„Fremdkörper in Anus und Rektum“ – Versionsunterschied

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Es gibt keine zuverlässigen Daten über die Häufigkeit von klinisch relevanten rektalen Fremdkörpern. Die [[Inzidenz (Medizin)|Inzidenz]] dürfte langfristig betrachtet zugenommen haben.<ref name="Munter2009">D. W. Munter: [http://emedicine.medscape.com/article/776795-overview ''Foreign Bodies, Rectum.''] Vom 28. September 2009, abgerufen am 15. April 2010</ref> Die Dunkelziffer ist vermutlich sehr hoch.
Es gibt keine zuverlässigen Daten über die Häufigkeit von klinisch relevanten rektalen Fremdkörpern. Die [[Inzidenz (Medizin)|Inzidenz]] dürfte langfristig betrachtet zugenommen haben.<ref name="Munter2009">D. W. Munter: [http://emedicine.medscape.com/article/776795-overview ''Foreign Bodies, Rectum.''] Vom 28. September 2009, abgerufen am 15. April 2010</ref> Die Dunkelziffer ist vermutlich sehr hoch.

Version vom 15. April 2010, 22:43 Uhr

Klassifikation nach ICD-10
T18.5 Fremdkörper in Anus und Rektum
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Ein Fremdkörper in Anus und Rektum, häufig auch rektaler Fremdkörper (engl. rectal foreign body) genannt, ist ein transanal in den Mastdarm (Rektum bzw. lat Rectum) eingeführter und dort befindlicher Gegenstand. Unter bestimmten Umständen kann ein rektaler Fremdkörper klinisch relevant werden. Dies ist dann der Fall, wenn der eingeführte Fremdkörper sich vom Patienten nicht in der vorgesehenen Form problemlos wieder entfernen lässt. Der umgekehrte Weg eines Fremdkörpers – orale Aufnahme und Passage durch den gesamten Magen-Darm-Trakt bis ins Rektum – ist nur selten klinisch relevant.

Übersicht über den menschlichen Magen-Darm-Kanal:
1 = Speiseröhre, 2 = Magen, 3 = Zwölffingerdarm, 4 = Dünndarm, 5 = Blinddarm, 6 = Appendix, 7 = Grimmdarm, 8 = Mastdarm, 9 = Anus - Musculus sphincter internum und Musculus sphincter externum

Rektale Fremdkörper gehören zu der Gruppe der gastrointestinalen Fremdkörper (Fremdkörper in den Verdauungsorganen).[1][2]

Inzidenz

Röntgenaufnahme, die ein Fragment einer Flasche (Flaschenhals, im Bild oberhalb der Schambeinfuge) im Rektum eines Patienten zeigt.
Endoskopschlinge mit dem Fragment der Glasflasche aus der Röntgenaufnahme.
Röntgenaufnahme einer Mineralwasserflasche aus Kunststoff, die vom Rektum bis in das Colon sigmoideum reicht.[3]

Es gibt keine zuverlässigen Daten über die Häufigkeit von klinisch relevanten rektalen Fremdkörpern. Die Inzidenz dürfte langfristig betrachtet zugenommen haben.[4] Die Dunkelziffer ist vermutlich sehr hoch.

Fremdkörper in Anus und Rektum finden sich bei Männern erheblich häufiger als bei Frauen. Das Verhältnis beträgt ungefähr 28:1.[5][6][4]

Ursachen

Die Gründe für Fremdkörper in Anus und Rektum sind sehr unterschiedlicher Natur, in den meisten Fällen aber sexuell oder kriminell motiviert.[7] Grundsätzlich lässt sich ein Fremdkörper auf freiwillige oder unfreiwillige Art in das Rektum einführen, wobei die Einführung in der überwiegenden Anzahl der Fälle freiwillig geschieht. Darunter fallen vor allem sexuell motivierte Praktiken, die die häufigste Ursache für klinisch relevante rektale Fremdkörper darstellen. Bodypacking, der illegale Transport von Drogenbehältern in Körperöffnungen (hier: im Rektum), ist eine weitere freiwillige Form des Einführens von Fremdkörpern in Anus und Rektum.[8] Dazu gehören auch Versuche Gegenstände wie Waffen, beispielsweise Messer, oder Munition zu transportieren. Eine wesentlich seltenerer Grund ist ein Münchhausen-Syndrom.[9] Ein anderer Grund kann eine vermeintliche Selbsthandlung von Erkrankungen sein. So versuchte beispielsweise ein Landwirt durch das Einführen eines Maiskolben in sein Rektum einen hartnäckigen Durchfall bei sich zu therapieren.[10]

Zu den unfreiwilligen Ursachen gehören beispielsweise Unfälle oder Folter[11]. Eine Vielzahl von selbst eingeführten Fremdkörpern wird von den betroffenen Patienten aus Scham als „Unfall“ deklariert.

