Wolfram Eilenberger

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Wolfram Eilenberger (2016)

Wolfram Eilenberger (* 7. August 1972 in Freiburg im Breisgau) ist ein deutscher Publizist und Philosoph.

Leben und Wirken

Ausbildung

Eilenberger studierte Philosophie, Psychologie und Romanistik in Heidelberg, Turku und Zürich. 2008 wurde er in Zürich mit einer von Michael Hampe betreuten Arbeit zur Kulturphilosophie Michail Bachtins zum Doktor der Philosophie promoviert.

Tätigkeit

Eilenberger ist seit 1999 als Publizist tätig, unter anderem mit seinen Kolumnen Ethikrat in der Wochenzeitung Die Zeit und Live aus dem Elfenbeinturm im Berliner Tagesspiegel. In den Jahren 2003 bis 2010 arbeitete er als Philosophischer Korrespondent für das Monatsmagazin Cicero.

Eilenbergers publizistisches Schaffen zeichnet sich durch eine Anwendung philosophischer Perspektiven auf Fragen der Politik, der Alltagskultur und des Sports aus. Darüber hinaus ist er Autor zahlreicher philosophischer Sachbücher, die in verschiedene Sprachen übersetzt wurden. Im Frühjahr 2010 erschien bei Blanvalet sein Buch „Finnen von Sinnen: Von einem, der auszog, eine finnische Frau zu heiraten“, das 17 Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste (Sachbuch) stand. Das Buch erschien im Frühjahr 2011 bei Siltala Publishing unter dem Titel Minun suomalainen vaimoni auf Finnisch und entwickelte sich in Finnland ebenfalls rasch zum Bestseller.

2009 erschien Eilenbergers Dissertation über Bachtins Philosophie unter dem Titel Das Werden des Menschen im Wort. Das Buch wurde von Bachtin-Herausgeber Rainer Grübel als "Beitrag zu einer Philosophie der Humankommunikation als Grundlage einer Kulturtheorie" gewürdigt, aber aus philologischer Sicht kritisiert. So habe Eilenberger lediglich mit überwiegend englischen Übersetzungen gearbeitet und die russischsprachige Sekundärliteratur übergangen.[1]

Von 2010 bis 2012 hatte Eilenberger Lehraufträge an der University of Toronto, Kanada. Er ist mit der Fennistin und ehemaligen finnischen Basketballnationalspielerin Pia Päiviö[2] verheiratet. Eilenberger lebt mit seiner Familie in Berlin und Kopenhagen.

Im Jahre 2011 wurde Eilenberger für sein Buch „Philosophie für alle, die noch etwas vorhaben“ (Berlin Verlag) mit dem Mindelheimer Philosophiepreis ausgezeichnet.[3]

Er war Chefredakteur des Philosophie Magazins[4] und ist seit November 2017 Programmleiter des Berliner Verlags Nicolai Publishing & Intelligence.[5]

Sachbuch "Zeit der Zauberer" (2018)

Eilenbergers jüngstes Buch "Zeit der Zauberer - Das große Jahrzehnt der Philosophie 1919-1929" erschien im März 2018. Das Werk, in dessen Zentrum die Philosophen Ludwig Wittgenstein, Ernst Cassirer, Walter Benjamin und Martin Heidegger stehen, fand sich nach der Veröffentlichung mehr als sieben Monate auf der Spiegel-Bestsellerliste. Es wurde in mehrere Sprachen übersetzt und fand sich auch auf den Bestsellerlisten Italiens und Spaniens.

Rezeption

"Zeit der Zauberer" erhielt national wie international viel positive Aufmerksamkeit. So sprach Micha Brumlik in der taz von einem "Buch, das auf lange Zeit seinesgleichen suchen wird"[6]. El País lobte, der Autor "verbinde Biographie und Ideengeschichte mit bewundernswertem erzählerischen Geschick"[7]. La Repubblica urteilte, das Buch führe "zwingend wie ein Roman … in das Herz einer äußerst komplexen Diskussion ein"[8]. Der Schriftsteller Maxim Biller zählte Eilenberger in Die Welt am 16. Februar 2019 dagegen zu den "Linksrechtsdeutschen": Biller warf Eilenberger vor, dass er in Zeit der Zauberer die Sympathien des Philosophen Martin Heidegger zum Nazi-Regime unter den Tisch fallen lasse. Eilenberger, so Biller, "schreibt einen Mega-Bestseller über die vier Philosophen Heidegger, Cassirer, Benjamin und Wittgenstein und schildert darin die für den Aufklärer, Neukantianer und Juden Ernst Cassirer existenzielle Auseinandersetzung mit dem Trachtenjacken-Nazi Martin Heidegger lediglich als eine Art intellektuelles Fußballspiel, mehr nicht, voller Bewunderung für die Technik und Performance des am Ende dann doch irgendwie deutscheren, virileren, vermeintlich tiefgründigeren der beiden Spieler."[9]

