Othmar Karas
Othmar Karas (* 24. Dezember 1957 in Ybbs an der Donau) ist ein österreichischer Politiker (ÖVP) und seit 1999 Abgeordneter zum Europäischen Parlament. Am 18. Jänner 2022 wurde er mit 536 Stimmen zum Ersten Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments gewählt.[1] Karas war bereits von 2012 bis 2014 sowie von 2019 bis 2022 einer der Vizepräsidenten.[2] Karas trat als Spitzenkandidat der ÖVP bei der Europawahl 2014 und 2019 an. Zudem ist Karas Präsident des Hilfswerks Österreich[3] sowie Gründer und Obmann des überparteilichen Vereins „BürgerInnen Forum Europa“.[4][5]
Ausbildung
Karas erhielt 1996 an der Universität Wien die Sponsion zum Magister phil. an der Grund- und Integrativwissenschaftlichen Fakultät (Hauptfach: Politikwissenschaft), 1997 dazu an der Hochschule St. Gallen die Sponsion zum MBL im Bereich Europäisches und internationales Wirtschaftsrecht. 2017 reichte er an der Universität Wien eine Dissertation zum Thema Die europäische Demokratie – Grenzen und Möglichkeiten des Europäischen Parlaments ein.[6]
Er wurde Mitglied der katholischen Verbindungen K.Ö.St.V. Ötscherland Scheibbs im MKV, der K.Ö.H.V. Sängerschaft Waltharia Wien im ÖCV, der K.A.V. Capitolina Rom im CV und Mitbegründer der K.A.V. Merkenstein Wien im EKV. Darüber hinaus engagierte er sich unter anderem als Landesvorsitzender-Stellvertreter des niederösterreichischen Landesverbandes des MKV, Vorsitzender des Kuratoriums des EKV und Mitglied der Verbandsführung des MKV.[7]
Politische Laufbahn
Karas besuchte das Bundesoberstufenrealgymnasium Scheibbs[8] und begann seine politische Karriere 1976 als Bundesobmann der Union Höherer Schüler (heute: Schülerunion). Danach wurde er 1979 bis 1981 Politischer Referent der ÖVP. Von 1980 beziehungsweise 1990 war er stellvertretender Vorsitzender des Österreichischen Bundesjugendrings (heute: Bundesjugendvertretung) sowie Bundesobmann der Jungen ÖVP, Mitglied des Bundesparteivorstandes und Vizepräsident der Jungen Europäischen Christdemokraten (heute: YEPP). Von 1983 bis 1990 war Karas Abgeordneter zum Nationalrat. Im Vorfeld der Besetzung der Hainburger Au 1984 war Karas einer der Teilnehmer der Pressekonferenz der Tiere und trat dabei als Kormoran auf.
Beruflich war er von 1981 bis 1995 als Angestellter im Banken- und Versicherungsbereich, zuletzt Generalsekretär-Stellvertreter der Bundesländer-Versicherung (heute: UNIQA Versicherungen AG) tätig. Danach war er bis 1999 Generalsekretär der ÖVP und Mitglied des Bundesparteivorstandes.
1999 wurde Karas Abgeordneter zum Europäischen Parlament. Er war von 2006 bis 2009 sowie von 2011 bis 2019 Leiter der ÖVP-Delegation im Europäischen Parlament.
Im Jänner 2012 wurde er zu einem der 14 Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments gewählt und war zu diesem Zeitpunkt der ranghöchste Österreicher in diesem Parlament.[9] Er bekleidete das Amt für zweieinhalb Jahre bis zum Ende der Legislaturperiode im Juni 2014. Im Juli 2019 wurde er mit 477 Stimmen bereits im ersten Wahlgang erneut in diese Funktion gewählt.[10]
Im Oktober 2023 gab er bekannt, bei der EU-Wahl 2024 nicht mehr zu kandidieren, da er den neuen Stil der ÖVP nicht mehr mittragen könne.[11][12]
Europäisches Parlament
Seit 1999 ist Karas Mitglied des Europäischen Parlaments. In der aktuellen Legislaturperiode ist Karas Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung und Stellvertreter im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie sowie im Ausschuss für konstitutionelle Fragen. Als einer der Vizepräsidenten ist er zudem Mitglied im Präsidium des Europäischen Parlaments.[13]
Von 1999 bis 2004 war Karas Präsidiumsmitglied und Schatzmeister der EVP-ED-Fraktion, in der er von 2002 bis 2004 als Wirtschaftssprecher und anschließend bis 2007 als Vizepräsident und Schatzmeister fungierte, dann als erster Vizepräsident und Schatzmeister. Bis 2009 war er weiters Klubobmann des ÖVP-Europaklubs und Mitglied des ÖVP-Bundesparteivorstandes. Bei der Europawahl 2009 wurde Ernst Strasser Karas als Spitzenkandidaten vorgezogen.[14] Karas gewann bei der Wahl zwar den Vorzugsstimmenwahlkampf klar, wurde aber trotzdem nicht Delegationsleiter.[15] Erst am 5. April 2011 wurde er Strassers Nachfolger, der wegen der Lobbying-Affaire von seinem Amt im Europäischen Parlament zurücktrat.
