Zolpidem

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Strukturformel
Strukturformel von Zolpidem
Allgemeines
Freiname Zolpidem
Andere Namen

N,N-Dimethyl-2-(6-methyl-2-p-tolylimidazo[1,2-a]pyridin-3-yl)acetamid (IUPAC)

Summenformel
  • C19H21N3O (Zolpidem)
  • (C19H21N3O)2·C4H6O6 [Zolpidem·L-(+)-Halbtartrat]
Kurzbeschreibung

Weißer Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer (Listennummer) 617-367-3
ECHA-InfoCard 100.115.604
PubChem 5732
ChemSpider 5530
DrugBank DB00425
Wikidata Q218842
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N05CF02

Wirkstoffklasse

Hypnotika

Eigenschaften
Molare Masse
  • 307,39 g·mol−1(Zolpidem)
  • 764,87 g·mol−1 [Zolpidem·L-(+)-Halbtartrat]
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

196 °C (Zolpidem)[2]

pKS-Wert

6,2[3]

Löslichkeit
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[1]
Toxikologische Daten

695 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[4]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Zolpidem ist ein Arzneistoff, der in Schlafmitteln bzw. Einschlafmitteln eingesetzt wird. Der Stoff ist strukturell ein Imidazopyridin-Abkömmling mit einem den Benzodiazepinen ähnlichem Wirkspektrum und zählt neben Zopiclon und Zaleplon zu den Z-Drugs. Zolpidem hat üblicherweise eine sehr kurze Halbwertszeit (2–3 Stunden) und keine pharmakologisch wirksamen Metaboliten. In vereinzelten Fällen werden jedoch auch bei weitem höhere Halbwertszeiten beobachtet (bis 10 Stunden). Es ist momentan das in den USA und in Europa meistverordnete Schlafmittel. Zolpidem wird vom Körper schnell und leicht aufgenommen, der maximale Plasmaspiegel wird nach etwa zwei Stunden erreicht. Vor allem wegen der Gefahr der Suchtentwicklung wird die Verordnung von Medikamenten, die Zolpidem enthalten, beispielsweise in Deutschland rechtlich eingeschränkt.

Pharmakologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zolpidem wirkt als positiver allosterischer Modulator an GABAA-Rezeptoren. Es bindet an die in der Extrazellulärdomäne gelegene hochaffine Benzodiazepin-Bindungsstelle dieses Ionenkanals. An ternären Rezeptoren bindet es an der Schnittstelle α1+γ2 und dabei selektiv an der alpha1-Untereinheit.[5] Zolpidem hat eine sedierende, muskelrelaxierende und antikonvulsive Wirkung. Es erleichtert das Einschlafen, die Dauer des Schlafes wird verlängert. Die Schlafarchitektur scheint durch Zolpidem bei niedriger Dosierung nicht nennenswert beeinflusst zu werden. Bei höheren Dosen treten Schlafveränderungen vergleichbar den durch Benzodiazepine hervorgerufenen auf.

23 klinische Berichte und sechs Studien aus 15 Jahren belegen die Genesungseffekte von subsedativ-dosiertem Zolpidem bei Hirnschädigungen durch Schlaganfall, Trauma und Hypoxie, wie etwa unerwartetes Aufwachen aus dem Wachkoma und Besserung der Schlaganfallssymptome.[6] Wachkomapatienten waren nach der Einnahme des Mittels zeitweilig ansprechbar und reagierten auf ihre Umwelt. Zolpidem wirkt, anders als bisher bekannte GABAergika, an der Schnittstelle α1+α1 von binären GABAA-Rezeptoren.[7]

Anwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zolpidem ist in Deutschland zugelassen zur Kurzzeitbehandlung von Schlafstörungen[8] und wird als weinsaures Salz (Zolpidemtartrat) in Form von Filmtabletten zu 5 mg oder 10 mg angewendet.[9]

Aufgrund der notwendigen hohen Dosierungen für eine antikonvulsive und muskelrelaxierende Wirkung und der damit einhergehenden Nebenwirkungen wird Zolpidem für diese Indikationen nicht verwendet.

Gegenanzeigen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zolpidem darf nicht angewendet werden bei krankhafter Muskelschwäche (Myasthenia gravis), bei schwerer Beeinträchtigung der Atmung, bei wiederholtem Aussetzen der Atmung während des Schlafes (Schlafapnoe-Syndrom), bei schweren Leberschäden sowie auch nicht bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren.[8]

Nebenwirkungen und Anwendungsbeschränkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Video: Warum Medikamente bei Frauen und Männern anders wirken (mit Beispiel: Zolpidem)

Das Spektrum der Nebenwirkungen ähnelt dem der Benzodiazepine. Wie bei diesen kann es neben Müdigkeit, Dämpfung, Kopfschmerzen und Sehstörungen auch zu zeitlich begrenzten Gedächtnislücken (anterograde Amnesien), zu „paradoxen Reaktionen“ (Unruhe, Reizbarkeit, Aggressivität) als auch zu anderen Verhaltensstörungen sowie Sinnestäuschungen und Wahnvorstellungen kommen; das Risiko des Auftretens letzterer ist insbesondere bei höheren Dosen und bei älteren Patienten erhöht.

