Benutzer:Manuel Heinemann/Sigmaringen als Hauptstadt des besetzten Frankreich

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Die Vichy-Zeit in Sigmaringen beschreibt die Vorgänge im hohenzollerischen Sigmaringen in der Zeit als die Stadt zeitweise Hauptstadt des besetzten Frankreichs war, eine geschichtliche Episode des Kollaborationsregimes unter Marschall Pétain während des Zweiten Weltkriegs, und dessen Folgen.

Auf dem Truppenübungsplatz Heuberg war in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur Aufstellungs- oder Auffrischungsort der französischen Miliz der Vichy-Regierung.[1]

https://fr.wikipedia.org/wiki/Commission_gouvernementale_de_Sigmaringen https://nl.wikipedia.org/wiki/Regeringscommissie_van_Sigmaringen

Am 30. August 1944, so die Familienüberlieferung, kam ein Telegramm von Joachim von Ribbentrop, Reichsminister des Auswärtigen, dass das Schloss Sigmaringen beschlagnahmt sei und die fürstliche Familie bis zum 7. September 1944 ausgezogen sein müsse. Die fürstliche Familie wurde im Wilflinger Schloss unter Bewachung durch die Gestapo in Schutzhaft genommen und praktisch ihrer Freiheit beraubt. Zu diesem Zeitpunkt stand der deutsche Hochadel unter einem gewissen Generalverdacht, da das Stauffenberg-Attentat erst kurze Zeit zurücklag. Die fürstliche Familie durfte keine Kontakte zur französischen Exilregierung haben.[2]

Das Schloss Sigmaringen eignete sich besonders zur Unterbringung hochrangiger Persönlichkeiten, da es mit besonderem Komfort ausgestattet war. So gab es zum Beispiel für den 88-jährigen Pétain einen Aufzug in seine Gemächer. Zu den skurrilen Randerscheinungen dieser Zeit zählt, dass das Außenministerium für das beschlagnahmte Schloss nach einem genauen Schlüssel Miete an die fürstliche Familie zahlte. Pétain, seine Frau und Personal wohnten im sogenannten Altenburger Bereich des Schlosses, in dem zuvor der Fürst und seine Frau gewohnt hatten. Vom Schlafzimmer aus hatten der Präsident und seine Gattin einen schönen Blick, der heute auf die Donaubühne führt. Ministerpräsident Laval wohnte in den Josefinengemächern. Ebenfalls dort untergebracht waren die „schlafenden Minister“, Männer die wie Pétain und Ministerpräsident Laval zwar ihre Ämter nicht niederlegten, aber aus Protest die Ausübung verweigerten. Ihnen gegenüber standen die aktiven Minister, die die Regierungsgeschäfte führten.[2]

Der französische Staatspräsident, der sehr katholisch war, hörte oft die Messe in St. Johann. Es waren dafür auch einige französische Pfarrer mitgekommen. Während der Messe saß Pétain selbstverständlich in der Fürstenloge, er war schließlich ein Staatsoberhaupt.[2]

Der Haushalt von Pétain konnte zu diesem Zeitpunkt, als in ganz Deutschland die Lebensmittel knapp waren, unbegrenzt auf Mangelwaren zugreifen. Die in der Stadt untergebrachten Franzosen erhielten Lebensmittelkarten, die sie in den Lokalen einlösen konnten. Die Deutschen Bewohner bekamen zu dieser Zeit nur noch Eintopf.[2]

Ein Kuriosum, das die Franzosen hinterlassen haben, ist ein Ritzgraffito in einem Nebengang, mit dem einer der begleitenden Soldaten Pétain hochleben lässt und de Gaulle zum Teufel wünscht.[2] Friedrich Viktor und Fürstin Margarete[2] an die Zeit der Unterbringung der Vichy-Franzosen[2] die fürstliche Familie und deren zwangsweisen Umzug ins Jagdschloss Wilflingen[2] Altdeutsche Saal, einem repräsentativen großen Wohnraum, der von der Fürstenfamilie auch für private Festlichkeiten wie Geburtstage genutzt wurde.[2] im Sigmaringer Schloss das fürstliche Ehebett vor, dass zum Verdruss der Fürstin von Pétain und seiner Gattin belegt wurde.[2] Die Fürstin rümpft die Nase über Pétain. Fürstin Margarete ist empört gewesen: „Pétain sitzt an meinem Schreibtisch und schläft in meinem Bett!“, stellte sie indigniert fest.[2]

Schloss Krauchenwies[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sr. Sophia (Natalia) v. Kotschoubey-Beauharnais (geb. am 4. Oktober 1899) war eine russische Prinzessin, die während der Unruhen der russischen Revolution nach Deutschland floh. Sie konvertierte vom orthodoxen zum katholischen Glauben und trat in das Kloster der Benediktinerinenn von der Heiligen Lioba in Freiburg/Günterstal ein. Während des Zweiten Weltkrieges war sie eine engagierte Katechetin, die in ganz Baden-Württemberg und auch in der Schweiz Vorträge hielt. 1939 wurde sie von Fürstin Margarethe von Hohenzollern-Sigmaringen gebeten, zusammen mit einigen Mitschwestern, vor allem mit Sr. Lioba Korte, mit der sie sehr verbunden war, ein Heim für evakuierte Mütter und Kinder in dem Schlösschen Krauchenwies zu übernehmen. So widmete sie sich den Aufgaben in diesem Heim und fing schon an, die Kinder, die in ihrer Obhut waren, zu unterweisen. Als die Vichy-Regierung 1944 in Sigmaringen Schutz suchte, veranlasste der Gauleiter die sofortige Räumung des Schlösschens, und die Schwestern, Mütter und Kinder mussten eine andere Bleibe suchen. Sie fanden sie durch die Hilfe des Markgrafen von Baden im Schloss Hohenfels, das zu dieser Zeit leer war. Dort war nun richtiger Unterricht nötig, denn die nächsten Schulen waren nicht erreichbar. Nach Beendigung des Krieges ergab sich die Notwendigkeit, für die Kinder und Schwestern ein neues Heim zu finden. Sr. Sophia ergriff die Gelegenheit, im frei werdenden ehemaligen Zisterzienserinnenkloster Wald ein Internat und eine Schule zu gründen...[3]

Für die Eltern sprach Alexandra von Hohenzollern, deren Großvater einst den Lioba-Schwestern zum Start sein Landhaus in Krauchenwies zur Verfügung stellte.[4] Alexandra Prinzessin von Hohenzollern erinnerte in ihrer Elternrede an die Anfänge der Heimschule, als der Urgroßvater ihrer Tochter den Liobaschwestern sein Krauchenwieser Landhaus zur Verfügung stellte.[5]

Jean Degans wurde im Auftrag von Joseph Darnand zum Generaldirektor der Polizei in Sigmaringen ernannt Degans wurde Generaldirektor der Polizei in Sigmaringen mit Beschluss vom Darnand ist für die Zentralisierung verschiedener Nachrichtendienste arbeiten mit den Deutschen verantwortlich ernannt.


Installé dans le chateau des Princes de Hohenzollern, près du village de Krauchenwies, à neuf kilomètres à l'est de Sigmaringen, Degans crée deux services distincts: une section de Reseignements généraux sous les ordres de Poinsot et une section de sabotage, dite Section action illégal, appelée communément l' Organisation technique, dont la direction est confiée à Jean Filiol, le tueur de la Cagoule, qui se fait désormais appeler Gilbert Denis.

Im Schloss der Fürsten von Hohenzollern untergebracht, nahe dem Dorf Krauchenwies, neun Kilometer östlich von Sigmaringen, Degans erzeugt zwei unterschiedliche Dienstleistungen an: einen Abschnitt der allgemeinen Anfrage Team auf Befehl Poinsot und Sabotage Abschnitt, genannt Aktions Abschnitt illegal, die gemeinhin als die technische Organisation, deren Richtung zu Jean Filiol, den Mörder der Haube, die heute den Namen Denis Gilbert betraut.

...„Organisation Technique“ (OT)...

...Schule für politische Spionage und Nachrichten in Wald (ècole d'espionnage politique et de renseignements; OT 1) und eine Schule für Sabotage in Hausen am Andelsbach (ècole de sabotage; OT 2).[6]

Vichyite equivalent of Himmler, and as such he was charged with forming a pro-German resistance movement. In order to accomplish this task, Darnand held a number of conferences with French and German advisors and in October 1944 he announced the formation of a special service called the 'Organisation Technique' (OT), which consisted of 150 to 250 volunteers drawn from Darnand's retinue. German liaison was maintained be Leutnant Schubert, and later Hauptmann Kurrer, whose office was codenamed Stelle 'Gunther'. Supreme command of the OT was assigned to the former director of Vichy police, Jean Degans - another one-time member of the Cagoule — while day-to-day control was exercised by the OT's training chief, Jean Filliol, a small wiry man with an Adolf Hitler moustache, an ever-present pipe and a crippled right hand that he kept gloved...Hausen, Wald and Mengen - in the same vicinity. The training regime at Hausen, the sabotage school, included courses in reconnaissance, map reading and the use of explosives, although SD advisors complained that the discourse at all three camps was mainly political. Morale in the OT was poor, particularly since some of the activists fancied themselves anti-German nationalists, although the ...[7]

At last the dirty, battered truck turned in through the park gates of Krauchenwies, where the early spring flowers were opening in beds that were still as weedless as in peace... The Vichy French had evacuated Sigmaringen: the Free French had not yet reached the town beside the Danube.[8]


Die Front bleibt an der Lausitz stehen. Nur ein Atemholen lang, bis sich die Russen zur neuen Offensive gruppiert haben. Die Pause nützt Ernst Heinrich, um sich in dem letzten verfügbaren Auto, einem klapprigen DKW, bis nach Sigmaringen durchzuschlagen. Nur mehr nachts kann auf Landstraßen gefahren werden, die von Bomben aufgerissen und von Flüchtlingsströmen verstopft sind. In Sigmaringen angekommen, erfährt der Prinz: das Schloss ist immer noch von den kopflosen Vichy-Anhängern besetzt. Laval hat einen Fluchtversuch nach Spanien unternommen, Pétain, ein alter Mann, bete in der Schlosskapelle – aber seine Schwester, die Fürstin Mararethe, ist aus der Gestapohaft entlassen und hält sich südlich der Stadt, in einem Landhaus in Krauchenwies auf. Dort treffen sich die Geschwister. Sie entfalten eine fieberhafte Tätigkeit, um eine Rettungsaktion für die in Moritzburg nun unmittelbar bedrohten Kulturwerte zu starten. Durch einen glücklichen Zufall geraten sie in Pfullendorf, einem Marktflecken in der schwäbisch-alemanischen Nachbarschaft, an einen Mann namens Andelfinger, der nicht nur der viel beneidete Besitzer eines Fordlastwagens mit Generatorenantrieb ist - Benzin gibt es nur mehr für die Truppe - sondern auch den notwendigen Idealismus und Wagemut aufbringt, um zu erklären: »Solche Werte, wie diese Krone, kann man nicht einfach untergehen...[9]

...Die beiden Männer sind zu erschöpft, um noch fähig zu sein, die Veit Stoss' abzuladen, die wertvollen Gewehre, die Reste der berühmten sächsischen Handzeichnungensammlung, den Jagdhund, der durstig winselt, und – die gerettete Krone Ludwig des Heiligen. Wieder ist eine Pause in dem Kriegsgeschehen eingetreten. Die Vichy-Franzosen sind aus Sigmaringen abgerückt. Die französischen Streitkräfte des allierten Frankreichs sind noch nicht in der Stadt im Donautal nachgerückt. In der kurzen Spanne dazwischen glaubt man, die Krone am unauffälligsten in einem der zahlreichen, schwerfälligen, altdeutschen Schränke unterzubringen, die überall in den düsteren Korridoren des geräumten Schlosses stehen. Kaum ist dies geschehen, wird die Krone bereits wieder aus ihrem eben bezogenen Versteck gerissen. Der Stab der ersten französischen Armee, die den Namen »Rhin et Danube« trägt, quartiert sich ausgerechnet in den Räumen ein, die Petain verlassen hat. Mit dem notwendigsten Gepäck der Familie Hohenzollern wird die Krone, ein hastig verschnürtes Paket in Packpapier, in das von der Beschlagnahme ausgenommene Landhaus nach Krauchenwies überführt. Dort wird sie ausgepackt und unter der Wäsche der Prinzessin Alice, einer Tochter des letzten sächsischen Konigs gelegt. Eine Reliquie zwischen parfümierten Spitzen im Schlafzimmer einer Dame. Jede Besatzung bringt Unannehmlichkeiten mit sich. Auch die Hohenzollern sind besiegte Deutsche, nichts besseres. Eine um so angenehmere Überraschung bedeutet für die fürstliche Familie und ihre aus Sachsen geflüchteten Verwandten, die im Landhaus in Krauchenwies...[10]

...Es war dies eine spontane Geste, um dem General ihre Dankbarkeit zu zeigen. Und der General, nicht weniger spontan, fällt auf seine Knie und küßt die Krone des Heiligen Ludwig. Diese Szene im Salon des Landhauses Krauchenwies spricht sich herum, bis Paris. Auf das Gerücht hin von der Wiederentdeckung der...[10]

Umkirch bei Freiburg i. Br. nehmen und seinen Bruder entweder ebenfalls dort oder in einem anderen Gebäude, etwa im Landkaus Krauchenwies... In dem Palais waren ferner Dienststellen von Jean Luchaire und von Joseph Darnand, dem Chef der Miliz, untergebracht. Mit Anordnung vom 17. November wurden für die französische Verwaltung zudem Räume im Gebäude der Städtischen Oberschule für Mädchen (Karlstraße 2) beschlagnahmt. Das Gros der mit Dernand nach Deutschland gekommen Miliz... Weitere Milizsoldaten verlegte man in das ehemalige Kloster Inzigkofen und in das Schloß Krauchenwies, die dafür ...[11]

Hohenzollerische Heimat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Teil 1[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

[12]

Nach einer Führung durch den Prinzenbau und den Stadtkern von Sigmaringen übersandte Herr Renaud Bout de l'An mit Schreiben vom 14. Juli 2003 ein maschinenschriftliches Manuskript seines Vaters Francis Bout de l'An mit dem Originaltitel „Les derniers jours du gouvernement français de Sigmaringen“. Nach dem Anschreiben war der Text 1950 in Bozen/Südtirol in der italienischen Zeitschrift „Illustrato“ erschienen. Francis Bout de l'An wurde danach 1910 geboren und starb 1977 in Bozen. Er war 1944 als Generalsekretär (secrétaire general) der Miliz nach Sigmaringen gekommen. Nach seiner Ernennung zum Staatssekretär des Innern für die Aufrechterhaltung der Ordnung (secrétaire d'État à l'Intérieur charge du maintien l'ordre) soll Joseph Darnand am 8. März 1945 seine Funktion als Chef der Mihz Francis Bout de l'An übertragen haben. Nach einer Notiz in der Zeitschrift „La France“ Nr. 1 vom 26. Oktober 1944 befand sich das Generalsekretariat der Mihz übrigens in der Karlstraße 3 und damit im Neuen Prinzenbau in Sigmaringen.

