Feliks Dzierżyński

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Feliks Dzierżyński (1918)

Feliks Edmundowitsch Dzierżyński (russisch Феликс Эдмундович Дзержинский Felix Edmundowitsch Dserschinski; * 30. Augustjul. / 11. September 1877greg. auf dem Gut Oziembłowo, Gouvernement Wilna, Russisches Kaiserreich; † 20. Juli 1926 in Moskau, Russische SFSR, Sowjetunion) war ein polnisch-russischer, bolschewistischer Berufsrevolutionär, der 1917 die sowjetische Geheimpolizei Tscheka gründete. Er leitete die Tscheka und ihre 1922 gegründete Nachfolgeorganisation GPU bis zu seinem Tod und war zeitweilig auch Volkskommissar für Inneres und für Verkehr der neu gegründeten Sowjetunion.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Herkunft und Jugend[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Feliks Dzierżyński wurde auf dem Landgut Oziembłowo seines Vaters Edmund Dzierżyński im Ujesd Oschmjany im damaligen Gouvernement Wilna im äußersten Westen des Russischen Kaiserreiches geboren. Das Gut, das wahrscheinlich kurz darauf nach seiner Familie in Derzhinovo umbenannt wurde, ist seit 1963 ein Museum und gehört seit 1991 zum belarussischen Rajon Stoubzy. Der Vater, von Beruf Lehrer, entstammte einer verarmten polnisch-litauischen Adelsfamilie. Als Kind wollte Felix Dzierżyński Priester werden.[1] Nur er und sein Bruder Zygmunt († 1931), später ein bekannter Professor für Polonistik am Adam-Asnyk-Lyzeum in Kalisz und Antikommunist, konnten eine höhere Schule besuchen. Dzierżyński wurde im August 1887 in die erste Klasse des Gymnasiums in Wilna aufgenommen, derselben Schule, die auch der zehn Jahre ältere Józef Piłsudski besucht hatte. Doch bevor er seinen Abschluss machen konnte, wurde Dzierżyński wegen „revolutionärer Aktivitäten“ exmatrikuliert.

Bis zur Oktoberrevolution[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Feliks Dzierżyński, Sohn Janek und Zofia Dzierżyńska 1918 in Lugano, Schweiz

1900 wurde Dzierżyński zu einem der Gründer der sozialdemokratischen Partei Sozialdemokratie des Königreichs Polen und Litauens (SDKPiL), in der er 1902 die Leitung der Auslandsabteilung übernahm und 1903 zum Vorstandsmitglied gewählt wurde. 1905/06 zählte er zu den führenden Aktivisten im russisch verwalteten Polen, besonders in Warschau und Łódź, und vertrat gleichzeitig seine zunehmend internationalistisch-klassenkämpferisch ausgerichtete Partei im Zentralkomitee der russischen Sozialdemokratie.

Im August 1910 heiratete er Zofia Dzierżyńska (1882–1968), eine Jugendfreundin Rosa Luxemburgs, die er seit 1902 kannte. Sie brachte 1911 den gemeinsamen Sohn Jan zur Welt, als sie wegen illegaler politischer Betätigung in Warschau im Gefängnis saß. Dzierżyński selbst wurde bis 1915 sechsmal inhaftiert, zweimal deportierte man ihn nach Sibirien. 1908 schrieb er in der sibirischen Verbannung sein später vielgelesenes Tagebuch eines Gefangenen. Insgesamt verbrachte er elf Jahre im Gefängnis, davon einige Jahre im Zuchthaus, in dem er an Tuberkulose erkrankte.[2][3]

Seit April 1917 war Dzierżyński Mitglied der Exekutive der russischen Gruppen innerhalb der SDKPiL. Im Sommer 1917 trat er den Bolschewiki bei und wurde Mitglied ihres Zentralkomitees. Während der Oktoberrevolution war er einer der Führer des bewaffneten Aufstands der Bolschewiki gegen die provisorische Regierung Alexander Kerenskis in Petrograd.

