Wedel (Adelsgeschlecht)
Wedel, auch Wedell, ist der Name eines alten Uradelsgeschlechts aus Stormarn im heutigen Schleswig-Holstein, das im Zuge der Deutschen Ostsiedlung um 1240 nach Hinterpommern kam, wo es bis 1945 auf etlichen Gütern ansässig blieb. Zweige gelangten später in die Uckermark und ab dem 17. Jahrhundert nach Ostfriesland, Dänemark und Norwegen.
Geschichte
Das Geschlecht erscheint mit Heinricus, Hasso und Reimbernus de Wedele erstmals im Jahr 1212 urkundlich und führt seine Abstammung auf den Klostervogt Heinrich, Vogt des Klosters „Novum Monasterium“ (Neumünster), zurück, der am 13. September 1149 zu Ottenbüttel (Kreis Steinburg, Schleswig-Holstein) erwähnt wird. Im Dezember 1302 beurkunden die Brüder Heinrich, Johannes und Reinbert, dass ihr Oheim Reinhard der Ältere in ihrer Gegenwart und mit ihrer Zustimmung das Dorf Spitzerdorf an das Hamburger Domkapitel verkauft.[1] Auch tauchen 1212 drei Brüder des Geschlechts als Zeugen in einer Urkunde von Heinrich von Barmstede auf.[2] Ein Mitglied der Familie wird als Rädelsführer nach der zweiten Schlacht bei Uetersen im Jahr 1306 gefangen genommen und öffentlich gerädert und gevierteilt.
Die Familie ist seit 1240 in Pommern schlossgesessen und besteht in drei Stämmen. 1269 wird Ludwig von Wedel, einer von sechs Brüdern, als Lokator bei Stargard erwähnt. Im Jahr 1328 soll Kaiser Ludwig den Herren von Wedel die Städte bzw. Schlösser Küstrin, Falkenburg, Schievelbein, Neu-Wedel, Kallies, Reetz (1369–1810), Nörenberg (1350 - 17. Jh.), Hochzeit, Dramburg mit Klein Mellen (ab 1350) und Berneuchen (Barnówko bei Neudamm) zu Lehen gegeben haben.[3] Der Familie gehörten seit der Besiedlung die pommerschen Güter Neuwedell (heute: Drawno, von 1305 bis 1945), Silligsdorf (ab 1315), Kremzow (nach 1300), Tütz (1338–1739), Braunsforth (Bród bei Freienwalde, bis 1945), Vehlingsdorff (Landkreis Saatzig, bis 1945), Voßberg (heute Lisowo bei Freienwalde) mit Klein-Voldekow (bis 1870), Schönebeck (Landkreis Saatzig, bis 1874) und Steinhöfel (bis Anfang 19. Jh.). Später gelangten ferner die Güter Uchtenhagen (1618 bis 18. Jh.), Freienwalde, Blumberg (Morzyca bei Dolice), Mellen und Kannenberg (heute: Kania bei Freienwalde, bis 1945) an die Familie.
Im Zeitraum 1444–1445 war Hans von Wedel diplomatischer Unterhändler zwischen dem Deutschen Orden und dem Königreich Polen.[4]
In der Uckermark gehörten der Familie die Güter Göritz und Malchow.
-
Ruine Neuwedell
-
Schloss Tütz (1338–1739 im Besitz der Familie)
-
Göritz, Uckermark
Ein Zweig der Familie erhielt mit am 24. November 1670 mit Christian Friedrich von Wedel auf Mantere, Finnland eine schwedische Adelsnaturalisation und wurde 1672 unter der Nummer 803 bei der Adelsklasse der Schwedischen Ritterschaft introduziert[5].
Ein weiterer Zweig wurde mit Wilhelm Friedrich von Wedel am 10. Dezember 1672 in den dänischen Grafenstand mit dem Titel Lehnsgraf Wedell af Wedellborg (in Primogenitur) erhoben und zugleich mit dem unbeschränkten Baronstitel ausgezeichnet[6]. Die Grafen Wedell sind bis heute auf Schloss Wedellsborg (bei Husby Sogn) ansässig, seit 1950 auch auf Frijsenborg.