Eilenberger und Sport

Fußball

Seit 2007 ist Eilenberger, der eine Trainerlizenz des DFB besitzt, aktives Mitglied der deutschen Autorennationalmannschaft Autonama. Mehrmals war er als Fußballexperte u. a. in den TV-Sendungen Doppelpass und Sky90 zu Gast. Er schreibt seit Mai 2015 die monatliche Fußballkolumne Eilenbergers Kabinenpredigt auf Zeit Online.

Eilenbergers Kritik an Jürgen Klopp und Borussia Dortmund im Januar 2015 sorgte für mediales Aufsehen[10]: Klopps Gestaltungskraft sei verbraucht und der BVB der Hinrunde 2014/15 „war kein Verein mehr, sondern eine Sekte. Und zwar mit allen klassischen Attributen: Artikulationsverbote, totale Gemeinschaftssuggestion, unbedingter Erlöserglaube.“[11]

Eilenberger ist Fan des FC Bayern München. Er warf dem Verein aber vor, seine Identität aufs Spiel zu setzen; Eilenberger sprach sich für eine Rückkehr Uli Hoeneß’ aus und kritisierte insbesondere das Wirken des Sportdirektors Matthias Sammer. Dieser zerstöre „emotionale Nähe, die einen Fan zum Fan macht“, „noch drei weitere Jahre mit Pep auf der Bank und Sammer am Mikro und dieser Verein ist emotional am Ende.“[12]

Er spricht sich gegen den Videobeweis im Fußball aus.[13]

Handball

Einen Aufschrei löste am 9. Februar 2016 ein Artikel von Eilenberger mit dem Titel Handball: Die Alternative für Deutschland[14] bei Zeit Online aus. Mit Formulierungen wie „100 Prozent kartoffeldeutsche Leistungsbereitschaft“ und „Wenn Fußball Merkel ist, ist Handball Petry“ wurde Handball als ein „Sport volkstümelnder Reihenhausspießer“[15] kritisiert. Mit weit mehr als 500 Einträgen innerhalb von 48 Stunden allein auf der Kommentarfunktion der Zeit löste der Artikel, in dem die Mannschaft des frischgebackenen Handballeuropameisters Deutschland von Eilenberger mit Begriffen wie „blutnah“, „widerständig“ und „kartoffeldeutsch“ belegt wurde, einen Shitstorm aus.

Eine Erwiderung der Handballszene ließ nicht lange auf sich warten. Unter der Überschrift Weltanschauung: Versenkt im Sehnsuchtsloch oder Kabinenpredigt für Eilenberger, vermisste Christian Ciemalla, Chefredakteur des Online Magazins handball-world.com, bei Eilenberger Respekt vor den Handballsportlern.[16]

Auszeichnungen

Bayerischer Buchpreis 2018 - Preisträger Wolfram Eilenberger (Sachbuch) und Lucy Fricke (Belletristik)

Werke (Auswahl)

