chorea Huntington. Von 2003 bis 2006 absolvierte Bonelli an der Klinik der Medizinischen Universität Graz eine Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie. Es folgten Forschungsaufenthalte in Harvard und an der UCLA. Ab 2004 begann er in Graz mit dem Aufbau und der Leitung der Neuropsychiatrischen Ambulanz. Im gleichen Jahr erfolgte seine Promotion zum Dr. scient. med. an der Universität Graz.[1][2][3] 2005 habilitierte er im Fach Psychiatrie. An der psychiatrischen Klinik der Grazer medizinischen Universität übte er Funktionen als Leiter der Forschungsgruppe „Biologische Psychiatrie“ sowie ab 2006 als Stationsleiter aus. Anfang 2009 wechselte er als Universitätsdozent an die medizinische Privatuniversität Paracelsus in Salzburg.[4] 2011 erfolgte seine Berufung zum Leiter der Forschungsgruppe Neuropsychiatrie an der Sigmund Freud PrivatUniversität Wien.[5][6]

Bonelli ist zudem Leiter des Instituts für Religiosität in Psychiatrie & Psychotherapie und Faculty Member des „Center for Spirituality, Theology and Health“ an der Duke University (USA). Er betreibt in Wien eine private Praxis,[7] ist Vorstandsmitglied des Steering Comitees of the European Huntington’s Disease Network, sowie Vizepräsident der Österreichischen Huntingtonhilfe,[8] für die er seit 2006 den jährlichen Österreichischen Huntington Kongress organisiert und leitet. Für Betroffene der Chorea Huntington Erkrankung gründete er eine Ambulanz und eine Selbsthilfegruppe.[1] Bonelli ist zudem Vizepräsident der Austrian Association of Biological Psychiatry.

Forschungstätigkeit

Bonelli ist Autor wissenschaftlicher Publikationen im Grenzbereich zwischen Neurologie und Psychiatrie.[9][10] Sein Forschungsschwerpunkt ist die Demenz; er beschäftigt sich mit dem Thema Chorea Huntington,[11] worüber er auch seine Habilitationsschrift „Neuropsychiatrische Therapie der Chorea Huntington“ verfasst hat.[12][13] Er hat mit seiner Arbeitsgruppe neue Therapieoptionen für diese Erkrankung entdeckt und entwickelt: Pramipexol,[14] Quetiapin,[15] Minocyclin,[16][17] Mirtazapin,[18] Zotepin,[19] Ziprasidon,[20] Venlafaxin[21] und neuroleptische Drug Holidays bei Chorea Huntington.[22] Er untersuchte mit einer internationalen Arbeitsgruppe sowohl die psychischen Charakteristika von etwa 2000 Huntingtonpatienten[23] als auch die Lebensqualität bei dieser Erkrankung.[24]

Bonelli beschrieb erstmals mithilfe der Transglutaminase-Technik die neurotoxische Wirkung von Antipsychotika auf demente Patienten,[25] nachdem er vorher diese Methode als Biomarker für Demenzen etabliert hatte.[26][27] Er entwickelte an der UCLA gemeinsam mit Jeffrey Cummings ein neues Klassifikationssystem für subkortikale Demenzen[28] und analysierte in dieser Kooperation auch die neurobiologische Basis dieser Störungen.[29]

An der Harvard University entwickelte er eine Leitlinie zur volumetrischen Magnetresonanztomographie-Forschung bei affektiven Störungen.[30] Zum Thema Schizophrenie war er an Positronen-Emissions-Tomographie-Studien beteiligt, die die Hirndurchblutung bei neuropsychologischen Experimenten erforschten.[31][32][33] Er studierte den Dopamin-Stoffwechsel bei Restless-Legs-Syndrom im Schlaf mithilfe der Single-Photon-Emissionscomputertomographie-Methode.[34][35] Er untersuchte mit einer neurochirurgischen Forschungsgruppe den Liquor cerebrospinalis bei Patienten nach einer Subarachnoidalblutung, um verschiedene Therapieoptionen zu evaluieren.[36] Bezüglich der Multiple Sklerose hat er die endokrinologischen Parameter der Prävalenz der Autoimmunthyreoiditis untersucht.[37] Er beschäftigte sich außerdem interdisziplinär mit der Hirntod-Problematik.[38]