Bei der Europawahl 2014 ging Karas das erste Mal als Spitzenkandidat der ÖVP in den Wahlkampf. Dabei verzichtete er mit seinem Personen-Komitee „Wir für Karas“ bei diesem Wahlkampf auf Wahlplakate und auf der Website weitgehend auf das Parteilogo der ÖVP.[16] Auch bei der Europawahl 2019 war er Spitzenkandidat der ÖVP und erlangte über 100.000 persönliche Vorzugsstimmen.
Ursprünglich sollte ihm 2020 Karoline Edtstadler in der 9. Wahlperiode als ÖVP-Delegationsleiterin nachfolgen.[17] Nach seiner Wahl zum Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments im Juli 2019 gab er bekannt, die ÖVP-Delegationsleitung zurückzulegen,[18] Edtstadler wurde zu seiner Nachfolgerin gewählt.[19] Nach dem Wechsel von Edtstadler in die österreichische Bundesregierung verzichtete Karas auf eine erneute Kandidatur als Delegationsleiter.[20]
Seit September 2020 ist Karas Stellvertretender Vorsitzender des Unterausschusses für Steuerfragen im EU-Parlament.[21]
Anfang 2022 erhielt Karas bei der Wahl der Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments die meisten Stimmen (536) und wurde somit zum 'First Vice President'. Die Funktion hatte bisher die neue Präsidentin des Europäischen Parlaments Roberta Metsola innegehabt;[22] sie berechtigt zur Teilnahme an Vermittlungsausschüssen (conciliation committees).[23]
In Österreich wurde Karas im Juli 2023 von seiner eigenen Partei öffentlich gerügt: Laut Christian Stocker sei Karas’ Kritik an der sogenannten Normalitäts-Debatte um die schweigende Mehrheit entbehrlich.[24][25][26] Karas sei schon seit einiger Zeit scharfer Kritiker seiner eigenen Partei, bemerkt der ORF.[27] Im Oktober 2023 gab Karas bekannt, aufgrund der vorangegangenen Richtungsdebatten bei der EU-Wahl 2024 nicht mehr zu kandidieren.[11]
Sonstige Tätigkeiten
Othmar Karas ist einer der Vizepräsidenten der Europäischen Bewegung Österreich. Seit 1998 ist Karas Präsident des österreichischen Hilfswerks, des Robert-Schuman-Instituts Budapest sowie Vizepräsident des Hilfswerks Austria International und der Robert-Schuman-Stiftung. Karas ist außerdem Universitätslektor an der Universität Wien (Institut für Politikwissenschaften).
Familie
Karas ist seit 1987 mit der Juristin und Künstlerin Christa Karas-Waldheim, einer Tochter des Bundespräsidenten Kurt Waldheim, verheiratet und hat einen Sohn.
Ehrungen und Auszeichnungen
- 2003: Großes Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich[28]
- 2003: Goldenes Ehrenzeichen der Jungen ÖVP[29]
- 2006: Goldenes Ehrenzeichen der Österreichischen Ärztekammer[29]
- 2015: Aufnahme in die Bruderschaft von Santa Maria dell’Anima („Animabruderschaft“) in Rom
- 2017: Ehrenzeichen der Österreichischen Notariatskammer[29]
- 2021: Silbernes Komturkreuz mit dem Stern des Ehrenzeichens für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich[30]
Publikationen
- mit Hans Winkler: Europa am Ende? Zwei Meinungen. Leykam Streitschriften, Leykam Buchverlag, Graz 2017, ISBN 978-3-7011-8043-1.
Weblinks
- Othmar Karas auf den Webseiten des österreichischen Parlaments
- Offizielle Homepage von Othmar Karas
- Othmar Karas in der Abgeordneten-Datenbank des Europäischen Parlaments
- VoteWatch.eu: Abstimmungsverhalten, Tätigkeiten und Anwesenheit von Othmar Karas im Europäischen Parlament
- Othmar Karas in der Datenbank Gedächtnis des Landes zur Geschichte des Landes Niederösterreich (Museum Niederösterreich)
- Radiobeiträge mit Othmar Karas im Onlinearchiv der Österreichischen Mediathek
- Othmar Karas auf Meine Abgeordneten
Einzelnachweise
- ↑ Othmar Karas zum Ersten Vizepräsidenten des EU-Parlaments gewählt. – Othmar Karas. 18. Januar 2022, abgerufen am 23. Januar 2022 (deutsch).
- ↑ mr: Othmar Karas wird Vizepräsident des EP – News. heute.at, abgerufen am 13. August 2019.
- ↑ Der Bundesvorstand – Hilfswerk Österreich. Abgerufen am 16. März 2021.
- ↑ Über uns. In: buergerforum-europa.at. Abgerufen am 16. März 2021 (österreichisches Deutsch).