  • Philosophie für alle, die noch etwas vorhaben. Berlin Verlag, 2005 ISBN 978-3-8270-0581-6. 2. Auflage: Berliner Taschenbuch-Verlag, Berlin, 2007, ISBN 978-3-8333-0476-7
  • Lob des Tores: 40 Flanken in Fußballphilosophie. Berliner Taschenbuch-Verlag, Berlin, 2006, ISBN 3-8333-0361-1
  • This is not America: Philosophen sprechen über die Lage des Landes. Matthes und Seitz, 2008
  • Das Werden des Menschen im Wort: Eine Studie zur Kulturphilosophie Michail M. Bachtins. Chronos, Zürich, 2009, ISBN 978-3-03-400923-2 (zugleich Dissertation an der Universität Zürich, 2008)
  • Kleine Menschen, große Fragen: 20 philosophische Fragen für die Erwachsenen von morgen – und heute. Berlin-Verlag, Berlin, 2009, ISBN 978-3-8270-0827-5. Berliner Taschenbuch-Verlag, Berlin, 2010, ISBN 978-3-8333-0667-9
  • Finnen von Sinnen: Von einem, der auszog, eine finnische Frau zu heiraten. Blanvalet, München, 2010, 2012², ISBN 978-3-442-37583-7
  • Kanada kann mich mal: Von einem, der mit seinen Kindern in die Ferne zog. Blanvalet, München, 2012, ISBN 978-3-7645-0404-5
  • Wolfram Eilenberger (Hrsg.): Der Tatort und die Philosophie. Schlauer werden mit der beliebtesten Fernsehserie. Tropen, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-608-50327-2.
  • Zeit der Zauberer: das große Jahrzehnt der Philosophie 1919 - 1929. Klett-Cotta 2018. ISBN 3608947639.
Commons: Wolfram Eilenberger – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Wolfram Eilenberger: Das Werden des Menschen im Wort | rezensionen:kommunikation:medien. Abgerufen am 25. Oktober 2019.
  2. Pia-Maria Päiviö Department of Nordic Studies and Linguistics (NorS), Universität Kopenhagen, abgerufen am 19. November 2018.
  3. Herzlichen Glückwunsch, Wolfram Eilenberger …! Mindelheimer Philosophiepreis, archiviert vom Original am 19. Juli 2011; abgerufen am 30. Juni 2016.
  4. Über uns. Website des Philomagazin Verlags, abgerufen am 30. Juni 2016.
    Rupert Sommer: „Philosophie Magazin“ und „Hohe Luft“ im kress-Check: Lesefutter für die Generation XY Unorientiert. kressreport, 16. November 2011, abgerufen am 30. Juni 2016.
  5. Wolfram Eilenberger macht Programm bei Nicolai, buchmarkt.de, 22. Juni 2017, abgerufen am 22. Juni 2017
  6. Brumlik in der taz
  7. In Original Spanisch, Quelle El Pais
  8. Im Original Italienisch, Quelle La Repubblica
  9. Maxim Biller: "Sind Sie auch ein Linksrechtsdeutscher?, Die Welt, 16. Februar 2019, abgerufen am 4. März 2019.
  10. Darum wird Jürgen Klopp beim BVB nicht zurücktreten. Die Welt, 5. Februar 2015, abgerufen am 30. Juni 2016.
    Franz Josef Wagner: Lieber Jürgen Klopp. Bild, 6. Februar 2015, abgerufen am 30. Juni 2016.
  11. Oliver Fritsch: Wolfram Eilenberger: Borussia Dortmund ist die Anomalie der Liga. Interview auf Zeit Online, 28. Januar 2015, abgerufen am 30. Juni 2016.
  12. Wolfram Eilenberger: Lieber FC Bayern, es ist aus mit uns. Kolumne Eilenbergers Kabinenpredigt, 16. September 2015, abgerufen am 30. Juni 2016.
  13. Philosoph Eilenberger im Interview: Videobeweis? „Hoffe, dass bei WM möglichst viel schiefgeht“. Kicker-Sportmagazin, 6. Juni 2018, abgerufen am 7. Juni 2018.
  14. Wolfram Eilenberger: Handball: Die Alternative für Deutschland. In: zeit.de. 9. Februar 2016, abgerufen am 20. Februar 2016.
  15. Essay in „Zeit Online“: Der deutsche Handball – ein Sport volkstümelnder Reihenhausspießer? stern.de, 11. Februar 2016, abgerufen am 20. Februar 2016.
    Ralf Mittmann: Entgleisung in Zeit-Online-Kolumne: Philosoph Eilenberger rückt Handballer in nationalistische Ecke. In: Neue Osnabrücker Zeitung. 12. Februar 2016, abgerufen am 20. Februar 2016.
  16. Christian Ciemalla: Weltanschauung: Versenkt im Sehnsuchtsloch oder Kabinenpredigt für Eilenberger. In: handball-world.com. 9. Februar 2016, abgerufen am 20. Februar 2016.
  17. Wolfram Eilenberger gewinnt den „Prix du meilleur livre étranger“. In: buchmarkt.de. 22. November 2019, abgerufen am 22. November 2019.