An der Duke University untersuchte Bonelli den Zusammenhang zwischen Religiosität und Depression.[39][40] Er unterstreicht die großteils positive Wirkung der Religiosität auf die menschliche Psyche aus empirisch-naturwissenschaftlicher Sicht und kommt zum Schluss: „Diese Verletzlichkeit des religiösen Lebens bedarf eines für religiöse Fragen sensiblen Psychiaters, da praktisch alle psychischen Probleme bei religiösen Patienten eine religiöse Dimension besitzen können. Angesichts nunmehr zahlreicher empirischer Befunde, dass Religiosität einen positiven Einfluss auf den psychiatrischen Krankheitsverlauf hat, scheint eine Wertschätzung dieser Dimension noch dringender geraten.“[41]

Psychodynamisches Modell des Perfektionismus

Nach der 2014 von Bonelli publizierten Theorie ist Perfektionismus ein angstvolles Vermeidungsverhalten,[42] bei dem es zum Missverhältnis zwischen „Soll“, „Ist“ und „Muss“ kommt.[43] Das „Soll“ repräsentiert das Ideal, ähnlich dem Sollwert in der Technik. Das „Ist“ bezeichnet die persönliche Realität des Menschen, entsprechend dem Istwert. Eine natürliche Spannung zwischen „Soll“ und „Ist“ ist für den psychisch gesunden Menschen leicht zu ertragen und motiviert ihn dazu, sich weiterzuentwickeln. Ein Perfektionist hingegen erträgt diese Spannung nicht, weil für ihn das (nie vollständig realisierbare) „Soll“ ein permanenter Vorwurf ist, noch nicht perfekt zu sein. So mutiert das „Soll“ zum angstauslösenden „Muss“, das den Handlungsspielraum einschränkt. Hintergrund ist eine überzogene Angst vor Fehlern und der damit verbundenen Kritik, die er ängstlich-verkrampft zu vermeiden sucht. „Es geht dem Perfektionisten nicht um die Perfektion an sich, sondern um die damit verbundene bombensichere Unantastbarkeit“.[44] Bonelli stellt einen Zusammenhang zwischen dem Perfektionismus und den Big Five fest. So hat Perfektionismus sowohl mit Gewissenhaftigkeit als auch mit Neurotizismus zu tun: Der psychodynamische Unterschied zwischen der Gewissenhaftigkeit und dem Perfektionismus ist, dass Erstere als gesundes Perfektionsstreben intrinsisch motiviert ist, Letzterer extrinsisch. Je mehr Angst im Spiel ist, umso höher der Neurotizismus und umso extrinsischer die innere Motivation.[45]