Objekte

Art und Größe der rektalen Fremdkörper ist sehr unterschiedlich und übersteigt in manchen Fällen das anatomisch-physiologische Vorstellungsvermögen.[7]

Zu den in der Fachliteratur beschriebenen Objekten gehören beispielsweise:

Es muss sich dabi nicht immer um feste Gegenstände handeln. 1987 wurde beispielsweise ein Fall eines homosexuellen Patienten beschrieben, der sich mit einer Zementmischung einen Einlauf verabreichte. Nachdem die Mischung sich verfestigte und verkeilte, musste der entstandene Zementbrocken chirurgisch entfernt werden.[13]

Diagnose

Bereits bei der Anamnese können wichtige Informationen über Art und Anzahl der Fremdkörper erhalten werden. Vor dem Entfernen des Fremdkörpers werden meist radiologische Bilder in unterschiedlichen Projektionsebenen aufgenommen, um die genaue Lage und Tiefe des Fremdkörpers festzustellen. Dies geschieht in der Regel durch Röntgen. Die so gewonnenen Informationen über den Fremdkörpers sind für seine Entfernung sehr wichtig, da eine Perforation von Rektums und Anus unbedingt zu vermeiden ist. Auch eine flexible Endoskopie, die auch bei der Therapie hilfreich sein kann, ermöglicht die Identifikation und Lokalisation des Gegenstandes im Rektum.[14]

Therapie

So vielseitig wie die Objekte im Rektum sein können, so unterschiedlich können auch die therapeutischen Maßnahmen zur Entfernung des Fremdkörpers ausfallen. Häufig bestehen die Fremdkörper aus zerbrechlichen Materialien, wie beispielsweise Glas. Zudem vergehen häufig viele Stunden oder gar Tage, bis der Patient einen Arzt aufsucht. Bevor sie einen Arzt konsultieren, versuchen die meisten Patienten mehrmals erfolglos, den Fremdkörper selbst oder durch einen anderen Laien zu entfernen. In vielen Fällen verschlechtert dies die Ausgangslage für eine erfolgreiche Extraktion des Fremdkörpers.

Auf endoskopischem Weg kann der Fremdkörper in den meisten Fällen entfernt werden. Vibratoren lassen sich beispielsweise meist mit einer großen Polypektomieschlinge (normalerweise für die Entfernung von Polypen bei der Koloskopie verwendet) greifen und aus dem Rektum entfernen.[15] Große eingeklemmte Objekte sind mit einem flexiblen Endoskop oft nicht zu bewegen. In diesen Fällen sind starre Instrumente häufig besser geeignet.

Bei schwierigeren Fällen kann ein Bauchschnitt (Laparotomie) notwendig sein. Über den geöffneten Bauch kann der Dickdarm dann möglicherweise so manipuliert werden, dass der Fremdkörper in Richtung des Anus wandert und dort gefasst werden kann. Die Eröffnung des Dickdarms (Kolotomie) kann in besonders schwierigen Fällen angezeigt sein, insbesondere dann, wenn eine Manipulation des Fremdkörpers die Gesundheit des Patienten ernsthaft gefährden würde. Dies kann beispielsweise bei eingeklemmten Drogenkondomen der Fall sein.[14]

In einigen Fällen haben sich auch gynäkologische Instrumente bei der Bergung der Fremdkörper bewährt. Dazu gehören beispielsweise die Geburtszange (Forceps)[16] und die Saugglocke[17]. Der Weiteren wurden hölzerne Objekte mit Korkenziehern und Trinkgläser nach dem Ausgießen mit Gips geborgen.[18][16] Auch die Argon-Plasma-Koagulation wurde schon erfolgreich zur Entfernung von Fremdkörpern im Rektum eingesetzt.[19]

Bei den leichteren Fällen genügt meist eine Sedierung des Patienten. Schwierigere Eingriffe werden meist unter Vollnarkose durchgeführt.

Nach der Operation empfiehlt sich eine Sigmoidoskopie – eine Darmspiegelung, bei der 30 bis 40 cm des Dickdarmes und Enddarmes mit einem flexiblem Endoskop begutachtet werden – um mögliche Perforationen des Rektums und Colon sigmoideum auszuschließen.[20]

Rektale Fremdkörper durch orale Aufnahme

Der umgekehrte Weg eines Fremdkörpers – orale Aufnahme und Passage durch den gesamten Magen-Darm-Trakt bis ins Rektum – wird zwar sehr oft durchlaufen, ist aber nur selten klinisch relevant. Andere Engstellen führen bei ausreichend großen Fremdkörpern auf diesem Weg meist zu Problemen in anderen Organen, wie beispielsweise Speiseröhre oder Magen. Einige Fremdkörper passieren jedoch die auf dem Weg zum Rektum liegenden Engpässe und können im Rektum zu klinisch relevanten Problemen führen. Dazu gehören beispielsweise Zahnstocher, Popcorn, Knochen und Sonnenblumenkerne.[2][4]

