Acrylamid
Strukturformel | ||||||||||
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Allgemeines | ||||||||||
Name | Acrylamid | |||||||||
Andere Namen |
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Summenformel | C3H5NO | |||||||||
Kurzbeschreibung |
farb- und geruchlose Kristalle [1] | |||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | ||||||||||
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Eigenschaften | ||||||||||
Molare Masse | 71,08 g·mol−1 | |||||||||
Aggregatzustand |
fest | |||||||||
Dichte |
1,13 g·cm−3 [1] | |||||||||
Schmelzpunkt | ||||||||||
Siedepunkt | ||||||||||
Dampfdruck | ||||||||||
Löslichkeit | ||||||||||
Sicherheitshinweise | ||||||||||
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Zulassungsverfahren unter REACH |
besonders besorgniserregend: krebserzeugend, erbgutverändernd (CMR)[4] | |||||||||
MAK |
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Toxikologische Daten | ||||||||||
Thermodynamische Eigenschaften | ||||||||||
ΔHf0 |
−212,1 kJ/mol[6] | |||||||||
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. |
Das Acrylamid gehört zur chemischen Gruppe der Amide. In reiner Form ist es ein weißes, geruchloses, kristallines Pulver, das in Wasser, Ethanol und Ether löslich ist.
Herstellung
Die gezielte chemische Synthese von Acrylamid erfolgt durch Hydrolyse von Acrylnitril mit Kupferkatalysatoren oder durch enzymatische Hydrolyse:
Die Entstehung bei starker Erhitzung stärkehaltiger Lebensmittel wird nicht für die gezielte Herstellung der Reinsubstanz Acrylamid eingesetzt.
Verwendung
Acrylamid wird zur Herstellung von Polymeren und Farbstoffen verwendet. Unvernetzte (Co)Polymere von Acrylamid sind meist wasserlöslich und werden als Stabilisatoren oder Flockungsmittel in vielen Anwendungen, beispielsweise in der Abwasseraufbereitung oder der Papierherstellung verwendet. Quervernetzte Polyacrylamide sind nicht löslich und quellen in Wasser nur noch auf; sie werden als Trägermaterial bei der Gelelektrophorese (SDS-PAGE) genutzt. Quervernetzte Copolymere von Acrylamid und Acrylsäure werden als Superabsorber eingesetzt, z. B. in Windeln.
Biologische Bedeutung
Details zum Einfluss von Acrylamid auf den menschlichen Stoffwechsel sind noch weitgehend unerforscht. Aus Tierversuchen sind zwei Wirkungsweisen bekannt: Acrylamid greift zum einen direkt die DNA an, zum anderen wird es von Leberenzymen in Glycidamid umgesetzt. Diesem reaktiven Stoff wird eine starke genotoxische Wirkung zugeschrieben. Acrylamid wie auch Glycidamid bilden Verbindungen mit Aminosäuren und Nukleinbasen und können so die Struktur und Funktion beispielsweise der DNA und des Hämoglobin verändern. Im Tierversuch wurde die Weitergabe der erbgutverändernden Wirkung auch an Tochtergenerationen beobachtet.