Bücher

Vorträge

Eine Auswahl, die komplette Vortragssammlung ist unter den Weblinks zu finden.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Curriculum von Univ.-Doz. Dr.med.Dr. scient. Raphael M Bonelli, abgerufen am 19. November 2012.
  2. Raphael Maria Bonelli: Pharmacotherapy of Huntington’s disease. Betreuendes Institut: Universitätsklinik für Psychiatrie, Medizinische Universität Graz, 2004, Dissertation
  3. Verbundkatalog: Pharmakotherapie der Chorea Huntington. Dissertation von Raphael Maria Bonelli 2004
  4. Hans-Bernhard Wuermling: Gott berührt unsere Seele mit seiner Schönheit. Religion tut dem Menschen gut: Eine Tagung in Zisterzienserstift Heiligenkreuz befasste sich mit „Liturgie und Psyche“. In: Die Tagespost. 9. Mai 2009, S. 9, rpp-congress.org (PDF; 1,5 MB)
  5. Lebenslauf: Berufung SFU, gesehen am 23. Oktober 2012.
  6. Forschungsgruppe Neuropsychiatrie an der SF-Universität Wien, gesehen am 23. Oktober 2012.
  7. Ärztekammer für Wien, gesehen am 9. Februar 2010.
  8. Raphael M. Bonelli. Kurzbiografie, Ausgewählte Publikationen, rpp2009.org
  9. Datenbankabfrage: Bonelli R*, PubMed
  10. Publikationsliste
  11. R. M. Bonelli, M. F. Beal: Huntington’s Disease. In: Schlaepfer, Nemeroff (Hrsg.): Neurobiology of psychiatric disease. Volume 105 Chapter 30. In: Handbook of Clinical Neurology. 2012; 106, S. 507–526, PMID 22608641
  12. Anita Dollmanits: Kongress zu vergessener Erbkrankheit. ORF online, 3. Juli 2006.
  13. Österreichische Huntingtonhilfe
  14. R. M. Bonelli, G. Niederwieser, J. Diez, A. Gruber, P. Költringer: Pramipexole ameliorates neurological and psychiatric symptoms in a Westphal variant of Huntington’s disease. In: Clinical Neuropharmacology. 2002 Jan-Feb;25(1), S. 58–60.
  15. R. M. Bonelli, G. Niederwieser: Quetiapine in Huntington’s disease: a first case report. In: Journal of Neurology. 2002 Aug, 249(8), S. 1114–1115.
  16. R. M. Bonelli, A. K. Hödl, P. Hofmann, HP. Kapfhammer: Neuroprotection in Huntington’s disease: A Two Year Study on Minocycline. In: International Clinical Psychopharmacology. 2004 Nov, 19(6), S. 337–342.
  17. R. M. Bonelli, C. Heuberger, F. Reisecker: Minocycline for Huntington’s disease: an open label study. In: Neurology. 2003 Mar 11, 60(5), S. 883–884.
  18. R. M. Bonelli: Mirtazapine in suicidal Huntington’s disease. In: The Annals of Pharmacotherapy. 2003 Mar, 37(3), S. 452.
  19. R. M. Bonelli, G. Niederwieser, T. Lahousen, P. Hoffmann: Zotepine in Huntington’s disease. In: Human Psychopharmacology: Clinical and Experimental. 2003 Apr. 18(3), S. 227–229.
  20. R. M. Bonelli, B. J. Mayr, G. Niederwieser, F. Reisecker, H. P. Kapfhammer: Ziprasidone in Huntington’s disease: the first case reports. In: Journal of Psychopharmacology. 2003 Dec, 17(4), S. 459–460.
  21. A. K. Holl, L. Wilkinson, A. Painold, E. M. Holl, R. M. Bonelli: Combating depression in Huntington’s disease: effective antidepressive treatment with venlafaxine XR. In: Int Clin Psychopharmacol. 2010 Jan, 25(1), S. 46–50.
  22. E. Z. Schmidt, H. P. Kapfhammer, R. M. Bonelli: Antipsychotic drug holiday in Huntington’s disease. In: Annals of Pharmacotherapy. 2005 Apr, 39(4), S. 773–774.
  23. van Duijn E, Craufurd D, Hubers AA, Giltay EJ, Bonelli R, et al. Neuropsychiatric symptoms in a European Huntington's disease cohort (REGISTRY). J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2014 Dec;85(12):1411-8
  24. Brugger F, Hepperger C, Hametner EM, Holl AK, Painold A, Schusterschitz C, Bonelli R, et al. Predictors of mental and physical quality of life in Huntington's disease. Nervenarzt. 2015 Feb;86(2):167-73.
  25. Bonelli u. a.: The influence of psychotropic drugs on cerebral cell death: female neurovulnerability to antipsychotics. (PDF; 431 kB) In: Int Clin Psychopharmacol. 2005 May, 20(3), S. 145–149.
  26. R. M. Bonelli, A. Aschoff, G. Niederwieser, C. Heuberger, G. Jirikowski: Cerebrospinal fluid tissue transglutaminase as a biochemical marker for Alzheimer’s disease Tissue transglutaminase activity in vascular dementia. In: Neurobiology of Disease. 2002 Oct;11(1), S. 106–110, PMID 12460550.
