Zweikrafttriebfahrzeug

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FL9 der NYNH&HR für Dieselantrieb und elektrischen Antrieb mittels Stromschiene, 1968
SNCF-Zweikrafttriebzug der Baureihe B 82500 im Bahnhof Mulhouse-Ville

Eine Zweikraftlokomotive oder ein Zweikrafttriebwagen ist ein Triebfahrzeug, das mit zwei unterschiedlichen Energiequellen betrieben werden kann. Meistens handelt es sich um elektrisch angetriebene Fahrzeuge, deren Fahrstrom wahlweise aus einer Oberleitung oder Stromschiene entnommen oder alternativ mit einem Dieselmotor, der einen Generator antreibt, auf dem Fahrzeug selbst erzeugt werden kann (dieselelektrischer Antrieb). Durch diese Technik sind die Fahrzeuge flexibel einsetzbar, da sie als Fahrzeuge mit Stromabnehmern einerseits auf nicht elektrifizierten Bahnen fahren können, ohne dass ein Lokwechsel notwendig ist, und andererseits ihren Verbrennungsmotor auf elektrifizierten Strecken nicht einsetzen müssen. Nachteilig ist hingegen die hohe Masse aufgrund der zwei Antriebssysteme.

Zweikraftfahrzeuge sind keine Hybridfahrzeuge, da der für einen Hybridantrieb notwendige zweite Energiespeicher, meist in Form einer Batterie, in die Bremsenergie zurückgespeist wird, fehlt. Sie können vergleichsweise einfach aus dieselelektrischen Fahrzeugen hergerichtet werden, wenn der Gleichstrom ab Fahrleitung eine ähnliche Spannung aufweist wie der vom fahrzeugeigenen Generator erzeugte. Zweikraftfahrzeuge werden oft für Arbeits- oder Bauzüge verwendet, vor allem weil sie auch bei abgeschalteter Oberleitung fahren können.

