„Virialsatz“ – Versionsunterschied

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=== Sonderfälle ===
; Geschlossene Bahnen
In zwei Sonderfällen von harmonischen Potentialen, nämlich für das Potential des [[Harmonischer Oszillator|harmonischen Oszillators]] (<math>k=2</math>) und des [[Coulombpotential]]s (<math>k=-1</math>), erhält man geschlossene Bahnen. Dann kann das zeitliche Mittel auch über einen Bahndurchlauf erfolgen.<ref>{{Literatur | Autor=[[Julius Wess]] | Titel=Theoretische Mechanik | Verlag=Springer-Verlag | Jahr=2008 | ISBN=9783540748694 | Online={{Google Buch | BuchID=0bwfBAAAQBAJ | Seite=57 | Linktext=Kapitel über Harmonische Potentiale | Hervorhebung=Coulombpotenzial+Harmonischer+Oszillator}}}}</ref>

; Vielteilchensystem
Befindet sich ein [[Vielteilchensystem]] im thermischen [[Gleichgewicht (Physik)|Gleichgewicht]], so kann das System als [[Ergodenhypothese|ergodisch]] betrachtet werden, d.h. das [[Zeitmittel]] ist gleich dem Scharmittel für alle [[Observable|Beobachtungsgrößen]]. Da dies insbesondere für die kinetische und die potentielle Energie gilt und das Scharmittel der Energien aus der Summe der Einzelenergien, geteilt durch die Anzahl&nbsp;''N'' der Objekte, gebildet wird, lässt sich das Scharmittel durch die Gesamtenergien ausdrücken. Wir erhalten daher für Gleichgewichtssysteme:
Befindet sich ein [[Vielteilchensystem]] im thermischen [[Gleichgewicht (Physik)|Gleichgewicht]], so kann das System als [[Ergodenhypothese|ergodisch]] betrachtet werden, d.h. das [[Zeitmittel]] ist gleich dem Scharmittel für alle [[Observable|Beobachtungsgrößen]]. Da dies insbesondere für die kinetische und die potentielle Energie gilt und das Scharmittel der Energien aus der Summe der Einzelenergien, geteilt durch die Anzahl&nbsp;''N'' der Objekte, gebildet wird, lässt sich das Scharmittel durch die Gesamtenergien ausdrücken. Wir erhalten daher für Gleichgewichtssysteme:


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ohne Mittelung über die Zeit, denn die Werte sind zeitlich konstant.
ohne Mittelung über die Zeit, denn die Werte sind zeitlich konstant.

==Ableitung des Virialsatzes==
==Ableitung des Virialsatzes==
Hier wird der Darstellung im Lehrbuch von [[Lew Landau|Landau]] und [[Jewgeni Lifschitz|Lifschitz]] gefolgt, wo der Virialsatz in Zusammenhang mit Skalierungsverhalten mechanischer Größen (''mechanische Ähnlichkeit'') diskutiert wird. Dabei wird nur ausgenutzt, dass die kinetische Energie <math>T</math> quadratisch in den Geschwindigkeiten <math> \vec v_i</math> ist und die Impulse werden formal über <math>\vec p_i=\frac{\partial T}{\partial \vec v_i}</math> eingeführt. Dann ist nach dem Satz von Euler über [[Homogene Funktion|homogene Funktionen]]:
Hier wird der Darstellung im Lehrbuch von [[Lew Landau|Landau]] und [[Jewgeni Lifschitz|Lifschitz]] gefolgt, wo der Virialsatz in Zusammenhang mit Skalierungsverhalten mechanischer Größen (''mechanische Ähnlichkeit'') diskutiert wird. Dabei wird nur ausgenutzt, dass die kinetische Energie <math>T</math> quadratisch in den Geschwindigkeiten <math> \vec v_i</math> ist und die Impulse werden formal über <math>\vec p_i=\frac{\partial T}{\partial \vec v_i}</math> eingeführt. Dann ist nach dem Satz von Euler über [[Homogene Funktion|homogene Funktionen]]:

Version vom 18. Dezember 2014, 14:15 Uhr

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Der Virialsatz (lateinisch vis ‚Kraft‘) ist eine Beziehung zwischen dem zeitlichen arithmetischen Mittelwert der kinetischen Energie und dem zeitlichen Mittel der potentiellen Energie eines abgeschlossenen stationären physikalischen Systems. Der Virialsatz ist ursprünglich als Satz der klassischen Mechanik formuliert und ermöglicht allgemeine Abschätzungen der Anteile potentieller und kinetischer Energie auch in komplexen Systemen zum Beispiel in der Astrophysik. Es gibt auch einen quantenmechanischen Virialsatz.