Teil 2[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

[13]

Zeitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

“Pétain schläft in meinem Bett”[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

[14] Eine neue Führung auf Schloss Sigmaringen versetzt die Teilnehmer in die Zeit des Kriegsendes vor 70 Jahren. Im September 1944 avancierte Sigmaringen für einige Monate zur Hauptstadt Frankreichs und das Schloss zum Wohnsitz von Mitgliedern der französischen Vichy-Regierung. Neben Regierungsmitgliedern waren Familienangehörige, Mitarbeiter und Bedienstete untergebracht. Staatsoberhaupt Marschall Pétain bezog die Räume der Fürstin, Ministerpräsident Laval die sogenannten Josephinengemächer. Dass das Hohenzollernschloss seit der Jahrhundertwende über eine moderne Ausstattung wie Personenaufzug, Heizungsanlage, fließend Kalt- und Warmwasser sowie Wasserklosetts verfügte, kam den Franzosen entgegen. Die Fürstenfamilie von Hohenzollern hatte noch vor deren Ankunft ihre Residenz verlassen müssen und wurde im Stauffenbergschloss in Wilflingen in Schutzhaft genommen. Von dort schrieb Fürstin Margarete entrüstet an eine Freundin: “Pétain sitzt an meinem Schreibtisch und schläft in meinem Bett!”

Teil der Vichy-Regierung stirbt in Mengen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

[15]

Teil der Vichy-Regierung stirbt in Mengen Angriffe der Jagdbomber galt vor allem den Bahnanlagen Ein Trauerzug geleitete den französische Faschistenführer Jacques Doriot durch Mengen.

Zum Ende des Zweiten Weltkriegs bekam Mengen einen Zuwachs an Franzosen. Nachdem die Alliierten in Frankreich gelandet waren, wurde die Vichy-Regierung – sie arbeitete mit den Nationalsozialisten zusammen - ins Schloss Sigmaringen verlegt. Einige Mitglieder dieser Regierung wohnten im „Hotel Baier“ in Mengen. Zwei von ihnen kamen in oder bei Mengen bei Fliegerangriffen ums Leben. René Menard, der Präsident der französischen Volkswohlfahrt starb in Mengen heute genau vor 70 Jahren. Der französische Kurort Vichy ist ab 1940 der Regierungssitz im von Deutschen nicht besetzten südlichen Teil Frankreichs. Marshall Philippe Pétain ist der starke Mann dieser Regierung. Die Regierung ist bekannt für die Kollaboration mit den deutschen Nationalsozialisten unter anderem bei der Deportation von Juden aus dem nicht besetzten Teil Frankreichs. Mit der Landung der Alliierten in Frankreich brauchen die Nationalsozialisten einen sicheren Ort für diese „befreundete“ Regierung. Im Oktober 1944 beginnt die Vichy-Regierung aufgrund eines Führerbefehls die Arbeit für das aus ihrer Sicht „besetzte Frankreich“ in Sigmaringen. Viele Regierungsmitglieder wohnten in dieser Zeit im Hotel Baier. Der frühere Stadtarchivar der Stadt Mengen, Anton Stehle, zitiert in seinem Aufsatz Diktatur, Krieg und Besatzungszeit den Mengener Stadtpfarrer Schmitt: „Viele Franzosen kommen nach Mengen. Hotel Baier ist ganz besetzt mit Franzosen. In Mengen hört man fast alle europäischen Sprachen, auch Griechen sind hier.“ Gegen Kriegsende waren die Stadt Mengen und besonders die Bahnanlagen das Ziel von Jagdbomber-Angriffen. Damals prominente Franzosen waren unter den Opfern. René Menard wurde, so der frühere Stadtarchivar Hans Willbold in seinem Buch über das Kriegsende in der Region, in der Nähe des Bahnhofs in Mengen zusammen mit seinem Dolmetscher tödlich getroffen. Bereits am 22. Februar 1945 stirbt Jacques Doriot, ein weiteres prominentes Mitglied dieser Regierung, bei Rulfingen auf der Reichstraße 311, der heutigen Bundesstraße 311, im Pkw durch Bordwaffenbeschuss. Er war Vorsitzender der faschistischen PPF (Parti populair francais) und ein hochrangiges Mitglied der Regierung in Sigmaringen. Beide, sowohl Menard als auch Doriot, sind in Mengen begraben.

Warum Sigmaringen einst Frankreichs Hauptstadt war[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

[16]

Es ist eine der kuriosen Wirrungen der europäischen Geschichte: Vor 70 Jahren wurde Sigmaringen für einige Monate offiziell zur Hauptstadt Frankreichs erklärt. Wie kam es dazu?

Gut ein halbes Jahr lang wurden die Franzosen von der schwäbischen Provinz aus regiert. Zumindest formell – denn viel Einfluss hatte die geflüchtete Regierung in Sigmaringen zum Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr.

Mehr als 10.000 Franzosen lebten zeitweilig in Sigmaringen

Es war der 8. September 1944, als die Tricolore zum ersten Mal über Sigmaringen wehte und das Schloss zum französischen Regierungssitz wurde. Den Fürsten von Hohenzollern hatte die Gestapo ausquartiert – so gab es Platz für die nazitreue Vichy-Regierung, die zum Kriegsende aus ihrem Land flüchten musste. Mehr als 10.000 Franzosen lebten Aufzeichnungen zufolge schließlich in der Stadt, die ansonsten nur 5600 Einwohner zählte. Für die Einheimischen gaben sie ein seltsames Bild ab. Überall seien Männer in Baskenmützen gewesen, die Frauen seien gekleidet "wie die Malerpalette", notierte Zeitzeuge Maximilian Schaitel. Vielen Franzosen ging es kaum anders. Der französische Arzt Louis-Ferdinand Celine schrieb, Sigmaringen sei, "als wäre man in einer Operette", "ein Theaterstück wie von der Stadt aufgeführt".

Dass Sigmaringen überhaupt zur französischen Hauptstadt wurde, kam so: Nachdem die Nationalsozialisten 1940 weit nach Frankreich vorgedrungen waren, wurde das Land aufgeteilt. Im Norden und Westen regierten die Deutschen selbst, im Süden regierte die französische Vichy-Regierung in der sogenannten unabhängigen Zone.

Im April 1945 war die Vichy-Regierung längst weg

Doch 1944 wurde es für die nazitreue französische Regierung gefährlich. Die Alliierten landeten in der Normandie und rückten schnell vor. Schließlich kam der Anführer der Widerstandsbewegung, der spätere Präsident Charles de Gaulle, aus dem Exil zurück und errichtete in Paris faktisch eine zweite Regierung. Hitler habe die ihm ergebene Regierung, die in Vichy saß, in Sicherheit bringen und ließ sie nach Sigmaringen umsiedeln.

Zu regieren gab es für Ministerpräsident Pierre Laval und Staatschef Philippe Pétain in der Ferne aber immer weniger. In Frankreich konnte de Gaulle seine Macht schnell ausbauen. Am 22. April 1945 hatten sich de Gaulles Truppen bis Sigmaringen vorgekämpft. Die Vichy-Regierung war da längst geflüchtet.

Heute ist von jener Epoche in Sigmaringen und auch im Schloss fast nichts mehr zu sehen. Als die Franzosen einmal weg waren, sei vieles in den vorherigen Zustand zurückverwandelt worden, sagt Historikerin und Schloss-Kennerin Helga Boban. Reguläre Führungen zu jener Epoche bietet die Schlossverwaltung auch zum 70. Jahrestag nicht an – lediglich für größere Gruppen werden auf Anfrage Führungen zu diesem Kapitel der Schlossgeschichte organisiert.

Die Hauptstadt Frankreichs lag an der Donau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

[17] Weil sich die Regierung von Hitlers Gnaden in Vichy nicht sicher fühlte, verlegte sie ihren Sitz für ein halbes Jahr nach Sigmaringen.

Es ist eine der kuriosen Wirrungen der europäischen Geschichte: Vor 70 Jahren wurde Sigmaringen für einige Monate offiziell zur Hauptstadt Frankreichs erklärt. Gut ein halbes Jahr lang wurden die Franzosen von der schwäbischen Provinz aus regiert. Zumindest formell – denn viel Einfluss hatte die geflüchtete Regierung in Sigmaringen zum Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr.

Es war der 8. September 1944, als die Tricolore zum ersten Mal über Sigmaringen wehte und das Schloss zum französischen Regierungssitz wurde. Den Fürsten von Hohenzollern hatte die Gestapo ausquartiert – so gab es Platz für die nazitreue Vichy-Regierung, die zum Kriegsende aus ihrem Land flüchten musste. Mehr als 10 000 Franzosen lebten Aufzeichnungen zufolge schließlich in der Stadt, die ansonsten nur 5600 Einwohner zählte. Für die Einheimischen gaben sie ein seltsames Bild ab. Überall seien Männer in Baskenmützen gewesen, die Frauen seien gekleidet "wie die Malerpalette", notierte Zeitzeuge Maximilian Schaitel. Vielen Franzosen ging es kaum anders. Der französische Arzt Louis-Ferdinand Celine schrieb, Sigmaringen sei, "als wäre man in einer Operette", "ein Theaterstück wie von der Stadt aufgeführt".

Dass Sigmaringen überhaupt zur französischen Hauptstadt wurde, kam so: Nachdem die Nationalsozialisten 1940 weit nach Frankreich vorgedrungen waren, wurde das Land aufgeteilt. Im Norden und Westen regierten die Deutschen selbst, im Süden regierte die französische Vichy-Regierung in der sogenannten unabhängigen Zone.

Doch 1944 wurde es für die nazitreue französische Regierung gefährlich. Die Alliierten landeten in der Normandie und rückten schnell vor. Schließlich kam der Anführer der Widerstandsbewegung, der spätere Präsident Charles de Gaulle, aus dem Exil zurück und errichtete in Paris faktisch eine zweite Regierung. Hitler habe die ihm ergebene Regierung, die in Vichy saß, in Sicherheit bringen und ließ sie nach Sigmaringen umsiedeln.

Zu regieren gab es für Ministerpräsident Pierre Laval und Staatschef Philippe Pétain in der Ferne aber immer weniger. In Frankreich konnte de Gaulle seine Macht schnell ausbauen. Am 22. April 1945 hatten sich de Gaulles Truppen bis Sigmaringen vorgekämpft. Die Vichy-Regierung war da längst geflüchtet.

Heute ist von jener Epoche in Sigmaringen und auch im Schloss fast nichts mehr zu sehen. Als die Franzosen einmal weg waren, sei vieles in den vorherigen Zustand zurückverwandelt worden, sagt Historikerin und Schloss-Kennerin Helga Boban. Reguläre Führungen zu jener Epoche bietet die Schlossverwaltung auch zum 70. Jahrestag nicht an – lediglich für größere Gruppen werden auf Anfrage Führungen zu diesem Kapitel der Schlossgeschichte organisiert.

Trikolore über dem Schloss: Sigmaringen als Hauptstadt Frankreichs[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

[18]

Nicht Paris, sondern Sigmaringen war zum Ende des Zweiten Weltkriegs die Hauptstadt Frankreichs. Heute ist die kurze Episode der Stadt als Exil-Sitz des nazitreuen Vichy-Regimes fast vergessen. Es ist eine der kuriosen Wirrungen der europäischen Geschichte: Vor 70 Jahren wurde Sigmaringen für einige Monate offiziell zur Hauptstadt Frankreichs erklärt. Gut ein halbes Jahr lang wurden die Franzosen von der schwäbischen Provinz aus regiert. Zumindest formell - denn viel Einfluss hatte die geflüchtete Regierung in Sigmaringen zum Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr.

Es war der 8. September 1944, als die französische Nationalflagge zum ersten Mal über Sigmaringen wehte und das Schloss zum französischen Regierungssitz wurde. Den Fürsten von Hohenzollern hatte die Gestapo vor die Tür gesetzt - so gab es Platz für die nazitreue Vichy-Regierung, die zum Kriegsende aus ihrem eigenen Land flüchten musste. Mehr als 10.000 Franzosen lebten Aufzeichnungen zufolge schließlich in der 5600-Einwohner-Stadt: Politiker, Beamte, Soldaten und Botschafter. Für die Einheimischen gaben sie ein seltsames Bild ab. Überall seien Männer in Baskenmützen gewesen, die Frauen seien gekleidet "wie die Malerpalette", notierte Zeitzeuge Maximilian Schaitel. Vielen Franzosen ging es kaum anders. Der französische Arzt Louis-Ferdinand Celine schrieb, Sigmaringen sei, "als wäre man in einer Operette", "ein Theaterstück wie von der Stadt aufgeführt".

Dass Sigmaringen überhaupt zur französischen Hauptstadt wurde, kam so: Nachdem die Nationalsozialisten 1940 weit nach Frankreich vorgedrungen waren, wurde das Land aufgeteilt. Im Norden und Westen regierten die Deutschen selbst, im Süden die französische Vichy-Regierung. Doch 1944 wurde es für die nazitreue Regierung gefährlich: Die Alliierten landeten in der Normandie und rückten schnell vor. Schließlich kam der Anführer des Widerstands, der spätere Präsident Charles de Gaulle, aus dem Exil zurück und errichtete in Paris faktisch eine zweite Regierung. Hitler ließ die Vichy-Regierung in Sicherheit bringen - und nach Sigmaringen umsiedeln.

Zu regieren gab es für Ministerpräsident Pierre Laval und Staatschef Philippe Pétain aber immer weniger. In Frankreich konnte de Gaulle seine Macht schnell ausbauen. Am 22. April 1945 hatten sich de Gaulles Truppen bis Sigmaringen vorgekämpft. Die Vichy-Regierung war da längst geflüchtet.

Heute ist von jener Epoche in Sigmaringen und auch im Schloss fast nichts mehr zu sehen. Als die Franzosen einmal weg waren, sei vieles in den vorherigen Zustand zurückverwandelt worden, sagt Historikerin und Schloss-Kennerin Helga Boban. Reguläre Führungen zu jener Epoche bietet die Schlossverwaltung auch zum 70. Jahrestag nicht an - lediglich für größere Gruppen werden auf Anfrage Führungen zu diesem Kapitel der Schlossgeschichte organisiert.