Nach dem Sieg der Bolschewiki[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Sieg der Bolschewiki Ende 1917 schuf Dzierżyński auf Veranlassung Lenins die als Geheimpolizei agierende Allrussische außerordentliche Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution und Sabotage (Tscheka) und agierte ab 1922 als Leiter ihrer Nachfolgeorganisation GPU.

Am 27. Mai 1918 schrieb er an seine Frau:

„Jeder Tag zwingt uns, entschlossenere Maßnahmen zu ergreifen. Im gegenwärtigen Augenblick steht vor uns der größte Feind – der Hunger. Um Brot zu bekommen, muß man es denen nehmen, die es besitzen, und denen zu geben, die keins haben. Der Bürgerkrieg muß in nie dagewesenen Dimensionen entbrennen.“

Feliks Dzierżyński (1918)

Nach dem Aufstand der Linken Sozialrevolutionäre vom Juli 1918 war er zeitweilig auf eigenen Antrag vom Amt suspendiert.[4] Am 5. September 1918 erhielt er nach dem fehlgeschlagenen Attentat Fanny Kaplans auf Lenin von diesem die Order, mit dem Roten Terror zu beginnen. In diesem Zusammenhang wurde die Anzahl der Arbeitslager bis Ende 1920 auf 107 erhöht.[5] Die Tscheka tötete nach dem Vorbild der Terrorherrschaft während der Französischen Revolution angebliche oder tatsächliche Konterrevolutionäre und legte dabei laut diversen Quellen oft den Schwerpunkt ihrer Außenwirkung auf Abschreckung statt auf Wahrheitsfindung.

Zum Vorgehen des Geheimdienstes äußerte sich Dzierżyński kurz nach der Ermordung der ehemaligen Zarenfamilie in der Presse folgendermaßen:

„Die Tscheka ist der Schutzschild der Revolution wie der Roten Armee. Und wie die Rote Armee im Bürgerkrieg nicht anhalten und danach fragen kann, ob sie etwa einzelnen Individuen Leid zufügt, sondern lediglich eines im Auge haben muss, nämlich den Sieg der Revolution über die Bourgeoisie so muss die Tscheka die Revolution verteidigen und den Feind bezwingen, selbst wenn ihr Schwert gelegentlich auf Unschuldige niedergeht.“

Feliks Dzierżyński (1918)[6]

Während des Polnisch-Sowjetischen Krieges von 1919 bis 1921 war Dzierżyński Mitglied des Kriegsrates beim sowjetischen Befehlshaber Michail Tuchatschewski. Am 5. April 1920 entsandte das ZK der KPR (B) Dzierżyński in die Ukraine, um gegen die Truppen von Symon Petljura vorzugehen. Am 29. Mai wurde er Chef der Rückwärtigen Dienste in Charkow[7]. 1920 wurde er an die Spitze des von den Sowjets geschaffenen Polnischen Revolutionskomitees im von den Sowjets eroberten Białystok gestellt, das die Aufgabe erhielt, in Polen (das nach den Wünschen der polnischen Kommunisten die Provinz Posen und Oberschlesien an das Deutsche Reich abgeben und Sowjetrussland beitreten sollte) die kommunistische Machtübernahme vorzubereiten. Der polnische Sieg in der Schlacht bei Warschau 1920 machte diese Pläne jedoch zunichte. 1921 schlossen Sowjetrussland und Polen den Frieden von Riga.

Nach diesem Krieg bis zu seinem Tod hatte Dzierżyński verschiedene hohe Funktionen. Er blieb Leiter der Tscheka, die nunmehr Vereinigte staatliche politische Verwaltung (GPU) genannt wurde, war bis 1921 Volkskommissar (Minister) für Innere Angelegenheiten, dann bis 1923 Verkehrsminister. Als Vorsitzender des Obersten Wirtschaftssowjets leitete er seit 1924 den Aufbau vieler Wirtschaftsregionen der Sowjetunion. Im April 1923 gründete er in Moskau die Sportgesellschaft „Dynamo“. Von 1924 bis zu seinem Tod war er Kandidat des Politbüros des Zentralkomitees der KPR(B).

