Regenbogen-Befehl

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Der sogenannte Regenbogen-Befehl der deutschen Kriegsmarine im Zweiten Weltkrieg besagte, dass alle nicht für die Fischerei oder zum Minenräumen geeigneten Schiffe und U-Boote der Kriegsmarine zu versenken seien, um sie nicht dem Feind übergeben zu müssen. Dieser Befehl wurde von Großadmiral Karl Dönitz am 30. April 1945, als er die Nachfolge Hitlers antrat, bestätigt, dann aber bereits am 4. Mai wieder zurückgenommen.

Nach den Maßgaben des Regenbogen-Befehls wurden über 200 deutsche U-Boote bei Kriegsende von ihren Besatzungen versenkt.

Grundlage des Regenbogen-Befehls

Für die Einheiten der Kriegsmarine bestand seit Kriegsbeginn eine ständige Dienstanweisung, dass ein Kriegsschiff zu versenken sei, wenn es in Feindeshand zu fallen drohte. Diese Anweisung wurde im Jahr 1943 für die U-Boote der Kriegsmarine spezifiziert und mit dem Kennwort „Regenbogen“ versehen.[1] Seither bestand für die deutschen U-Boote ein ständiger Befehl zur Selbstversenkung bei Ausgabe des Kennworts „Regenbogen“.[2] Dieser Befehl berief sich einerseits auf die von Hitler ausgegebene Direktive, dass „kein Soldat der Wehrmacht, oder einer anderen, unter deutschem Befehl stehenden Kampfeinheit, jemals vor dem Feind kapitulieren“ dürfe. Des Weiteren entsprach die Selbstversenkung in aussichtsloser Lage der Tradition der Marinen vieler Nationalitäten. Die wenige Jahre zuvor erfolgte Selbstversenkung der Dänischen Flotte als auch die Selbstversenkung der Vichy-Flotte waren von der deutschen Seekriegsleitung hingenommen worden, ohne die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.[3]

Ausführung des Regenbogen-Befehls

Regenbogen-Befehl (Deutschland Küste)
Regenbogen-Befehl (Deutschland Küste)
Flensburger Förde (28)
Eckernförde (1)
Cuxhaven (2)
Wilhelmshaven (13)
Bremerhaven (8)
Geltinger Bucht (47)
Selbstversenkungen gemäß Regenbogen-Befehl am 4. und 5. Mai.

Die Auslieferung der Schiffe der Kriegsmarine war Bestandteil der am 4. Mai unterzeichneten Teilkapitulation sämtlicher deutschen Verbände in Nordwestdeutschland, Dänemark und den Niederlanden. Während Dönitz mit der Übergabe im Interesse dieser Vereinbarung einverstanden war, erhob das Oberkommando der Wehrmacht Einwände.[3] Dennoch nahm Dönitz den Regenbogen-Befehl zurück. Mit der Einstellung des U-Boot-Krieges zum 4. Mai, was er per Funkspruch verkündete, verband der Großadmiral die Anweisung, keine Schiffe oder Waffen zu zerstören.[4] Am Abend desselben Tages sprach eine Delegation von U-Boot-Kommandanten in Dönitz' Hauptquartier in Flensburg vor, um sich die Rücknahme des Regenbogen-Befehls von ihm persönlich bestätigen zu lassen, wurde aber nicht zu ihm vorgelassen. Sein Adjutant, Korvettenkapitän Walter Lüdde-Neurath, erklärte bei dieser Gelegenheit, wenn er U-Boot-Kommandant wäre, er wüsste, was zu tun sei.[2][1]

Viele U-Boot-Kommandanten ignorierten die Zurücknahme des Befehls und versenkten dennoch ihre Boote in oder vor den Häfen. Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk, als Minister an der sogenannten Regierung Dönitz beteiligt, verdeutlichte später, dass viele U-Boot-Kommandanten dabei in dem Glauben handelten, mit der Selbstversenkung nach dem tatsächlichen Willen Dönitz' zu handeln.[4] Am 4. und 5. Mai wurden entsprechend des Wortlauts des Regenbogen-Befehls und entgegen der Kapitulationsbedingungen in der Flensburger Förde 28 U-Boote von ihren Besatzungen versenkt. Hinzu kamen 47 in der Geltinger Bucht versenkte Boote, zwei in Cuxhaven versenkte Walter-U-Boote und ein U-Boot in Eckernförde. Zudem wurden bei Wilhelmshaven 13 und bei Bremerhaven acht Ausbildungsboote selbstversenkt,[5] darunter eine Anzahl betagter ehemaliger Schulboote, die erst kurze Zeit vorher reaktiviert worden waren.[6]

