Wilde Erdbeeren

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Film
Titel Wilde Erdbeeren
Originaltitel Smultronstället
Produktionsland Schweden
Originalsprache Schwedisch
Erscheinungsjahr 1957
Länge 92 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Ingmar Bergman
Drehbuch Ingmar Bergman
Produktion Allan Ekelund
Musik Erik Nordgren
Kamera Gunnar Fischer
Schnitt Oscar Rosander
Besetzung

Wilde Erdbeeren (Original: Smultronstället) ist ein in Schwarzweiß gedrehtes schwedisches Filmdrama von Ingmar Bergman aus dem Jahr 1957. Der Film wurde mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet und gilt als eines von Bergmans bedeutendsten Werken. Der bekannte Stummfilmregisseur Victor Sjöström spielte seine letzte Rolle als alter Professor, der während einer Autofahrt durch Tagträume und Erinnerungen mit seinen Fehlern konfrontiert wird.

Handlung

Der 78-jährige Medizinprofessor Isak Borg hat sich im Alter von den Menschen zurückgezogen. Seine Frau Karin ist vor vielen Jahren verstorben, sein Sohn Evald, ebenfalls Arzt, wohnt in einer anderen Stadt. Zu seiner hochbetagten Mutter hat er wenig Kontakt, nur seine langjährige Haushälterin Agda wohnt noch bei ihm. Wegen eines Ehestreits hat sich seine Schwiegertochter Marianne vorübergehend bei ihm einquartiert. Nachts hat er einen Alptraum, in dem er sich selbst im Sarg liegen sieht. Am Tag seines 50-jährigen Promotionsjubiläums beschließt der renommierte Wissenschaftler Isak spontan, sich statt mit dem Flugzeug mit dem Auto von seinem Wohnort Stockholm zum Veranstaltungsort Lund zu begeben. Marianne steigt ebenfalls zu Isak ins Auto, weil sie Evald wiedersehen will.

Während der Reise wird Isak immer wieder mit seiner Vergangenheit konfrontiert, die er Revue passieren lässt. Isak und Marianne machen Halt am ehemaligen Sommerhaus der Familie Borg, wo Isak sich an seine Jugendjahre und seine Verlobte Sara erinnert, die schließlich seinen Bruder heiratete. Sie nehmen drei junge Anhalter mit, die unterwegs nach Italien sind und bis zur Endstation Lund in Isaks Auto verbleiben. Die junge Anhalterin heißt wie Isaks Jugendliebe Sara und erinnert auch äußerlich an diese (beide Saras werden von Bibi Andersson gespielt), was zu weiteren Erinnerungen führt. Ihre männlichen Begleiter sind ein angehender Priester und ein angehender Arzt, die beide um ihre Liebe werben und regelmäßig miteinander über philosophische Themen debattieren. Später steigt noch das Ehepaar Alman hinzu, das während eines Streits mit dem Auto von der Straße abgekommen war, worauf sich ihr Auto überschlug. Mit vereinten Kräften gelingt es allen zwar, das Auto wieder umzudrehen, aber der Motor versagt. Daher nimmt Isak die beiden mit. Als ein Streit zwischen den Eheleuten eskaliert, fordert Marianne sie auf, auszusteigen. Das Ehepaar verlässt den Wagen, die anderen fahren allein weiter.

Isak erinnert sich an die unglückliche Ehe mit seiner lange verstorbenen Frau und wie diese ihn als kaltherzig bezeichnete, was ihm auch Marianne vorhält. Marianne wirft ihm vor, diese Kälte hätte auf seinen Sohn abgefärbt. Isak scheint klar zu werden, dass es ihm in seinem Leben an Liebe und Gegenliebe gefehlt hat. Er und Marianne bekennen, sich beide durch das streitende Paar an ihre eigenen unglücklichen Ehen erinnert zu haben. Sie berichtet ihm, dass sie ein Kind erwarte und wegen einer Auseinandersetzung mit Evald, der keine Kinder bekommen will, vorübergehend bei Isak eingezogen sei. Das junge Ehepaar Åkerman, an dessen Tankstelle Isak seinen Wagen auftankt, erlässt ihm die Benzinrechnung mit der Begründung, dass er früher als Arzt in der Gegend so viel Gutes getan habe. Isak ist gleichermaßen irritiert wie gerührt von der Geste. Isak besucht anschließend seine 96-jährige Mutter, deren zehn Kinder bis auf Isak alle tot sind. Der Besuch verläuft ausgesprochen distanziert, Isaks Mutter wirkt ebenfalls kalt und harsch. Während der Weiterfahrt verfällt Isak in weitere Träume und Erinnerungen.

