Hermann Brill

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Hermann Brill (1930)

Hermann Louis Brill (* 9. Februar 1895 in Gräfenroda; † 22. Juni 1959 in Wiesbaden) war ein deutscher Politiker (USPD, SPD), Widerstandskämpfer, Hochschullehrer und Publizist. Er war zwischen 1919 und 1953 während der Zeit des Kaiserreichs, der Weimarer Republik und der Bundesrepublik in verschiedenen Parlamenten Abgeordneter. Von Juni bis Juli 1945 war Brill unter amerikanischer Besatzung Regierungspräsident von Thüringen, von Juli 1946 bis September 1949 Chef der Hessischen Staatskanzlei unter den Ministerpräsidenten Karl Geiler und Christian Stock.

Leben und Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Herkunft und Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hermann Brill wurde im thüringischen Gräfenroda als ältestes von fünf Kindern eines Schneidermeisters geboren. Von 1901 bis 1909 besuchte er die Bürgerschule in Ohrdruf und von 1909 bis 1914 das Herzog-Ernst-Seminar in Gotha, um Lehrer zu werden. Das erste Lehrerexamen legte er 1914, das zweite 1920 ab. Zwischenzeitlich nahm er als Offiziersanwärter bei der Feldluftschifftruppe am Ersten Weltkrieg teil. Danach arbeitete er bis 1921 als Lehrer an einer Volksschule und war anschließend als Hilfsreferent beim Thüringischen Ministerium für Volksbildung beschäftigt. Von 1921 bis 1923 war er als Staatsrat Mitglied der Thüringer Landesregierung unter August Frölich.[1] Zwischen 1923 und 1924 war er Ministerialdirektor im Thüringischen Ministerium des Innern und dort für die Polizei- und die politische Abteilung verantwortlich. Als Beamter im Wartestand studierte Brill von 1924 bis 1926 Rechtswissenschaften, Politische Ökonomie, Soziologie und Philosophie in Jena, wo er 1929 zum Doktor der Rechtswissenschaften promoviert wurde.

Landtagsabgeordneter und Mitglied des Reichstags[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sein politisches Engagement begann 1918, als er in die USPD eintrat. 1919 wurde er in die Landesversammlung des Freistaates Gotha des damals noch selbständigen Freistaates Sachsen-Gotha gewählt. Nach Bildung des Landes Thüringen 1920 wurde er dort Landtagsabgeordneter. 1922 verließ er die USPD und wechselte zur SPD. Brill blieb im Landtag, bis ihm – wie allen Sozialdemokraten – 1933 zu Beginn der Zeit des Nationalsozialismus das Mandat entzogen wurde. Von Juli bis November 1932 war Brill außerdem Mitglied des Reichstages.

Widerstand und Verfolgung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem im Januar 1930 eine bürgerlich-nationalsozialistische Koalition die Regierung in Thüringen übernommen hatte, begann für Brill der Kampf gegen den Nationalsozialismus. Als Mitglied des thüringischen Staatsgerichtshofes sowie als Landtagsabgeordneter kämpfte er vor allem gegen die Politik des nationalsozialistischen Innen- und Volksbildungsministers Wilhelm Frick.

Als Vorsitzender eines Untersuchungsausschusses, den der thüringische Landtag zur Untersuchung der Praktiken Fricks 1932 eingesetzt hatte, lud Brill auch Adolf Hitler als Zeugen vor. Während der Befragung, die für Hitler lediglich 30 Minuten dauerte und bei der sich der Zeuge an die meisten Sachverhalte „nicht mehr erinnern“ konnte, brachten Brill und andere Ausschussmitglieder Hitler mit ihren detaillierten Fragen derart in Rage, dass Hitler und die ihn begleitenden NS-Parteigenossen mehrfach zur Ordnung gerufen werden mussten. Brill charakterisierte das Bild, das der „Führer“ und seine NS-Entourage abgaben, wie folgt: „Ich hatte in dieser Szene den Hysteriker Hitler ohne Maske gesehen. […] Goebbels war wie ein Schuljunge auf seinen Stuhl gesprungen. […] Das Bild ähnelte einer randalierenden Schulklasse.“[2]

Nachdem Hitler in Deutschland an die Macht gekommen war, trat Brill im Mai 1933 aus der SPD aus, weil er von der passiven Haltung der Sozialdemokraten gegenüber Hitler enttäuscht war. Ein Jahr später gründete er in Berlin zusammen mit Otto Brass und Oskar Debus die Widerstandsgruppe Deutsche Volksfront, zuvor war er führend in der Widerstandsbewegung Neu Beginnen tätig. Brill schrieb während dieser Zeit Aufsätze und Flugblätter und wurde mehrfach von der Gestapo verhaftet. Die NS-Organe verurteilten ihn schlussendlich wegen Hochverrats zu zwölf Jahren Zuchthaus und sperrten ihn in das Zuchthaus Brandenburg-Görden.

