Kreis Memel

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Landkreis Memel

Der preußische Kreis Memel war der nördlichste Landkreis des Deutschen Reiches und bestand von 1818 bis 1944. Von 1920 bis 1939 gehörte er jedoch zum von Deutschland abgetrennten Memelgebiet. Er umfasste am 1. Oktober 1944 75 kleinere Gemeinden in der Umgebung der Stadt Memel. Das Gebiet gehört heute zu Litauen, Memel ist dort Verwaltungssitz des Distrikts Memel (Klaipėdos apskritis).

Natur

Das Kreisgebiet umfasste die nördlichsten Gebiete Preußens und des Deutschen Reichs. Es bestand aus einem Stück Festland am nördlichen Ende des Kurischen Haffs und dessen Mündung in die Ostsee im Stadtgebiet von Memel (Memeler Tief) sowie aus dem nördlichsten Stück der Kurischen Nehrung, der langen schmalen Landzunge, die Haff und Ostsee voneinander trennt.

Der größte Fluss im Kreisgebiet war die Minge, die u. a. durch Prökuls fließt. Von der Minge beim Dorf Lankuppen bis zum Kurischen Haff im Hafen von Memel führte der 1863–1873 erbaute König-Wilhelm-Kanal.

Verkehr

Durch das Kreisgebiet führte eine von der Preußischen Staatseisenbahn betriebene Strecke von Tilsit über Pogegen und Heydekrug nach Memel. Der Bahnhof Memel wurde am 1. Juni 1875 ans Eisenbahnnetz angeschlossen. Die Strecke wurde 1892 bis zur russischen (litauischen) Grenze bei Bajohren (Deutsch Krottingen) verlängert.

Die Memeler Kleinbahn AG betrieb von 1904 bis 1934 die Memeler Straßenbahn mit zwei Linien sowie ein 1905 eröffnetes Kleinbahnnetz mit drei Linien, die nach Plicken, Laugallen und Pöszeiten führten, drei kleinen Orten an der russischen Grenze. Während der litauischen Besetzung des Memellands wurde 1932 eine Bahnlinie nach Schaulen und damit ins litauische Hinterland eröffnet.

Auf der Haffseite der Kurischen Nehrung verkehrte die Cranz–Memel–Linie. Die Stationen Nidden und Schwarzort lagen im Kreisgebiet. Für Russlands Ausfuhren war Memel der wichtigste Seehafen an der deutschen Ostseeküste.

Die Reichsstraße 132 führte von Tilsit über Heydekrug in den Landkreis und dort über Prökuls und Memel bis in das nördlichste Dorf Deutschlands, nach Nimmersatt„da wo das Reich ein Ende hat“. Dort bestand ein Grenzübergang ins litauische Polangen.

Bevölkerung

Jahr Anzahl Bemerkungen
1836 37.350 [1]
1890 59.410
1900 59.797
1905 61.018 Sprachen: 33.508 Deutsch, 26.328 Litauisch; Religion: 56.975 Evangelische, 2.384 Katholiken, 981 Juden[2]
1910 61.972

Kreisgrenzen

Der Kreis Memel grenzte an den Landkreis Heydekrug. Auf der Kurischen Nehrung bestand außerdem eine kurze Landgrenze zum Kreis Fischhausen.

Auf dem Festland lag die Südgrenze des Kreises etwa in Höhe von 55° 30' n. Br., südlich des Dorfs Lankuppen, zwischen Prökuls und Heydekrug. Auf der Nehrung reichte das Kreisgebiet deutlich weiter nach Süden, so dass Nidden noch zum Kreisgebiet gehörte.

Im Norden und Osten grenzte das Kreisgebiet bis 1918 an das Russische Reich (Gouvernement Kowno), danach an das unabhängig gewordene Litauen, das wiederum 1940 von der Sowjetunion und 1941 von Nazideutschland besetzt wurde. Im Westen grenzte der Landkreis an die Ostsee.

Der Landkreis Memel gehörte zum Regierungsbezirk Königsberg. Die Lage war vergleichsweise isoliert, denn die nächstgelegenen Kreise Heydekrug und Niederung zählten zum Regierungsbezirk Gumbinnen. Nur die Kurische Nehrung verband den Landkreis Memel mit dem Rest des Regierungsbezirks.

Verwaltungsgeschichte

Königreich Preußen

Mit den preußischen Verwaltungsreformen nach dem Wiener Kongress entstand zum 1. Februar 1818 der Kreis Memel im Regierungsbezirk Königsberg in der Provinz Preußen (nicht: Ostpreußen).

Dieser umfasste die Kirchspiele:

Das Landratsamt war in Memel. Seit dem 3. Dezember 1829 gehörte der Kreis – nach dem Zusammenschluss der bisherigen Provinzen Preußen (nicht: Ostpreußen) und Westpreußen – zur neuen Provinz Preußen mit dem Sitz in Königsberg i. Pr. Seit dem 1. Juli 1867 gehörte der Kreis zum Norddeutschen Bund und ab 1. Januar 1871 zum Deutschen Reich. Nach der Teilung der Provinz Preußen in die neuen Provinzen Ostpreußen und Westpreußen wurde der Kreis Memel am 1. April 1878 Bestandteil Ostpreußens. Während des Ersten Weltkrieges besetzten russische Truppen am 18. März 1915 die Stadt und den Landkreis Memel, diese wurden jedoch am 21. März 1915 von deutschen Truppen zurückerobert. Am 1. April 1918 schied die Stadtgemeinde Memel – unter gleichzeitiger Eingemeindung der Landgemeinden Bommelsvitte, Janischken und Schmelz – aus dem Kreisgebiet aus und bildete fortan einen eigenen Stadtkreis. Seitdem führte der Kreis Memel die Bezeichnung Landkreis. Von 1899 bis 1944 bestand das Lepraheim Memel, das einzige in Deutschland.