Schließlich erreichen sie ihren Zielort, wo Isak seine Ehrung entgegennimmt. Obwohl er keinen innigen Kontakt zu seinem Sohn herzustellen vermag, hört er mit Erleichterung, dass Evald mit Marianne zusammenbleiben will. Isak und Marianne erklären einander ihre Sympathie. Auch die drei jungen Anhalter bewundern den Professor und singen noch ein Lied vor seinem Fenster, wobei die Anhalterin Sara ihm ihre ewige Liebe versichert. Schließlich legt Isak sich schlafen, seine Erinnerung kehrt zum idyllischen Sommerhaus und zu seinen Eltern zurück, die am Seeufer sitzen und ihm zuwinken, doch als er ihnen zuruft, hören sie ihn nicht. Auffällig ist, dass der Vater Isaks sonst nicht in seinen Erinnerungen vorkommt. Der Film endet mit einem Bild des lächelnden Isaaks im Halbschlaf.

Hintergrund

Produktion und Filmstart

Wilde Erdbeeren entstand zwischen dem 2. Juli und 27. August 1957 und lief am 26. Dezember desselben Jahres in den schwedischen Kinos an.[1] Für den betagten Victor Sjöström war es seine letzte Rolle, er zog sich anschließend ins Privatleben zurück. Die Filmcrew war über seinen Gesundheitszustand besorgt und auch Sjöström empfand die Dreharbeiten als sehr anstrengend. Man hatte ihm vorher gesagt, er müsse sich in seiner Rolle nur an die Vergangenheit erinnern – letztlich kam Professor Borg aber in allen außer einer Szene vor.

Der Film startete am 21. Juli 1961 in der BRD und am 8. Juli 1966 in der DDR.[2]

Position in Bergmans Werk

Bergman und Victor Sjöström beim Dreh von Wilde Erdbeeren, 1957

Wilde Erdbeeren zeigt deutliche Einflüsse des Dramatikers August Strindberg, wie sich besonders an den Dramen Ein Traumspiel und Nach Damaskus zeigen lässt, in denen ebenfalls Lebenssummen kritisch betrachtet werden. Außerdem zeigt der Film Einflüsse des von Bergman bewunderten Stummfilmregisseurs Victor Sjöström, der zum zweiten Mal nach An die Freude (1950) eine Rolle in einem Film Bergmans übernahm.[1] Wie Bergman später schrieb, hatte Sjöström sich den Text in beträchtlichem Maße zu eigen gemacht. Ein Markenzeichen von Sjöströms Stummfilmen wie Der Fuhrmann des Todes, Die Ingmarssöhne und Der Wind war die starke Einbindung der Natur, um die Gefühlswelten der Figuren auszudrücken und um Stimmungen einzufangen – auch Wilde Erdbeeren bindet die Natur ein, zum Beispiel mit der Darstellung der bildschönen Umgebung des Landhauses aus der Jugend des Professors.

Beim Abfassen des Drehbuchs und während der Dreharbeiten stand Bergman unter dem Eindruck seiner gescheiterten dritten Ehe mit Gun Grut, der sich verschlechternden Beziehung zu Bibi Andersson und der anhaltenden Fehde mit seinen Eltern.[3] Unzufrieden äußerte sich Bergman rückblickend über die Zeichnung der drei jugendlichen Anhalter und die Episode mit dem sich streitenden Ehepaar Alman.[4] Dagegen sei ihm die Bewegung durch die Ebenen Zeit, Raum und Traumwirklichkeit problemloser gelungen als in seinem späteren Von Angesicht zu Angesicht.[3] Wilde Erdbeeren gilt als das Beispiel einer Selbstbeobachtung im Film, da Professor Borg sich und seine Schwächen im Laufe des Filmes erkennt, um daraus am Ende Schlüsse zu ziehen.

Ingrid Thulin gab in Wilde Erdbeeren ihr Debüt in einem Bergman-Film; die Rolle hatte der Regisseur eigens für sie geschrieben.[4] Wilde Erdbeeren wurde vielfach ausgezeichnet und untermauerte, nach dem Erfolg von Das Lächeln einer Sommernacht (1955) und Das siebente Siegel (1957), das internationale Renommee Bergmans.

Die Szene, in der Borg sich selbst im Sarg liegen sieht, variierte Bergman 1976 in Von Angesicht zu Angesicht, auch dort sieht die Hauptfigur, eine Psychiaterin, in einem Alptraum ihren eigenen Leichnam in einem Sarg.

