Friedrich Schmidt-Ott

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Friedrich Schmidt-Ott, um 1917

Friedrich Gustav Adolf Eduard Ludwig Schmidt-Ott, bis 1920 Schmidt (* 4. Juni 1860 in Potsdam; † 28. April 1956 in Berlin) war ein deutscher Verwaltungsjurist, Politiker und Wissenschaftsorganisator. Er war von August 1917 bis November 1918 preußischer Staatsminister für Kultus und von 1920 bis 1934 der erste Präsident der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft.

Friedrich Schmidt-Ott wurde als Sohn von Albrecht Schmidt und Emilie Schmidt geboren. Sein Vetter war der Montanunternehmer Gustav Jung. Er besuchte von 1866 bis 1873 das Königliche Wilhelms-Gymnasium in Berlin und von 1873 bis 1878 das Kasseler Friedrichsgymnasium, das er als Primus Omnium verließ. Seit dieser Zeit verband ihn eine Freundschaft mit Prinz Wilhelm, dem späteren deutschen Kaiser Wilhelm II., der auch diese Schule besuchte.

Er studierte von 1878 bis 1881 in Berlin, Heidelberg, Leipzig und Göttingen Jura, unter anderem bei Heinrich Brunner und Rudolf von Jhering. Von 1881 bis 1884 war er Referendar. Während dieser Zeit diente er auch als Einjährig-Freiwilliger im Garde-Schützen-Bataillon in Berlin. Später war er Reserveoffizier im Brandenburgischen Jäger-Bataillon Nr. 3 in Lübben.

Nach Jurastudium und Promotion wurde er als Assessor Beamter im höheren Verwaltungsdienst und 1888 Mitarbeiter von Friedrich Althoff im Preußischen Ministerium der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten (Kultusministerium), dessen Nachfolger als Ministerialdirektor der Unterrichtsabteilung er 1907 wurde. Schmidt-Ott wirkte auf zahlreichen Gebieten der Wissenschafts- und Kulturpolitik, so bei den preußischen Museen und Bibliotheken oder der Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft seit 1909. 1902 betraute ihn Wilhelm II. mit der Auswahl der deutschen Rhodes-Stipendiaten.[1] Als Nachfolger August von Trott zu Solz’ wurde er am 6. August 1917 zum preußischen Kultusminister im Kabinett Michaelis ernannt. Dieses Amt übte er bis zur Novemberrevolution 1918 aus.

Schmidt-Ott regte 1920 zusammen mit Fritz Haber die Gründung der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft an und wurde ihr erster Präsident. Sein Vertreter wurde Fritz Haber.[2]

Der Weimarer Republik und ihrer parlamentarischen Demokratie stand er als Monarchist distanziert gegenüber. Zum Skandal in der Tagespresse und auch im Reichstag wurde im Jahr 1927 Schmidt-Otts Eintreten für die Fortsetzung der Förderung des Mathematikprofessors Theodor Vahlen, der zugleich nationalsozialistischer Gauleiter von Pommern war und der wegen demonstrativer Ablehnung des demokratischen Staates seine Stellung an der Universität Greifswald verloren hatte. Die Notgemeinschaft entzog diesem die Förderung erst, nachdem Zeitungen, Parlamentarier, Minister und Parteiführer protestiert und schließlich der preußische Ministerpräsident Otto Braun (SPD) gedroht hatte, anderenfalls die Finanzierung der Notgemeinschaft einzustellen.[3] Schmidt-Ott war Vorsitzender des deutschen Komitees des 1928 gegründeten Russisch-Deutschen Komitee für Rassenforschung, dem unter anderem Ludwig Aschoff, Erich Kallius und Martin Benno Schmidt angehörten. Zuvor hatte im Dezember 1927 bei der Notgemeinschaft unter Anwesenheit Schmidt-Otts eine Besprechung über „Rassenforschung, Blutgruppenforschung und Anthropologische Untersuchungen“.[4]

Schmidt-Ott wurde 1930 zum Ehrenmitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften und der Heidelberger Akademie der Wissenschaften[5] gewählt. Bereits seit 1914 war er Ehrenmitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften.[6] Von 1921 bis 1937 war Schmidt-Ott Mitglied des Senats der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, danach war er Ehrensenator. Seit 1929 amtierte er in der Nachfolge Wilhelm von Bodes als Vorstandsvorsitzender des Kaiser-Friedrich-Museumsvereins, des Fördervereins der Gemäldegalerie und der Skulpturensammlung in den Staatlichen Museen zu Berlin. 1933 wurde er zum Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina gewählt.[7]