Memelgebiet

Mit dem Inkrafttreten des Versailler Vertrages am 10. Januar 1920 fiel der Landkreis Memel an das neu errichtete Memelgebiet. Am 10. Januar 1923 wurde das Memelgebiet von litauischen Truppen besetzt und am 7. Mai 1923 unter litauische Oberhoheit gestellt.

1925 hatte die Stadt Memel (lit. Klaipéda) 35.927 Einwohner. Außer ihr gab es 14 Gemeinden mit mehr als 500 Einwohnern:

Hafen von Nidden
Nimmersatt, das ehemals nördlichste Dorf Deutschlands

In den Folgejahren fanden kleinere Grenzkorrekturen zu Gunsten des Stadtkreises Memel statt, und zwar am:

  • 24. Mai 1922: Eingliederung des Gutsbezirks Süderspitze (teilweise),
  • 1. Oktober 1922: Eingliederung des Gutsbezirks Rumpischken,
  • 30. April 1931: Eingliederung des Gutsbezirks Charlottenhof.

Seit 1939

Am 22. März 1939 wurde das Memelgebiet mit dem Landkreis Memel durch das Deutsche Reich besetzt und in den Regierungsbezirk Gumbinnen in der Provinz Ostpreußen eingegliedert.

Im Oktober 1944 wurde das Kreisgebiet durch die Rote Armee besetzt und wieder Teil der Sowjetunion. Es kam an die Litauische Sozialistische Sowjetrepublik. Seit der Auflösung der Sowjetunion liegt das ehemalige Kreisgebiet in Litauen.

Landräte

Sanddünen auf der Kurischen Nehrung
  • 1818–1834: Ernst Flesche
  • 1834–1834: Tolcksdorff (kommissarisch)
  • 1834–1850: Wilhelm Martin Waagen
  • 1850–1851: Frenzel-Beyme (kommissarisch)
  • 1851–1862: Friedrich Wilhelm Theodor Dieckmann
  • 1862–1868: Hugo Schultz (1835–1905)
  • 1868–1870: von Röder
  • 1870–1883: Alfred von Gramatzki (1834–1888)
  • 1884–1918: Heinrich Cranz
  • 1918–1924: Hans Honig
  • 1939–1940:
  • 1940–1944: Georg Kohlhoff

Kommunalverfassung

Der Kreis gliederte sich zunächst in die Stadtgemeinde Memel, in Landgemeinden und in selbstständige Gutsbezirke. Diese kommunale Gliederung blieb auch im Wesentlichen in der memelländischen Zeit bestehen.

Die Entwicklung, die in den 1920er und 1930er Jahren in Preußen stattgefunden hatte, wurde nach der Rückgliederung am 1. Mai 1939 nachgeholt. Zu diesem Zeitpunkt wurde die im Deutschen Reich bereits längere Zeit gültige Deutsche Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 eingeführt, welche die Durchsetzung des Führerprinzips auf Gemeindeebene vorsah. Am gleichen Tage fand eine Gebietsreform statt, bei der nahezu alle bisher selbstständigen Gutsbezirke aufgelöst und benachbarten Gemeinden zugeteilt wurden; ferner wurde die Zahl der Gemeinden durch Zusammenlegungen erheblich verringert. Auch die Zusammenfassung der Gemeinden in Amtsbezirke änderte sich.

Eine neue Kreisverfassung wurde nicht mehr geschaffen; es galt weiterhin die Kreisordnung für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 19. März 1881.

Ortsnamen

Eine radikale Eindeutschung der memelländisch/litauisch/kurischen Ortsnamen war vorbereitet, wurde aber bis Kriegsende nicht mehr durchgeführt.

Siehe auch

Literatur

  • Gustav Neumann: Geographie des Preußischen Staats. 2. Auflage, Band 2, Berlin 1874, S. 8–9, Ziffer 1.
  • Preußisches Finanzministerium: Die Ergebnisse der Grund- und Gebäudesteuerveranlagung im Regierungsbezirk Königsberg: Berlin 1966, Kreis Memel, S. 1–35.
  • Adolf Schlott: Topographisch-statistische Uebersicht des Regierungs-Bezirks Königsberg, nach amtlichen Quellen. Hartung, Königsberg 1861, S. 152-162.
  • Leopold Krug: Die Preussische Monarchie; topographisch, statistisch und wirthschaftlich dargestellt. Nach amtlichen Quellen. Teil I: Provinz Preussen. Berlin 1833, S. 186–240.
  • Wolfgang von Tabouillot: Die Autonomie des Memelgebietes. Adelsblatt, 1939.
  • Michael Rademacher: Ostpreußen: Stadt- und Landkreis Memel. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.

Einzelnachweise

  1. Deutschland und seine Bewohner. Ein Handbuch der Vaterlandskunde für alle Stände, bearbeitet von K. Fr. Vollrath Hoffman (Stuttgart 1836), S. 349.
  2. Gemeindelexikon für das Königreich Preußen. Auf Grund der Materialien der Volkszählung vom 1. Dezember 1905 und anderer amtlicher Quellen bearbeitet vom Königlich Preußischen Statistischen Landesamte. Heft I. Provinz Ostpreußen, S. 310–311.

Koordinaten: 55° 38′ N, 21° 15′ O