Kritiker Stig Björkman zog wegen des Reisemotivs und der in seinen Augen vergleichbaren Struktur Parallelen zwischen Wilde Erdbeeren, Roberto Rossellinis Reise in Italien (1953) und Jean-Luc Godards Elf Uhr nachts (1965).[4]

Synchronisation

Die deutsche Synchronfassung entstand 1957 für das Kino bei Beta Technik in München unter Leitung von Manfred R. Köhler.

Rollen Schauspieler Synchronsprecher
Professor Isak Borg Victor Sjöström Hans Nielsen
Marianne Borg Ingrid Thulin Marianne Wischmann
Sara (Isaaks Jugendliebe / Anhalterin) Bibi Andersson Johanna von Koczian
Evald Borg, Isaks Sohn Gunnar Björnstrand Malte Jaeger
Agda, Isaks Haushälterin Jullan Kindahl Lina Carstens
Anders, Anhalter Folke Sundquist Thomas Braut
Viktor, Anhalter Björn Bjelfvenstam Michael Cramer
Sten Alman, streitender Ehemann Gunnar Sjöberg Hans Baur
Frau Alman Gunnel Broström Maria Landrock
Henrik Akerman, Tankwart Max von Sydow Til Kiwe
Karin Borg, Isaks Frau (Rückblende) Gertrud Fridh Alice Franz
Sigfrid Borg, Isaks Bruder (Rückblende) Gunnar Sjöberg Niels Clausnitzer

Kritiken

Wilde Erdbeeren erhielt schon bei seiner Premiere und auch noch heute überragende Kritiken. Bei einer Umfrage unter Filmkritikern vom Filmmagazin Sight & Sound aus dem Jahre 2012 wurde der Klassiker beispielsweise unter die 100 besten Filme aller Zeiten gewählt.[5]

„Ingmar Bergmans sensibel gestaltetes Meisterwerk um Leben, Gott und Tod fasziniert durch die virtuose Verschränkung von realistischen und surrealen Stilmitteln, von psychologischem Charakterporträt und philosophischem Diskurs. Hervorragend in der Hauptrolle: der schwedische Theater- und Stummfilmregisseur Victor Sjöström.“

Lexikon des internationalen Films[2]

„Eines der komplexesten und bewegendsten Werke der Filmgeschichte.“

Adolf Heinzlmeier, Berndt Schulz, Lexikon Filme im Fernsehen[6]

Auszeichnungen (Auswahl)

Nachwirkung

Im Jahre 1966 produzierte der Bayerische Rundfunk zusammen mit dem Südwestrundfunk und dem Österreichischen Rundfunk unter der Regie von Rudolf Noelte Wilde Erdbeeren als 91-minütiges Hörspiel.[7][8] Die wichtigsten Sprecher waren:

Literatur

  • Thomas Koebner: Wilde Erdbeeren – Smultronstället. In: Ders. (Hrsg.): Filmklassiker – Beschreibungen und Kommentare. 5. Auflage. 5 Bde. Reclam, Stuttgart 2006 [1. Aufl. 1995], ISBN 978-3-15-030033-6, Bd. 2: 1946–1962, S. 352–359.
  • Thomas Koebner: [Artikel] Ingmar Bergman. In: Ders. (Hrsg.): Filmregisseure. Biographien, Werkbeschreibungen, Filmographien. Mit 109 Abbildungen. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Reclam, Stuttgart 2008 [1. Auflage 1999], ISBN 978-3-15-010662-4, S. 45–61, hier 52f.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Wilde Erdbeeren auf der Webseite der Ingmar-Bergman-Stiftung, abgerufen am 9. Juli 2012.
  2. a b Wilde Erdbeeren im Lexikon des internationalen Films.
  3. a b Ingmar Bergman: Bilder, Kiepenheuer und Witsch, Köln 1991, ISBN 3-462-02133-8, S. 13–25.
  4. a b c Stig Björkman, Torsten Manns, Jonas Sima: Bergman über Bergman, Fischer, Frankfurt 1987, ISBN 3-596-24478-1, S. 165.
  5. Sight and Sound
  6. Lexikon „Filme im Fernsehen“, Erweiterte Neuausgabe, Rasch und Röhring, Hamburg 1990, ISBN 3-89136-392-3, S. 928.
  7. Wilde Erdbeeren (Hörspiel)@1@2Vorlage:Toter Link/www.ard.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. im Radio Hörspielarchiv der ARD, abgerufen am 9. Juli 2012.
  8. Wilde Erdbeeren (Hörspiel) in der Hörspieldatenbank, abgerufen am 9. Juli 2012.