1944 bekam Frankreich eine zweite Hauptstadt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

[19] Nicht Paris – Sigmaringen war zum Ende des Zweiten Weltkriegs offiziell die Hauptstadt Frankreichs. Heute ist diese kurze Episode fast vergessen. Es ist eine der kuriosen Wirrungen der europäischen Geschichte: Vor 70 Jahren wurde Sigmaringen offiziell zur Hauptstadt Frankreichs erklärt. Ein halbes Jahr wurden die Franzosen von der schwäbischen Provinz aus regiert. Zumindest formell – denn Einfluss hatte die geflüchtete Regierung in Frankreich nicht mehr. In Sigmaringen wehte am 8. September 1944 zum ersten Mal die Tricolore über dem Schloss, das zum Ausweich-Regierungssitz wurde. Den Fürsten von Hohenzollern hatte die Gestapo vor die Tür gesetzt – so gab es Platz für die nazitreue Vichy-Regierung. Mehr als 10 000 Franzosen lebten schließlich in der 5600-Einwohner-Stadt – Politiker, Beamte, Soldaten und Botschafter. Für die Einheimischen gaben sie ein seltsames Bild ab. Überall seien Männer in Baskenmützen gewesen, die Frauen seien gekleidet „wie die Malerpalette“, notierte Zeitzeuge Maximilian Schaitel. Der französische Arzt Louis-Ferdinand Celine schrieb, Sigmaringen sei, „als wäre man in einer Operette“, „ein Theaterstück wie von der Stadt aufgeführt“. Dass Sigmaringen überhaupt zur provisorischen französischen Hauptstadt wurde, kam so: Nachdem die Nationalsozialisten 1940 weit nach Frankreich vorgedrungen waren, wurde das Land aufgeteilt. Im Norden und Westen regierten die Deutschen selbst, im Süden wurde ein deutschfreundliches Regime installiert. Regierungssitz war das Provinznest Vichy in der Auvergne – das Zentrum der „unabhängigen Zone“ unter dem offiziellen Namen „État français“ – „Französischer Staat“. Geführt wurde er von dem früheren Weltkriegsgeneral Philippe Pétain und dem Politiker Pierra Laval. Sie dienten den Deutschen willfährig – etwa mit Judendeportationen und Militärhilfen. 1944 wurde es für die nazitreue Regierung gefährlich. Die Alliierten landeten in der Normandie. Schließlich kam der Führer der Widerstandsbewegung, der spätere Präsident Charles de Gaulle, aus dem Exil zurück und errichtete als General in Paris faktisch eine zweite Regierung. Hitler ließ die Vichy-Regierung erst nach Belfort, dann nach Sigmaringen in Sicherheit bringen. Zu regieren gab es für Ministerpräsident Pierre Laval und Staatschef Philippe Pétain in der Ferne aber immer weniger. In Frankreich konnte de Gaulle seine Macht schnell ausbauen. Am 22. April 1945 hatten sich seine Truppen bis Sigmaringen vorgekämpft. Pétain und Laval hatten sich abgesetzt, fielen später aber in die Hände de Gaulles. Laval wurde hingerichtet, Pétain wegen seiner Verdienste als Marschall im Ersten Weltkrieg begnadigt. Er starb 1951. Heute ist von jener Epoche in Sigmaringen und auch im Schloss fast nichts mehr zu sehen. Als die Franzosen einmal weg waren, sei vieles in den vorherigen Zustand zurückverwandelt worden, sagt Historikerin und Schloss-Kennerin Helga Boban.

Wenige Spuren erinnern an Vichy-Zeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

[20]

Auf großes Interesse ist die Vichy-Führung von Dr. Otto H. Becker gestoßen. Aus Zeitungen, Akten und Erzählungen von Zeitzeugen hat der ehemalige Staatsarchivar die Ereignisse um Marechal Philippe Pétain und die vielen Franzosen in Sigmaringen zusammengetragen. Auf dem Schloss wehte die Tricolore, Franzosen füllten nachmittags die Cafés und die auffällig geschminkten Französinnen gaben der Stadt in diesen elenden Kriegstagen ein unwirkliches, mondänes Flair. Sigmaringen wurde ab Oktober 1944 zur Hauptstadt Frankreichs. Deutschland unterhielt in Sigmaringen eine deutsche Botschaft wie auch die verbündeten Staaten Japan und Italien. Gebäude wurden beschlagnahmt, um die fremde Regierung und die vielen Leute unterzubringen. Der Bahnhof war Schauplatz von dramatischen Szenen, wenn die exilierten Franzosen ankamen und sich orientieren mussten. In St. Johann nahmen sie regelmäßig an den Gottesdiensten teil. Französische Hauptstadt Mit Rund 70 interessierten Bürgern, darunter zahlreiche Franzosen der Deutsch-Französischen Gesellschaft, ging Dr. Otto H. Becker durch die Stadt und erklärte ausführlich das kurze Schauspiel der Vichy-Franzosen. Als Vichy-Regime bezeichnet man die Regierung von Vichy-Frankreich, das heißt der “unbesetzten Zone” Frankreichs nach Anerkennung der militärischen Niederlage gegen das Deutsche Reich im Juni 1940. Sie erhielt den Namen nach ihrem Regierungssitz, dem Kurort Vichy in der Auvergne. „Nach der alliierten Landung in der Normandie wird die Vichy-Regierung durch Führerbefehl ins Schloss Sigmaringen verlegt“, erklärte Dr. Becker. Es muss am 8. oder 9. September 1944 gewesen sein, dass unter Ausschluss der Öffentlichkeit - die Rollos wurden herunter gezogen - der Marechal Pétain im Rathaus ankam. Am nächsten Tag reiste Ministerpräsident Pierre Laval an. Die Fürstenfamilie wurde wegen der Umorientierung der verwandten rumänischen Königsfamilie (russische Truppen standen kurz davor, das Land zu besetzen) unter Schutzhaft genommen und nach Wilflingen in das Schloss der Stauffenbergs ausquartiert. Im Hofgarten, im Schloss Krauchenwies, im Prinzenbau, in Gebäuden der Karlsstraße, in den Hotels wie Bären, Löwen und Adler, überall waren Franzosen. „Doch die Sigmaringer Bürger empfanden keine Abneigung gegen die Franzosen, weil sichtbar war, dass sie nicht bevorzugt behandelt wurden. Sie erregten eher Mitleid wegen den leichten Sommerkleidern, die sie trugen, und den üblen Lebensverhältnissen in den Hotels“, erzählte Dr. Becker. Der französische Schriftsteller Louis-Ferdinand Céline hat diese dramatischen Verhältnisse in einem Roman eindrücklich geschildert. Die Franzosen publizierten eine Zeitung “La France”, die bei Liehner gesetzt und in Konstanz gedruckt wurde und unterhielten einen Radiosender “Ici la France”. Im Deutschen Haus fanden kulturelle Veranstaltungen und Tagungen der französischen Faschisten statt. Bei Kriegsende reisten die Vichy-Leute schnell ab. In der Stadt gibt es außer dem Grab von Pauline Bonnard, Mutter des Ministers Abel Bonnard, keine Spuren.

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Landung der Alleierten in der Normandie sind auch die Tage des Vichy-Regiems gezählt. Pétain, der Greise Held von Verdun, hat sich mit dem Teufel eingelassen um Teile Frankreichs die Unabhängigkeit zu sichern. Jetzt folgen die Kollaborateure die Rache ihrer Landsleute. Ministerpresident Pierre Lavalle versucht noch verzweifelt den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Mit Wissen Pétains nimmt er Kontakt zu den Allierten auf. Da fackeln die Deutschen nicht lange und holen ihre Marionetten heim ins Reich.[21]

Schloss Sigmaringen, Stammsitz der schwäbischen Hohenzollern, 900 Jahre Geschichte, 400 Räume und auf Führerbefehl hin der neue französische Regierungssitz. Die kleine Residenzstadt liegt weit genug von der Front entfernt und lässt sich leicht überwachen. Fürst Friedrich von Hohenzollern hat 24 Stunden Zeit um seine Koffer zu packen. Dann wird sein Schloss zum extraterritorialen Gebiet erklärt.[21]

[22]

Verlauf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gegen Mittag des 8. September 1944 nähert sich Marschall Pétain seiner neuen Hauptstadt. Künftig soll er Frankreich von Sigmaringen aus regieren - eine Schmierenkomödie ohne Beispiel in der Weltgeschichte.[21]

Eine schwäbische Kleinstadt spielt Paris, welch bizarre Possé. Oben im Schloss geht man sich schnell auf die Nerven. Die Minister haben ihre Familien mitgebracht. Schlürfen den Champagner des Fürsten und lümmeln aich auf den Sofas der Hohenzollern. Viel zu regieren gibt es nicht mehr. Abends speist man im französischen Salon und giftet sich an. Die politischen Verhältnisse sind, vorsichtig formuliert, kompliziert.[21]

Pétain beschränkt sich darauf Spazieren zu gehen. Längst haben der Marshall und sein Kabinett jedwede Tätigkeit eingestellt. Unter dem Ultra Fernand de Brinon installieren die Deutschen zwar eine Parallelregierung, allein ihr fehlt es an Autorität.[21]

Takanobu Mitani (1953)

Um den Schein der Unabhängigkeit zu waren, wurden in Sigmaringen sogar Botschaften eingerichtet:

  • die Japanische Botschaft unter Botschafter Takanobu Mitani (jap. 三谷隆信) im Gebäude der Brauereigaststätte „Zoller-Hof“ in der Leopoldstraße 42,
  • die Italienische Botschaft unter Konsul Mario Longhini, der faschistischen Regierung von Salò am Gardasee, im ehemaligen Chalet Teufel an der Gorheimer Straße (Standort des heuten St. Michaelstift – Alten- und Pflegeheim für demente Menschen),[23][24] sowie
  • die Deutsche Botschaft Paris unter Botschafter Otto Abetz im Gebäude der Fürstlich Hohenzoller'schen Haus- und Domänenarchiv in der Karlstraße 32.

Selbst die Deutsche Botschaft Paris ist nach Deutschland gezogen. Zu einer Marionettenregierung, die nicht regiert.[21]

Derweil füllt sich die Stadt mit Flüchtlingen. Freie Zimmer gibt es längst nicht mehr. Militärs, Mätressen und Kriegsgewinnler hausen in lichtlosen, unbehizten Dachkämmerchen. „Überdies kamen die meisten Franzosen mit Sommerbekleidung, sie waren also gar nicht auf das rauhe Klima hier in Sigmaringen am Fuß der Schwäbischen Alb vorbereitet.“(Otto Becker, Staatsarchivar a.D.)[21]

Unten in der Stadt frieren und Hungern die Flüchtlinge, oben im Schloss buhlen die zerstrittenen Fraktionen um die Gunst des Marschalls. Laval feilt schon mal an seiner Verteidigungsschrift und Pétain hält sich an die Losung, die er einst in Verdun ausgab: „In den Löchern bleiben“. Wenn er nicht gerade seine acht Lebensmittelkarten verfuttert, stellt er sich schalfend. Sein Appartement ist bis heute unverändert.[21]

„Marschall Pétain war 88 Jahre alt. Insofern hat er sich sicherlich als Gefangener gesehen.“ (Birgit Meyenberg, Archivarin)[21]

Im Haus Güntert (heutiges Haus Fürst-Wilhelm-Straße 2; 1871 erbaut) betreibt Céline seine Arztpraxis.[25]

Die Wintermonate vertreiben sich die Schlossbewohner mit Lektüre aus der Hofbibliothek. Der prominenteste Name in der Ausleihliste ist Louis-Ferdinand Destouches, genannt Céline. Weltliterat und unbelehrbarer Faschist und Antisemit. In Sigmaringen praktiziert er als Arzt. Gewöhnlich völlig zugedröhnt. „Für mich war eigentlich ein Gentlemen, wie halt die Fanzosen so sind, liebeswürdig und freundlich. Wir waren es gewohnt einen festen Händedruck zu geben, seiner war halt lasch, wie der ganze Mannn halt war.“ (Johanna Waldaukat-Güntert, Célines Sprechstundenhilfe) Da mögen die französischen Milizen zuvor noch so viele Landsleute gefolter und Juden deportiert haben, in Sigmaringen erinnert man sich gern an die Gäste und ihr weltstädtisches Flair. „Da kann ich mich noch gut daran erinnern. Als ich ein junges Paar am Bahnhof abholte, er hatte eine Milizuniform an, sie war natürlich, damals ist das sowieso aufgefallen, mit ihren roten Haaren und unwahrscheinlich stark geschminkt. Das war damals in Deutschland überhaut noch nicht so. Man konnte in Sigmaringen genau sehen, das sind Franzosen.“ (Heinz Gauggel, Friseur i. R., Hobby-Historiker)[21]

Anfang 1945 breitet sich plötzlich Friedhofsstimmung aus. Die Front rückt mit jeden Tag näher. Nur im Prinzenbau, dem heutigen Saatsarchiv, läuft die Propagandemaschine bis zum bitteren Ende. Als die letzte Ausgabe von La France erscheint, sind die meisten Kollaborateure bereits über alle Berge.[21]

De Gauelles Befreiungsarmee kommt zwei Tage zu spät. Kampflos ergibt sich die Stadt den gefürchtetet Kolonialtruppen. „Man darf es heute gar nicht sagen, aber vor den Schwarzen, von denen hatte man Angst. Weil sie ja pechschwarz waren. Und dann die großen Augen und die hellen Fingernägel dazu.“ (Johanna Waldaukat-Güntert)[21]

Nach dem Krieg werden die Vaterlandsverräter reihenweise zum Tode verurteilt. Nur Pétain wird begnadigt und stirbt in der Verbannung. 70 Jahre nach Kriegsende ist Sigmaringens Gastspiel als Hauptstadt nur noch eine Fußnote der Geschichte.[21]