U-Boote in gegnerischen Gewässern

Die meisten der sich zum Zeitpunkt der Kapitulation in See befindenden deutschen U-Boote liefen zwischen dem 9. und dem 19. Mai britische und US-amerikanische Häfen an. Doch einige Kommandanten sahen sich weiterhin an den Regenbogen-Befehl gebunden. Der Kommandant von U 287 versenkte sein Boot vor Altenbruch und gab als Grund für den Verlust des Bootes einen Minentreffer an. U 963, bei Kriegsende mit der Verminung des Seegebietes vor der Isle of Portland befasst, wurde am 20. Mai bei Nazaré selbstversenkt. U 979 wurde am 24. Mai vor Amrum gesprengt, und die Besatzung von U 1277 versenkte ihr Boot am 3. Juni vor der portugiesischen Küste.[7]

Anzahl der selbstversenkten U-Boote

Über die tatsächliche Anzahl der aufgrund des Regenbogen-Befehls selbstversenkten U-Boote besteht in der Literatur keine Einigkeit. Dies liegt zum Einen daran, dass teilweise auch Boote miteingerechnet werden, die vor dem 4. Mai - also zum Beispiel auf Eigeninitiative oder in Befolgung der Anweisungen des Chefs der 25. U-Flottille, Wilhelm Schulz - bereits am 2. und 3. Mai selbstversenkt wurden. Zum anderen besteht Uneinigkeit, ob Boote mitzuzählen seien, die zwar in Dienst gestellt waren, aber noch keine Frontreife erreicht hatten. U 29, U 30, U 46 wurden am 5. Mai in der Flensburger Förde versenkt, obwohl sie zum Teil bereits vor Jahren außer Dienst gestellt worden waren. Mit U 3047, U 3050 und U 3051, sowie U 1026 wurde bei Bremerhaven und Flensburg zudem eine Anzahl noch unfertiger Boote versenkt.[5]

Im September 1945 von den Alliierten zusammengestellten Unterlagen zufolge wurden insgesamt 222 deutsche U-Boote Anfang Mai von ihren Besatzungen in Befolgung des Regenbogen-Befehls selbstversenkt.[8] Andere Quellen sprechen davon, dass in diesem Zeitraum 218,[9] 216, 232 oder 225[1] U-Boote gesprengt oder durch Öffnen der Ventile versenkt wurden.

Einzelnachweise

  1. a b c Rainer Busch und Hans Joachim Röll: Der U-Boot-Krieg. Band Drei: Deutsche U-Boot-Verluste von September 1939 bis Mai 1945. Verlag E.S. Mittler & Sohn, Hamburg u.a. 1999, ISBN 3-8132-0514-2, S. 356-372
  2. a b Peter Padfield: Der U-Boot-Krieg 1939-1945.Ullstein Verlag, Berlin 1996. Lizenzausgabe Bechtermünz, Weltbild, Augsburg 1999, ISBN 3-8289-0313-4, S. 425
  3. a b Michael Salewski: Exoriare aliquis nostris ex ossibus ultor - Untergang und Wiederauferstehung in der deutschen Marinegeschichte. in MGFA (Hrsg.): Werner Rahn - Dienst und Wissenschaft. Potsdamer Schriften zur Militärgeschichte, Potsdam 2010, ISBN 978-3-941571-08-2, Seite 31
  4. a b Jörg Hillmann: Der "Mythos" Dönitz. in Bea Lundt (Hg.): Nordlichter Geschichtsbewusstsein und Geschichtsmythen nördlich der Elbe. Böhlau Verlag, Köln u.a. 2004, ISBN 3-412-10303-9, S.261
  5. a b Jürgen Rohwer und Gerhard Hümmelchen: Chronik des Seekrieges 1939-1945. Gerhard Stalling Verlag, Oldenburg. Onlineversion, siehe Eintrag 05.05.1945
  6. Rainer Busch und Hans Joachim Röll: Der U-Boot-Krieg. Band Drei: Deutsche U-Boot-Verluste von September 1939 bis Mai 1945. Verlag E.S. Mittler & Sohn, Hamburg u.a. 1999, ISBN 3-8132-0514-2, S. 343 - 405
  7. Chronik des Seekrieges 1939-1945 online, s. Eintrag 9.-19.5.1945
  8. Clay Blair: Der U-Boot-Krieg. Band Zwei: Die Gejagten 1942-1945. Wilhelm Heyne Verlag, München 1999, ISBN 3-453-16059-2, S. 813
  9. Paul Kemp: Die deutschen und österreichischen U-Boot-Verluste in beiden Weltkriegen. Urbes Verlag,Gräfelfing vor München 1997, ISBN 3-924896-43-7, Seite 275