KZ Buchenwald und das Buchenwalder Manifest[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ende 1943 wurde er ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Dort gründete er am 5. Juli 1944 ein illegales Volksfrontkomitee und wurde dessen Vorsitzender. Weitere Mitglieder waren Werner Hilpert, Walter Wolf und Ernst Thape. Auf Brills Initiative hin fand am 19. April 1945 nach der Befreiung des KZ Buchenwald ein Treffen statt, auf dem das Buchenwalder Manifest der demokratischen Sozialisten verabschiedet wurde.

Regierungspräsident in Thüringen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gedenktafel für Hermann Brill in Weimar, William-Shakespeare-Straße 8

Nach der Befreiung aus dem Lager entwickelte er im Auftrag der damals noch amerikanischen Besatzungsmacht einen Plan zum administrativen Wiederaufbau Thüringens. Im Mai 1945 gründete er den Bund demokratischer Sozialisten. Nach Ansicht Brills hatten sowohl SPD als auch KPD in der Weimarer Republik versagt. Um den demokratischen Sozialismus zu verwirklichen, mussten nach seiner Auffassung beide Parteien miteinander verschmelzen. Im Juni 1945 wurde er zum Thüringer Regierungspräsidenten ernannt, verlor aber dieses Amt bereits im Juli wieder, nachdem Thüringen Teil der sowjetischen Besatzungszone geworden war. Seine Vorstellungen über den Neubeginn der deutschen Arbeiterbewegung kollidierten mit denen der sowjetischen Besatzungsmacht. Zweimal wurde Brill verhaftet und verhört. In seiner Heimat Thüringen konnte er weder politisch noch beruflich Fuß fassen. Ende 1945 verließ er Thüringen und ging bald nach Hessen.

Chef der Staatskanzlei und Verwaltungsreform in Hessen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vom Juli 1946 bis 1949 war er Chef der Hessischen Staatskanzlei. Er schloss sich erneut der SPD an. Die Hessische Landesregierung rief am 31. März 1947 eine Kabinettskommission zur Vorbereitung der Verwaltungsreform ins Leben; Vorsitzender der Kommission war Hermann Brill. Die Ergebnisse der Kommission[3], insbesondere die Auflösung von „Zwerggemeinden“ unter 300 Einwohnern und die Reduzierung der Zahl der Landkreise auf 31 waren Grundlage einer permanenten Reform[4], die schließlich mit der Territorialreform von 1972 bis 1977 ihren Abschluss fand.

Herrenchiemsee und Grundgesetz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1948 war er Mitglied des Verfassungskonvents in Herrenchiemsee und arbeitete am Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland mit. Von 1949 bis 1953 war er für die SPD Mitglied des Deutschen Bundestags und u. a. im Auswärtigen Ausschuss, im Rechts- und Verfassungsausschuss und im Berlin- und Gesamtdeutschen Ausschuss tätig. Er wurde im Wahlkreis Frankfurt am Main I direkt ins Parlament gewählt. 1949 wurde Brill erster Vorsitzender des Königsteiner Kreises, einer Vereinigung früherer Juristen, Volkswirte und Beamter aus der SBZ und DDR.

Grabmal Hermann Brills
Gedenktafel am Haus Karlsruher Straße 13 in Berlin-Wilmersdorf

Professor in Frankfurt am Main und Speyer; der „Fall Brill“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Später unterrichtete Hermann Brill als Honorarprofessor an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main und als Lehrbeauftragter an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer Staatslehre und Verfassungsgeschichte.[5][6]

Wegen seiner von Kultusminister Erwin Stein 1947 erfolgten Berufung als Honorarprofessor für Öffentliches Recht kam es zu einer von der Öffentlichkeit stark beachteten, heftigen und jahrelangen Auseinandersetzung mit der Universität Frankfurt unter dem konservativen Rektor Walter Hallstein. Im Verlauf des Konflikts trat ein Staatssekretär zurück, die oppositionelle LDP (die spätere FDP) brachte zwei Große Anfragen im Hessischen Landtag ein und setzte 1950 einen Untersuchungsausschuss durch.

Mehrere Gutachten, die die Frankfurter Universität einholte, unter anderem in New York bei dem hochangesehenen Staatsrechtler Franz Neumann, kamen alle zu einem positiven Ergebnis für Hermann Brill, so dass keine Vorwürfe einer mangelnden Qualifikation erhoben werden konnten. Vielmehr lag neben dem von der Frankfurter Universität erhobenen Anspruch einer absolut autonomen Berufungspolitik auch die Vermutung von politischen Motiven gegenüber dem Vertreter einer „Linksregierung“ nahe.[7]

In seinem letzten Lebensjahrzehnt verfasste Brill zahlreiche Publikationen zu Themen wie den Rechtsfragen der Wiedervereinigung und einer Verwaltungsreform.

Hermann Brill war mit Martha Brill, geb. Pluskat (1904–1980) verheiratet. Er wurde auf dem Nordfriedhof Wiesbaden beerdigt.