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten trat Schmidt-Ott am 17. Mai 1933 gemeinsam mit den übrigen Mitgliedern des Präsidiums der Notgemeinschaft zurück, nachdem wenige Tage zuvor der Vizepräsident Fritz Haber zurückgetreten war. Der Hauptausschuss der Notgemeinschaft folgte der Entscheidung des Präsidiums wenig später. Auf Bitten des Reichsministers des Innern Wilhelm Frick (NSDAP) führte Schmidt-Ott die Geschäfte der Notgemeinschaft kommissarisch weiter. In dieser Zeit entließ die Notgemeinschaft im Hinblick auf das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums eine jüdische Mitarbeiterin; jüdische Mitarbeiter wurden nicht mehr gefördert. Den Nationalsozialisten blieb Schmidt-Ott gleichwohl suspekt. Er galt als Repräsentant des alten, kaiserzeitlichen Systems, der sich bereits 1919 als Opportunist verhalten habe.[8] Winfried Schulze, DFG-Preisträger und Vorsitzender des Wissenschaftsrats, urteilte trotz einer wohlwollenden Würdigung des „Gestalters des deutschen Wissenschaftssystems“: „In dieser kritischen Phase vermisst man auch sein deutliches Eintreten für die jüdischen Mitglieder der scientific community […]. Man wird davon ausgehen müssen, dass Schmidt-Otts Neigung zur staatlichen Macht und seine konservative Grundhaltung ihm keine unüberwindbaren Hindernisse zur Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten in den Weg legten.“[9]

Am 23. Juni 1934 entließ der neu berufene Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Bernhard Rust (NSDAP) Schmidt-Ott als Präsident der Notgemeinschaft. Sein Nachfolger wurde der Physiker und Nationalsozialist Johannes Stark.

Die Mitglieder des Kaiser-Friedrich-Museumsvereins Berlin (KFMV), dem viele Mäzene jüdischer Herkunft angehörten, hatten Schmidt-Ott 1929 als Vorsitzenden gewählt. Versuche der Gleichschaltung des Vereins durch die Reichskammer der bildenden Künste (1933) und die Reichszentrale für wissenschaftliche Berichterstattung (1934) wehrte Schmidt-Ott ab. Auch 1938 teilte er dem Reichswissenschaftsminister Bernhard Rust auf dessen Nachfrage zunächst mit, dass sich eine „genaue Mitgliederliste“ nicht aufstellen lasse. Auf die Drohung des Reichsministers, dass dieser seine Mitgliedschaft beenden und auch seinen Beamten die Mitgliedschaft untersagen würde, teilte Schmidt-Ott dem Rust schließlich mit, dass dem KFMV „keine Juden mehr angehören“, obwohl in den Mitgliederlisten weiterhin jüdische Mitglieder geführt wurden. Der Verein bestand danach bis zum Kriegsende fort und blieb Eigentümer der von ihm erworbenen Kunstschätze.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Schmidt-Ott Ehrenpräsident der 1951 aus der wiedergegründeten Notgemeinschaft und dem Deutschen Forschungsrat hervorgegangenen Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Grabstätte, Königin-Luise-Straße 55, in Berlin-Dahlem

1895 heiratete Friedrich Schmidt die neun Jahre jüngere Luise Margarethe Ott. Seit der Silberhochzeit 1920 nannte er sich Friedrich Schmidt-Ott.

Schmidt-Ott wurde auf dem St.-Annen-Kirchhof in Berlin-Dahlem beigesetzt.

Aktie der Farbenfabriken vorm. F. Bayer & Co. von 1922 mit Faksimileunterschrift vom Aufsichtsrat F. Schmidt-Ott
  • Friedrich Schmidt-Ott: Von den Vorfahren Werden und Erleben eines deutschen Bürgerhauses. 1937
  • Friedrich Schmidt-Ott: Erlebtes und Erstrebtes. 1860–1950. 1952