Folgen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Wir [die Bevölkerung Sigmaringens] haben uns gewundert, wie mag das gut gehen. Wir waren eigentlich Spitz auf Knopf.“ (Johanna Waldaukat-Güntert, Zeitzeugin)[21]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Marcus Klotz: 100 Jahre Truppenübungsplatz Heuberg. In: Südkurier vom 26. Juni 2010
  2. a b c d e f g h i j k Christoph Wartenberg: Die Fürstin rümpft die Nase über Pétain. In: Schwäbische Zeitung vom 23. Juni 2015
  3. Vgl. Sr. Michaele Csordás: Heimschule Kloster Wald. In: Exempla trahunt: Beispiele wirken mehr als Worte. (= FORUM 34, S. 21–34, Über einige katholische Schulen, ihre Gründer und deren Motive, Fortbildungsseminar für Lehrer/innen aller Fachrichtungen am 18 und 19. Juni 2001
  4. Geschafft: 57 junge Frauen haben das Abitur in der Tasche. In: Schwäbische Zeitung vom 9. Juni 2011
  5. Jede Dritte erhält einen Preis. In: Südkurier vom 7. Juni 2011
  6. Vgl. Jean-Marc Berlière: Liaisons dangereuses: Miliciens, truands, résistants. Paris 1944. Perrin 2013, ISBN 978-2-262-04213-4
  7. Perry Biddiscombe: The SS Hunter Battalions: The Hidden History of the Nazi Resistance Movement 1944-45. Tempus, 2006. S. 249.
  8. Konstantin Prinz von Bayern: After the flood. 1955. S. 278.
  9. Konstantin Prinz von Bayern: Nach der Sintflut: Berichte aus einer Zeit des Umbruchs 1945-1948. Süddeutscher Verlag, München 1986. S. 137f.
  10. a b Konstantin Prinz von Bayern: Nach der Sintflut: Berichte aus einer Zeit des Umbruchs 1945-1948. Süddeutscher Verlag, München 1986. S. 138.
  11. Fritz Kallenberg: Hohenzollern. Verlag W. Kohlhammer. Stuttgart, Berlin, Köln 1996. S. 433.
  12. Otto H. Becker: „Die letzten Tage der französischen Regierung von Sigmaringen“ nach Francis Bout de l'An (Teil I). In: Hohenzollerischer Geschichtsverein (Hrsg.): Hohenzollerische Heimat 56. Jahrgang, Nr. 3/2006, S. 37–38.
  13. Otto H. Becker: „Die letzten Tage der französischen Regierung von Sigmaringen“ nach Francis Bout de l'An (Teil II und Schluss). In: Hohenzollerischer Geschichtsverein (Hrsg.): Hohenzollerische Heimat, 57. Jahrgang, Nr. 1/März 2007, S. 12–15.
  14. “Pétain schläft in meinem Bett”. In: Südwest Presse vom 24. Juni 2015
  15. Teil der Vichy-Regierung stirbt in Mengen. In: Schwäbische Zeitung vom 25. März 2015
  16. Warum Sigmaringen einst Frankreichs Hauptstadt war. In: Badische Zeitung vom 7. September 2014
  17. Die Hauptstadt Frankreichs lag an der Donau. In: Badische Zeitung vom 8. September 2014
  18. Marc Herwig: [Trikolore über dem Schloss: Sigmaringen als Hauptstadt Frankreichs]. In: Südwest Presse vom 8. September 2014
  19. Marc Herwig: 1944 bekam Frankreich eine zweite Hauptstadt. In: Südkurier vom 8. September 2014
  20. Otto H. Becker: Wenige Spuren erinnern an Vichy-Zeit. In: Schwäbische Zeitung vom 11. Februar 2009
  21. a b c d e f g h i j k l m n Das groteske Finale des Vichy-Regimes – General Pétain und Sigmaringen. Fernsehbeitrag von Philipp Albert Rimmele für das Kulturmagazin Aspekte, Erstausstrahlung: 17. April 2015 im ZDF.
  22. Interview zur “Kapitelle Sigmaringen”. Fernsehinterview mit Otto Becker, ehemaliger Staatsarchivar Sigmaringen, für das Kulturmagazin Aspekte, Erstausstrahlung: 17. April 2015 im ZDF.
  23. Walther Frick: Das einstige „Chalet“ in Sigmaringen. Ein Baudenkmal des 19. Jahrhunderts verschwindet ganz. In: Hohenzollerischer Geschichtsverein (Hrsg.): Hohenzollerische Heimat, 26. Jahrgang, Nr. 1/März 1976, S. 59f.
  24. Ansicht Altes Chalet (heute Michaelsstift) in Sigmaringen
  25. Gabriele Loges: Becker zeigt Spuren der Vichy-Regierung. In: Schwäbische Zeitung vom 10. Juli 2015
[[Kategorie:Politik (Zweiter Weltkrieg)]]
[[Kategorie:Französische Kollaboration]]
[[Kategorie:Hohenzollernsche Lande]]
[[Kategorie:Sigmaringen]]

Wikipedia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Otto Abetz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als die Alliierten sich anschickten, nach der Invasion am 6. Juni 1944 ganz Frankreich zu erobern, und sich Paris und Vichy näherten, floh Abetz mit Pétain nach Sigmaringen. Nach seiner „Entlassung“ zog Abetz sich in seine mit geraubtem Kunstgut ausgestattete Villa in Baden-Baden zurück. Nach der französischen Besetzung tauchte er in einer Klinik im Schwarzwald unter. Am 25. Oktober 1945 wurde er in Todtmoos verhaftet und kam vor das Pariser Militärtribunal, wo ihn der Pariser Staranwalt René Floriot verteidigte. Wegen seiner Mitschuld an den Judendeportationen und an der Zwangsrekrutierung von Fremdarbeitern wurde er im Juli 1949 zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, im April 1954 aber bereits auf freien Fuß gesetzt.

Vichy-Regiem[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

7. September 1944: Per Führerbefehl wird die Vichy-Regierung ins hohenzollerische Sigmaringen verbracht. Von Oktober 1944 bis zum 21. April 1945 ist Sigmaringen Regierungssitz und provisorische "Hauptstadt des besetzten Frankreich." Untergebracht sind im Hohenzollernschloss auch die Botschaften des Deutschen Reichs, Japans und Italiens beim Vichy-Regime. Neben den 6.000 Einwohnern befinden sich nun 500 Milizionäre, 700 französische Soldaten sowie mehrere tausend Flüchtlinge in der Stadt. Marschall Petain, der gezwungen worden war Frankreich zu verlassen, verweigert sein Mitwirken an der Exilregierung, der nun auch faschistische Politiker wie Fernand de Brinon und Jacques Doriot angehören.

Schloss Sigmaringen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem die Alliierten im Zweiten Weltkrieg in Frankreich gelandet waren, wurde das französische Vichy-Regime auf das Schloss Sigmaringen evakuiert. Die fürstliche Familie wurde durch die Gestapo zwangsweise ausquartiert und auf Schloss Wilflingen interniert. Wilflingen war während der Mediatisierung 1806 an das Haus Hohenzollern-Sigmaringen gefallen. Die französischen Schriftsteller Louis-Ferdinand Céline und Lucien Rebatet fürchteten wegen ihrer politischen und anti-jüdischen Schriften um ihr Leben und flohen gemeinsam mit der Vichy-Regierung nach Sigmaringen. Célines Roman „D'un château à l'autre“, 1957 (deutsch: „Von einem Schloss zum anderen“) beschreibt das Kriegsende und die Eroberung Sigmaringens am 22. April 1945. Das Buch wurde 2006 als Co-Produktion von ZDF und Arte mit dem Titel „Die Finsternis“ verfilmt.

de Brinon[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Niederlage von 1940 machte sich Fernand de Brinon zum Anwalt einer französischen Kollaboration mit dem Deutschen Reich. Pierre Laval, jetzt Ministerpräsident des Vichy-Regimes, lud ihn im Juli 1940 ein, die französische Regierung beim deutschen Oberbefehlshaber in Paris zu repräsentieren. Marschall Philippe Pétain verlieh ihm 1942 den Titel eines Staatssekretärs. Er war Initiator und Vizepräsident eines „Komitees Deutschland-Frankreich“ während der Besatzung. Im August 1944 setzte er sich mit der Vichy-Regierung ins Schloss Sigmaringen ab und wurde dort im September 1944 Präsident der Vichy-Exilregierung. Er wurde am 8. Mai 1945 von US-Soldaten an der österreichisch-schweizerischen Grenze verhaftet und nach Frankreich überstellt. Im März 1947 wurde Brinon vom Obersten Gerichtshof in Versailles wegen Kollaboration mit den Deutschen und „nationaler Würdelosigkeit“ zum Tode verurteilt und am 15. April 1947 im Fort de Montrouge füsiliert.

Schloss Wilflingen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von Januar bis April 1945, wurde ein Teil der Vichy-Regierung, darunter Premierminister Pierre Laval und 13 Minister im Schloss Wilflingen in Wilflingen interniert und dort von der Gestapo überwacht. Anfang September 1944 war die gesamte französische Marionettenregierung unter Marschall Petain und damit zunächst auch Laval wegen des Vormarsches der alliierten Truppen in Frankreich in das Schloss Sigmaringen einquartiert worden. Im Mai 1945 erreichten alliierte Truppen Wilflingen.

Landhaus Krauchenwies[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Zeit der Unterbringung des Vichy-Regimes im Schloss Sigmaringen (20. August 1944 bis 22. April 1945), wurde der fürstlichen Familie das Landhaus Krauchenwies zugewiesen.

von Hohenzollern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte Friedrich Wilhelm von Hohenzollern die zwangsweise Ausquartierung der Hohenzollernfamilie von Schloss Sigmaringen durch die Gestapo und Internierung auf Schloss Wilflingen. Von September 1944 bis April 1945 diente das Schloss Sigmaringen dem französischen Vichy-Regime unter Marschall Pétain als Sitz. In dieser Zeit blieb Friedrich Wilhelm in Freiburg. Nach dem Krieg kam der Süden Badens zur französischen Besatzungszone und General Pierre Pène residierte als Gouverneur für das Land Baden im Auftrag der französischen Besatzungsmacht von 1946 bis 1952 im Schloss, so dass Friedrich Wilhelm teilweise im Landhaus-Schlösschen seiner Schwester nebenan wohnte.

Mit der alliierten Landung in der Normandie Anfang Juni 1944 (Operation Overlord) ging die Befreiung Frankreichs in die entscheidende Phase und das unweigerliche Ende des Vichy-Regimes zeichnete sich ab. Am 20. August wurde die Regierung zunächst nach Belfort verlegt und auf deutschen Befehl hin am 7. September ins hohenzollerische Sigmaringen. Dort bezog sie im Hohenzollernschloss Quartier und bildete in der „Provisorischen Hauptstadt des besetzten Frankreich“ eine einflusslose Exilregierung. Philippe Pétain, der gezwungen worden war, Frankreich zu verlassen, beteiligte sich nicht an dieser Regierung, der nun Faschisten wie Fernand de Brinon und Jacques Doriot angehörten.

de Gaulle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Charles de Gaulle erklärte mit seiner Rückkehr in das Kriegsministerium die Kontinuität der Dritten Republik und die Illegitimität des Vichy-Regimes. Das Regime floh (als die Besatzungstruppen der Wehrmacht sich angesichts der Operation Dragoon zurückziehen mussten) in deren Gefolge nach Sigmaringen.

Laval[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als die Alliierten 1944 in der Normandie landeten (D-Day) und die Niederlage Deutschlands absehbar wurde, wuchs der Widerstand der Résistance zu einer „Volksbewegung“. Mit der Befreiung durch die Westalliierten und der Einsetzung einer provisorischen französischen Regierung unter General de Gaulle am 25. August 1944 – an diesem Tag kapitulierte auch Paris – endete das vierjährige Vichy-Regime. Ministerpräsident Pierre Laval und Staatschef Philippe Pétain wurden ins Deutsche Reich transferiert, wo sie bis April 1945 in Sigmaringen bzw. Wilflingen lebten.

Im September 1944 wurde Pierre Laval – nach eigener Aussage gegen seinen Willen – nach Sigmaringen gebracht, wo er zunächst gemeinsam mit Marschall Pétain das Schloss Sigmaringen des Fürsten Hohenzollern bewohnte. Im Januar 1945 zog er mit 19 Mitgliedern seines Kabinetts in das etwa 14 km entfernte Stauffenbergschloss in Wilflingen. Er führte in beiden Orten eine Exilmarionettenregierung mit Kabinettssitzungen, eigener französischer Tageszeitung, einem Rundfunksender und eigener Wache. Im April 1945 wurde er mit einer Maschine der deutschen Luftwaffe vor den anrückenden Truppen der Alliierten nach Barcelona in Spanien ausgeflogen. Die Regierung von General Franco ging nach einer Bedenkzeit von 90 Tagen auf den Antrag von General Charles de Gaulle ein und lieferte Laval am 30. Juli 1945 in Österreich an die Amerikaner aus.

Pétain[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von Oktober 1944 bis April 1945 war Sigmaringen Sitz der geflohenen französischen Vichy-Regierung unter Staatschef Marschall Pétain und Ministerpräsident Pierre Laval. Regierungssitz der Vichy-Regierung wurde das Sigmaringer Schloss. Politiker, Beamte, Soldaten und Botschafter wurden in Sigmaringen untergebracht. Ebenso die Botschaften Deutschlands, Japans und Italiens beim Vichy-Regime. Am 22. April 1945 flohen Pétain und Laval aus Sigmaringen.[1][2] Neben damals 6000 Einwohnern befanden sich 500 Milizionäre und 700 französische Soldaten in der Stadt. Nach Kriegsende wohnten 1945/1946 in Sigmaringen neben den 5100 heimischen Bürgern auch 1200 Evakuierte, zudem waren 55 Wohnungen und viele öffentliche Gebäude von der französischen Besatzungsmacht beschlagnahmt.

Céline[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1944 wurde Louis-Ferdinand Céline von deutschen Behörden nach Deutschland zwangsumgesiedelt, zunächst nach Baden-Baden, dann ins Schloss Sigmaringen, wohin das Vichy-Regime geflohen war. Als ihm Pierre Laval – wohl aus Gehässigkeit – das Amt eines Ministers für Judenfragen antrug, wurde er von Céline gegenüber Dritten selber als „Jude“ beschimpft. Céline schilderte seine Erlebnisse in Sigmaringen bei Kriegsende in dem 1957 erschienenen Roman D’un château à l’autre (Von einem Schloss zum andern).

Doriot[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Dezember 1943 reiste Jacques Doriot nach Sigmaringen, wo er Mitglied des hierher geflüchteten Vichy-Regimes wurde. Nach der erfolgreichen Landung der Alliierten in der Normandie veranstalteten Doriot und Déat im Juli 1944 noch einmal in Paris eine Großdemonstration, bei der sie ihren Plan de redressement (= Sanierungsplan) bekräftigten. Am 1. September 1944 erwähnte Hitler seine Absicht, Doriot zum Führer der französischen Exilregierung zu machen, während Darnand und Déat fortwährend in Sigmaringen gegeneinander intrigierten. Bei einer Reise von Mainau nach Sigmaringen im Februar 1945 wurde er getötet, als sein Auto von einem alliierten Tiefflieger beschossen wurde. Er wurde in Mengen begraben.

Déat/ Darnand[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1944 floh Marcel Déat zusammen mit der Regierungskommission nach Sigmaringen in Süddeutschland. Am 1. September 1944 erwähnte Hitler seine Absicht, Doriot zum Führer der französischen "Exilregierung" zu machen, während Joseph Darnand und Déat in Sigmaringen fortwährend gegeneinander intrigierten. Kurz vor der deutschen Kapitulation 1945 floh Déat nach Italien, wo er unter einem neuen Namen zeitweilig in Mailand und Turin unterrichtete.

Renthe-Fink[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1943 wurde Cécil von Renthe-Fink Diplomatischer Sonderbeauftragter bei Marschall Pétain beim Vichy-Regime, den er noch nach Sigmaringen begleitete, wohin die Petain-Regierung im September 1944 nach der alliierten Invasion Frankreichs flüchtete.

Alphonse de Châteaubriant ???[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kollaboration in Frankreich (1940–1944)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die kleine Welt der französischen Kollaboration fand sich von 1944 bis 1945 zusammen mit dem Marschall Pétain und seinen letzten Getreuen aus Vichy im deutschen Exil in Sigmaringen wieder.[3] Jacques Doriot gründete als Gegenbewegung zum gaullistischen Komitee „Freies Frankreich“ ein Comité français de libération nationale und schickte einige pro-deutsche Agenten in das von den Alliierten befreite Frankreich. Einige Kollaborateure kämpften schließlich auch als Angehörige der Légion des volontaires français (LVF) in der Schlacht um Berlin 1945.