Dzierżyńskis Beerdigung am 30. Juli 1926

Dzierżyński starb 1926 unmittelbar nach einer von ihm gehaltenen Rede vor dem Zentralkomitee an einem Herzinfarkt.[2] Er erhielt ein Staatsbegräbnis und wurde in einem Einzelgrab an der Kremlmauer beerdigt. Außer ihm wurden im Laufe des Bestehens der Sowjetunion lediglich elf weitere Personen auf diese Weise geehrt, wobei Dzierżyński zusammen mit Suslow, Budjonny, Schdanow und Frunse zur kleinen Gruppe jener in Einzelgräbern bestatteten Personen gehört, die weder Staatsoberhäupter der Sowjetunion noch Generalsekretäre der KPdSU waren.

Dzierżyńskis Nachfolger auf dem Posten des Geheimdienstchefs wurde sein Stellvertreter Wjatscheslaw Menschinski, der ebenfalls polnischer Abstammung war.

Nachleben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Denkmal in Salawat
Briefmarkenblock der DDR (1977) zum 100. Geburtstag

Nach seinem Tod und besonders nach 1945 wurden Dzierżyński zu Ehren viele Statuen errichtet. In Warschau wurde ein riesiges Denkmal 1951 vor dem Amtssitz des Stadtrats aufgestellt. Aus diesem Anlass wurde eine Ausstellung eröffnet, in der besonders auf Dzierżyńskis angebliche „Liebe zu den Kindern“ hingewiesen wurde.[8] Dieses Denkmal hatten nicht wenige polnische Landsleute als eine grobe Verletzung ihres Nationalstolzes verurteilt, das bürgerliche Polen sah in ihm einen Volksverräter und feindlichen Agenten. Das Denkmal wurde nach der politischen Wende im November 1989 unter dem Beifall Tausender Schaulustiger demontiert, wobei es zerbrach.[9]

Nach dem Zerfall der Sowjetunion im Dezember 1991 wurden fast alle Denkmäler in Russland entfernt, allen voran das in Moskau vor dem Gebäude der als Gefängnis und GPU-Zentrale dienenden Lubjanka. Die Statue, die bis 1991 vor der Lubjanka stand, befindet sich heute im Skulpturenpark an der Moskwa. In der nach ihm benannten russischen Stadt Dserschinsk nahe Nischni Nowgorod in der Oblast Moskau und in der Stadt Salawat in Baschkortostan gibt es noch Denkmäler zu seinen Ehren, in letzterem Ort auch eine nach ihm benannte Straße.

Ein neues Dzierżyński-Denkmal wurde in Dsjarschynsk in Belarus vom Präsidenten Aljaksandr Lukaschenka errichtet. Außerdem wurde am 26. Mai 2006 in der Militärakademie in Minsk ein neues Dzierżyński-Denkmal eingeweiht, das eine originalgetreue (kleinere) Kopie des ehemaligen Moskauer Denkmals ist. Eine der Hauptstraßen in Minsk trägt außerdem seinen Namen.

Die ukrainische Stadt Kamjanske trug zwischen 1936 und 2016 den Namen Dniprodserschynsk.

Eine Division der Spezialeinheiten des russischen Innenministeriums ist nach ihm benannt.[10] Das Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) der DDR benannte sein Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ nach ihm.

Der durch seine Kameras bekannt gewordene Maschinenbauer FED (ursprünglich FED-Arbeitskommune) wurde nach den Initialen seines Namens benannt.