Der Virialsatz wurde 1870 von Rudolf Clausius in dem Aufsatz Über einen auf die Wärme anwendbaren mechanischen Satz aufgestellt[1].

Skalare Formulierung

Das Virial V eines Systems aus N Teilchen ist die Summe der Skalarprodukte aus den Zeitableitungen der Impulse und den Orten dieser Teilchen, d.h.

Ist das Virial beschränkt, so gilt der Virialsatz:

Dabei ist die Resultierende der auf das i-te Teilchen einwirkenden Kräfte, die von anderen Teilchen des Systems ausgeübt werden. Da ein abgeschlossenes System betrachtet wird, existieren keine äußeren Kräfte. bezeichnet den zeitlichen Mittelwert für Zeiten .

Ist die Kraft konservativ und besitzt ein Potential U, das homogen vom Grad k ist, d.h. für α > 0 gilt , so vereinfacht sich die obige Form zu

Sonderfälle

Geschlossene Bahnen

In zwei Sonderfällen von harmonischen Potentialen, nämlich für das Potential des harmonischen Oszillators () und des Coulombpotentials (), erhält man geschlossene Bahnen. Dann kann das zeitliche Mittel auch über einen Bahndurchlauf erfolgen.[2]

Vielteilchensystem

Befindet sich ein Vielteilchensystem im thermischen Gleichgewicht, so kann das System als ergodisch betrachtet werden, d.h. das Zeitmittel ist gleich dem Scharmittel für alle Beobachtungsgrößen. Da dies insbesondere für die kinetische und die potentielle Energie gilt und das Scharmittel der Energien aus der Summe der Einzelenergien, geteilt durch die Anzahl N der Objekte, gebildet wird, lässt sich das Scharmittel durch die Gesamtenergien ausdrücken. Wir erhalten daher für Gleichgewichtssysteme:

ohne Mittelung über die Zeit, denn die Werte sind zeitlich konstant.

Ableitung des Virialsatzes

Hier wird der Darstellung im Lehrbuch von Landau und Lifschitz gefolgt, wo der Virialsatz in Zusammenhang mit Skalierungsverhalten mechanischer Größen (mechanische Ähnlichkeit) diskutiert wird. Dabei wird nur ausgenutzt, dass die kinetische Energie quadratisch in den Geschwindigkeiten ist und die Impulse werden formal über eingeführt. Dann ist nach dem Satz von Euler über homogene Funktionen:

woraus folgt:

Nun bildet man den asymptotischen Grenzwert des zeitlichen Mittelwerts:

Insbesondere gilt für den zeitlichen Mittelwert der Zeitableitung des Virials G:

Hat man es mit einem System zu tun, in dem Geschwindigkeiten und Orte der Teilchen beschränkt sind (z.B. periodische Bahnen), so folgt

und es folgt mit der Virialsatz:

wenn man annimmt, dass das Potential U eine homogene Funktion der Ortskoordinaten vom Grad k ist.

Vorzeichen

Energieerwartungswerte als Funktion des Grades s der homogenen Potentialfunktion
oder die Vorzeichen der kinetischen, potentiellen und Gesamtenergie,
bei auf 1 normierter Gesamtenergie

Der Virialsatz in der allgemeinen Form für eine homogene Potentialfunktion vom Grad k

gibt eindeutige Auskunft über die Vorzeichen der beteiligten Energiegrößen, wobei zu beachten ist, dass immer positiv ist.

Für den bekanntesten Fall (Gravitation, Coulombsche Kraft) ergibt sich z. B.:

Insbesondere ergibt sich, dass die Gesamtenergie im Fall k = -1 negativ sein muss, entsprechen der Grundvorraussetzung des Virialtheorems, dass das System räumlich beschränkt sein soll, also gravitativ bzw. durch Coulombkräfte gebunden.

Die Vorzeichen sind im Einzelnen (vgl. Abb.):

  • ist positiv definit.