Kollaboration[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die führenden Köpfe der Kollaboration wurden hingerichtet oder zu langen Haftstrafen verurteilt.[4]

Pariser Zeitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Obwohl sie faktisch eingestellt war, wurde die Pariser Zeitung in Sigmaringen, dem Sitz des Ende August 1944 dorthin geflohenen Vichy-Regimes, erst nach der Klärung noch ausstehender Belange wie Gehälter und Honorare endgültig abgewickelt.[5]

Collection Baud[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der alliierten Landung in der Normandie wurde die Vichy-Regierung ab Ende August 1944 ins Hohenzollernschloss im schwäbischen Sigmaringen verlegt.[6] Unter den zugehörigen Flüchtlingen befand sich der Sprecher der französischen Sendungen des Reichspropagandaministeriums Jean-Hérold Paquis.[7] und Georges Oltramare,[8] ein Mann der Ultrarechten. Nach Informationen des Wiesenthal Zentrums war er ein vom deutschen Botschafter in Paris, Otto Abetz, bezahlter Agent und guter Freund von Abel Bonnard. Bonnard gehörte zusammen mit dem Ex-Ministerpräsidenten der Vichy Regierung, Laval, zu den privilegierten Kollaborateuren, die am 2. Mai 1945 mit einer Junkers-Maschine nach Barcelona geflogen wurden. Schon bevor Bonnard nach Spanien floh, beauftragte Jean-Hérold Paquis[7], wohl mit Einverständnis von Bonnard, den Journalisten Oltramare[8] mit der Übersiedlung der Koffer und dem Verkauf der Kunstgegenstände in der Schweiz, um an Devisen zu kommen. Doch Paquis wartete nach dem Abflug Bonnards vergebens in Sigmaringen auf die Rückkehr von Oltramare, der sich vor der deutschen Kapitulation in die Schweiz abgesetzt hatte, wo er am 21. April 1945 arrestiert wurde. Paquis versuchte Oltramare in die Schweiz zu folgen, wurde am 8. Juli 1945 an der grünen deutsch-schweizerischen Grenze von der französischen Militärpolizei verhaftet, nach Frankreich verbracht, verurteilt und hingerichtet. Was von „seinem“ Bonnard-Besitz in Sigmaringen blieb, oder woanders hin gelangte, ist ungeklärt.[9] Teile der Sammlung ließen sich im Umfeld des Schweizer Bankiers und vermutlichen Nazi-Finanziers François Genoud nachweisen. Genoud, Bankier in Lausanne, Helfer von Nazi-Verbrechern, unterstützte nach dem Krieg ihre Flucht finanziell (Operation ODESSA). Er war an der Verwertung der in die Schweiz transferierten oder geschmuggelten Nazi-Beutekunst beteiligt. Oltramare bestätigte bei seinen Vernehmungen in Frankreich 1947 im Wesentlichen die Geschichte der Übergabe von Kunstgegenständen Bonnards an Genoud, behauptete aber, dass einige Koffer mit der chinesischen Porzellan-Sammlung und ein Koffer mit Stücken der L’Art Négre Sammlung in Sigmaringen verblieben seien. Reste der Sammlung Baud tauchten 1945 auf dem Hohenzollernschloß Sigmaringen auf. Ende der 60er Jahre trat ein Mittelsmann von Abel Bonnard an die Familie des heutigen Besitzers der Sammlungsreste heran und forderte die Rückgabe. Allerdings legte er eine Liste vor, die mehr Stücke aufführte als in Sigmaringen verblieben waren. Danach lässt sich vermuten, dass Bonnard vom Verbleib vieler Stücke in der Schweiz nicht wusste. Auf das Ansinnen Bonnards wurde nicht reagiert. Die wenigen Stücke, die den Krieg unbeschadet überstanden, befinden sich heute zusammen mit zeithistorischen Dokumenten im Privatbesitz. Noch nach dem Krieg verkauften Vérité's Söhne Pierre und Claude einige Stücke, die sie vom Vater übernommen hatten, die der Collection Baud entstammten.

1ere Armée[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem Paris und ganz Frankreich befreit waren, überquerte die 1ere Armée als Teil der alliierten Expeditionsstreitkräfte den Rhein, stieß über den Schwarzwald in Richtung Stuttgart und weiter südlich entlang der Donau bis nach Vorarlberg und Tirol vor. Dabei zerstörte sie Freudenstadt ( 16./17. April) und nahm dann Tübingen (18. April), Reutlingen (19. April), Esslingen (21. April), Sigmaringen und Stuttgart (22. April) ein.[10] Die Reste des französischen Vichy-Regimes befanden sich seit Sommer 1944 als "Gäste" Hitlers im Exil im Schloss Sigmaringen, zwar offiziell in Exterritorialität, de facto als Gefangene. Deren angestrebte Verhaftung erklärt die Stoßrichtung eines Teils der Armee.

Luchaire[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Landung der Alliierten und der drohenden Rückeroberung Frankreichs wurde die Vichy-Regierung 1944 nach Sigmaringen evakuiert. Die lungenkranke Corinne Luchaire kam mit ihrem Vater Jean Luchaire, der in der Vichy-Regierung einen Ministerposten übernommen hatte, im Schloss Sigmaringen unter. Der französische Arzt Dr. Destouches alia Cèline verhalf ihr im Dezember 1944 zu einer Kur bei Dr. Bacmeister im SS-Sanatorium St. Blasien.[11] Die Flucht vor den Alliierten aus Sigmaringen endete nach einem erneuten Suizidversuch im April 1945 in Meran. Der Vater wurde nach einem Prozess am 22. Februar 1946 erschossen. Der Prozess gegen Corinne Luchaire, die zuvor in Nizza inhaftiert war, wurde in Paris am 4. Juni 1946 eröffnet. Sie selbst führte in ihrer Verteidigung an, jung und unwissend gewesen zu sein. Ihr wurden die bürgerlichen Ehrenrechte für zehn Jahre aberkannt.[12]

Rebatet[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der deutschen Eroberung Frankreichs wurde Lucien Rebatet bei Ici la France Radioreporter des Vichy-Regimes. Doch bereits nach kurzer Zeit legte er dieses Amt nieder und schrieb für Jacques Doriots Zeitschrift Cri du peuple. Sein Pamphlet Les Décombres hatte 1942 dank der großzügigen Papierzuteilung des deutschen Zensors Gerhard Heller eine Auflage von 65.000 Exemplaren. Nach der alliierten Invasion floh Rebatet im August 1944 nach Sigmaringen zu Louis-Ferdinand Céline, der sich bei den führenden Vertretern des Vichy-Regimes auf Schloss Sigmaringen in Sicherheit gebracht hatte. Dort schrieb Rebatet weiter an seinen Romanen und floh bei Kriegsende nach Österreich. Dort wurde er am 8. Mai 1945 in Feldkirch verhaftet.

Französische Nazi-Kollaborateure[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Becker zeigt Spuren der Vichy-Regierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Historiker Otto Becker hat gut 30 Personen im ersten Teil der Vichy-Führung des Hohenzollerischen Geschichtsvereins durch Sigmaringen geführt. Von September 1944 bis zum 21. April 1945 waren das Schloss und das heutige Staatsarchiv exterritoriales Gebiet, waren „Frankreich“. Die Stadt und einzelne Gebäude erzählen Geschichten von den letzten acht Monaten der Kollaboration und der Nazizeit. Vom Haus Güntert bis zum Hoftheater ging der erste Teil der Führung, der zweite folgt am heutigen Samstag, um 16.30 Uhr. Treffpunkt ist im Garten hinter dem Prinzenbau beziehungsweise Staatsarchiv.[13]

Otto Becker kennt sich bestens in der Geschichte der Vichy-Regierung in Sigmaringen aus. Er ist auch einer der wenigen deutschen Historiker, die in französischen Publikationen zitiert werden. Immer wieder kommen französische Geschichtsinteressierte und fragen nach diesem Teil der Historie, der in Frankreich erst langsam thematisiert wird. Für viele war mit der Befreiung von Paris im August 1944 die Schreckensherrschaft zu Ende. Franzosen, die mit den Deutschen sympathisierten oder vom System profitierten, befürchteten damals jedoch Vergeltungsmaßnahmen und flohen dorthin, wo von Hitler die Vichy-Regierung versetzt wurde. 2000 Menschen mehr, bei 5000 Kernstadtbewohnern, musste die Stadt verkraften. Ein logistisches Problem, so Becker, das kaum zu bewältigen war. Die Vichy-Regierung kam ins Schloss – „man hat so getan, als ob sie wichtig wären“ – und bestand aus rund 80 Personen, dazu kam die Miliz, die im ehemaligen Museum, heute Hofgarten, einquartiert wurde und unkontrolliert kamen auch Privatpersonen. Die französische Regierung selbst verweigerte die Mitarbeit: „Sie dinierten, diskutierten und intrigierten.“[13]

Wer wohnte wo? Wer machte was? Bei dieser Führung kamen auch Sigmaringer, die ihr Wissen auffrischen wollten oder eigenes beisteuern konnten. Becker forderte die Zuhörer auf: „Halten Sie sich nicht zurück, ich habe in Gesprächen vor Ort schon viele wichtige Informationen erhalten.“ Das Geschichtsbild bleibt in Bewegung. Gleichzeitig verschwinden Gebäude und historische Bezeichnungen. Becker bedauert, dass es den Verantwortlichen allzu oft an historischem Bewusstsein fehlt.[13]

Beim Haus Güntert bei der Nepomukbrücke wird der unter seinem Künstlernamen Céline bekannte Schriftsteller vorgestellt: In Sigmaringen war er vor allem für die Miliz zwei Stunden täglich als Arzt tätig. Viel lieber ging er jedoch zu Madame Bonnard, der 90jährigen Mutter des Ministers Abel Bonnard, die „ganz exzellent die Literatur“ kannte. Die „Zwangseinwohner“ in der Stadt litten Hunger, die Räumlichkeiten waren beengt. Die Sigmaringer nahmen sie offensichtlich dennoch geduldig auf. Im Fidelishaus wurden von den Franziskanerinnen viele Bedürftige unter extremen Bedingungen versorgt. Ein wichtiger Aspekt im „Zusammengehören“ habe die Kirche gespielt. Jeden Sonntag um elf Uhr wurde auf Französisch eine Messe gelesen. Marschall Pétain und Gattin saßen regelmäßig in der Fürstenloge. Auch der hitlerkonforme Jacques Doriot, der am 22. Februar 1945 bei Menningen vom Flugzeug aus abgeschossen wurde, hat in Sigmaringen seine Spuren hinterlassen.[13]

Als die Vichy-Regierung in Schwaben residierte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am Rande der Schwäbischen Alb gibt es 1944 plötzlich eine deutsche Botschaft – denn die Vichy-Regierung ist in Sigmaringen gestrandet. Eine bizarre Episode des Zweiten Weltkriegs.

Ende 1944 erlebt Sigmaringen ein paar relativ unbeschwerte Tage. Am Heiligen Abend findet im Lichtspieltheater der oberschwäbischen Kleinstadt, 40 Kilometer nördlich des Bodensees gelegen, eine große Weihnachtsfeier mit hochkarätigen Gästen statt. Organisiert hat sie das „Comité Artistique et Littéraire“. Ab 21 Uhr sind auf der Bühne die Pianistin Lucienne Delforge zu sehen und der Schauspieler Robert Le Vigan, ein Star des französischen Kinos. Auch der junge René Arrieu tritt auf, nach dem Krieg wird er als Komiker in unzähligen Filmen, Fernsehspielen und Theaterstücken reüssieren. Im Anschluss ziehen die Menschen zur Stadtpfarrkirche, wo um Mitternacht ein französischer Priester die Messe zelebriert.

Es ist ein kalter, unbarmherziger Winter. Doch die etwa 2000 Franzosen von Sigmaringen, das damals insgesamt 10 000 Einwohner zählt, spüren wieder ein wenig Zuversicht. Ihre Hoffnungen ruhen auf Nazi-Deutschland und auf der Ardennenoffensive, die gerade begonnen hat; diese wird in die Geschichte eingehen als das letzte große Aufbäumen der Wehrmacht an der Westfront. Vielleicht, so spekulieren manche in diesen Tagen, kann man doch noch in die Heimat zurückkehren. Nicht gedemütigt und in Gefangenschaft, sondern als Sieger.

Die französische Gemeinde am Rande der Schwäbischen Alb, sie besteht aus dem harten Kern all jener, die nach der militärischen Niederlage 1940 mit den Nazis zusammengearbeitet haben. Manche von ihnen sind Konservative, manche Faschisten. Vier Jahre hatte das Regime der Kollaborateure – von den meisten Staaten, selbst den USA, lange als Frankreichs legitime Regierung anerkannt – seinen Sitz im Kurbad Vichy in der Auvergne. Seit September ist es nun in der deutschen Provinz gestrandet. Die Alliierten haben Frankreich inzwischen eingenommen und die Macht an General Charles de Gaulle und seine Gefolgsleute übergeben. De Gaulle, 1940 ins britische Exil gegangen, repräsentiert den widerständigen Teil des Landes; nach seiner Rückkehr hat er sich in Paris mit einem Triumphzug feiern lassen. Derweil ist Sigmaringen zu einer Art französischer Gegen-Haupstadt geworden – in der die Deutschen die Fäden ziehen.

Abgelegen und überschaubar, wie das Städtchen ist, können die Nazis die Franzosen hier gut überwachen. Weil es kaum Industrie gibt, bleiben alliierte Luftangriffe aus. Außerdem besitzt Sigmaringen in seiner Mitte ein Hohenzollern-Schloss, das einen repräsentativen Regierungssitz abgibt. Es wurde für exterritorial erklärt, dort residieren nun Präsident Philippe Pétain, der greise Kopf des Vichy-Regimes, und Pierre Laval, bisher Premier. Montags bis samstags wird um 9 Uhr, sonntags um 10 Uhr die Trikolore gehisst. Französische Milizsoldaten in blauen Uniformen halten Wache vor dem imposanten, jahrhundertealten Gebäude, das auf einem Kalkfelsen über der Donau thront. Viele der Franzosen sind in beschlagnahmten Hotels und als Untermieter bei Sigmaringer Bürgern einquartiert.[14]

Der Sender "Ici la France" ruft zum Widerstand gegen de Gaulle auf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Regierung führt jetzt Fernand de Brinon, ein Vertrauensmann der Nazis. Die Achsenmächte – Italien, Japan, sogar Deutschland – haben Botschaften in Sigmaringen eingerichtet. Der japanische Gesandte Mitani, ein gläubiger Katholik, besucht regelmäßig die Messe. Im Hotel Deutsches Haus finden französische Vorträge und Veranstaltungen statt, am 27. Januar 1945 wird zum Beispiel zu französischen Matrosenliedern geladen. Seit Oktober erscheint vor Ort die Zeitung „La France“. Und ein Radioprogramm, das auch hier produziert wird, ruft die Menschen in Frankreich zum Widerstand gegen de Gaulle auf. Der Sender heißt „Ici la France“, hier ist Frankreich.

70 Jahre später erinnert im beschaulichen Sigmaringen wenig an die bizarre Episode aus den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs. Hinter einer unscheinbaren Holztür im Eingangsbereich des Schlosses findet sich immerhin eine französische Kritzelei: „Frankreich wird leben, weil es unsterblich ist“, steht dort an der Wand. „Es lebe Pétain! Tod dem verrückten, blutrünstigen de Gaulle“.