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Wiesbaden, Frankfurt am Main und Erfurt sind Straßen und in Weimar ist ein Platz nach ihm benannt. Das Haus der Friedrich-Ebert-Stiftung Thüringen in Erfurt ist ebenfalls nach Hermann Brill benannt.

Im August 2009 enthüllte die damalige Präsidentin des Thüringer Landtags Dagmar Schipanski im Foyer des Fraktionsgebäudes eine Gedenktafel mit den Worten: Der Thüringer Landtag gedenkt aller verfolgter Politiker des Landes Thüringen 1945 – 1952, unter denen folgende drei Politiker benannt und porträtiert sind: Hermann Becker (LDP), Hermann Brill (SPD) und Hugo Dornhofer (CDU).

Außerdem trägt der von der SPD-Fraktion genutzte Sitzungssaal F 003 im Thüringer Landtag den Namen Hermann-Brill-Saal.

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gerhard Beier: Arbeiterbewegung in Hessen. Zur Geschichte der hessischen Arbeiterbewegung durch einhundertfünfzig Jahre (1834–1984). Insel, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-458-14213-4, S. 384–385.
  • Bernd FlorathBrill, Hermann. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
  • Marlis Gräfe, Bernhard Post, Andreas Schneider (Hrsg.): Die Geheime Staatspolizei im NS-Gau Thüringen 1933–1945 (= Quellen zur Geschichte Thüringens. Bd. 24, Halbbd. 2). 3., unveränderte Auflage. Landeszentrale für Politische Bildung Thüringen, Erfurt 2005, ISBN 3-931426-83-1, darin Biografie von Hermann Brill, (PDF; 1,47 MB).
  • Renate Knigge-Tesche, Peter Reif-Spirek (Hrsg.): Hermann Louis Brill (1895–1959). Widerstandskämpfer und unbeugsamer Demokrat. Thrun-Verlag, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-9809513-6-4.
  • Siegfried Mielke (Hrsg.) unter Mitarbeit von Marion Goers, Stefan Heinz, Matthias Oden, Sebastian Bödecker: Einzigartig. Dozenten, Studierende und Repräsentanten der Deutschen Hochschule für Politik (1920–1933) im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Lukas-Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-86732-032-0, S. 228–235.
  • Ronny Noak, „Die Begeisterung allein macht es nicht.“ Nachwirkungen der Weimarer Schulungsarbeit, in: Sebastian Elsbach / Ders. / Andreas Braune (Hrsg.): Konsens und Konflikt. Demokratische Transformation in der Weimarer und Bonner Republik, Franz Steiner, Stuttgart 2019, S. 47–59, hier S. 50–52.
  • Manfred Overesch: Hermann Brill in Thüringen 1895–1946. Ein Kämpfer gegen Hitler und Ulbricht (= Politik- und Gesellschaftsgeschichte. Bd. 29, ISSN 0941-7621). Dietz, Bonn 1992.
  • Otto Renkhoff: Nassauische Biographie. Kurzbiographien aus 13 Jahrhunderten. 2. Auflage. Historische Kommission für Nassau, Wiesbaden 1992. ISBN 3-922244-90-4, S. 83, Nr. 470.
  • Eberhard Schulz: Hermann Brill 1933 – Irritationen und neues Suchen. In: Funktionsträger in Staat und Parteien im Entscheidungsjahr 1933. Der 30. Januar 1933 im Spiegel deutscher Biographien. Konferenzbeiträge, Teil I. Pankower Vorträge 114, Helle Panke, Berlin 2008, S. 47–50.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Hermann Brill – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. 2. Sitzung, Weimar, Freitag, den 7. Oktober. In: Stenographische Berichte über die Sitzungen des II. Landtags von Thüringen. Band 1, S. 9–28 (uni-jena.de [abgerufen am 11. Mai 2019]).
  2. Manfred Overesch: Die Einbürgerung Hitlers 1930, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 40. Jg., H. 4, München 1992, S. 562 f.
  3. Die Verwaltungsreform in Hessen, Wiesbaden 1947 (Band I), 1948 (Band II-Materialien)
  4. HdMI (Hrsg.): Verwaltungsreform in Hessen – Bestandsaufnahme, Maßnahmen, Überlegungen, Vorausschau, Carl Ritter & Co., Wiesbaden 1968 S. 7 f.
  5. Dietfrid Krause-Vilmar: Hermann Brill und die Gründung des Instituts für Zeitgeschichte. In: Newsletter zur Geschichte und Wirkung des Holocaust. (= Informationen des Fritz Bauer Instituts. 29). Herbst 2006, S. 19–23 (online, PDF; 65,6 kB).
  6. Hermann Louis Brill, Artikel in MDR-Zeitreise (Memento vom 14. September 2014 im Internet Archive)
  7. So die Untersuchung von Wolf-Arno Kropat: Der Konflikt zwischen Kultusminister Stein und der Universität Frankfurt um eine demokratische Hochschulreform und der „Fall Brill“ (1947–1950). In: Nassauische Annalen 113 (2002), S. 505–539, hier: S. 522