Beispiele

Lokomotiven

Zweikraftlokomotive der Rhätischen Bahn im Dieseleinsatz (mit Schneeschleuder), deutlich zu erkennen die abgebügelten Stromabnehmer
Zweikraftlokomotive 478 601 der DB im Bahnhof Berlin Olympiastadion (1999)
Typ LHB ES 500 der RAG Zechenbahn- und Hafenbetriebe Ruhr-Mitte
FEVE-Zweikraftlokomotiven 1912 und 1911 im Dieselbetrieb im Bahnhof Cabezón de la Sal
AMT-Zweikraftlokomotive ALP-45DP von Bombardier
  • Bei der frühen Elektrifizierung des Schweizer Schienennetzes wurden auch Nebengleise überspannt. Somit konnten die meisten Rangieraufgaben mit elektrischen Rangierloks und Traktoren erledigt werden. Zur Bedienung von trotzdem noch vorhandenen nicht elektrifizierten Gleisen wurden zunächst drei Traktoren mit einem Akku ausgerüstet (Tea I). Ab 1950 wurden stattdessen Dieselmotor-Generator-Einheiten eingebaut. So entstanden insgesamt 93 Zweikrafttraktoren dreier unterschiedlicher Leistungsklassen: Tem I 251–275 (1950–1957), Tem II 276–298 (1967) und Tem III 321–365 (1954–1962). Einige wenige dieser Fahrzeuge sind noch in Betrieb.
  • Mit der Entwicklung der Zustellkonzepte von SBB Cargo wurden immer mehr Dieselloks eingesetzt, damit die Güterwagen direkt in die Anschlussgleise zugestellt werden können. Weil dabei erhebliche Strecken unter Fahrdraht zurückgelegt werden, wurden ab 2012 die Zweikraftloks SBB Eem 923 in Betrieb genommen.
  • Die New Yorker Bahnhöfe Grand Central Terminal und Pennsylvania Station durften nur von elektrischen Fahrzeugen angefahren werden. Deshalb wurden 1956–1960 insgesamt 60 Diesellokomotiven der EMD F-Serie mit einer Speisung ab dritter Schiene gebaut. Diese fünfachsigen Loks mit der Achsfolge Bo'(A1A) wurden als FL9 bezeichnet.[1]
  • Die FL9 wurden zum Teil ersetzt durch „Genesis“ P32AC-DM (dual mode) von GE Transportation Systems (siehe Liste der Lokomotiven von General Electric).
  • Die Long Island Railroad in New York beschaffte für ihr Netz 1997/98 den Typ DM30AC von EMD Electro-Motive Diesel.
  • In Südengland (Southern Region, südlich von London) wurden ab 1962 Zweikraftlok der Class 73, später auch 74 eingesetzt, die ihren Fahrstrom normalerweise aus der seitlichen dritten Schiene bezogen. Zahlreiche dieser Loks sind bis heute im Einsatz.
  • Die Deutsche Reichsbahn beschaffte neun Rangierlokomotiven, DR-Baureihe E 80, die auf nicht elektrifizierten Streckenabschnitten ihre Energie aus Akkus bezogen.
  • Die Deutsche Bahn AG verfügte nach der Übernahme der S-Bahn Berlin über zwei von Gmeinder gebaute Zweikraftloks der Baureihe 478.6 (Diesel und 750 Volt Gleichspannung über Stromschiene).[2] Diese Lokomotiven wurden 2009 an die Havelländische Eisenbahn (hvle) verkauft
  • Die Ewald Kohle AG hat 1964 fünf Lokomotiven des Typs ES 500 von Linke-Hofman-Busch mit Akku- und Oberleitungsbetrieb beschafft, die nach Übernahme durch die Ruhrkohle AG von Zechenbahn- und Hafenbetriebe Ruhr-Mitte eingesetzt wurden. Die Maschinen wurden zwischen 1981 und 1983 auf Drehstromantrieb (Zweisystemfähigkeit) und Hilfsantrieb mit Dieselmotor anstelle der Akkus zu ED 700 umgebaut. Ihre Verschrottung erfolgte 1993.[3]
  • Bei Eisenbahn + Häfen in Duisburg fanden größere Stückzahlen von bei Jung gebauten Zweikraftloks (Diesel und 600 Volt Gleichspannung aus Oberleitung) jahrzehntelang Verwendung. Eine modernere von Henschel gebaute Nachfolgebaureihe wurde nach relativ kurzer Einsatzzeit noch vor den Jung-Loks abgestellt.
  • Die ungarische Bahngesellschaft Helyiérdekű Vasút (HÉV) besaß schon in den 1960er Jahren Zweikraftlokomotiven für den Personenverkehr.
  • Bei der Rhätischen Bahn fahren seit 1968 zwei Zweikraftlokomotiven der Reihe Gem 4/4.
  • Die Chemins de fer du Jura (CJ) bauten 2010 zwei Gepäcktriebwagen De 4/4 I in Zweikraftlokomotiven Gem 4/4 um. Eine Maschine ist bei den CJ im Einsatz, die andere kam zur Meiringen-Innertkirchen-Bahn (MIB).
  • 17 Zweikraftlokomotiven der Reihe 1900 wurden im Jahr 2003 von der nordspanische Gesellschaft Ferrocarriles de Vía Estrecha (FEVE) beschafft.
  • SBB Cargo gab bei Stadler Rail 30 Zweikraftlokomotiven des Typs Eem 923 für den leichten Zustell- und Rangierdienst in Auftrag, die von 2012 bis 2013 gebaut wurden.[4]
  • New Jersey Transit (NJT) in den USA und die Agence métropolitaine de transport (AMT) in Montreal (Kanada) bestellten bei Bombardier total 46 Zweikraftlokomotiven Bombardier ALP-45DP.
  • Die Gütersparte der tschechischen Staatsbahn ČD ließ im Jahr 2008 eine Lok der Baureihe 210 zu einer Zweikraftlok Baureihe 218 umbauen.
  • Im März 2019 stellte Siemens den Prototyp 248 001 (Vectron Dual Mode) vor. Unabhängig von der Betriebsart beträgt die Leistung der Lok am Rad 2000 kW.[5]
  • Elektrische Dampflokomotiven wurden im Zweiten Weltkrieg bei den Schweizerischen Bundesbahnen im Rangierbetrieb eingesetzt.

Triebwagen

Berliner „Duo S-Bahn“ im Bahnhof Oranienburg
Combino Duo der Straßenbahn Nordhausen
Russischer DT1 (ДТ1)-Triebzug mit Dieselgeneratoren und Stromabnehmer

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Louis A. Marre: Diesel Locomotives: The first 50 years. A guide to diesels built before 1972. (= Railroad reference series. no. 10). Kalmbach Publishing, Waukesha 1995, ISBN 0-89024-258-5, S. 98–99.
  2. DE75 BB. Auf: gmeinder-lokomotiven.de, abgerufen am 3. März 2015.
  3. Rangierdiesel aufgerufen am 13. Oktober 2015.
  4. Zweifrequenz-Hybridlokomotive Butler für Güter- und Rangierdienste. (PDF; 992 kB). Auf: stadlerrail.com, abgerufen am 18. Dezember 2013.
  5. Siemens präsentiert Prototyp. In: Lok Magazin. 5/2019, S. 27.
  6. Les autorails dits "modernes" coupables en UM. In: Ferrovissime. Nr. 98, S. 20 ff.