- ↑ Othmar Karas – BürgerInnen Forum Europa. Abgerufen am 23. August 2023 (deutsch).
- ↑ Karas warnt vor "Ja/Nein-Demokratie". Standard-Artikel vom 6. Dezember 2017, abgerufen am 10. Dezember 2017.
- ↑ Gastkommentar: Othmar Karas. mkv.at, abgerufen am 13. August 2019 (deutsch).
- ↑ Ernst Bezemek, Michael Dippelreiter: Politische Eliten in Niederösterreich – Ein biographisches Handbuch 1921 bis zur Gegenwart, 2011, ISBN 978-3-205-78586-6, S. 158 [1]
- ↑ EU-Parlament: Karas nun Vizepräsident. ORF, 18. Januar 2012, abgerufen am 5. Mai 2014.
- ↑ Karas zum Vizepräsidenten des EU-Parlaments gewählt. In: diepresse.com. 3. Juli 2019, abgerufen am 13. August 2019.
- ↑ a b Karas tritt nicht mehr bei EU-Wahl an. In: ORF.at. 12. Oktober 2023, abgerufen am 12. Oktober 2023.
- ↑ Maria Kronbichler: „ÖVP nicht mehr Kraft der Mitte“: Karas tritt nicht bei EU-Wahl an. 12. Oktober 2023, abgerufen am 12. Oktober 2023.
- ↑ Home | Othmar KARAS | Abgeordnete | Europäisches Parlament. Abgerufen am 16. März 2021.
- ↑ Strasser statt Karas: EU-Ticket für Exminister. DiePresse.com, 26. März 2009, abgerufen am 5. Mai 2014.
- ↑ Othmar Karas: Der Anti-Strasser. DiePresse.com, 20. März 2011, abgerufen am 5. Mai 2014.
- ↑ Wahlkampf: Karas eröffnet den Dreikampf. Kurier (Tageszeitung), 25. April 2014, abgerufen am 5. Mai 2014.
- ↑ diepresse.com: Karas gibt ÖVP-Delegationsleitung im EU-Parlament 2020 an Edtstadler ab. Presse-Artikel vom 5. Juni 2019, abgerufen am 5. Juni 2019.
- ↑ Karas legt ÖVP-Delegationsleitung im EU-Parlament zurück. In: orf.at. 7. Juli 2019, abgerufen am 7. Juli 2019.
- ↑ Edtstadler wird ÖVP-Delegationsleiterin im Europaparlament. OTS, 13. Juli 2019, abgerufen am 13. Juli 2019.
- ↑ Karas will nicht mehr ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament werden. kurier.at, 3. Januar 2020, abgerufen am 16. März 2021.
- ↑ Home | Othmar KARAS | Abgeordnete | Europäisches Parlament. Abgerufen am 16. März 2021.
- ↑ Roberta Metsola elected as First Vice-President of the European Parliament | Aktuelles | Europäisches Parlament. 11. Dezember 2020, abgerufen am 23. Januar 2022.
- ↑ Ordinary Legislative Procedure auf europa.eu: „On Parliament’s side there are three Vice-Presidents responsible for conciliation.“
- ↑ ÖVP rügt Karas für Kritik an der Normalitätsdebatte. In: Der Standard vom 28. Juli 2023, S. 5.
- ↑ ORF.at/Agenturen red: Normalitätsdebatte für Karas „unverständlich“. 27. Juli 2023, abgerufen am 28. Juli 2023.
- ↑ Klimaprotest: Ordensfrau ist lieber „radikal“ als „normal“. In: kathpress.at. Abgerufen am 28. Juli 2023.
- ↑ ORF.at/Agenturen red: Karas: Diskussion über Bargeld „erschreckend“. 23. August 2023, abgerufen am 23. August 2023.
- ↑ Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952. (PDF (6,9 MB)) Österreichisches Parlament, 25. April 2014, S. 1544, abgerufen am 5. Mai 2014.
- ↑ a b c Dr. Othmar Karas, MBL-HSG, Biografie | Parlament Österreich. Abgerufen am 14. Oktober 2021.
- ↑ Ein Komturkreuz für Othmar Karas. 29. September 2021, abgerufen am 14. Oktober 2021.
Personendaten | |
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NAME | Karas, Othmar |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Politiker (ÖVP), Abgeordneter zum Nationalrat, MdEP |
GEBURTSDATUM | 24. Dezember 1957 |
GEBURTSORT | Ybbs an der Donau |
- Mitglied des Europäischen Parlaments für Österreich
- Abgeordneter zum Nationalrat (Österreich)
- Generalsekretär der ÖVP
- Politiker (20. Jahrhundert)
- Politiker (21. Jahrhundert)
- Vereinsfunktionär
- Absolvent der Universität Wien
- Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich
- Träger des Silbernen Komturkreuzes mit dem Stern des Ehrenzeichens für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich
- ÖVP-Mitglied
- Korporierter im MKV
- Korporierter im CV
- Vizepräsident des Europäischen Parlamentes
- Österreicher
- Geboren 1957
- Mann