Vollschiff

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Das Rigg eines Vollschiffes mit Bezeichnung der Segel und Masten (Die Nummern 3 und 8 sind leider vertauscht)
Segelschulschiff Mir
Die Amerigo Vespucci bei der Sail Amsterdam 2005
Die Preußen unter Vollzeug beim Auslaufen aus dem New Yorker Hafen (Fotografie von 1908)
Die Royal Clipper vor Pula

Ein Vollschiff ist ein Großseglertyp mit mindestens drei, sämtlich vollständig rahgetakelten, Masten. Die Zahl der Rahen kann dabei variieren: Bei ungeteilten Mars- und Bramsegeln mit Royals (Klipper) sind es vier, bei geteilten Mars- und Bramsegeln (modernes Windjammerrigg) sechs, beim Jubiläumsrigg fünf Rahen (keine Royalsegel). Der hinterste (achterste) Mast trägt ein zusätzliches Gaffelsegel (Besansegel) zur Unterstützung von Wende- und Halsemanövern. Neben dem Gaffelsegel trägt ein Rahsegler weitere Schratsegel als sogenannte Stagsegel, das sind an den Stagen befestigte Segel: vom Bugspriet zum Fockmast meist vier, selten fünf Klüversegel und zwischen den Masten typisch drei Stagsegel.

Abgrenzung von anderen Schiffstypen und Bezeichnungen

Schiffe mit einer größeren Anzahl an Masten heißen „Viermastvollschiff“ bzw. „Fünfmastvollschiff“ – eine höhere Mastzahl gab es nur bei Schonern und Barkentinen. Ein mindestens dreimastiges rahgetakeltes Segelschiff, dessen Besanmast ausschließlich über Schratsegel und nicht über Rahsegel verfügt, wird als Bark (bzw. Viermastbark oder Fünfmastbark) bezeichnet und üblicherweise nicht zu den Vollschiffen gerechnet (Ausnahmen begegnen zuweilen bei Vier- und Fünfmastbarken); ein Segelschiff mit nur zwei rahgetakelten Masten (und keinem weiteren schratgetakelteten Mast) wird Brigg genannt. Eines mit nur einem rahgetakelten und keinem weiteren schratgetakelten Mast ist ein Kutter.

Häufig werden Vollschiffe auch als Fregattschiff bezeichnet. Dies ist jedoch irreführend, da Fregatten sich schon im 17. Jahrhundert herausbildeten, als es die Vollschifftakelung noch gar nicht in ihrer heutigen Form gab. Gerade kleinere Fregatten hatten in dieser Zeit noch oft nur ein Lateinersegel am letzten Mast. Im 18. Jahrhundert waren dann alle größeren Schiffe, und damit auch Fregatten, vollgetakelt. Historisch geht der Begriff „Fregattschiff“ auf die Blackwall-Fregatten zurück, einen Schiffstyp, der historisch die Übergangsform zwischen Indienfahrer und Klipper darstellte. Diese Schiffe, im Prinzip abgerüstete und als schnelle Frachtschiffe eingesetzte Fregatten, waren die ersten zivil genutzten Vollschiffe mit modernem Rigg.

Mastfolge

Die Mastfolge eines Vollschiffs von vorne nach achtern ist:

  • Fockmast, Großmast, Kreuzmast – der stets letzte Mast eines Vollschiffes.

Die Bezeichnung „Kreuzmast“ rührt daher, dass die Brassen und andere Leinen nicht, wie bei den anderen Masten, nach achtern geführt werden, sondern „über Kreuz“ auf die jeweils andere Schiffsseite verlaufen.

Das Viermastvollschiff hat an dritter Position den „Achtermast“:

  • Fockmast, Großmast, Achtermast, Kreuzmast

Er wird zuweilen auch als „Hauptmast“ bezeichnet, wegen der geraden Mastzahl nie „Mittelmast“. An vierter und letzter Position befindet sich der „Kreuzmast“. Eine andere Benennung der Masten eines viermastigen Vollschiffs lautet: Fockmast, Großmast, Kreuzmast und Jagermast (siehe auch Segelplan), ist aber aus dem Englischen abgeleitet, bei der der vierte Mast jigger mast („Tanzermast“) heißt. Dieser Segelschiffstyp war in Großbritannien sehr beliebt – es gab ca. 40 Einheiten. In Deutschland wurde nie ein solches Rigg gebaut, und nur wenige Viermastvollschiffe fuhren unter deutscher Flagge. Neben der einzigartigen Peter Rickmers von 1889 – sie war der Welt einziges Segelschiff mit Skysegeln an allen vier Masten – gab es den 1889 für die Bremer Reederei H. Bischoff & Co. zum Viermastvollschiff H. Bischoff umgebauten Dampfer Ville de Paris aus dem Jahre 1865, das von 1889 bis zur Strandung 1900 unter deutscher Flagge fuhr, und die County of Edinburgh, die als Frieda von 1904 bis 1914 unter der Reedereiflagge von A. Witte aus Bremen segelte – nach Marineautor Basil Lubbock zur Viermastbark umgeriggt, nach H.-J. Furrer als Viermastvollschiff.

Viermastvollschiffe wie die Lord Wolseley (Bj. 1883, als Columbia 1898 zu J. C. Tidemann & Co., Bremen), Drumcliff (Bj. 1887, als Omega 1898 zu Rhedereigesellschaft von 1896) und die Ellesmere (Bj. 1886, als Schiffbek 1898 zu Knöhr & Burchard, Hamburg) wurden zu Viermastbarken umgeriggt, als sie nach Deutschland kamen.