Wer solche Spuren entdecken möchte, braucht Hilfe, und keiner ist dafür geeigneter als Otto Becker. Anfang der 90er Jahre, da war er noch Archivar, beauftragte ihn die baden-württembergische Landeszentrale für politische Bildung, etwas über die Vichy-Zeit in Sigmaringen zu schreiben. Seitdem hat ihn das Thema nicht mehr losgelassen, obwohl er längst im Ruhestand ist. Zu faszinierend findet es der gebürtige Pfälzer, wie seine Wahlheimat für einen Augenblick zum Brennpunkt deutsch-französischer Geschichte wurde. Er hat alles an Quellen zusammengetragen, was sich finden ließ. „Viel ist es nicht“, sagt er. In den Kriegswirren wurde manches nicht dokumentiert, Aufzeichnungen gingen verloren oder man vernichtete sie. „Und die Erinnerung älterer Sigmaringer trügt manchmal.“

Becker sitzt im Café Schön, gegenüber dem Hoftheater, in dem 1944 die Weihnachtsgala stattfand. Das „Schön“ verströmt die Atmosphäre der Bundesrepublik der 80er Jahre. Es ist das letzte noch existierende der drei Cafés, in denen sich die Franzosen einst jeden Tag zu treffen pflegten. Ihr südlicher Lebensstil wurde von den Einheimischen bestaunt. Das weiß Becker aus den Tagebüchern von Maximilian Schaitel. Darin beschreibt der Sigmaringer Diplomlandwirt, wie sich das Stadtbild 1944/45 wandelte. In den Straßen hörte man plötzlich überall Französisch. Die Fremden, das waren „lebhaft gestikulierende Männer mit Baskenmützen, meist gut angezogen“. Die Frauen wiederum fielen laut Schaitel „durch ihre meist rötlich gefärbten Haare auf, noch mehr durch die dick verschmierten Gesichter“.

Bis heute kommen französische Besucher nach Sigmaringen, deren Verwandte einst ein paar Monate hier verbracht haben. Der historischen Bedeutung der Stadt sind sich in Frankreich sicher mehr Menschen bewusst als in Deutschland. Erst dieses Jahr hat der Autor Pierre Assouline unter dem Titel „Sigmaringen“ einen Roman veröffentlicht, dessen fiktive Geschichte vor dem Hintergrund des Vichy-Exils spielt.

Die berühmteste Darstellung stammt von Louis-Ferdinand Céline. Der Arzt und Schriftsteller war ein Zeitzeuge; als Vichy-Anhänger floh er selbst nach Sigmaringen. Bis in die Gegenwart wird Céline als genialer Sprachkünstler verehrt und für seinen Antisemitismus verabscheut. Sein Roman „Von Schloss zu Schloss“, in den die Erlebnisse vom Kriegsende eingeflossen sind, sei jedoch keine zuverlässige Quelle, sagt Becker. Zu viel dichterische Fantasie. Trotzdem vermittelt das Buch, geschrieben in einem atemlosen, sprunghaften Stil, ein Bild von der Stimmung, die die meiste Zeit unter den Franzosen herrschte. Es war die eines Himmelfahrtskommandos, bestimmt von Enge, Verzweiflung, materieller Not und Intrigen. „Touristen waren wir zwar! aber spezielle ... zu viel Krätze gab’s, zu wenig Brot“. Über das Schloss heißt es: „Verdammte Hohenzollernwiege! Sakra! Wie es da oben auf seinem Felsen aufgepflanzt lag! ... schief! verdreht überall! Außen! Innen! ... Alle seine Zimmer – alles Labyrinthe, Irrgänge!“[15]

Pétain verweigert in Sigmaringen die Zusammenarbeit mit den Nazis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ähnlich unübersichtlich war die politische Konstellation in der französischen Kolonie. Pétain und Laval verweigerten in Sigmaringen die Zusammenarbeit mit den Nazis, sie waren nicht freiwillig hierhergekommen. Andere arrangierten sich. Und dann gab es noch die Ultrakollaborateure, die fest an der Seite Deutschlands standen; untereinander waren sie teilweise zerstritten.

Die Vichy-Regierung war 1940 nicht als Marionettenregime der Nazis entstanden. Vielmehr hatte die französische Rechte die schockierend schnelle Niederlage gegen Deutschland, die man der „Dekadenz“ der Dritten Republik zuschrieb, für einen konservativen Umsturz genutzt. Das Parlament entmachtete sich selbst, auch die Linke stimmte mehrheitlich für die uneingeschränkte Herrschaft des 84 Jahre alten Marschalls Pétain. Dessen enormes Ansehen beruhte auf seinen Erfolgen im Ersten Weltkrieg – gegen die Deutschen. Jetzt unterschrieb Pétain einen demütigenden Waffenstillstand mit den Nazis. Während die Wehrmacht den Norden Frankreichs besetzte, errichtete die Vichy-Regierung im Süden einen autoritären Staat, in dem die Losung „Arbeit, Familie und Vaterland“ an die Stelle von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit trat.

Erst 1942, als sich die Alliierten von der anderen Seite des Mittelmeers näherten, nahmen die Deutschen ganz Frankreich ein. Die Vichy-Regierung hatte damit fast jeden Handlungsspielraum verloren; sie wurde zum mehr oder weniger willigen Helfer bei der Verfolgung der Juden und der Widerstandsbewegung Résistance. Je mehr Erfolge die Alliierten erzielten, desto mehr fürchtete Hitler, Pétain könnte sich auf deren Seite schlagen. Deshalb wurde die Vichy-Führung ins ostfranzösische Belfort und weiter nach Sigmaringen gebracht. Hunderte Anhänger, die die Rache ihrer Landsleute fürchteten, folgten.

„Pétain und Laval betrachteten sich hier als Gefangene und stellten ihre Arbeit ein“, sagt Becker. Doch der populäre Marschall war zu wertvoll, als dass ihn die Nazis hätten schlecht behandeln können. Ihm stand ein Auto zur Verfügung, mit dem er zu Spazierfahrten ausrückte. Sonntags erschien er in der Kirche. Ansonsten soll er vor allem gegessen haben, er besaß viele Lebensmittelkarten. Mit seiner Frau residierte er ganz oben im Schloss. „Pétain schläft in meinem Bett!“, empörte sich die ausquartierte Fürstin in einem Brief.

Bei einer Vichy-Tour durch die Gemäuer können Besucher heute die zwei Schlafzimmer Pétains besichtigen. Alles ist noch da: nicht nur die Betten, auch die Stofftapete, der Kaminofen, der alte Waschtisch. Durch die Fenster blickt man steil hinunter auf die Stadt. Ein Stockwerk tiefer liegen die prächtigen Räume, in denen Pierre Laval residierte.

Die Nazis wollten die Illusion einer eigenständigen französischen Führung aufrechterhalten, um das Regime nach der Wiedereroberung Frankreichs erneut einsetzen zu können. Einer ihrer wichtigsten Männer in Sigmaringen wurde Fernand de Brinon. Er war der ehemalige Vichy-Botschafter im besetzten Nordfrankreich – und verfügte so ansatzweise über politische Legitimität. De Brinon stand nun an der Spitze der „Regierungskommission für die Verteidigung der nationalen Interessen“. Sein Marionettenkabinett residierte im klassizistischen Prinzenbau, gegenüber dem Schloss. Auch „La France“ und „Ici la France“ hatten dort ihre Redaktionen. Heute ist in dem Gebäude das Staatsarchiv untergebracht. Otto Becker hatte da sein Büro.

Am liebsten wäre es Hitler gewesen, Pétain hätte den Faschistenführer Jacques Doriot als Regierungschef abgesegnet. Doch der Marschall verweigerte sich. Im Februar 1945 waren die Pläne sowieso vom Tisch: Ein alliierter Tiefflieger beschoss das Auto von Doriot, der sich auf dem Weg vom Bodensee nach Sigmaringen befand. Der Franzose starb, beerdigt ist er im Städtchen Mengen.

Und dann kam der April. Alle Hoffnungen der Vichy-Anhänger hatten sich als Hirngespinste erwiesen. Die Alliierten waren nicht zurückgeschlagen worden, sondern rückten immer näher. Jetzt flohen die Franzosen Richtung Alpen. Pétain verließ das Schloss am 21. April um 4 Uhr. Zunächst ging er in die Schweiz, dann zurück nach Frankreich. Dort wurde er wegen Hochverrat und Kollaboration mit dem Feind zum Tode verurteilt, anschließend jedoch begnadigt.

Schon am 22. April 1945 ging über dem Schloss wieder die Trikolore hoch. Dieses Mal hissten de Gaulles Freie Französische Streitkräfte die Fahne. Für die nächsten Jahre gehörte Sigmaringen zur französischen Besatzungszone.[16]

Fünf Lebensmittelkarten für Marschall Petain[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im vorletzten Jahr des Zweiten Weltkriegs, am 8. September 1944, kam in die kleine südschwäbische Stadt Sigmaringen ein 89-jähriger Mann namens Henri Philippe Pétain. Er führte den Rang eines Marschalls und war seit 1916 bekannt als der Sieger von Verdun. Begleitet wurde er von seiner Ehefrau, zehn Mitarbeitern und einer deutschen Militäreskorte.

Zuvor hatte er in Vichy gelebt, dem Badeort in der Auvergne, wo sich ab 1940 der Regierungssitz des État français befand, als dessen Präsident Petain amtierte. Nach der alliierten Invasion in Frankreich musste die Kollaborationsregierung fliehen. Ihr Premierminister hieß Pierre Laval. Er traf einen Tag nach Pétain in Sigmaringen ein. Minister und Mitarbeiter seiner Administration folgten, um die 2000 Personen. Sie alle drängten sich in einer Ortschaft mit kaum 5000 Einwohnern.

Den greisen Pétain hatte man zu diesem Aufenthalt förmlich nötigen müssen. Er sah sich weiterhin als legalen Amtsträger, bestrebt, unter den gegebenen Umständen das Beste für sein Land zu erreichen. Pierre Laval war ein bedenkenloser politischer Opportunist; aus kleinen Verhältnissen stammend, hatte er es bis an die Spitze der politischen Macht geschafft, nun konnte er davon nicht mehr lassen. In seinem Kabinett saßen mehrheitlich überzeugte Hitler-Anhänger. Alle zusammen, Pétain immer dabei, bekannten sich zu Überzeugungen und Praktiken, die autoritär, antirepublikanisch und rassistisch waren.

Die radikale politische Rechte in Frankreich war, und dies seit jeher, in sich zerstritten. Ein Beispiel bot Jacques Doriot: Der einstige hohe Mitarbeiter von Stalins Komintern, ein begabter Demagoge, gründete 1934 eine eigene Partei, den rechtsextremen Parti populaire français, der sich an Hitlers NSDAP orientierte. 1944 floh er mit 5000 seiner Anhänger an den Bodensee. Mit Laval und Pétain war er zerstritten: Die zwei waren ihm nicht radikal genug.

Sitz der aus Vichy übersiedelten Exilregierung wurde das pompöse Schloss von Sigmaringen, Sitz der katholischen Linie des Hauses Hohenzollern. Der Fürst hatte von einem Tag auf den anderen ausziehen müssen, auf Betreiben der Gestapo. Das Schloss wurde auch zur Wohnung der führenden Regierungsleute: Marchall Pétain logierte mit seiner Frau in der gesamten siebten Etage, das Ehepaar Laval ein Stockwerk darunter.

Der schwäbische Aufenthalt des Vichy-Regimes war die Erfindung eines deutschen Diplomaten, Otto Abetz. Er plante so etwas wie die deutsch-französische Annäherung im Zeichen des Hakenkreuzes. Einst hatte er Laval mit Ribbentrop und Hitler zusammengebracht, jetzt war er reichsdeutscher Botschafter bei der Regierung des État français in Sigmaringen. Außer ihm gab es einen japanischen Botschafter und eine diplomatische Mission Italiens. Es gab, außer Staatspräsident und Premier, eine Art Kabinett mit Verantwortlichen für Justiz, für Industrie, für Arbeit, für Erziehung. Sitzungen fanden statt. Dekrete wurden erlassen und publiziert.

Natürlich wussten alle, dass sie eine Administration mit schwindendem Hinterland waren. Ihre Verfügungsgewalt, je länger der Krieg währte, wurde immer marginaler. Ein Teil der Mannschaft resignierte. Die anderen beschäftigten sich mit Intrigen, voran Pétain und Laval. Der Marschall konnte seinen Premier nicht leiden. Er ekelte sich vor dessen schwarzen Zähnen und der ungewaschenen Aura des Mannes. Auch die übrigen Regierungsmitglieder zogen gern übereinander her und denunzierten einander bei der Gestapo.

Die Deutschen waren darüber verärgert. Sie drängten auf eine geschlossene Führung des französischen Exils. Der ihnen dies zu schaffen vermochte, als einziger, war Jacques Doriot. Sie überzeugten ihn, die Feindschaft mit Pétain und Laval aufzugeben. Am 24. Februar 1945 setzte er sich in seinen Mercedes, um nach Sigmaringen zu fahren. Unterwegs geriet er in einen britischen Tieffliegerangriff und starb.

Es gab einen einzigen Angehörigen der französischen Exilregierung, der effektiv arbeitete: Jean Luchaire. Der gelernte Journalist kümmerte sich um das offizielle publizistische Organ der Franzosen in Sigmaringen, die Zeitung "La France". Sie erschien täglich. Der Preis betrug vier Franc oder 20 Reichspfennige. Die Redaktion beschäftigte 200 Mitarbeiter. Außerdem existierte eine eigene Radiostation, "Ici la France". Sie sendete auf Langwelle und begann ihr dreistündiges Programm um 19.30 Uhr. Zu hören waren Musiken, Informationen und Kommentare.

Wozu solche Anstrengung? Noch befand sich etwas französisches Gebiet unter deutscher Kontrolle. Dessen Bewohner sollten mobilisiert werden. 25 000 Franzosen trugen deutsche Uniformen, als Angehörige der Legion "Charlemagne" innerhalb der Waffen-SS; sie waren eine Kraft, die sich aufstocken ließ. In Deutschland lebten Franzosen als Kriegsgefangene und als Fremdarbeiter, zusammen fast zwei Millionen. Man träumte auch von französischen Fallschirmjägern, die hinter den alliierten Fronten absprangen, um einen Partisanenkrieg zu führen.

Im November 1944 kam der Schriftsteller Louis-Ferdinand Céline nach Sigmaringen. Sein Ruhm stammt von einem Erzählbuch des Titels "Reise ans Ende der Nacht", einem der großen Kriegsromane der Weltliteratur. Ursprünglich Anhänger der politischen Linken, war er während der Dreißigerjahre zu den Rechten gewechselt und hatte wüst antisemitische Schmähschriften verfasst. Im bürgerlichen Beruf Mediziner, wurde er nun französischer Regierungsarzt in Sigmaringen. Er nahm seinen Wohnsitz im Zimmer Nummer 11 des Gasthofs "Zum Löwen", wo er auch ordinierte.

Er blieb nicht der einzige Schöngeist am Ort. Es gab Vorträge, Rezitationen, Klavierabende. Man traf sich in der Konditorei Schön. Man promenierte. Man flirtete. Man hatte Affären. Etwas Pariser Flair durchwehte die Stadt am Südrand der Schwäbischen Alb.