Noch ein anderer Zweig erhielt den dänischen Grafenstand: Gustav Wilhelm von Wedel wurde 1687 Feldmarschall des dänisch-norwegischen Königs Christian V. und 1692 Gouverneur der Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst, zudem war er General en chef der norwegischen Armee. Er verkaufte seine märkischen Güter und erwarb 1683 die Grafschaft Jarlsberg in Tønsberg (Norwegen) und wurde am 3. Januar 1684 in den Grafenstand (Primogenitur) unter dem Namen Wedel-Jarlsberg erhoben[7]. Schloss Jarlsberg gehört bis heute den Grafen Wedel-Jarlsberg. Seine Gemahlin Marie von Ehrentreuter (1633–1702) brachte das ostfriesische Gut Evenburg mit in die Ehe, wodurch ein Zweig seiner Nachfahren in Ostfriesland ansässig wurde.[8] Der Familie von Wedel gehörte die Herrlichkeit Loga, heute ein Stadtteil von Leer. Dort ließen sie unter anderem die Evenburg um- und die Philippsburg erbauen. 1746 kam Schloss Gödens durch Heirat in den Besitz der Familie und blieb es bis heute. Die gräflichen Majoratsherren zu Gödens-Evenburg hatten seit dem 5. Dezember 1867 bis zur Revolution 1918 einen erblichen Sitz im preußischen Herrenhaus.[9]
Ein Zweig der von Wedell hatte von 1754 bis 1945 Besitz in Piesdorf (Sachsen-Anhalt) mit dem 1868 erbauten Schloss.[10]
-
Schloss Jarlsberg, Norwegen
-
Torhaus von Schloss Wedellsborg, Dänemark
-
Schloss Gödens, Ostfriesland
-
Schloss Piesdorf, Sachsen-Anhalt
In den preußischen Kriegen von 1740 bis 1763 verlor die Familie 72 Männer.[11]
Am 12. Dezember 1856 verlieh der König von Preußen der Familie das Präsentationsrecht zum Preußischen Herrenhaus. Karl Graf von Wedel (1842–1919), preußischer General der Kavallerie, Gouverneur von Berlin und Reichsstatthalter in Elsass-Lothringen, wurde 1914 in den Fürstenstand erhoben.
78 Familienmitglieder traten der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) bei, davon 35 vor der Machtergreifung.[12]
Infolge des Zweiten Weltkriegs hatte die Familie 47 Kriegstote und Ermordete zu beklagen, darunter 27 Gefallene.[13]
Stammwappen
Blasonierung: Schild: „In Gold ein schwarzes achtspeichiges Richtrad mit 16 bogigen Klingen.“ Helmzier: „Auf dem gold-schwarz bewulsteten (Topf-)Helm mit schwarz-goldenen Decken ein blonder Mannesrumpf in von Schwarz und Rot gespaltenem Wams und ebensolchem breitrandigen Hut mit gold-schwarzer Hutschnur und ebensolchem Gürtel, in beiden eine zentrale Schlaufe.“
Bekannte Familienmitglieder
- Albert von Wedel (1793–1866), preußischer Landrat von Angermünde
- Botho von Wedel (1862–1943), deutscher Diplomat
- Busso von Wedell (1804–1874), preußischer Finanzbeamter und Regierungspräsident
- Carl Georg Friedrich Gerhard von Wedel (1827–1898), erbliches Mitglied des preußischen Herrenhauses
- Carl Heinrich von Wedel (1712–1782), preußischer Generalleutnant und Kriegsminister
- Christine Christ-von Wedel (* 1948), deutsch-schweizerische Historikerin
- Christoph von Wedel (1584–1672), Landrat in Hinterpommern
- Clemens Graf von Wedel (1866–1945), preußischer Landrat
- Diether von Wedel (1910–1983), persönlicher Adjutant des Reichsministers für Volksausklärung und Propaganda Joseph Goebbels
- Erhard von Wedel (1861–1931), erbliches Mitglied des preußischen Herrenhauses
- Erhard Gustav von Wedel (1756–1813), preußischer, holländischer und zuletzt französischer Generalmajor
- Erich Rüdiger von Wedel (1892–1954), deutscher Jagdflieger im Ersten Weltkrieg
- Ernst von Wedel (1844–1910), Gutsbesitzer und Mitglied des preußischen Herrenhauses
- Ernst Achaz von Wedel (1825–1896), Mitglied des preußischen Herrenhauses
- Ernst Sigismund von Wedell (1704–1758), preußischer Major und Kommandeur eines Grenadierbataillons
- Ferdinand Wedel-Jarlsberg (1781–1857), norwegischer Offizier und Heeresreformer