Ig-Nobelpreis

Der Ig-Nobelpreis wurde 1995 an David B. Busch und James R. Starling aus Madison (Wisconsin) für ihren 1986 veröffentlichten Artikel Rectal foreign bodies: Case Reports and a Comprehensive Review of the World's Literature (dt.: „Rektale Fremdkörper: Fallstudien und ein umfassender Überblick über die weltweite Literatur“) verliehen.[21]

Weiterführende Literatur

Einzelnachweise

  1. A. A. Ayantunde und T. Oke: A review of gastrointestinal foreign bodies. In: Int J Clin Pract 60, 2006, S. 735–739. PMID 16805760 (Review)
  2. a b M. T. Smith und R. K. Wong: Foreign bodies. In: Gastrointest Endosc Clin N Am 17, 2007, S. 361–382. PMID 17556153 (Review)
  3. B. B. Pandey u. a.: Embolic stroke complicating Staphylococcus aureus endocarditis circumstantially linked to rectal trauma from foreign body: a first case report. In: BMC Infectious Diseases 5, 2005, 42. doi:10.1186/1471-2334-5-42 (Open Access) PMID 15921523
  4. a b c D. W. Munter: Foreign Bodies, Rectum. Vom 28. September 2009, abgerufen am 15. April 2010
  5. D. L. Clarke u. a.: Colorectal foreign bodies. In: Colorectal Dis 7, 2005, S. 98–103. PMID 15606596
  6. L. B. Stack und D. W. Munter: Foreign bodies in the gastrointestinal tract. In: Emerg Med Clin North Am 14, 1996, S. 493–521. PMID 8681881 (Review)
  7. a b c H. Messmann: Lehratlas der Koloskopie. Georg Thieme Verlag, 2004, ISBN 3-131-36441-6 S. 219. ISGN eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  8. M. C. Laitenberger: Klinische und rechtsmedizinische Aspekte des intestinalen Rauschmitteltransportes in Hamburg 1989 bis 2004. Dissertation, Universität Hamburg, 2005
  9. S. A. Khan u. a.: Munchausen's syndrome presenting as rectal foreign body insertion: a case report. In: Cases J 1, 2008, 243. PMID 18925957 (Open Access)
  10. V. Stenz u. a.: Fremdkörpergeschichten. In: Ther Umsch 65, 2008, S. 699–702. PMID 19048523
  11. F. Nuschler u. a.: Bericht über die internationale Folterfoschung. Universität Duisburg, 1992
  12. J. E. Barone u. a.: Perforations and foreign bodies of the rectum: report of 28 cases. In: Ann Surg 184, 1976, S. 601–604. PMID 984928
  13. P. J. Stephens und M. L. Taff: Rectal impaction following enema with concrete mix. In: Am J Forensic Med Pathol 8, 1987, S. 179–182. PMID 3649167
  14. a b A. T. R. Axon und M. Classen: Gastroenterologische Endoskopie. Georg Thieme Verlag, 2004, ISBN 3-131-32401-5 S. 400–401. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  15. D. Hartmann u. a.: Notfallendoskopie – Update. In: Gastroenterologie up2date 5, 2009, S. 321–334. doi:10.1055/s-0029-1215318
  16. a b T. N. Peet: Removal of impacted rectal foreign body with obstetric forceps. In: British Medical Journal 1976, S. 500–501. PMID 1252815
  17. S. O. Johnson und T. H. Hartranft: Nonsurgical removal of a rectal foreign body using a vacuum extractor. Report of a case. In: Dis Colon Rectum 39, 1996, S. 935–937. PMID 8756851
  18. H. Bailey und J. Love: A short textbook of surgery. A. J. H. Rains und H. D. Ritchie (Herausgeber), 16. Auflage, Verlag Lewis, 1975, S. 1013.
  19. J. Glaser u. a.: Unusual rectum foreign body: Treatment using argon-beam coagulation. In: Endoscopy 29, 1997, S. 230–231. PMID 9201486
  20. J. J. Koornstra und R. K. Weersma: Management of rectal foreign bodies: description of a new technique and clinical practice guidelines. In: World J Gastroenterol 14, 2008, S. 4403–4406. PMID 18666334
  21. D. B. Busch und J. R. Starling: Rectal foreign bodies: Case Reports and a Comprehensive Review of the World's Literature. In: Surgery 100, 1986, S. 512–519. PMID 3738771