Hans Urs von Balthasar

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Hans Urs von Balthasar (* 12. August 1905 in Luzern; † 26. Juni 1988 in Basel) war ein Schweizer römisch-katholischer Priester, Theologe und entstammte einer alten Luzerner Patrizierfamilie. Obwohl nie im wissenschaftlichen Betrieb einer Universität tätig, wird er zu den bedeutenden katholisch-theologischen Autoren des 20. Jahrhunderts gerechnet. Balthasar zählt auch zu den Vorbereitern des Zweiten Vatikanischen Konzils, zu dem er „als einziger unter den großen mitteleuropäischen Theologen“[1] nicht als Berater eingeladen wurde. Später wurde er in die nach dem Konzil gegründete Internationale Theologenkommission berufen, die der Kongregation für die Glaubenslehre zugeordnet ist.

Seine Theologie war geprägt durch die Begegnungen mit jesuitischen Philosophen und Theologen wie Erich Przywara, Jean Daniélou und Henri de Lubac, den er auch ins Deutsche übertrug. Beeinflusst wurde er auch von den Philosophen Gustav Siewerth und Ferdinand Ulrich und durch seine langjährige Zusammenarbeit mit der Mystikerin Adrienne von Speyr. Durch seine Veröffentlichungen erschloss er das patristische Erbe neu für die Theologie und den christlichen Glauben. Aufgrund seiner Verdienste beabsichtigte Papst Johannes Paul II. ihn zum Kardinal mit der Titeldiakonie San Nicola in Carcere zu ernennen, er starb jedoch zwei Tage vor der Aufnahme ins Kardinalskollegium. Er wurde bei der Hofkirche in Luzern ohne Zeitfrist begraben.

Leben

Hans Urs von Balthasar besuchte das Jesuitenkolleg Stella Matutina in Feldkirch und studierte ab 1923 in Zürich, Berlin und Wien Germanistik und Philosophie. Im Jahr 1928 promovierte er in Zürich mit Geschichte des eschatologischen Problems in der modernen deutschen Literatur. Am 31. Oktober 1929 trat er ins Noviziat der Gesellschaft Jesu in Feldkirch ein. Nach dem Noviziat war er von 1931 bis 1932 in Pullach tätig. Von 1932 bis 1936 studierte er in Lyon-Fourvière Theologie. Das Tertiat schloss er in Pullach an seine Priesterweihe in München 1936 an. Von 1937 bis 1939 war er Redakteur bei der Ordenszeitschrift Stimmen der Zeit. 1950 verließ er den Jesuitenorden wieder. Balthasar war ab 1940 in Basel Studenten- und Akademikerseelsorger.

Zusammen mit Adrienne von Speyr gründete er am 8. Dezember 1944 das Säkularinstitut der Johannesgemeinschaft. In Zürich und Basel war er danach als Schriftsteller und Leiter des Johannesverlags tätig. Ein Konflikt mit dem Jesuitenorden ließ Balthasar in den 1950er Jahren als theologischen Außenseiter erscheinen. Zeitweilig war er sogar Priester ohne kirchenrechtliche Zuordnung.

Balthasar legte ein umfangreiches theologisches Werk vor. Als einer der gebildetesten theologischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts hielt sich Balthasar aber von einer Professur fern. Einen Ruf als Professor für Fundamentaltheologie an die Katholisch-Theologische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Nachfolger von Heinrich Fries lehnte er 1960 ab, den Lehrstuhl übernahm dann stattdessen Hans Küng. Als Gründer von Säkularinstituten blieb er im Vergleich zu seiner theologischen Akzeptanz unbekannt.

Ehrungen

Werke

Das literarische Werk von Balthasars hat folgenden Umfang: rund 90 eigene Bücher, 100 Übersetzungen, 550 Aufsätze, 15 Auswahlausgaben klassischer Autoren. Dazu betreute er als Herausgeber 13 Schriftenreihen.[2]

Einen Gesamtüberblick bietet der Johannes-Verlag: Werke von und über Hans Urs von Balthasar

Eine Auswahl früherer Werke:

  • Apokalypse der deutschen Seele. 3 Bände. Pustet, Salzburg/Leipzig 1937–39
  • Das Herz der Welt. Arche, Zürich 1945
  • Therese von Lisieux. Geschichte einer Sendung. Hegner, Köln 1950
  • Karl Barth. Darstellung und Deutung seiner Theologie. Hegner, Köln 1951
  • Reinhold Schneider. Sein Weg und sein Werk. Hegner, Köln 1953
  • Bernanos. Hegner, Köln 1954
  • Einsame Zwiesprache. Martin Buber und das Christentum. Hegner, Köln 1958; Johannes, Einsiedeln 2. A. 1993, ISBN 3-89411-314-6