Archivalische Quellen

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  • Sabine Schilfert: Quelleninventar Friedrich Schmidt-Ott. Inventar archivalischer Quellen mit Bezügen zum Leben, Werk und Wirkung von Friedrich Schmidt-Ott als „Wilhelminer“, als preußischer Staatsbeamter sowie als „Procurator scientiarum“. Berlin 2020, DOI:10.14279/depositonce-9762
  • Sabine Schilfert, Wolfgang König und Ursula Basikow: Quelleninventar Friedrich-Schmidt-Ott. Teil II. Berlin 2022, DOI:10.14279/depositonce-15007
  • Bernhard vom BrockeSchmidt-Ott, Friedrich Gustav Adolf Eduard Ludwig. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 165-167 (Digitalisat).
  • Robert Volz: Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft. Das Handbuch der Persönlichkeiten in Wort und Bild. Band 2: L–Z. Deutscher Wirtschaftsverlag, Berlin 1931, DNB 453960294, S. 1665–1666 (mit Bild).
  • Wieland Schmidt: Friedrich Schmidt-Ott. In: Aus unserer Schule. Nr. 62, 1957, S. 13–19, auch in: Wieland Schmidt, Konrad Kettig: Kleine Schriften. Festgabe der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin für Wieland Schmidt zum 65. Geburtstag. Harrasowitz, Wiesbaden 1969, S. 265–272
  • Wolfgang Treue: Friedrich Schmidt-Ott. In: Wolfgang Treue, Karlfried Gründer (Hrsg.): Berlinische Lebensbilder. Band 3: Wissenschaftspolitik in Berlin. Colloquium-Verlag, Berlin 1987. S. 235–250, ISBN 3-7678-0707-6
  • Dokumente zur Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Ausstellungskatalog zu einer Ausstellung in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin, 1981, Hrsg. Jost Lemmerich), Seite 32.ff
  • Bernd Sösemann: Im Zwielicht bürokratischer „Arisierung“. Der Kaiser Friedrich-Museums-Verein in Berlin und seine jüdischen Mitglieder in der NS-Diktatur. Lexxion Verlagsgesellschaft mbH. Berlin 2016, ISBN 978-3-86965-303-7.
  • Sören Flachowsky: Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat. Stuttgart 2008.
  • Lothar Mertens: „Nur politisch Würdige“. Die DFG-Forschungsförderung Dritten Reich. Berlin 2004.
  • Winfried Schulze: Selbstbild und Fremdbild. Friedrich Schmidt-Ott, ein Gestalter des deutschen Wissenschaftssystems. In: Forschung Band 1 (2005), S. 1–8.
  • Volkskundliche Studien, Friedrich Schmidt-Ott zum siebzigsten Geburtstag dargebracht, Hrsg.: Fritz Boehm und John Meier, Walter de Gruyter & Co., Berlin und Leipzig 1930.
  • Reinhold Seeberg: Friedrich Schmidt-Ott und die deutsche Wissenschaft. In: Gustav Abb (Hrsg.): Aus fünfzig Jahren deutscher Wissenschaft. Die Entwicklung ihrer Fachgebiete in Einzeldarstellungen. de Gruyter, Berlin 1930, S. 1–8.
Commons: Friedrich Schmidt-Ott – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Philip Ziegler, Legacy: Cecil Rhodes, the Rhodes Trust and Rhodes Scholarships. New Haven/London: Yale University Press 2008, S. 47
  2. Ernst Klee: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Karrieren vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-10-039310-4, S. 166, Anm. 15.
  3. Notker Hammerstein: Die deutsche Forschungsgemeinschaft in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. C.H. Beck, München 1999, S. 78–79.
  4. Ernst Klee: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Karrieren vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-10-039310-4, S. 151, 161 und 171, Anm. 128.
  5. Friedrich Schmidt-Ott. Mitgliedseintrag bei der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 23. Juni 2016.
  6. Mitglieder der Vorgängerakademien. Friedrich Schmidt-Ott. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 12. Juni 2015.
  7. Mitgliedseintrag von Friedrich Schmidt-Ott bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 23. Juni 2016.
  8. Sören Flachowsky: Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat. 2008, S. 110–131.
  9. Winfried Schulze: Selbstbild und Fremdbild. Friedrich Schmidt-Ott, ein Gestalter des deutschen Wissenschaftssystems. In: Forschung Band 1 (2005), hier S. 1–8, hier S. 7–8.
  10. Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 215.
  11. https://www.deutsche-biographie.de/sfz38654.html
  12. Archäologischer Anzeiger 1926, Jahresbericht S. I.
  13. Bekanntgabe von Verleihungen des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. In: Bundesanzeiger. Jg. 3, Nr. 250, 29. Dezember 1951.
  14. https://digbib.ubka.uni-karlsruhe.de/volltexte/digital/3/1082.pdf