2017 beschloss die Nationalgarde der Russischen Föderation, der Saratow-Filiale dieser Einrichtung den ursprünglichen Namen „Das Rote-Fahnen-Institut namens Dserschinski F.E.“ zurückzugeben.[11]

Im Frühjahr 2021 fand in Moskau eine Internetabstimmung statt darüber, ob das Denkmal Dzierżyńskis vor der Lubjanka wieder aufgerichtet werden solle. Man konnte zwischen Dzierżyński und einem Denkmal von Fürst Newski wählen. Nach nur zwei Tagen und 320.000 Stimmen, und während Newski in Führung war, wurde die Befragung abgebrochen. Zum Abbruch sagte der Bürgermeister, Denkmäler, die auf den Straßen und Plätzen stehen, sollten die Gesellschaft nicht spalten, sondern vereinen.[12]

Im September 2023 wurde vor dem Sitz des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR eine neue Statue Dzierżyńskis enthüllt. Sie ähnelt dem früheren Denkmal vor der Lubjanka.[13]

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ausgewählte Artikel und Reden 1908–1926. Dietz Verlag Berlin 1953.
  • Ausgewählte Schriften in zwei Bänden. Band I: 1897–1923. Geleitwort von Erich Mielke. (Hrsg.) Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit, Potsdam 1984. (Rote „Tscheka-Reihe“ des MfS)
  • Ausgewählte Schriften in zwei Bänden. Band II: 1924–1926. (Hrsg.) Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit, Berlin 1986. (Rote „Tscheka-Reihe“ des MfS)
  • Pisma wybrane. Wydz. historii partii KC PZPR. [Ausgewählte Schriften] (Hrsg. Tadeusz Daniszewski). Książka i wiedza, Warszawa 1955 (polnisch)

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Filme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Felix Dserschinski – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Две стороны жизни Дзержинского - аверс (Елена Николаевна Егорова) / Проза.ру. Archiviert vom Original am 23. Juni 2012; abgerufen am 12. April 2018.
  2. a b БИОГРАФИЯ ФЕЛИКСА ДЗЕРЖИНСКОГО. Abgerufen am 12. April 2018 (russisch).
  3. S. S. Chromow u. a.: Feliks Dzierzynski. Biographie. Dietz Verlag, Berlin (Ost) 1980, S. 103
  4. vgl. Philipp Ewers: Feliks E. Dzierżyński: Eiserner Tschekist und gefeierter Held. edition berolina, Berlin 2018, Kapitelanfang Dzierżyński als Tscheka-Vorsitzender sowie Jonathan D. Smele: Historical Dictionary of the Russian Civil Wars, 1916–1926, Rowman & Littlefield, 2015, S. 355.
  5. Anne Applebaum: Gulag: A History. Random House LLC, New York City 2007, ISBN 978-0-307-42612-3, S. 45 (englisch, Google Books [abgerufen am 29. Oktober 2019]).
  6. zit. nach Orlando Figes: Die Tragödie eines Volkes. Die Epoche der Russischen Revolution 1892-1924, Berlin Verlag 1998, S. 678
  7. vgl. Zofia Dzierżyńska: Jahre großer Kämpfe, Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1977, S. 318f.
  8. Poznajemy życie Feliksa Dzierżyńskiego pkf 32/51 (Polnische Wochenschau vom 1. August 1951)
  9. Denkmalssturz in Warschau taz.de, 18. November 1989.
  10. AFP und dpa: Kreml lässt Division "Felix Dscherschinski" aufmarschieren. In: zeit.de. 6. Dezember 2011, abgerufen am 21. Dezember 2016.
  11. Саратовский институт вернет себе имя Феликса Дзержинского. Abgerufen am 12. April 2018.
  12. Warum die Behörden ihre Meinung über die Errichtung eines Denkmals für Lubyanka geändert haben, Meduza, 27. Februar 2021
  13. n-tv NACHRICHTEN: Moskau ehrt berüchtigten Tscheka-Chef mit neuer Statue. Abgerufen am 12. September 2023.