Weiterhin ist zu erwähnen, dass das Lloyd’s Register bis um 1890 etliche Einheiten als „Viermastschiff“ bezeichnete, die nie ein Vollschiffrigg hatten, sondern von Anfang an das einer Viermastbark. Dazu gehörte beispielsweise die Richard Wagner, 1886 von Joh. C. Tecklenborg auf eigene Rechnung gebaut. Sie war stets als Viermastbark geriggt, war aber bei Lloyd’s als „Viermastschiff“ eingetragen.

Das Fünfmastvollschiff hat als weiteren Mast den Mittelmast. Abgesehen von dem Luxuskreuzfahrtschiff Royal Clipper gab es in der Welthandelsflotte nur ein Exemplar dieses Typs: die Preußen:

  • Fockmast, Großmast, Mittelmast, Achtermast (Hauptmast), Kreuzmast – Standardbenennung

An Bord der Preußen nannte man zu Ehren der Reederei F. Laeisz den vierten Mast statt Achtermast den Laeisz-Mast, was man auch mit dem vierten Mast der Potosi, dem Kreuzmast, tat:

  • Fockmast, Großmast, Mittelmast, Laeisz-Mast, Kreuzmast.

Geschichtliche Entwicklung

Die Ursprünge der dreimastigen Takelung lassen sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen,[1] wo dreimastige Schiffe mit Rahsegeln an den ersten beiden und einem Lateinersegel am letzten Mast erstmals auftauchten. Mit größer werdenden Schiffen wurden alle Masten nach und nach um weitere Segelstockwerke von Rahsegeln ergänzt. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts bekam dann auch der hinterste Mast ein Rahsegel oberhalb des Lateinersegels. Dies wurde dann im Verlauf des 18. Jahrhunderts durch ein Gaffelsegel ersetzt, so dass von da an das Vollschiff in seiner heutigen Form vorlag. Aber diese Form der Takelung wurde nach den Fregatten, Fregatttakelung oder Fregattschiff genannt, aber den Begriff Vollschiff gab es noch nicht. Dieser wurde erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts in amtlichen Dokumenten eingeführt. Die Ursachen sind undeutlich.

SMS Mercur der Preußischen Kriegsmarine Gemälde von Lüder Arenhold um 1905

Als die Windjammer größer wurden und ein Schiff mit drei Masten zu übergroßen Rahen und Segeln führte, wurden Viermastvollschiffe gebaut. Aber es zeigte sich, dass die Rahsegel am vierten Mast ungünstig waren und das Schiff sich schwer steuern ließ. Zudem waren die Rahsegel am letzten Mast generell schwierig zu bedienen, und der Schiffstyp war personalintensiver. Deshalb wurde der Segelschiffstyp Viermastbark für die großen Windjammer bevorzugt (z. B. die Sedov und die Kruzenshtern). Heute fahren noch einige Vollschiffe als Segelschulschiffe, Viermastvollschiffe gibt es in Fahrt keine mehr. Das letzte überlebende Schiff dieses Typs, die Falls of Clyde, liegt als Museumsschiff in Honolulu (Hawaii).

Die Royal Clipper der Reederei „Star Clippers“, ein Luxus-Kreuzfahrtschiff mit einem Rigg (2 Masten mit 5 Rahen, 2 Masten mit 6 Rahen und ein Mast mit nur 4 Rahen) ähnlich dem eines fünfmastigen Vollschiffes (alle Masten mit min. 5 Rahen), wurde der Preußen nachempfunden; die Viermaster dieser Reederei, die Star Flyer und die Star Clipper, sind Viermast-Stagsegel-Barkentinen.

Segeltechnisches

Das Maß, wie hoch oder hart ein Rahschiff am Wind segelt, bestimmt die Stellung der Rahen. Ein schratbesegeltes Schiff (Schoner) kann deshalb viel höher am Wind segeln, da seine Segel parallel zur Schiffslängsachse stehen können, Rahen immer dazu einen Winkel bilden.

Bekannte Vollschiffe

  • Viermastvollschiffe
    • Peter Rickmers, Stapellauf 1889, einziges je für einen deutschen Reeder gebautes Viermastvollschiff, 1908 vor New York gestrandet und ausgebrannt
    • Falls of Clyde, Stapellauf 1878 in Port Glasgow, Museumsschiff seit 1968 in Honolulu, Hawaii. 1899 zur Viermastbark umgeriggt
    • Lancing, Stapellauf 1865 als Dampfer Périere in Glasgow, 1888 in Blyth zum Viermastvollschiff umgebaut, ein schnelles und seinerzeit bekanntes Schiff

Einzelnachweise

  1. Mott, Lawrence V. (1994): „A Three-masted Ship Depiction from 1409“, in: The International Journal of Nautical Archaeology, Bd. 23, Nr. 1, S. 39–40

Literatur

  • Jens Kusk Jensen: Handbuch der praktischen Seemannschaft auf traditionellen Segelschiffen (Händbog i praktisk sømandskab, EA 1924). Palstek Verlag, Hamburg 1998, ISBN 3-89365-722-3 (Nachdruck der Ausg. Hamburg 1982).

Weblinks

Commons: Vollschiffe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien