„Riboflavin“ – Versionsunterschied

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Pflanzen und viele Mikroorganismen stellen Riboflavin ausgehend aus [[Guanosintriphosphat|GTP]] und [[Ribulose-5-phosphat]] her.<ref>{{Literatur |Autor=Adelbert Bacher et al. |Titel=Biosynthesis of Vitamin B 2 (Riboflavin) |Sammelwerk=Annual Review of Nutrition |Band=20 |Nummer=1 |Datum=2000-07 |Sprache=en |DOI=10.1146/annurev.nutr.20.1.153 |PMID=10940330 |Seiten=153–167}}</ref> GTP wird in eine Serie von Reaktionen zu 5-Amino-6-(<small>D</small>-ribitylamino)uracil konvertiert, die Ribulose in <small>L</small>-3,4-Dihydroxy-2-butanon-4-phosphat. Beide kondensieren dann mit Hilfe der Lumazinsynthase zu 6,7-Dimethyl-8-ribityllumazin. Zwei dieser Moleküle werden schließlich zu Riboflavin umgesetzt, was eine Riboflavinsynthase in einer [[Disproportionierung]]sreaktion unter Abspaltung von 5-Amino-6-(<small>D</small>-ribitylamino)uracil katalysiert.
Pflanzen und viele Mikroorganismen stellen Riboflavin ausgehend aus [[Guanosintriphosphat|GTP]] und [[Ribulose-5-phosphat]] her.<ref>{{Literatur |Autor=Adelbert Bacher et al. |Titel=Biosynthesis of Vitamin B 2 (Riboflavin) |Sammelwerk=Annual Review of Nutrition |Band=20 |Nummer=1 |Datum=2000-07 |Sprache=en |DOI=10.1146/annurev.nutr.20.1.153 |PMID=10940330 |Seiten=153–167}}</ref> GTP wird in eine Serie von Reaktionen zu 5-Amino-6-(<small>D</small>-ribitylamino)uracil konvertiert, die Ribulose in <small>L</small>-3,4-Dihydroxy-2-butanon-4-phosphat. Beide kondensieren dann mit Hilfe der Lumazinsynthase zu 6,7-Dimethyl-8-ribityllumazin. Zwei dieser Moleküle werden schließlich zu Riboflavin umgesetzt, was eine Riboflavinsynthase in einer [[Disproportionierung]]sreaktion unter Abspaltung von 5-Amino-6-(<small>D</small>-ribitylamino)uracil katalysiert.


=== Organische Synthese ===
=== Industrielle Herstellung ===

==== Organische Synthese ====
Die organische Synthese wird ausgehend von [[Ribose|<small>D</small>-Ribose]] gestartet. Alternativ kann auch [[Glucose|<small>D</small>-Glucose]] verwendet werden. Dabei wird die <small>D</small>-Glucose über Oxidation, Epimerisierung der Hydroxygruppen und anschließender Reduzierungen zu <small>D</small>-Ribose umgewandelt.
Die organische Synthese wird ausgehend von [[Ribose|<small>D</small>-Ribose]] gestartet. Alternativ kann auch [[Glucose|<small>D</small>-Glucose]] verwendet werden. Dabei wird die <small>D</small>-Glucose über Oxidation, Epimerisierung der Hydroxygruppen und anschließender Reduzierungen zu <small>D</small>-Ribose umgewandelt.


Die <small>D</small>-Ribose wird mit [[Xylidine|3,4-Xylidin]] bei 50–80&nbsp;°C in Methanol gelöst. Dabei wird Wasserstoff unter einem Druck von 3&nbsp;bar an einen Palladium-Kohle-Katalysator zugeströmt, wodurch der doppelt gebundene Sauerstoff zwei Wasserstoffatome aufnehmen kann und sich somit Wasser aus der Verbindung abspalten kann. Diese Abspaltung ist die Triebkraft für die Bildung des Zwischenprodukts ''N''-<small>D</small>-Ribityl-3,4-xylidin.
Die <small>D</small>-Ribose wird mit [[Xylidine|3,4-Xylidin]] bei 50–80&nbsp;°C in Methanol gelöst. Dabei wird Wasserstoff unter einem Druck von 3&nbsp;bar an einen Palladium-Kohle-Katalysator zugeströmt, wodurch der doppelt gebundene Sauerstoff zwei Wasserstoffatome aufnehmen kann und sich somit Wasser aus der Verbindung abspalten kann. Diese Abspaltung ist die Triebkraft für die Bildung des Zwischenprodukts ''N''-<small>D</small>-Ribityl-3,4-xylidin.


Dieses Zwischenprodukt wird im Folgenden mit einem Anilinderivat, zum Beispiel Phenyldiazoniumchlorid, in Essigsäure gegeben, wobei sich 1-<small>D</small>-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol bildet. Diese elektrophile aromatische Substitutionsreaktion, bei der das Diazoniumsalz mit dem aktivierten Aromaten reagiert, wird Azokupplung genannt. Dabei wird das positiv geladene Stickstoffatom des Diazoniumsalzes von der ''ortho''-Position des ''N''-<small>D</small>-Ribityl-3,4-xylidins angegriffen, wobei unter Abspaltung von Chlorwasserstoffsäure 1-<small>D</small>-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol entsteht.
Dieses Zwischenprodukt wird im Folgenden mit einem Anilinderivat, zum Beispiel Phenyldiazoniumchlorid, in Essigsäure gegeben, wobei sich 1-<small>D</small>-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol bildet. Diese [[Elektrophile aromatische Substitution|elektrophile aromatische Substitutionsreaktion]], bei der das Diazoniumsalz mit dem aktivierten Aromaten reagiert, wird [[Azokupplung]] genannt. Dabei wird das positiv geladene Stickstoffatom des Diazoniumsalzes von der ''ortho''-Position des ''N''-<small>D</small>-Ribityl-3,4-xylidins angegriffen, wobei unter Abspaltung von Chlorwasserstoffsäure 1-<small>D</small>-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol entsteht.

Zuletzt wird das 1-<small>D</small>-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol in Eisessigsäure und [[Dioxane|Dioxan]] gelöst und [[Barbitursäure]] zugegeben. Ein doppelt gebundener Sauerstoff der Barbitursäure wird dabei Protonen aufnehmen und unter der Abspaltung von Wasser (Kondensationsreaktion) das Ringsystem öffnen. Das Intermediat bindet dann an das 1-<small>D</small>-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol, wobei es unter Abspaltung von Anilin einen intramolekularen Ringschluss vollzieht.

Das entstandene Produkt ist Riboflavin und kann anschließend aufgereinigt werden.<ref name=":5">{{Literatur |Autor=Klaus-Peter Stahmann et al. |Titel=Three biotechnical processes using Ashbya gossypii, Candida famata, or Bacillus subtilis compete with chemical riboflavin production |Sammelwerk=Applied Microbiology and Biotechnology |Band=53 |Nummer=5 |Datum=2000-05-15 |Sprache=en |DOI=10.1007/s002530051649 |Seiten=509–516}}</ref>


==== Mikrobielle Produktion ====
Zuletzt wird das 1-<small>D</small>-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol in Eisessigsäure und Dioxan gelöst und Barbitursäure zugegeben. Ein doppelt gebundener Sauerstoff der Barbitursäure wird dabei Protonen aufnehmen und unter der Abspaltung von Wasser (Kondensationsreaktion) das Ringsystem öffnen. Das Intermediat bindet dann an das 1-<small>D</small>-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol, wobei es unter Abspaltung von Anilin einen intramolekularen Ringschluss vollzieht.
Die Herstellung mittels [[Mikroorganismus|Mikroorganismen]] begann in den 1940er-Jahren mittels [[Clostridium acetobutylicum|''Clostridium acetobutylicum'']].<ref name=":6">{{Literatur |Autor=Liudmila A. Averianova et al. |Titel=Production of Vitamin B2 (Riboflavin) by Microorganisms: An Overview |Sammelwerk=Frontiers in Bioengineering and Biotechnology |Band=8 |Datum=2020 |Sprache=en |DOI=10.3389/fbioe.2020.570828 |PMC=7693651 |PMID=33304888 |Seiten=570828}}</ref><ref name=":5" /> Hierbei machte man sich die [[Aceton-Butanol-Ethanol-Gärung]] zu Nutze, bei der Riboflavin als Nebenprodukt gebildet wird. Filamentöse [[Pilze]] wie ''Eremothecium ashbyi'' oder ''[[Ashbya gossypii]]'' erzeugen natürlicherseits große Mengen an Riboflavin und wurden in den Folgejahren und -jahrzehnten eingesetzt. Lange Zeit waren diese der chemischen Herstellung aber unterlegen, so beendeten 1968 drei Firmen die Herstellung mittels Fermentation wieder drei Jahre nach begonnerer Produktion.<ref name=":5" />


Dies änderte sich erst 1990, als Vitamin B<sub>2</sub> [[Biotechnologie|biotechnologisch]] mit Hilfe von ''A. gossypii'' hergestellt werden konnte.<ref name=":3">{{Literatur |Autor=Klaus-Peter Stahmann, Hans-Peter Hohmann |Titel=Vitamine, Nukleotide und Carotinoide |Hrsg=Hermann Sahm et al. |Sammelwerk=Industrielle Mikrobiologie |Auflage=1. |Verlag=Springer |Ort=Berlin, Heidelberg |Datum=2013 |Sprache=de |ISBN=978-3-8274-3040-3 |DOI=10.1007/978-3-8274-3040-3_7 |Seiten=127–148}}</ref> Denn durch genetische Modifikationen wurden Varianten erzeugt, die Vitamin B<sub>2</sub> überexprimieren. Der Wildtyp produziert bis zu 100 mg Riboflavin pro g Biomasse, die Produktionsstämme dagegen liefern mehr als 20 g/l. 1990 begann BASF mit der Großproduktion, die parallel betriebene chemische Synthese wurde 1996 schließlich zugunsten der mikrobiellen Produktion aufgegeben.<ref name=":5" />
Das entstandene Produkt wird Riboflavin genannt und kann anschließend aufgereinigt werden.<ref>{{Literatur |Autor=Klaus-Peter Stahmann et al. |Titel=Three biotechnical processes using Ashbya gossypii, Candida famata, or Bacillus subtilis compete with chemical riboflavin production |Sammelwerk=Applied Microbiology and Biotechnology |Band=53 |Nummer=5 |Datum=2000-05-15 |Sprache=en |DOI=10.1007/s002530051649 |Seiten=509–516}}</ref>


Alternativ wird Riboflavin auch durch gentechnisch veränderte Stämme von ''[[Bacillus subtilis]]'' oder ''Candida famata'' produziert.<ref name=":3" /> Die einstufige mikrobielle Produktion übertrifft mittlerweile die mehrstufigen chemischen Verfahren.
=== Mikrobielle Produktion ===
Die Herstellung mittels [[Mikroorganismus|Mikroorganismen]] begann in den 1940er-Jahren, war der damaligen chemischen Synthese aber unterlegen. Dies änderte sich erst 1990, als Vitamin B<sub>2</sub> [[Biotechnologie|biotechnologisch]] mit Hilfe des filamentösen Pilzes ''[[Ashbya gossypii]]'' hergestellt werden konnte.<ref name=":3">{{Literatur |Autor=Klaus-Peter Stahmann, Hans-Peter Hohmann |Titel=Vitamine, Nukleotide und Carotinoide |Hrsg=Hermann Sahm et al. |Sammelwerk=Industrielle Mikrobiologie |Auflage=1. |Verlag=Springer |Ort=Berlin, Heidelberg |Datum=2013 |Sprache=de |ISBN=978-3-8274-3040-3 |DOI=10.1007/978-3-8274-3040-3_7 |Seiten=127–148}}</ref> Der Wildtyp produziert bis zu 100 mg Riboflavin pro g Biomasse, die Produktionsstämme liefern mehr als 20 g/l. Alternativ wird Riboflavin auch durch gentechnisch veränderte Stämme von ''[[Bacillus subtilis]]'' produziert.<ref name=":3" /> Die einstufige mikrobielle Produktion übertrifft mittlerweile die mehrstufigen chemischen Verfahren.


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Das wasserlösliche, hitzestabile und lichtempfindliche Riboflavin wurde 1962 als einer der ersten [[Lebensmittelzusatzstoff]]e durch die ''[[Richtlinie des Rats zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für färbende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen]]'' in der [[Europäische Wirtschaftsgemeinschaft|EWG]] zugelassen und erhielt die [[E-Nummer]] E&nbsp;101. Auch in der aktuellen [[Verordnung (EG) Nr. 1333/2008]] wird es aufgeführt und ist dadurch in der [[Europäische Union|EU]] und den anderen Ländern des [[Europäischer Wirtschaftsraum|EWR]] als [[Lebensmittelfarbstoff]] zugelassen. In der Verordnung wird auch geregelt, dass eine Verwendung nur in bestimmten Lebensmitteln zulässig ist. Riboflavin darf dabei ohne Mengebegrenzung (''[[quantum satis]]'') verwendet werden. In der [[Schweiz]] ist die Verwendung sinngemäß durch die [[Zusatzstoffverordnung]] geregelt.<ref name="sr_817_022_31" />
Das wasserlösliche, hitzestabile und lichtempfindliche Riboflavin wurde 1962 als einer der ersten [[Lebensmittelzusatzstoff]]e durch die ''[[Richtlinie des Rats zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für färbende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen]]'' in der [[Europäische Wirtschaftsgemeinschaft|EWG]] zugelassen und erhielt die [[E-Nummer]] E&nbsp;101. Auch in der aktuellen [[Verordnung (EG) Nr. 1333/2008]] wird es aufgeführt und ist dadurch in der [[Europäische Union|EU]] und den anderen Ländern des [[Europäischer Wirtschaftsraum|EWR]] als [[Lebensmittelfarbstoff]] zugelassen. In der Verordnung wird auch geregelt, dass eine Verwendung nur in bestimmten Lebensmitteln zulässig ist. Riboflavin darf dabei ohne Mengebegrenzung (''[[quantum satis]]'') verwendet werden. In der [[Schweiz]] ist die Verwendung sinngemäß durch die [[Zusatzstoffverordnung]] geregelt.<ref name="sr_817_022_31" />


Neben der Verwendung als Lebensmittelfarbstoff wird industriell hergestelltes Vitamin B<sub>2</sub> für Vitaminpräparate genutzt. Zudem fließen etwa 66 % als Futtermittelergänzung in die [[Tierhaltung]], wodurch die [[Tiermast]] gesteigert wird.<ref name=":3" />
Neben der Verwendung als Lebensmittelfarbstoff wird industriell hergestelltes Vitamin B<sub>2</sub> für Vitaminpräparate genutzt. Zudem fließen etwa 70 %<ref name=":6" /> der weltweiten Produktion als Futtermittelergänzung in die [[Tierhaltung]], wodurch die [[Tiermast]] gesteigert wird.<ref name=":3" />

Die industrielle Produktion betrug 2002 weltweit 4000 Tonnen pro Jahr, 2015 steigerte sich diese auf 9000 Tonnen pro Jahr.<ref name=":6" /> Weltweite Produzenten sind [[BASF]], [[DSM (Unternehmen)|DSM]], Hubei Guangji Pharmaceuticals und Shanghai Acebright Pharmaceuticals. Größtenteils wird Riboflavin biotechnologisch mittels ''A. gossypii'', ''C. famata var. flareri'' und ''B. subtilis'' erzeugt.


Riboflavin wird ferner zur Kontrolle von Reinigungsprozessen (Flächen, Hände etc.) in der Pharmaindustrie eingesetzt, da es auch in geringer Konzentration bei [[UV]]-Licht leuchtet und damit gut sichtbar ist.
Riboflavin wird ferner zur Kontrolle von Reinigungsprozessen (Flächen, Hände etc.) in der Pharmaindustrie eingesetzt, da es auch in geringer Konzentration bei [[UV]]-Licht leuchtet und damit gut sichtbar ist.

Version vom 29. November 2022, 22:17 Uhr

Strukturformel
Struktur von Riboflavin
Allgemeines
Trivialname Vitamin B2
Andere Namen
  • Riboflavin
  • Lactoflavin
  • 7,8-Dimethyl-10-(D-ribo-2,3,4,5-tetrahydroxypentyl)-3H,10H-benzo[g]pteridin-2,4-dion (IUPAC)
  • 7,8-Dimethyl-10-(D-ribit-1-yl)-isoalloxazin (WHO)
  • E 101[1]
  • RIBOFLAVIN[2], LACTOFLAVIN (INCI)[3]
Summenformel C17H20N4O6
CAS-Nummer 83-88-5
PubChem 1072
ATC-Code

A11HA04

DrugBank DB00140
Kurzbeschreibung bitter schmeckender, gelb bis orangefarbener Feststoff[4]
Vorkommen Leber, Hefe, Weizenkeime
Physiologie
Funktion Vorstufe für Flavin-Coenzyme (FAD, FMN)
Täglicher Bedarf 1,5–1,7 mg
Folgen bei Mangel Entzündungen der Haut (Exantheme, Hautrisse), Störungen des Wachstums, der Blutbildung und neurologischer Art
Überdosis nicht bekannt
Eigenschaften
Molare Masse 376,37 g·mol−1
Aggregatzustand fest
Schmelzpunkt

278–282 °C (Zersetzung)[5]

Löslichkeit
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[5]
keine GHS-Piktogramme
H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[5]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Riboflavin, auch Lactoflavin oder Vitamin B2, frühere Bezeichnung Vitamin G, ist ein Vitamin aus dem B-Komplex. Riboflavin ist Bestandteil bei Flavin-Adenin-Dinukleotid (FAD) sowie Flavinmononukleotid (FMN), die wiederum Cofaktoren zahlreicher Dehydrogenasen und Oxidoreduktasen sind.

Geschichte

Vitamin B2 wurde 1920 erstmals aus Milch (lacto) isoliert, enthält ein gelbes Chromophor (flavin) und einen Ribityl-Rest (ribo).[6]

Vorkommen

Vitamin-B2-Gehalte in Lebensmittel[7]
Lebensmittel mg / 100 g
Schweineleber 3,17
Camembertkäse 0,6
Quark 0,3
Hühnerei 0,28
Cashewnuss 0,26
Rindfleisch, mager 0,26
Spinat 0,23
Brokkoli 0,18
Erbsen 0,16
Kuhmilch, 3,5 % Fett 0,18
Jogurt 0,15
Kartoffel 0,05
Weizenmehl (Type 405) 0,03
Apfel 0,03

Vitamin B2 liegt in der Nahrung meistens als FMN oder FAD gebunden an Eiweißen vor (in Form von Flavoproteinen).[7] Frei oder glykosyliert (Riboflavinyl-Glycosid) ist es seltener verbreitet.

Es kommt insbesondere in Lebensmitteln tierischen Ursprungs vor (Milch und Milchprodukte), aber auch in Vollkornprodukten sowie Gemüse wie Broccoli, Spargel oder Spinat. Die Bioverfügbarkeit wird bei über 60 % für Milch und Spinat angegeben.

Eigenschaften

Riboflavin ist ein Derivat des Heterozyklus Isoalloxazins und des Zuckeralkohols Ribitol.

Riboflavin zählt – obwohl wenig in Wasser löslich – zu den wasserlöslichen Vitaminen; es ist lichtempfindlich,[8] aber so stabil gegen Hitze und Sauerstoff[4], dass es beim Kochen nicht zerstört wird.

Herstellung

Biosynthese

Pflanzen und viele Mikroorganismen stellen Riboflavin ausgehend aus GTP und Ribulose-5-phosphat her.[9] GTP wird in eine Serie von Reaktionen zu 5-Amino-6-(D-ribitylamino)uracil konvertiert, die Ribulose in L-3,4-Dihydroxy-2-butanon-4-phosphat. Beide kondensieren dann mit Hilfe der Lumazinsynthase zu 6,7-Dimethyl-8-ribityllumazin. Zwei dieser Moleküle werden schließlich zu Riboflavin umgesetzt, was eine Riboflavinsynthase in einer Disproportionierungsreaktion unter Abspaltung von 5-Amino-6-(D-ribitylamino)uracil katalysiert.

Industrielle Herstellung

Organische Synthese

Die organische Synthese wird ausgehend von D-Ribose gestartet. Alternativ kann auch D-Glucose verwendet werden. Dabei wird die D-Glucose über Oxidation, Epimerisierung der Hydroxygruppen und anschließender Reduzierungen zu D-Ribose umgewandelt.

Die D-Ribose wird mit 3,4-Xylidin bei 50–80 °C in Methanol gelöst. Dabei wird Wasserstoff unter einem Druck von 3 bar an einen Palladium-Kohle-Katalysator zugeströmt, wodurch der doppelt gebundene Sauerstoff zwei Wasserstoffatome aufnehmen kann und sich somit Wasser aus der Verbindung abspalten kann. Diese Abspaltung ist die Triebkraft für die Bildung des Zwischenprodukts N-D-Ribityl-3,4-xylidin.

Dieses Zwischenprodukt wird im Folgenden mit einem Anilinderivat, zum Beispiel Phenyldiazoniumchlorid, in Essigsäure gegeben, wobei sich 1-D-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol bildet. Diese elektrophile aromatische Substitutionsreaktion, bei der das Diazoniumsalz mit dem aktivierten Aromaten reagiert, wird Azokupplung genannt. Dabei wird das positiv geladene Stickstoffatom des Diazoniumsalzes von der ortho-Position des N-D-Ribityl-3,4-xylidins angegriffen, wobei unter Abspaltung von Chlorwasserstoffsäure 1-D-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol entsteht.

Zuletzt wird das 1-D-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol in Eisessigsäure und Dioxan gelöst und Barbitursäure zugegeben. Ein doppelt gebundener Sauerstoff der Barbitursäure wird dabei Protonen aufnehmen und unter der Abspaltung von Wasser (Kondensationsreaktion) das Ringsystem öffnen. Das Intermediat bindet dann an das 1-D-Ribitylamino-3,4-dimethyl-6-phenylazobenzol, wobei es unter Abspaltung von Anilin einen intramolekularen Ringschluss vollzieht.

Das entstandene Produkt ist Riboflavin und kann anschließend aufgereinigt werden.[10]

Mikrobielle Produktion

Die Herstellung mittels Mikroorganismen begann in den 1940er-Jahren mittels Clostridium acetobutylicum.[11][10] Hierbei machte man sich die Aceton-Butanol-Ethanol-Gärung zu Nutze, bei der Riboflavin als Nebenprodukt gebildet wird. Filamentöse Pilze wie Eremothecium ashbyi oder Ashbya gossypii erzeugen natürlicherseits große Mengen an Riboflavin und wurden in den Folgejahren und -jahrzehnten eingesetzt. Lange Zeit waren diese der chemischen Herstellung aber unterlegen, so beendeten 1968 drei Firmen die Herstellung mittels Fermentation wieder drei Jahre nach begonnerer Produktion.[10]

Dies änderte sich erst 1990, als Vitamin B2 biotechnologisch mit Hilfe von A. gossypii hergestellt werden konnte.[12] Denn durch genetische Modifikationen wurden Varianten erzeugt, die Vitamin B2 überexprimieren. Der Wildtyp produziert bis zu 100 mg Riboflavin pro g Biomasse, die Produktionsstämme dagegen liefern mehr als 20 g/l. 1990 begann BASF mit der Großproduktion, die parallel betriebene chemische Synthese wurde 1996 schließlich zugunsten der mikrobiellen Produktion aufgegeben.[10]

Alternativ wird Riboflavin auch durch gentechnisch veränderte Stämme von Bacillus subtilis oder Candida famata produziert.[12] Die einstufige mikrobielle Produktion übertrifft mittlerweile die mehrstufigen chemischen Verfahren.

Funktion

Riboflavin dient als Vorstufe für Flavin-Koenzyme (FAD, FMN), die insbesondere in Oxidoreduktasen, z. B. NADH-Dehydrogenase, eine große Rolle spielen. Dadurch nimmt es im Stoffwechsel eine zentrale Rolle ein.

Tagesbedarf

Empfohlene Zufuhr von Vitamin B2[13]
Altersgruppe D-A-CH (2019)

mg / Tag

EFSA (2017)

(Population Reference Intake)

mg / Tag

Kleinkinder (4–7 Jahre) 0,8 0,7
Kinder (7–10 Jahre) 1,0 (♂); 0,9 (♀) 1,0 (< 11 Jahre)
Jugendliche (10–13 Jahre) 1,1 (♂); 1,0 (♀) 1,4 (≥ 11 Jahre)
Jugendliche (13–15 Jahre) 1,4 (♂); 1,1 (♀)
Adoleszente (15–19 Jahre) 1,6 (♂); 1,2 (♀) 1,6 (< 18 Jahre)
Erwachsene 1,3–1,4 (♂)

1,0–1,1 (♀)

1,6 (≥ 18 Jahre)
Schwangere

2. Trimester 3. Trimester

1,3

1,4

1,9
Stillende 1,4 2,0

Von den D-A-CH-Gesellschaften wurden Zufuhrempfehlungen für Vitamin B2 abgeleitet, abhängig vom Alter und Geschlecht (vgl. Tabelle). Die von der EFSA abgeleiteten Zufuhrreferenzwerte ähneln denen der D-A-CH-Gesellschaften.

Aus Basis vorhandener Daten legt das BfR keine Höchstmenge für Nahrungsergänzungsmittel oder zur Anreicherung von Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs fest.[13]

Der tägliche Bedarf wird üblicherweise durch die normale Nahrungsaufnahme mit etwa 1,5 mg / Tag (Frauen) bzw. 1,9 mg / Tag (Männer) gedeckt bzw. überschritten.[7]

Mangelerscheinungen

Ausgrätschen infolge Riboflavinmangels bei einem Küken
Klassifikation nach ICD-10
E53.0 Riboflavinmangel
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Bei normaler Ernährung treten keine Mangelerscheinungen auf. Allerdings kann es bei Schwangeren, Alkoholkranken, Personen mit Resorptionsstörungen (chronische Gastroenteritis, Zöliakie und Antibiotikatherapie) oder Lebererkrankungen zu Mangelerscheinungen kommen.[14]

Klinisch manifestiert sich ein solcher Mangel in Exanthemen, Hautrissen (insbesondere an den Lippen bzw. im Mundwinkel, Cheilosis) und Lichtüberempfindlichkeit. Diese Hypovitaminose heißt Ariboflavinose oder B2-Avitaminose.[14][15] Zur Früherkennung eines Riboflavin-Mangels kann der EGRAC bestimmt werden.

Akuter Riboflavin-Mangel betrifft auch Menschen, die unter dem Brown-Vialetto-van-Laere-Syndrom leiden, da der Riboflavin-Transport bei ihnen durch einen Gendefekt gestört ist.[16]

Überdosierung

Wegen der unzureichenden Datenlage ist eine verlässliche Risikobewertung bei einer Überdosierung nicht möglich; ein Tolerable Upper Intake Level (UL) wurde daher nicht abgeleitet.[13] Vitamin B2-abhängige unerwünschte Wirkungen wurden durch eine Überdosierung nicht nachgewiesen.[8]

Durch die begrenzte Löslichkeit, Absorption und der raschen Eliminierung wird die (akute oder chronische) Toxizität einer Überdosierung als gering betrachtet.[7] Aus physiologischen Gründen ist die Einnahme hoher Dosen jedoch wenig sinnvoll.

Nutzung

Das wasserlösliche, hitzestabile und lichtempfindliche Riboflavin wurde 1962 als einer der ersten Lebensmittelzusatzstoffe durch die Richtlinie des Rats zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für färbende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen in der EWG zugelassen und erhielt die E-Nummer E 101. Auch in der aktuellen Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 wird es aufgeführt und ist dadurch in der EU und den anderen Ländern des EWR als Lebensmittelfarbstoff zugelassen. In der Verordnung wird auch geregelt, dass eine Verwendung nur in bestimmten Lebensmitteln zulässig ist. Riboflavin darf dabei ohne Mengebegrenzung (quantum satis) verwendet werden. In der Schweiz ist die Verwendung sinngemäß durch die Zusatzstoffverordnung geregelt.[17]

Neben der Verwendung als Lebensmittelfarbstoff wird industriell hergestelltes Vitamin B2 für Vitaminpräparate genutzt. Zudem fließen etwa 70 %[11] der weltweiten Produktion als Futtermittelergänzung in die Tierhaltung, wodurch die Tiermast gesteigert wird.[12]

Die industrielle Produktion betrug 2002 weltweit 4000 Tonnen pro Jahr, 2015 steigerte sich diese auf 9000 Tonnen pro Jahr.[11] Weltweite Produzenten sind BASF, DSM, Hubei Guangji Pharmaceuticals und Shanghai Acebright Pharmaceuticals. Größtenteils wird Riboflavin biotechnologisch mittels A. gossypii, C. famata var. flareri und B. subtilis erzeugt.

Riboflavin wird ferner zur Kontrolle von Reinigungsprozessen (Flächen, Hände etc.) in der Pharmaindustrie eingesetzt, da es auch in geringer Konzentration bei UV-Licht leuchtet und damit gut sichtbar ist.

In der Medizin kann es auch als Photosensibilisator eingesetzt werden. So wird es beispielsweise zur Quervernetzung von Kollagen in der menschlichen Hornhaut verwendet, was als Behandlung von Keratokonus dienen kann.[18]

Gemäß S1-Leitlinie für Diagnostik und Therapie in der Neurologie der DGN kann eine Kombinationstherapie von hochdosiertem Vitamin B2 (Tagesdosis von 2 × 200 mg), Magnesium und Ubichinon-10 die Schwere der Migräneattacken, allerdings nicht die Häufigkeit reduzieren.[19] Aussagen zu einer Migräneprophylaxe sind nur mit geringerer wissenschaftlicher Evidenz behaftet.