Wie durch die Verwandtschaft mit der Benzodiazepin-Gruppe zu erwarten, sind trotz der geringen Plasmahalbwertszeit Rebound-Phänomene, Toleranzentwicklung, physische und psychische Abhängigkeiten sowie Entzugssymptome bei Therapiebeendigung möglich.[10][11][12] Aus diesem Grund sollte es nicht länger als wenige Tage verordnet werden. Das Risiko einer Abhängigkeit ist bei Patienten mit vorbestehender Abhängigkeitserkrankung erhöht.[8] In Kombination mit Alkohol oder anderen sedierend wirkenden Substanzen (insbesondere Benzodiazepinen) ist mit einer Verstärkung der Wirkung zu rechnen, weswegen die Tageshöchstdosis von 10 mg (Erwachsene) und 5 mg (ältere und geschwächte Patienten) nicht überschritten werden soll.[8] Insbesondere Frauen sind aufgrund geschlechtsspezifischer Unterschiede beim Abbau von Zolpidem über das Cytochrom-P450-System der Leber betroffen, da noch relevante Blutspiegel am Morgen nach der Einnahme bestehen können. Die amerikanische Zulassungsbehörde (FDA) empfiehlt, wegen des Risikos einer verzögerten Reaktionsfähigkeit am Morgen nach der Einnahme von Zolpidem auch in niedriger Dosierung (6,25 mg) kein Fahrzeug zu führen oder andere Tätigkeiten auszuüben, die ebenfalls volle geistige Wachheit erfordern.[13] Diese Empfehlungen wurden 2014 von der MHRA bestätigt.[14]

Rechtsstatus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zolpidem ist in Deutschland gemäß Anlage III zum Betäubungsmittelgesetz (BtMG) ein verschreibungsfähiges Betäubungsmittel. Ausgenommen sind Zubereitungen zur oralen Anwendung, die ohne einen weiteren Stoff der Anlage I bis III BtMG je abgeteilte Form nur bis zu 8,5 mg Zolpidem (berechnet als Base) enthalten und somit auf einem nichtamtlichen Rezeptformular verordnet werden dürfen.

In Österreich und in der Schweiz ist Zolpidem rezeptpflichtig.

Handelsnamen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Monopräparate: Ambien (USA), Bikalm (D), Ivadal (A), Mondeal (A), Stilnox (D, CH, I, F, E, GB, CZ), Zoldem (D, A), Zoldorm (CH), zahlreiche Generika (D, A, CH)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Zolpidem – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Datenblatt Zolpidem bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 16. Juni 2011 (PDF).
  2. The Merck Index: An Encyclopedia of Chemicals, Drugs, and Biologicals, 14. Auflage (Merck & Co., Inc.), Whitehouse Station, NJ, USA, 2006; S. 1754, ISBN 978-0-911910-00-1.
  3. Eintrag zu Zolpidem in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM), abgerufen am 7. Juni 2021. (Seite nicht mehr abrufbar)
  4. a b Eintrag zu Zolpidem in der DrugBank der University of Alberta, abgerufen am 7. Juni 2021.
  5. P. Salvà, J. Costa: Clinical pharmacokinetics and pharmacodynamics of zolpidem. Therapeutic implications. In: Clin Pharmacokinet. 29. Jahrgang, Nr. 3, September 1995, S. 142–53, doi:10.2165/00003088-199529030-00002, PMID 8521677.
  6. J. A. Sutton, R. P. Clauss: A review of the evidence of zolpidem efficacy in neurological disability after brain damage due to stroke, trauma and hypoxia: A justification of further clinical trials. In: Brain Inj. 31. Jahrgang, Nr. 8, 2017, S. 1019–1027, doi:10.1080/02699052.2017.1300836, PMID 28534652.
  7. A. T. Che Has, N. Absalom, P. S. van Nieuwenhuijzen, A. N. Clarkson, P. K. Ahring, M. Chebib: Zolpidem is a potent stoichiometry-selective modulator of α1β3 GABAA receptors: evidence of a novel benzodiazepine site in the α1-α1 interface. In: Sci Rep. 6. Jahrgang, Juni 2016, S. 28674, doi:10.1038/srep28674, PMID 27346730, PMC 4921915 (freier Volltext).
  8. a b c d Fachinformation für Zolpidemtartrat. Stand: September 2003 (RTF; 51 kB) Mustertexte-Datenbank des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
  9. Zolpidem: wie soll man das Medikament einnehmen?
  10. F. Hoffmann, M. Pfannkuche und G. Glaeske: „Hochverbrauch von Zolpidem und Zopiclon – Querschnittsstudie auf Basis von Krankenkassendaten.“ Nervenarzt. 2008 Jan;79(1):67–72.
  11. Rao RV, Sameer M. Zolpidem dependence. In: Indian J Pharmacol 2005;37:412–413.
  12. I. A. Liappas et al.: Zolpidem dependence case series: possible neurobiological mechanisms and clinical management. In: Journal of Psychopharmacology, Vol. 17, No. 1, 131–135 (2003).
  13. FDA: FDA Drug Safety Communication: FDA approves new label changes and dosing for zolpidem products and a recommendation to avoid driving the day after using Ambien CR, Warnhinweis, erste Ausgabe 2013, Update vom 15. Januar 2016.
  14. UAW von Zolpidem