Der Zuzug schuf Probleme. Die Versorgung der Franzosen war häufig besser als die der Deutschen, gleichwohl klagten sie über materielle Entbehrungen. Pétain war ein berüchtigter Vielfraß, allein für sich erhielt er fünf Lebensmittelkarten. Céline erwähnt voller Ekel die 5000 Stammessen des "Löwenwirts", die in der Regel aus Rotkraut bestanden.

Die von der NS-Führung wie von den Vichy-Franzosen erhoffte militärische Wende blieb aus. Die Ardennenoffensive vom Dezember 1944 brach nach anfänglichen Erfolgen zusammen. Das gesamte Elsass geriet in den Besitz der Alliierten, die siebte Armee der Amerikaner stand vor Saarlouis. Die Vichy-Franzosen erfuhren, dass in ihrer Heimat Kollaborateure drastischen Verfolgungen ausgesetzt waren; es kam zu Lynchjustiz und zu Standgerichten. Der gelernter Rechtsanwalt Pierre Laval arbeitete fieberhaft an seiner juristischen Verteidigung bei einem möglichen Hochverratsprozess. Pétain erklärte seinen Aufenthalt in Sigmaringen zu einer von den Deutschen über ihn verhängten Haft.

Am 29. März erschien "La France" zum letzten Mal. Radio Sigmaringen stellte seinen Betrieb ein. Die Franzosen packten ihre Koffer und flohen. Pétain und Laval standen schließlich in Frankreich vor Gericht und wurden abgeurteilt, durchweg zum Tode. Allein Pétain wurde begnadigt: durch seinen einstigen Adjutanten Charles de Gaulle. Er starb mit 97 auf der Atlantikinsel Île d'Yeu.

Auch Céline kam davon. Zuletzt ordinierte er als Armenarzt nahe Paris und schrieb über seinen Aufenthalt in Sigmaringen ein etwas wirres Romanbuch. 40 Jahre lang waren die letzten Monate des Vichy-Regimes vergessen, neuerdings holt man sie die in Erinnerung. Es gibt zwei ausführliche französische Studien. Es gibt ein Theaterstück und Filme. Und in Sigmaringen hat man das Thema für den Tourismus entdeckt.[17]

Warum Sigmaringen einst Frankreichs Hauptstadt war[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es ist eine der kuriosen Wirrungen der europäischen Geschichte: Vor 70 Jahren wurde Sigmaringen für einige Monate offiziell zur Hauptstadt Frankreichs erklärt. Wie kam es dazu?

Gut ein halbes Jahr lang wurden die Franzosen von der schwäbischen Provinz aus regiert. Zumindest formell – denn viel Einfluss hatte die geflüchtete Regierung in Sigmaringen zum Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr.

Mehr als 10.000 Franzosen lebten zeitweilig in Sigmaringen

Es war der 8. September 1944, als die Tricolore zum ersten Mal über Sigmaringen wehte und das Schloss zum französischen Regierungssitz wurde. Den Fürsten von Hohenzollern hatte die Gestapo ausquartiert – so gab es Platz für die nazitreue Vichy-Regierung, die zum Kriegsende aus ihrem Land flüchten musste. Mehr als 10.000 Franzosen lebten Aufzeichnungen zufolge schließlich in der Stadt, die ansonsten nur 5600 Einwohner zählte. Für die Einheimischen gaben sie ein seltsames Bild ab. Überall seien Männer in Baskenmützen gewesen, die Frauen seien gekleidet "wie die Malerpalette", notierte Zeitzeuge Maximilian Schaitel. Vielen Franzosen ging es kaum anders. Der französische Arzt Louis-Ferdinand Celine schrieb, Sigmaringen sei, "als wäre man in einer Operette", "ein Theaterstück wie von der Stadt aufgeführt".

Dass Sigmaringen überhaupt zur französischen Hauptstadt wurde, kam so: Nachdem die Nationalsozialisten 1940 weit nach Frankreich vorgedrungen waren, wurde das Land aufgeteilt. Im Norden und Westen regierten die Deutschen selbst, im Süden regierte die französische Vichy-Regierung in der sogenannten unabhängigen Zone.

Im April 1945 war die Vichy-Regierung längst weg

Doch 1944 wurde es für die nazitreue französische Regierung gefährlich. Die Alliierten landeten in der Normandie und rückten schnell vor. Schließlich kam der Anführer der Widerstandsbewegung, der spätere Präsident Charles de Gaulle, aus dem Exil zurück und errichtete in Paris faktisch eine zweite Regierung. Hitler habe die ihm ergebene Regierung, die in Vichy saß, in Sicherheit bringen und ließ sie nach Sigmaringen umsiedeln.

Zu regieren gab es für Ministerpräsident Pierre Laval und Staatschef Philippe Pétain in der Ferne aber immer weniger. In Frankreich konnte de Gaulle seine Macht schnell ausbauen. Am 22. April 1945 hatten sich de Gaulles Truppen bis Sigmaringen vorgekämpft. Die Vichy-Regierung war da längst geflüchtet.

Heute ist von jener Epoche in Sigmaringen und auch im Schloss fast nichts mehr zu sehen. Als die Franzosen einmal weg waren, sei vieles in den vorherigen Zustand zurückverwandelt worden, sagt Historikerin und Schloss-Kennerin Helga Boban. Reguläre Führungen zu jener Epoche bietet die Schlossverwaltung auch zum 70. Jahrestag nicht an – lediglich für größere Gruppen werden auf Anfrage Führungen zu diesem Kapitel der Schlossgeschichte organisiert.[18]

Die Hauptstadt Frankreichs lag an der Donau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weil sich die Regierung von Hitlers Gnaden in Vichy nicht sicher fühlte, verlegte sie ihren Sitz für ein halbes Jahr nach Sigmaringen.

SIGMARINGEN (dpa). Es ist eine der kuriosen Wirrungen der europäischen Geschichte: Vor 70 Jahren wurde Sigmaringen für einige Monate offiziell zur Hauptstadt Frankreichs erklärt. Gut ein halbes Jahr lang wurden die Franzosen von der schwäbischen Provinz aus regiert. Zumindest formell – denn viel Einfluss hatte die geflüchtete Regierung in Sigmaringen zum Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr.

Es war der 8. September 1944, als die Tricolore zum ersten Mal über Sigmaringen wehte und das Schloss zum französischen Regierungssitz wurde. Den Fürsten von Hohenzollern hatte die Gestapo ausquartiert – so gab es Platz für die nazitreue Vichy-Regierung, die zum Kriegsende aus ihrem Land flüchten musste. Mehr als 10 000 Franzosen lebten Aufzeichnungen zufolge schließlich in der Stadt, die ansonsten nur 5600 Einwohner zählte. Für die Einheimischen gaben sie ein seltsames Bild ab. Überall seien Männer in Baskenmützen gewesen, die Frauen seien gekleidet "wie die Malerpalette", notierte Zeitzeuge Maximilian Schaitel. Vielen Franzosen ging es kaum anders. Der französische Arzt Louis-Ferdinand Celine schrieb, Sigmaringen sei, "als wäre man in einer Operette", "ein Theaterstück wie von der Stadt aufgeführt".

Dass Sigmaringen überhaupt zur französischen Hauptstadt wurde, kam so: Nachdem die Nationalsozialisten 1940 weit nach Frankreich vorgedrungen waren, wurde das Land aufgeteilt. Im Norden und Westen regierten die Deutschen selbst, im Süden regierte die französische Vichy-Regierung in der sogenannten unabhängigen Zone.

Doch 1944 wurde es für die nazitreue französische Regierung gefährlich. Die Alliierten landeten in der Normandie und rückten schnell vor. Schließlich kam der Anführer der Widerstandsbewegung, der spätere Präsident Charles de Gaulle, aus dem Exil zurück und errichtete in Paris faktisch eine zweite Regierung. Hitler habe die ihm ergebene Regierung, die in Vichy saß, in Sicherheit bringen und ließ sie nach Sigmaringen umsiedeln.

Zu regieren gab es für Ministerpräsident Pierre Laval und Staatschef Philippe Pétain in der Ferne aber immer weniger. In Frankreich konnte de Gaulle seine Macht schnell ausbauen. Am 22. April 1945 hatten sich de Gaulles Truppen bis Sigmaringen vorgekämpft. Die Vichy-Regierung war da längst geflüchtet.

Heute ist von jener Epoche in Sigmaringen und auch im Schloss fast nichts mehr zu sehen. Als die Franzosen einmal weg waren, sei vieles in den vorherigen Zustand zurückverwandelt worden, sagt Historikerin und Schloss-Kennerin Helga Boban. Reguläre Führungen zu jener Epoche bietet die Schlossverwaltung auch zum 70. Jahrestag nicht an – lediglich für größere Gruppen werden auf Anfrage Führungen zu diesem Kapitel der Schlossgeschichte organisiert.[19]

Hauptstadt für sieben Monate[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 20. April 1945 verschwand ein Kuriosum von der inzwischen imaginär gewordenen Landkarte des 'Großdeutschen Reiches'. Dieses Kuriosum war ein Operettenstaat, der vom 17. September 1944 bis eben zu diesem 20. April 1945 in Sigmaringen an der Donau eine bizarre Scheinexistenz geführt hatte.

In diesen sieben Monaten war das Hohenzoller'sche Residenzstädtchen sozusagen eine französische Hauptstadt, sein Schloss Regierungssitz einer mit Nazi-Deutschland verbündeten französischen Exilregierung unter Marschall Pétain. Damit Pétain und seine Minister ins Sigmaringer Hohenzollern-Schloss einziehen konnten, wurden die Schlossbesitzer 'auf Führerbefehl' hin rausgeschmissen. Fürst Friedrich Wilhelm von Hohenzollern-Sigmaringen erinnert sich:

"Am nächsten Tag merkte ich aufmarschierende SS-Formationen, die eben links und rechts die Schlossauffahrt absperrten, meines Erachtens hatten sie Maschinengewehre. Und es fuhr der Talbot des Marschall Pétain, ein offenes Kabriolett, und es saß hinten der Marschall Pétain in Zivil mit einem Strohhut, und er verließ langsam das Auto. Und es waren für mich etwa fünfzig Meter, da konnte ich nicht den Gesichtsausdruck genauestens studieren, aber ich hatte das Gefühl gehabt, dass Pétain sehr traurig war, denn er war ja ein Gefangener von Hitler. - Kaum war der Marschall in dem Lifteingang verschwunden, als ... der Gestapomann hinter mir stand und sagte: "Nun aber raus! Aber sofort!""

Marschall Pétain, sein Ministerpräsident Laval und die Minister seines Kabinetts waren in der Tat Hitlers Gefangene. Als der Vormarsch der Alliierten im Sommer 1944 die deutsche Wehrmacht zum Rückzug aus Frankreich zwang, versetzte Hitler die mit Deutschland kollaborierende Regierung Pétain, die bis dahin vom Badeort Vichy aus einen südfranzösischen Satellitenstaat von deutschen Gnaden verwaltet hatte, gegen ihren Willen nach Sigmaringen. Dort wurde sie mit den Requisiten einer Scheinmacht ausgestattet. Eine Regierungszeitung La France und ein Regierungssender Ici la France machten für den deutschen "Endsieg" Propaganda und riefen die Franzosen zum Widerstand gegen die Alliierten und gegen General de Gaulle auf. Sogar Botschaften befreundeter Mächte wurden in Gasthöfen und Villen der Stadt eingerichtet. Der Sigmaringer Staatsarchivar Otto H. Becker:

"Zu nennen ist die Japanische Botschaft unter Botschafter Mitami, eine Italienische Botschaft unter Konsul Longhini, der faschistischen Regierung von Salò am Gardasee. Und dann die Deutsche Botschaft, Botschaft Paris mit Sitz jetzt in Sigmaringen unter Botschafter Otto Abetz im Gebäude der Fürstlich Hohenzoller'schen Haus- und Domänenverwaltung in der Karlstraße 32."

Aber so fix die Institutionen, Instrumente und Symbole der neuen Scheinmacht auch etabliert waren, der 'König ohne Land und ohne Volk', sein widerspenstiger 'Majordomus' Laval und seine Paladine, die Minister, weigerten sich ganz einfach, die ihnen von Hitler zugedachte Statistenrolle im Operettenstaat Vichy an der Donau zu spielen. Für sie sprangen andere umso bereitwilliger in die Bresche. Den Machtkampf unter den Diadochen Pétais entschied Jacques Doriot, der Führer der faschistischen Französischen Volkspartei für sich. Grand Jacques, wie ihn seine Anhänger ehrfurchtsvoll nannten, glaubte noch im Herbst und Winter 1944/45 an eine privilegierte Stellung Frankreichs in Hitlers Europa:

"Unser höchster Lohn wird das Urteil der nachfolgenden Generationen sein. Wenn unsere Söhne das Werk der Erbauer des neuen Frankreich und des neuen Europa würdigen werden, hoffe ich, dass sie mit Stolz sagen können: Mein Vater ist dabei gewesen."

Doch in dem Augenblick, in dem Doriot im Begriff war, die zerstrittenen französischen Kollaborationsgruppen zu einigen, starb er im Kugelhagel eines englischen Tieffliegers am 22. Februar 1945. Knappe zwei Monate später hatte Sigmaringen als letzte Hauptstadt Vichy-Frankreichs ausgespielt. In der Nacht des 20. April setzte sich Marschall Pétain in Richtung Schweiz ab. Kurz zuvor hatten schon die anderen Minister Sigmaringen verlassen. Jeder versuchte auf eigenen Faust seine Haut zu retten. Es gelang nur zweien. Marschall Pétain, der Sieger von Verdun, wurde von General de Gaulle begnadigt und starb 1951 in der Verbannung auf der Insel Yeu. Arbeitsminister Déat tauchte in Italien unter. Alle anderen wurden für ihre Kollaboration mit Hitler-Deutschland mit dem Tod bestraft.[20]

Südkurier[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Macher der Kollaboration[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frankreich war ja nicht vollständig besetzt. Mit Blick auf das unbesiegte Großbritannien hatte Hitler dem geschlagenen Land eine Teilautonomie gelassen, eine eigene Regierung im unbesetzten Teil (Vichy), ein abhängiges Regime mit einer prekären Verwaltungshoheit und mit einem Status, den die Truppen in den französischen Kolonialgebieten immerhin anerkennen konnten. In dieser Situation wählt die SS in Paris – über den eindimensionalen Kopf Adolf Eichmanns hinweg, aber mit der Rückendeckung von Reinhard Heydrich und nach seinem Tod dann auch von Heinrich Himmler in Berlin – den Weg der Verhandlung und des Kompromisses mit den maßgeblichen Kollaborateuren von Vichy.

Dass die Strategen des politisch abgefederten, im Einvernehmen zwischen den Deutschen und den Franzosen reibungslos abgewickelten Völkermords diesen vermeintlich so intelligenten Weg dann nicht mehr verlassen können und sich vom unaufhaltsamen Machtzerfall NS-Deutschlands nach der Wende von Stalingrad schließlich überholt und ausgebootet sehen, ist die beglückende Ironie dieser monströsen Geschichte.