Die Einordnung als krebserregend basiert auf Untersuchungen mit hohen Acrylamiddosen an Ratten und Mäusen. Beim Menschen fehlen trotz langjähriger Suche klare epidemiologische Ergebnisse für ein erhöhtes Krebsrisiko. Im Gegenteil: Neuere Studien fanden kein erhöhtes Krebsrisiko (“no measurable impact”), das Darmkrebsrisiko nahm mit zunehmenden Acrylamidgehalten in der Nahrung sogar ab.[7] Hierbei ist zudem zu beachten, dass nur in die Blutbahn gelangtes Acrylamid relevant ist; neuere Studien legen nahe, dass die Aufnahme von Acrylamid mit der Nahrung kaum zu einem erhöhten Blutspiegel führt.[8]
Acrylamid in Lebensmitteln
Acrylamid wurde wiederholt seit Juni 2000 von schwedischen Wissenschaftlern in verschiedenen Lebensmitteln (insbesondere in stärkehaltigen und stark erhitzten Lebensmitteln wie Pommes frites) nachgewiesen.[9][10][11]
Einer Studie der Medizinischen Hochschule Hannover zufolge wurde nur bei Personen, die mehrmals pro Woche Pommes frites oder Kartoffelchips essen, ein erhöhter Acrylamidspiegel im Blut festgestellt. Dieser sei jedoch „gering und aus wissenschaftlicher Sicht nicht signifikant.“ Dafür waren Raucher deutlich höher belastet. Aus den Ergebnissen wurde gefolgert, dass nicht nur die Ernährung, sondern „möglicherweise auch körpereigene Abbauprozesse von Proteinen dazu beitragen, dass Acrylamid in unseren Blutkreislauf gelangt.“[8]
Entstehung in Lebensmitteln
Es entsteht in der Maillard-Reaktion bei Überhitzung von Stärke, insbesondere beim Backen, Braten, Rösten, Grillen und Frittieren. Der wichtigste Ausgangsstoff für Acrylamid in Lebensmitteln ist die Aminosäure Asparagin, die vor allem in Kartoffeln und in Getreide vorkommt. Gefördert wird die Acrylamidbildung durch Zucker wie Fructose und Glucose.[12]
Besonders viel Acrylamid entsteht, wenn kartoffel- und getreidehaltige Lebensmittel trocken über 180 °C erhitzt werden. Die Acrylamidbildung beginnt allerdings bereits bei 120 °C, steigt jedoch bei 170–180 °C sprunghaft an. Hierbei reicht auch eine dünne, trockene Schicht, beispielsweise die gebräunte Oberfläche von Pommes frites oder eine Brotkruste. Und so enthalten alle Brote, Knäckebrot, Pommes frites, Kartoffelchips, aber auch Kaffee teilweise hohe Mengen an Acrylamid. Für die Kartoffel ist zu beachten, dass eine Lagerung unter 8 °C bezüglich Acrylamid fördernd wirkt; bei Lagertemperaturen von 4 °C steigt der Gehalt an Fructose stark an, was beim Braten und Frittieren zu höherer Acrylamidbildung führt.
Will man auf die trockene Erhitzung von Lebensmitteln nicht verzichten (→ Rohkost), ist eine gänzlich acrylamidfreie Ernährung momentan technisch nicht möglich. Ein Grenzwert wurde, wegen fehlender Erkenntnisse zur gesundheitlichen Wirkung bei Menschen, für Lebensmittel nicht festgesetzt. Es werden jedoch jährlich Signalwerte durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ermittelt, auf deren Grundlage die zuständigen Behörden der Bundesländer mit Herstellern besonders hoch belasteter Produkte in einen Dialog zur Minimierung der Werte treten. Beispielsweise bei Kartoffelchips beträgt dieser Signalwert 1.000 Mikrogramm pro Kilogramm. In einem Test der Zeitschrift Ökotest lag von 28 getesteten Produkten eines über dem Signalwert für Acrylamid.[13]
Es ist möglich, die Acrylamidbildung durch eine Änderung von Rezepturen und Herstellungsverfahren zu reduzieren. In vielen Fällen kann bereits eine Absenkung der Höchsttemperatur beim Backen um 10–20 °C oder der Austausch von oder Verzicht auf einzelne Zutaten die Bildung von Acrylamid verringern. So hat das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit einen hohen Anteil an Mandeln und vor allem das Backtriebmittel Ammoniumhydrogencarbonat (früher: Ammoniumbicarbonat, auch: Hirschhornsalz) als Hauptproblem bei Lebkuchen ausgemacht. Nach Weglassen der Mandeln und Verwendung von Natron (Natriumhydrogencarbonat, früher: Natriumbicarbonat) in der Kombination mit Dinatriumdihydrogendiphosphat und Dicalciumphosphat als Triebmittel fiel der Acrylamidgehalt auf ein Zehntel des vorherigen Werts. Allerdings können sich diese Maßnahmen (zum Teil in erheblichem Maße) nachteilig auf das Aroma und die Konsistenz auswirken.
Neben diesen Maßnahmen zur Reduzierung der Acrylamidbildung (optimierte Rohstoffauswahl und -behandlung sowie Veränderung vorhandener Verfahrensschritte) ist auch die Entwicklung neuartiger Prozesstechniken denkbar, beispielsweise der Einsatz der Vakuumfrittiertechnik bei der Kartoffelchipsproduktion.[14]
Acrylamid in Kosmetika
Acrylamid kann als Verunreinigung von Polyacrylamid in Kosmetika auftreten, aber auch als Verunreinigung von z. B. Polyquaternium-7, das in Haarpflegeprodukten und Haarwaschmitteln verwendet wird.[15]
Gefährlichkeitsmerkmale
Obwohl die Internationale Agentur für Krebsforschung 1994 festhielt, dass keine hinreichende Belege für menschliche Karzinogenität von Acrylamid vorhanden seien, wurde Acrylamid aufgrund der Laboruntersuchungen an Ratten und Mäusen als wahrscheinlich krebserzeugend eingestuft.[16] Es hat die UN-Nummer 2074.