- Friedrich von Wedell-Malchow (1823–1890), Jurist und Mitglied des Reichstages
- Georg von Wedell (1820–1894), preußischer Generalleutnant
- Georg Clemens August von Wedel, Präsident der Ostfriesischen Landschaft (1779–1788)
- Georg Vivigenz von Wedel (1710–1745), preußischer Oberstleutnant und Ritter des Ordens Pour le Mérite
- Gustav Otto Heinrich von Wedel (1826–1891), preußischer Generalmajor
- Gustav Wilhelm von Wedel (1641–1717), dänischer General in Norwegen, ab 1684 königlich dänischer Lehnsgraf von Jarlsberg
- Hans von Wedel (14. Jahrhundert), Hofmeister des Markgrafen von Brandenburg und Mitbesitzer der Festung Oderberg
- Hans Otto von Wedel (1861–1929), preußischer Generalmajor
- Hasso von Wedel (1898–1961), deutscher Generalmajor
- Hasso Otto von Wedel (1863–1940), deutscher Generalmajor
- Hasso Sebastian Georg von Wedel (1859–1935), preußischer Generalleutnant
- Hedda von Wedel, geb. Meseke (* 1942), deutsche Juristin und Politikerin
- Heinrich von Wedel (1785–1861), preußischer General der Kavallerie, Militärgouverneur der Bundesfestung Luxemburg
- Heinrich Kaspar von Wedel (1778–1858), preußischer Major und Ritter des Ordens Pour le Mérite
- Hermann Alexander Wilhelm von Wedel (1813–1894), preußischer Generalleutnant, Kommandant von Königsberg
- Herman Johann Casper Lensgraf von Wedel-Jarlsberg (1779–1840), norwegischer Politiker, schwedischer Statthalter von Norwegen
- Hermann Karl von Wedel (1814–1896), preußischer Generalmajor
- Hermann von Wedel (1893–1944), deutscher Generalmajor
- Hermann Georg von Wedel (1848–1913), preußischer Generalleutnant
- Hermann Heinrich Achaz (1862–1928), preußischer Generalmajor
- Hermann Ludwig von Wedel (1808–1885), preußischer Landrat
- Joachim von Wedel (1552–1609), deutscher Gutsbesitzer und Annalist
- Johann von Wedell (1679–1742), preußischer Generalmajor
- Karl Friedrich Heinrich von Wedel (1783–1858), preußischer Generalleutnant
- Karl Baron von Wedel (1790–1853), hannoversches Mitglied des Staatsrates
- Karl Graf von Wedel (1827–1898), Mitglied des preußischen Herrenhauses
- Karl Fürst von Wedel (1842–1919), preußischer General der Kavallerie und Diplomat
- Karl von Wedel (1845–1917), Landrat, Mitglied des preußischen Herrenhauses
- Karl von Wedel-Parlow (1873–1936), Gutsbesitzer und Mitglied des Reichstages
- Karl Friedrich von Wedel (1814–1890), preußischer Generalmajor, Kommandant von Koblenz
- Konrad Heinrich von Wedel (1741–1813), preußischer Generalmajor
- Kurt von Wedel (1846–1927), Gutsbesitzer und Mitglied des preußischen Herrenhauses
- Kaspar Heinrich von Wedel (1778–1858), preußischer Offizier und Ritter des Ordens Pour le Mérite
- Lupold von Wedel (1544–1612/1615), deutscher Reiseschriftsteller, Kriegsberichterstatter und Söldnerführer
- Otto von Wedel (1769–1813), preußischer Offizier und Ritter des Ordens Pour le Mérite
- Wedego von Wedel (1899–1945), deutscher Verwaltungsbeamter
- Wilhelm von Wedel (1798–1872), oldenburgischer Generalleutnant und Kriegsminister
- Wilhelm Graf von Wedel (1837–1912), preußischer Landrat
- Wilhelm von Wedel-Piesdorf (1837–1915), preußischer Minister des Königlichen Hauses und Mitglied des preußischen Herrenhauses
- Wilhelm von Wedel (Polizeipräsident) (1891–1939), deutscher Polizeipräsident und SS-Brigadeführer
- Wilhelm von Wedell (1801–1866), preußischer Verwaltungsjurist
Literatur
- Julius Theodor Bagmihl: Pommersches Wappenbuch. Band 2, Stettin 1846, S. 50–70, Abd. 19–22 (Wappen und Siegel)
- Jahrbuch des Deutschen Adels, Band 1, 1896, Verlag von W. T. Bruer, S. 876. Digitalisat
- Genealogisches Handbuch des Adels, Adelige Häuser A Band XVII, S. 515. Band 81 der Gesamtreihe, C. A. Starke Verlag, Limburg (Lahn) 1983, ISSN 0435-2408
- Gothaisches genealogisches Taschenbuch der gräflichen Häuser, Justus Perthes, Gotha 1859, S. 931f.