Aber war das Regime von Vichy nicht selber antisemitisch? Bereits 1940 gab es ein Gesetz zur Überprüfung der liberalen Einbürgerung von Juden nach dem Ersten Weltkrieg. Und funktionierten die ersten massenhaften Verhaftungen, Internierungen und Deportationen unter deutscher Ägide nicht einwandfrei? Der Zugriff lag vom Anfang bis zum Ende bei den französischen Polizeibehörden. Die kleine Truppe der SS war immer nur der Parasit der französischen Repressionsapparate. Worüber musste da also groß verhandelt werden? Die Störung kommt von einigen katholischen Bischöfen, die – obschon selber unzweifelhaft Antisemiten – im Sommer 1942 öffentlich, in ihren Hirtenbriefen gegen die unmenschliche Durchführung der Deportationen protestieren. Nicht gegen die Deportationen wohlgemerkt, nicht gegen die Judenverfolgung überhaupt, nicht gegen die Todeslager in Polen. Sondern nur gegen die Brutalität, gegen die exzessive Gewaltanwendung der französischen Behörden im Umgang mit den Verfolgten. Eine wirkliche Störung ist dieser Einspruch, weil diese Repräsentanten der katholischen Kirche dem Vichy-Regime nicht nur politisch und ideologisch nahestehen, sondern eine seiner zentralen Säulen darstellen. Nur weil diese Kirchenfürsten zum innersten Kern des Machtsystems gehören, kann ihre moralische Haltung zu einem Machtfaktor werden – können sie über den Staatschef Henri Philippe Pétain, den pro-deutschen Regierungschef Pierre Laval und den jungen fähigen Polizeichef René Bousquet zu den Partnern von der SS durchdringen und den Prozess der Verfolgung so real abbremsen. Vichy fürchtet um seine Stabilität, und die Nazis verstehen es oder respektieren es.

Es sind hier nicht die „Guten“, die das Böse abstoppen und letztlich zum Scheitern bringen. Es sind nur ein paar couragierte souveräne Kleriker von durchaus fragwürdiger Geistesart. Ein Denkmal muss man ihnen nicht unbedingt setzen. Die Paradoxie scheint das Buch überhaupt inspiriert zu haben. Sie lässt den Autor nicht los. Man lese nur das Vorwort und die Schlussbemerkungen. Auch wenn man diese durchwachsenen bischöflichen Judenretter – Lebensretter großen Stils – vielleicht nicht mit Wolfgang Seibel als eine „Irritation“ empfindet (als eine Herausforderung für unser Bedürfnis nach klaren moralischen Abgrenzungen), so können sie uns doch den letzten Rest Romantik rauben.

Ein Jahr später dringt die SS in Frankreich dann vergeblich auf die summarische Denaturalisierung (Aberkennung der französischen Staatsbürgerschaft) der seit Ende der 20er Jahre eingebürgerten Juden. Das hätte ihr neben den ausländischen und staatenlosen Juden, die bisher im Zentrum der Verfolgungskampagnen gestanden hatten, ein weiteres Kontingent von Zehntausenden schutzloser Menschen eingebracht und ausgeliefert. Es war diese Aussicht auf Eskalation – die Verwandlung von Franzosen in vogelfreie Nicht-Franzosen mit einem amtlichen Federstrich –, die die deutsche Seite ein Jahr vorher und verständnisvoll den Vorbehalten der französischen Seite gegenüber gemacht hatte. Aber jetzt war es zu spät. Die Chance war verpasst. Angesichts der Kapitulation der Wehrmacht in Nordafrika, der Landung der Alliierten in Sizilien, des Zusammenbruchs des italienischen Achsenpartners und der drohenden Invasion der Alliierten in Frankreich hatte die SS keine andere Wahl, als an der Zusammenarbeit mit Vichy festzuhalten. Aber diese war nun – im Zeichen der veränderten Gesamtlage in Europa – nicht mehr, was sie einmal war. Das Gesetz über die Denaturalisierung ist nach langem Hin und Her fertig. Aber da lehnt Pétain endgültig ab, es zu unterzeichnen.[21]

1944 bekam Frankreich eine zweite Hauptstadt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es ist eine der kuriosen Wirrungen der europäischen Geschichte: Vor 70 Jahren wurde Sigmaringen offiziell zur Hauptstadt Frankreichs erklärt. Ein halbes Jahr wurden die Franzosen von der schwäbischen Provinz aus regiert. Zumindest formell – denn Einfluss hatte die geflüchtete Regierung in Frankreich nicht mehr.

In Sigmaringen wehte am 8. September 1944 zum ersten Mal die Tricolore über dem Schloss, das zum Ausweich-Regierungssitz wurde. Den Fürsten von Hohenzollern hatte die Gestapo vor die Tür gesetzt – so gab es Platz für die nazitreue Vichy-Regierung. Mehr als 10 000 Franzosen lebten schließlich in der 5600-Einwohner-Stadt – Politiker, Beamte, Soldaten und Botschafter. Für die Einheimischen gaben sie ein seltsames Bild ab. Überall seien Männer in Baskenmützen gewesen, die Frauen seien gekleidet „wie die Malerpalette“, notierte Zeitzeuge Maximilian Schaitel. Der französische Arzt Louis-Ferdinand Celine schrieb, Sigmaringen sei, „als wäre man in einer Operette“, „ein Theaterstück wie von der Stadt aufgeführt“.

Dass Sigmaringen überhaupt zur provisorischen französischen Hauptstadt wurde, kam so: Nachdem die Nationalsozialisten 1940 weit nach Frankreich vorgedrungen waren, wurde das Land aufgeteilt. Im Norden und Westen regierten die Deutschen selbst, im Süden wurde ein deutschfreundliches Regime installiert. Regierungssitz war das Provinznest Vichy in der Auvergne – das Zentrum der „unabhängigen Zone“ unter dem offiziellen Namen „État français“ – „Französischer Staat“. Geführt wurde er von dem früheren Weltkriegsgeneral Philippe Pétain und dem Politiker Pierra Laval. Sie dienten den Deutschen willfährig – etwa mit Judendeportationen und Militärhilfen.

1944 wurde es für die nazitreue Regierung gefährlich. Die Alliierten landeten in der Normandie. Schließlich kam der Führer der Widerstandsbewegung, der spätere Präsident Charles de Gaulle, aus dem Exil zurück und errichtete als General in Paris faktisch eine zweite Regierung. Hitler ließ die Vichy-Regierung erst nach Belfort, dann nach Sigmaringen in Sicherheit bringen.

Zu regieren gab es für Ministerpräsident Pierre Laval und Staatschef Philippe Pétain in der Ferne aber immer weniger. In Frankreich konnte de Gaulle seine Macht schnell ausbauen. Am 22. April 1945 hatten sich seine Truppen bis Sigmaringen vorgekämpft. Pétain und Laval hatten sich abgesetzt, fielen später aber in die Hände de Gaulles. Laval wurde hingerichtet, Pétain wegen seiner Verdienste als Marschall im Ersten Weltkrieg begnadigt. Er starb 1951.

Heute ist von jener Epoche in Sigmaringen und auch im Schloss fast nichts mehr zu sehen. Als die Franzosen einmal weg waren, sei vieles in den vorherigen Zustand zurückverwandelt worden, sagt Historikerin und Schloss-Kennerin Helga Boban. [22]

Zwischen Vichy- und Neuzeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Würde der Spagat zwischen den Erinnerungen an die Zeit der Vichy-Regierung in der Hohenzollernstadt und dem Kriegsende auf der einen und der Vermittlung eines modernen und sympathischen Porträts der Kreisstadt auf der anderen Seite gelingen?

Rund 30 Gäste hatten sich im Ratssaal eingefunden, als die Sendung pünktlich um 10 Uhr begann. Dabei gingen die Radiomacher von einem Erfolg versprechenden Konzept aus. Über die Zeit der Vichy-Regierung (1944 bis 1945) berichtete nicht irgendein Historiker. Zu Wort kamen vielmehr zwei Sigmaringer Zeitzeugen, die diese Zeit als Schuljungen erlebt hatten -Kreishandwerksmeister August Dannegger und Frisörmeister und Heimathistoriker Heinz Gauggel.

Die damaligen Schuljungen hatten einen anderen Blick auf die Repräsentanten der französischen Kollaborationsregierung. Für die Buben war die berittene Polizei aus dem Elsass mit ihren Pferden ein bemerkenswerter Blickpunkt, an den sich die beiden Männer heute noch gern erinnern. Für die Kinder und sicher auch für manchen Sigmaringer war die Tatsache der japanischen Botschaft in den Stadtgrenzen ein exotischer Akzent in einer schweren Zeit.

In der Schule waren die Kinder auf die Ankunft der Franzosen vorbereitet worden. Dannegger: "Wir wurden ermahnt, nett zu den Fremden zu sein". Der heutige Kreishandwerksmeister entdeckte damals seine Liebe zur französischen Militärmusik. Dannegger: "Die Franzosen hatten eine flottere Marschmusik als die Deutschen".[23]

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Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Otto H. Becker: Neue Beiträge zur Geschichte der Stadt Sigmaringen während des Aufenthalts der Vichy-Regierung 1944/45. In: Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte, 2011/2012.
  1. www.dradio.de
  2. Marc Herwig und Alexander Michel: 1944 bekam Frankreich eine zweite Hauptstadt. In: Südkurier vom 8. September 2014, S. 7.
  3. Dieses Exil wird beschrieben von Louis-Ferdinand Céline: D’un chateau l’autre, Gallimard, Paris 1957. Deutsch: Von einem Schloß zum andern. Rowohlt, Reinbek 1982. ISBN 978-3499149641.
  4. Arnulf Moser: Von der Organisation Todt zur französischen Exilregierung. In: Wochenblatt. Die lokale Wochenzeitung für Singen, Randolfszell, Stockack und Umgebung. 1999.
  5. Andreas Laska: Presse et propaganda en France occupée: des Moniteurs officiels (1870–1871) à la Gazette des Ardennes (1914–1918) et à la Pariser Zeitung (1940–1944). Utz, München 2003, ISBN 3-8316-0293-X. (Französisch, mit deutscher Zusammenfassung; zugleich pressehistorische Dissertation im „Cotutelle-Verfahren“: Zum Cotutelle-Verfahren siehe hier Universität München und Universität Paris II; 2003)., S. 253, Fußnote 862.
  6. Louis-Ferdinand Celine, D'un château l'autre, (dt. Von einem Schloss zum andern) Gallimard, 1957
  7. a b New York Times Archive. Paquis, Jean-Herold (1912-1945) – French collaborator; Radio Paris broadcaster; member, French Popular Party (Parti Populaire Française – PPF) arrested near the Swiss frontier 8 Jul 1945 (LT 10 Jul 1945:3:c); put on trial by a French court for treason 17 Sept 1945 (NYT 17 Sept 1945:12:6); convicted and sentenced to death by the Paris Court of Justice 17 Sept 1945 (NYT 18 Sept 1945:9:6; LT 18 Sept 1945:3:d); executed by firing squad at Fort de Chatillon 11 Oct 1945 (NYT 12 Oct 1945:5:2; LT 11 Oct 1945:3:d; LT 12 Oct 1945:3:c; Purge S. 140). New York
  8. a b Archive S.K.Kitson U.K. Georges Oltramare, French antisemitic journalist; paid agent of German Ambassador Otto Abetz[6p-1] {fled France and went to Sigmaringen, Germany in 1944; then escaped to Switzerland; arrested there 21 Apr 1945; provisionally released; rearrested by French authorities 1 Feb 1947; put on trial for collaboration; convicted and sentenced to 3 years imprisonment; released; sentenced to death in absentia by a French court 12 Jan 1950; fled to Spain and later to Egypt where he made anti-semitic radio broadcasts; died at Paris 16 Aug 1960 (S.K.Kitson, La persécution des juifs d'Europe)
  9. Kunst und Wissen / hrsg. vom Freien Deutschen Kulturbund in Großbritannien. „… Paquis versucht nach der Kapitulation Stücke aus der Sammlung Baud (L’Art Négre) in die Schweiz nach Lausanne zu verbringen. Er wird am 8. Juli 1945 an der deutsch-schweizerischen Grenze von der frz. Militärpolizei verhaftet, nach Paris verbracht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Wo sein Besitztum, unter anderem die Sammlung Baud und andere Kunstgegenstände seines politischen Freundes und der Kollaborateur Abel Bonnard selbst verblieben sind, ist ungeklärt.“ (London 19 Oct 1945) Anm. Zeitungsnotiz v. 19. Oktober 1945 in der Exilzeitung Kunst und Wissen / London über Paquis und die Sammlung Baud / Abel Bonnard (und den Versuch die Sammlung in die Schweiz über den Bankier Francois Genoud zu verkaufen / zu verschieben??)
  10. Vgl. Edgar Wolfrum, Peter Fässler, Reinhard Grohnert: "Krisenjahre und Aufbruchszeit" S. 24 f.
  11. Vgl. Louis-Ferdinand Céline: Von einem Schloss zum andern, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 1994
  12. The Nazi's Courtesan, French actress-collaborationist, once the toast of occupied Paris, loses he beauty and citizenship, Life, 24. Juni 1946, S. 38 [1]
  13. a b c d Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen Historische Führung.
  14. Björn Rosen: Französische Nazi-Kollaborateure. Als die Vichy-Regierung in Schwaben residierte. In: Der Tagesspiegel vom 28. Dezember 2014
  15. Björn Rosen: Französische Nazi-Kollaborateure. Als die Vichy-Regierung in Schwaben residierte. In: Der Tagesspiegel vom 28. Dezember 2014
  16. Björn Rosen: Französische Nazi-Kollaborateure. Als die Vichy-Regierung in Schwaben residierte. In: Der Tagesspiegel vom 28. Dezember 2014
  17. Rolf Schneider: Fünf Lebensmittelkarten für Marschall Petain. In: Die Welt vom 7. Mai 2007
  18. Warum Sigmaringen einst Frankreichs Hauptstadt war. In: Badische Zeitung vom 7. September 2014
  19. Die Hauptstadt Frankreichs lag an der Donau. In: Badische Zeitung vom 8. September 2014
  20. Peter Hölzle: Hauptstadt für sieben Monate. Vor 60 Jahren endete die französische Nazi-Kollaboration in Sigmaringen an der Donau. In: Deutschlandfunk vom 20. April 2005
  21. Ernst Köhler: Die Macher der Kollaboration. Der Konstanzer Politologe Wolfgang Seibel über die „Endlösung der Judenfrage“ in Frankreich. In: Südkurier vom 1. März 2011
  22. Marc Herwig: 1944 bekam Frankreich eine zweite Hauptstadt. In: Südkurier vom 8. September 2014
  23. Hermann-Peter Steinmüller: Zwischen Vichy- und Neuzeit. In: Südkurier vom 9. Mai 2005
  24. Vgl. Pétains Ehrenhaft in Sigmaringen. In: Volker Koop (Hrsg.): In Hitlers Hand: Sonder- und Ehrenhäftlinge der SS. Böhlau, Köln 2010. ISBN 978-3-412-20580-5. S. 116ff.