  27. R. M. Bonelli, A. Aschoff, G. Jirikowski: Tissue transglutaminase activity in vascular dementia. In: Journal of the Neurological Sciences. 2002 Nov 15, 203-204(C), S. 207–209, PMID 12417385
  28. R. M. Bonelli, J. L. Cummings: Frontal-subcortical dementias. Neurologist. 2008 Mar, 14(2), S. 100–107, PMID 18332839.
  29. R. M. Bonelli, J. L. Cummings: Frontal-subcortical circuitry and behavior. In: Dialogues in Clinical Neuroscience. 2007, 9(2), S. 141–151, PMID 17726913
  30. R. M. Bonelli, H. P. Kapfhammer, S. S. Pillay, D. Yurgelun-Todd: Basal Ganglia Volumetric Studies in Affective Disorder: What did we learn in the last 15 years? In: Journal of Neural Transmission. 2006 Feb, 113(2), S. 255–268, PMID 16252064.
  31. F. Ortuño, J. Arbizu, A. C. Soutullo, R. M. Bonelli: Is there a Cortical Blood Flow redistribution pattern related with Perseverative Error in Schizophrenia? In: Psychiatria Danubina. 2009 Sep, 21(3), S. 283–289, PMID 19794343
  32. M. Moreno-Iniguez, F. Ortuno, R. Bonelli, M. Millan, C. Soutullo, S. Cervera-Enguiz: Perseverative error in schizophrenia: correlation with cortical blood flow by SPECT. In: Actas españolas de psiquiatría. 2007 Jan-Feb,35(1), S. 20–28, PMID 17323222
  33. F. Ortuño, M. Moreno-Íñiguez, M. Millán, C. A. Soutullo, R. M. Bonelli: Cortical Blood Flow during Rest and Wisconsin Card Sorting Test Performance in Schizophrenia. In: Wiener Medizinischen Wochenschrift. 2006 Apr;156(7/8), S. 179–184, PMID 16823534
  34. G. G. Tribl, S. Asenbaum, G. Klösch, K. Mayer, R. M. Bonelli, E. Auff, J. Zeitlhofer, S. Happe: Normal IPT and IBZM SPECT in drug naive and levodopa-treated idiopathic restless legs syndrome. In: Neurology. 2002, Aug 27, 59(4), S. 649–650.
  35. G. G. Tribl, S. Asenbaum, S. Happe, R. M. Bonelli, J. Zeitlhofer, E. Auff: Normal striatal D2 receptor binding in idiopathic restless legs syndrome with periodic leg movements in sleep. Nuclear Medicine Communications. 2004 Jan;25(1), S. 55–60, PMID 15061265.
  36. A. Gruber, K. Roessler, A. Georgopoulos, A. Mißbichler, R. Bonelli, B. Richling: Evaluation of big endothelin – 1 concentrations in serum and ventricular cerebrospinal fluid after early surgical compared with nonsurgical management of ruptured intracranial aneurysms. In: Journal of Neurosurgery. 2000 (May), Neurosurgical Focus, 2000 May 15, 8(5):e6, PMID 16859284
  37. G. Niederwieser, W. Buchinger, R. M. Bonelli, A. Berghold, F. Reisecker, P. Költringer, J. J. Archelos: Prevalence of autoimmune thyroiditis and non-immune thyroid disease in multiple sclerosis. In: Journal of Neurology. 2003 Jun, 250(6), S. 672–675, PMID 12796827
  38. R. M. Bonelli, E. H. Prat, J. Bonelli: Philosophical Considerations on Brain Death and the Concept of the Organism as a Whole. In: Psychiatria Danubina. 2009 Mar;21(1), S. 3–8, PMID 19270615
  39. S. Vasegh, D. H. Rosmarin, H. G. Koenig, R. E. Dew, R. M. Bonelli: Religious and Spiritual Factors in Depression. In: Depression Research and Treatment. 2012, Article ID 298056, 2012. doi:10.1155/2012/298056, hindawi.com
  40. R. M. Bonelli, R. E. Dew, H. G. Koenig, D. H. Rosmarin, S. Vasegh: Religious and Spiritual Factors in Depression: Review and Integration of the Research. In: Depression Research and Treatment. 2012, Article ID 962860, 8 pages, 2012, doi:10.1155/2012/962860. hindawi.com
  41. Raphael Bonelli: Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie. (PDF; 149 kB) In: Facharzt Neurologie Psychiatrie. 1, 2007, S. 20–25, gesehen am 8. März 2010.
  42. R. M. Bonelli: Perfektionismus: Wenn das Soll zum Muss wird. Pattloch-Verlag, München 2014, S. 97ff.
  43. R. M. Bonelli: Perfektionismus: Wenn das Soll zum Muss wird. Pattloch-Verlag, München 2014, S. 34ff.
  44. R. M. Bonelli: Perfektionismus: Wenn das Soll zum Muss wird. Pattloch-Verlag, München 2014, S. 332ff.
  45. R. M. Bonelli: Perfektionismus: Wenn das Soll zum Muss wird. Pattloch-Verlag, München 2014, S. 67.