Seine große theologische Trilogie besteht aus:

  • Herrlichkeit. Eine theologische Ästhetik. 3 Bände. Johannes, Einsiedeln 1961–69
  • Theodramatik. 4 Bände. Johannes, Einsiedeln 1971–83
  • Theologik. 3 Bände. Johannes, Einsiedeln 1985–87
  • Epilog. Johannes, Einsiedeln 1987

Eine Auswahl weiterer Werke:

  • Skizzen zur Theologie. 5 Bände. Johannes, Einsiedeln 1960–86
  • Erster Blick auf Adrienne von Speyr. Johannes, Einsiedeln 1968

Zeitschrift Communio

1972 gründeten v. Balthasar, Joseph Ratzinger (2005–2013 Papst Benedikt XVI.), Karl Lehmann, Franz Greiner, Otto B. Roegele, Albert Görres und Hans Maier die Internationale katholische Zeitschrift Communio. Sie erscheint (Stand 2017) in 17 Ausgaben für verschiedene Länder[3] und gilt als eine der wichtigsten katholisch-theologischen Zeitschriften.

Posthumes

2005 wurde seines 100. Geburtstages gedacht.[4][5]

Es gibt die Hans Urs von Balthasar-Stiftung, eine Schweizer Stiftung. Stiftungszweck ist die Erhaltung und Verbreitung des philosophischen, theologischen und literarischen Werkes Hans Urs von Balthasars, namentlich durch

  • Unterstützung aller Tätigkeiten, die – in Zusammenarbeit mit der Johannesgemeinschaft – der Sammlung, Ordnung, Auswertung und – soweit tunlich – der öffentlichen Zugänglichmachung seines Nachlasses dienen,
  • Förderung des Schrifttums von und über Hans Urs von Balthasar; Studienbeihilfen, Publikationsbeiträge.
  • Aufbau eines internationalen Korrespondenten- und Freundeskreises auch in ökumenischen Belangen.[6]

Literatur

Sammlung von Sekundärliteratur zu Hans Urs von Balthasar

  • Otmar Meuffels: Einbergung des Menschen in das Mysterium der dreieinigen Liebe. Eine trinitarische Anthropologie nach Hans Urs von Balthasar. Echter, Würzburg 1991, ISBN 3-429-01391-7.
  • Elio Guerriero: Hans Urs von Balthasar. Eine Monographie. Johannes, Einsiedeln 1993, ISBN 3-89411-317-0.
  • Manfred Lochbrunner: Hans Urs von Balthasar als Autor, Herausgeber und Verleger. Fünf Studien zu seinen Sammlungen (1942–1967) Echter, Würzburg 2002, ISBN 3-429-02440-4.
  • Manfred Lochbrunner: Hans Urs von Balthasar und seine Philosophenfreunde. Fünf Doppelporträts. Echter, Würzburg 2005, ISBN 3-429-02740-3.
  • Werner Löser: Kleine Hinführung zu Hans Urs von Balthasar. Herder, Freiburg im Breisgau 2005, ISBN 3-451-28781-1.
  • Hans Urs von Balthasar: Bibliographie 1925–2005, neu bearbeitet und ergänzt von Cornelia Capol und Claudia Müller. Johannes, Einsiedeln 2005, ISBN 3-89411-029-5.
  • Sonderheft der Zeitschrift Communio über Hans Urs von Balthasar. Schwabenverlag, Ostfildern 2005 (Heft 2), ISSN 1439-6165.
  • Walter Kasper (Hrsg.): Logik der Liebe und Herrlichkeit Gottes. Hans Urs von Balthasar im Gespräch. Festgabe für Karl Kardinal Lehmann zum 70. Geburtstag. Matthias-Grünewald, Ostfildern 2006, ISBN 3-7867-2601-9.
  • Manfred Lochbrunner: Hans Urs von Balthasar und seine Literatenfreunde. Neun Korrespondenzen. Echter, Würzburg 2007, ISBN 3-429-02913-9.
  • Ioan Moga: Hans Urs von Balthasar: ein ekklesiologisches Alternativprogramm. In: Cornelius Keppeler, Justinus C. Pech (Hrsg.): Zeitgenössische Kirchenverständnisse. Acht ekklesiologische Porträts. Heiligenkreuz 2014, ISBN 978-3-902694-64-5, S. 26–58.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Guerriero, S. 11
  2. Nach Stephan Pauly (Hrsg.): Theologen unserer Zeit. Kohlhammer, Stuttgart 1997, S. 38
  3. Internationale Ausgaben von Communio. Abgerufen am 24. Januar 2017.
  4. www.communio-icr.com (Memento vom 30. April 2013 im Internet Archive)
  5. Stefan Hartmann: Würdigung (2005)
  6. www.balthasar-stiftung.org