Einzelnachweise

  1. Eintrag zu E 101: Riboflavins in der Europäischen Datenbank für Lebensmittelzusatzstoffe, abgerufen am 16. Juni 2020.
  2. Eintrag zu RIBOFLAVIN in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 18. September 2021
  3. Eintrag zu LACTOFLAVIN in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 28. Dezember 2020.
  4. a b c d Eintrag zu Riboflavin. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 9. Dezember 2014.
  5. a b c d Eintrag zu Riboflavin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 25. Juni 2017. (JavaScript erforderlich)
  6. D. Steinhilber, M. Schubert-Zsilavecz, H. J. Roth: Medizinische Chemie – Targets und Arzneistoffe. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-7692-3483-9.
  7. a b c d Helmut Heseker, Anna Stahl: Vitamin B2 (Riboflavin). (PDF) In: Ernährungs-Umschau. Oktober 2008, abgerufen am 26. November 2022.
  8. a b Vitamin B2 zur Nahrungsergänzung – ist es das Geld wert? In: Klartext Nahrungsergänzung. Verbraucherzentrale, 23. Februar 2022, abgerufen am 26. November 2022.
  9. Adelbert Bacher et al.: Biosynthesis of Vitamin B 2 (Riboflavin). In: Annual Review of Nutrition. Band 20, Nr. 1, Juli 2000, S. 153–167, doi:10.1146/annurev.nutr.20.1.153, PMID 10940330 (englisch).
  10. a b c d Klaus-Peter Stahmann et al.: Three biotechnical processes using Ashbya gossypii, Candida famata, or Bacillus subtilis compete with chemical riboflavin production. In: Applied Microbiology and Biotechnology. Band 53, Nr. 5, 15. Mai 2000, S. 509–516, doi:10.1007/s002530051649 (englisch).
  11. a b c Liudmila A. Averianova et al.: Production of Vitamin B2 (Riboflavin) by Microorganisms: An Overview. In: Frontiers in Bioengineering and Biotechnology. Band 8, 2020, S. 570828, doi:10.3389/fbioe.2020.570828, PMID 33304888, PMC 7693651 (freier Volltext) – (englisch).
  12. a b c Klaus-Peter Stahmann, Hans-Peter Hohmann: Vitamine, Nukleotide und Carotinoide. In: Hermann Sahm et al. (Hrsg.): Industrielle Mikrobiologie. 1. Auflage. Springer, Berlin, Heidelberg 2013, ISBN 978-3-8274-3040-3, S. 127–148, doi:10.1007/978-3-8274-3040-3_7.
  13. a b c Höchstmengen für Vitamin B1, Vitamin B2 und Pantothensäure in Lebensmitteln inklusive Nahrungsergänzungsmitteln. (PDF) In: Bundesinstitut für Risikobewertung. 2021, abgerufen am 26. November 2022.
  14. a b Ariboflavinose. In: Pschyrembel Online. März 2022, abgerufen am 28. November 2022.
  15. Ludwig Weissbecker: B2-Avitaminose (Ariboflavinose). In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 1092 f.
  16. Annet M Bosch, Kevin Stroek, Nico G Abeling, Hans R Waterham, Lodewijk IJlst: The Brown-Vialetto-Van Laere and Fazio Londe syndrome revisited: natural history, genetics, treatment and future perspectives. In: Orphanet Journal of Rare Diseases. Band 7, Nr. 1, 2012, ISSN 1750-1172, S. 83, doi:10.1186/1750-1172-7-83.
  17. Verordnung des EDI über die zulässigen Zusatzstoffe in Lebensmitteln. (PDF) Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI), 1. Juli 2020, abgerufen am 23. Januar 2022.
  18. Frederik Raiskup, Eberhard Spoerl: Corneal Crosslinking with Riboflavin and Ultraviolet A. I. Principles. In: The Ocular Surface. Band 11, Nr. 2, April 2013, S. 65–74, doi:10.1016/j.jtos.2013.01.002 (elsevier.com [abgerufen am 26. Februar 2021]).
  19. Hans-Christoph Diener et al.: Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne. (PDF) Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. In: AWMF. Deutsche Gesellschaft für Neurologie, 2018, S. 33, abgerufen am 27. November 2022.

Weblinks