  • für
  • für


  • für und für
  • für

Anwendungsbeispiel: Massenbestimmung astronomischer Haufen

Anwendung findet der Virialsatz beispielsweise in der Astrophysik und der Himmelsmechanik. Dort benutzt man das Newton'sche Gravitationspotential, das homogen vom Grad −1 ist. Dann gilt

Der Virialsatz erlaubt es, recht gute Abschätzungen für die Gesamtmassen dynamisch gebundener Systeme wie Sternhaufen oder Galaxienhaufen zu finden. Die Gesamtmasse eines solchen Haufens kann dann vollständig durch Beobachtungsgrößen wie Radialgeschwindigkeiten, Winkelabstände und scheinbare Helligkeiten der Einzelobjekte ausgedrückt werden. Die einzige Voraussetzung für die Anwendung des Virialsatzes ist die Kenntnis des Abstandes des Haufens. Wir wollen das Vorgehen bei einer Massenbestimmung eines solchen Haufens hier skizzieren:

Die kinetische Gesamtenergie eines Stern- oder Galaxienhaufens ist gegeben durch

Weder die Einzelmassen mi noch die Geschwindigkeitsbeträge |vi| sind jedoch Beobachtungsgrößen.

Die Einführung der Gesamtmasse erlaubt die Umformung

Nun trifft man zwei Annahmen:

a) Die Einzelmassen mi sind proportional zu den Einzelleuchtkräften li und daher gilt

wobei der letzte Term das Leuchtkraft-gewichtete Mittel über die Geschwindigkeiten bezeichnet.

b) Das System ist sphärisch symmetrisch und befindet sich im Gleichgewicht (man sagt auch es ist virialisiert). Daher sind die Geschwindigkeiten über die Raumrichtungen gleichverteilt (Gleichverteilungssatz). Dann gilt

wobei vR die radialen Pekuliargeschwindigkeiten bezeichnet, d.h. die Abweichungen der Radialgeschwindigkeit vom Haufenmittelwert.

Damit erhält man:

Andererseits gilt für die potentielle Gesamtenergie unter der Bedingung der sphärischen Symmetrie

mit

  • der Gravitationskonstanten G
  • dem Gesamtradius R des Systems
  • dem morphologischen Faktor α, der von der radialen Verteilungsfunktion, also der Geometrie des Haufens, abhängt; für eine (allerdings unrealistische) Gleichverteilung innerhalb des Radius R ist beispielsweise α = 5/3. Im Allgemeinen ist der Faktor aus den beobachteten Winkelabständen der Einzelsysteme zum Haufenzentrum zu bestimmen.

Durch Anwendung des Virialsatzes für die Gravitation erhalten wir die Gesamtmasse des Haufens als

Eine weitere astrophysikalische Anwendung ist die Abschätzung der Jeans-Masse.

Verallgemeinerung auf Tensoren

Im Rahmen der Kontinuumsmechanik wird der tensorielle Virialsatz aus der stoßfreien Boltzmann-Gleichung und den daraus abgeleiteten Jeans-Gleichungen bewiesen und in der Astrophysik verwendet. Wenn als Wechselwirkung wiederum die Gravitation angenommen wird, hat der Satz die Form:

mit

  • der Trägheitstensor
  • der Tensor der kinetischen Energie
  • der Spannungstensor und
  • der Tensor der potentiellen Energie.

Im statischen Fall fällt die Zeitableitung auf der linken Seite der Gleichung weg, und da der Spannungstensor spurfrei ist, ergibt die Spur der Gleichung wieder den skalaren Virialsatz.

Quantenmechanik

Für die Quantenmechanik behält der Virialsatz seine Gültigkeit, wie von Fock gezeigt wurde.[3]

Der Hamiltonoperator des Systems aus Punktteilchen sei

Man bilde den Kommutator von mit , gebildet aus dem Ortsoperator und dem Impulsoperator des n-ten Teilchens:

Bildet man das Virial durch Summierung über die Teilchen folgt:

mit der kinetischen Energie . Nach den Heisenbergschen Bewegungsgleichungen ist die linke Seite . Der Erwartungswert verschwindet in einem stationären Zustand, so dass die Quantenversion des Virialsatzes folgt:

wobei die spitzen Klammern für quantenmechanische Erwartungswerte der jeweiligen Operatoren für einen stationären Zustand stehen.

Literatur

Gibt eine einfache Herleitung des skalaren Virialsatzes.
Hier findet man die tensorielle Verallgemeinerung und Anwendungen.

Einzelnachweise und Bemerkungen

  1. Rudolf Clausius: Über einen auf die Wärme anwendbaren mechanischen Satz, Annalen der Physik, Band 217, 1870, Seiten 124–130, Text (S. 124)
  2. Julius Wess: Theoretische Mechanik. Springer-Verlag, 2008, ISBN 978-3-540-74869-4 (Kapitel über Harmonische Potentiale in der Google-Buchsuche).
  3. V. Fock: Bemerkung zum Virialsatz. In: Zeitschrift für Physik A Hadrons and Nuclei. 63. Jahrgang, Nr. 11, 1930, S. 855–858, doi:10.1007/BF01339281.