- Gothaisches genealogisches Taschenbuch der adeligen Häuser Zweiter Jahrgang, 1901, S. 883ff. Wedel, Wedel-Parlow, Wedel-Burghagen
- Wilhelm Ehlers: Geschichte und Volkskunde des Kreises Pinneberg. J. M Groth 1922, S. 49, 88, 465, 492 und 508.
- Ernst Heinrich Kneschke, Deutsche Grafen-Haeuser der Gegenwart, Band 2, S. 650ff.
- Leopold von Ledebur: Adelslexicon der Preußischen Monarchie, Band 3, Berlin 1858, S. 86–89
- Detlev Schwennicke: Europäische Stammtafeln. Neue Folge. Band XXV, Rund um die Ostsee 4. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2007, Tafeln 71–140, ISBN 978-3-465-03545-9.
- Dietrich von Wedel (Hrsg.): Familien-Matrikel der Herren und Grafen von Wedel, Generation 1 bis 28. 5. Auflage, Freiburg im Breisgau 1997.
- Leopold von Zedlitz-Neukirch: Neues preussisches Adelslexicon. Band 4, Leipzig 1837, S. 318–319. (Volltext.)
Weblinks
- Bedeutung und Deutungen des Wappens derer von Wedel (Website Leberecht von Wedel)
- Genealogische Sekundärquelle zur Linie der Grafen Wedell-Jarlsberg
- Website Schloss Gödens
- Website Schloss Wedellsborg und Schloss Frijsenborg
- Website Schloss Jarlsberg (norwegisch)
Einzelnachweise
- ↑ Wilhelm Ehlers: Geschichte und Volkskunde des Kreises Pinneberg. S. 49. J. M Groth (1922)
- ↑ Wilhelm Ehlers: Geschichte und Volkskunde des Kreises Pinneberg Seite 88 J. M Groth (1922)
- ↑ Siegmund Wilhelm Wohlbrück: Geschichte des ehemaligen Bistums Lebus und des Landes dieses Namens. Band 1, Berlin 1829, S. 647.
- ↑ Verschiedene ältere Einigungen zwischen Brandenburg, Polen und Preußen. In: Allgemeines Archiv für die Geschichtskunde des Preußischen Staates. Band 4, Berlin Posen Bromberg 1831, S. 154-164.
- ↑ Genealog. Handbuch des Adels, Adelslexikon, Band XV, S. 510, C.A. Starke-Verlag, Limburg, 2004
- ↑ Genealogisches Handbuch des Adels, Adelslexikon, Band XV, S. 511.
- ↑ Genealogisches Handbuch des Adels, Band G A IV, Seite 521, C.A. Starke-Verlag, Limburg 1962
- ↑ Artikel über die Familie von Walter Deeters im Biographischen Lexikon für Ostfriesland, PDF-Datei, zwei Seiten, abgerufen am 28. Februar 2012
- ↑ Genealogisches Handbuch des Adels, Band G A VI, S. 491, C.A. Starke-Verlag, Limburg, 1970
- ↑ Das Gutsarchiv Piesdorf in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- ↑ Christopher Clark: Preußen. Aufstieg und Niedergang. 1600–1947. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007, ISBN 978-3-421-05392-3, S. 193.
- ↑ Stephan Malinowski: Vom König zum Führer. Sozialer Niedergang und politische Radikalisierung im deutschen Adel zwischen Kaiserreich und NS-Staat. Akademie Verlag. Berlin 2003. ISBN 3-05-004070-X. S. 573.
- ↑ Gerd Heinrich: Geschichte Preußens. Staat und Dynastie. Ullstein, Berlin 1984, ISBN 3-548-34216-7, S. 525.