Die WHO gibt als allgemeine Empfehlung zu Acrylamid folgende Erklärung ab: „Es gibt nicht genügend Anhaltspunkte über den Acrylamidgehalt in verschiedenen Lebensmitteln um eine allgemeine Empfehlung für die Vermeidung irgendeines Nahrungsmittels abgeben zu können.“[17]
Das Bundesinstitut für Risikobewertung hält fest,
„a) aufgrund dieser uneinheitlichen Ergebnisse der in die Bewertung eingeschlossenen Studien kann weder angenommen noch ausgeschlossen werden, dass es kausale Zusammenhänge zwischen der Acrylamidaufnahme und einer Krebsentstehung beim Menschen gibt.“
„b) Festzustellen ist in diesem Kontext, dass epidemiologisch bisher kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und der Acrylamid-Exposition nachgewiesen werden konnte. Möglicherweise ist das Risiko einer Krebsentstehung – sofern beim Menschen vorhanden – bei der gegebenen Exposition praktisch kaum nachweisbar.“
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) veröffentlichte im Juni 2015 ein wissenschaftliches Gutachten zu Acrylamid in Lebensmitteln. Demnach liefern Tierstudien Beweise für eine genotoxische und krebserregende Wirkung. Hinweise aus Humanstudien, dass die gegenwärtige Exposition Krebs verursacht, seien derzeit noch begrenzt und nicht schlüssig. Da Acrylamid sich in einer Vielzahl alltäglicher Lebensmitteln findet, betrifft dieses Gesundheitsproblem alle Verbraucher, wobei Kinder (bezogen auf ihr Körpergewicht) die exponierteste Altersgruppe sind. Die Lebensmittel mit dem größten Beitrag zur Acrylamidexposition sind frittierte Kartoffelerzeugnisse, Kaffee, Kekse, Cracker, Knäcke- und Toastbrot.[18]
Acrylamidrechner
Eine annähernde Berechnung der individuell aufgenommenen Dosis bei Eingabe der Essgewohnheiten ermöglicht das BfR-Acrylamidrechenprogramm des Bundesinstituts für Risikobewertung.[19]
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f g h i j k Eintrag zu Acrylamid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich) .
- ↑ a b Eintrag zu Acrylamid. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag
- ↑ Eintrag zu Acrylamide im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
- ↑ Eintrag in der SVHC-Liste der Europäischen Chemikalienagentur
- ↑ Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva): Grenzwerte – Aktuelle MAK- und BAT-Werte
- ↑ David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances, S. 5-23.
- ↑ L A Mucci, P W Dickman, G. Steineck, H-O Adami, K. Augustsson: Dietary acrylamide and cancer of the large bowel, kidney, and bladder: Absence of an association in a population-based study in Sweden. In: British Journal of Cancer. 88, 2003, S. 84, doi:10.1038/sj.bjc.6600726.
- ↑ a b Pressemeldung der Medizinischen Hochschule Hannover: Acrylamid im Blut: Rolle des Ernährungsverhaltens unklar. 5. Oktober 2005, abgerufen am 19. März 2011.
- ↑ E. Tareke, P. Rydberg, P. Karlsson, S. Eriksson, M. Törnqvist: Acrylamide: a cooking carcinogen? In: Chemical research in toxicology. Band 13, Nummer 6, Juni 2000, S. 517–522, ISSN 0893-228X. PMID 10858325.
- ↑ E. Tareke, P. Rydberg, P. Karlsson, S. Eriksson, M. Törnqvist: Analysis of acrylamide, a carcinogen formed in heated foodstuffs. In: Journal of agricultural and food chemistry. Band 50, Nummer 17, August 2002, S. 4998–5006, ISSN 0021-8561. PMID 12166997.
- ↑ Udo Pollmer: Kartoffel: Acrylamid - Viel Rauch um nichts ( vom 24. November 2007 im Internet Archive) in: EU.L.E.n-Spiegel 02/2006.
- ↑ D.S. Mottram, B.L. Wedzicha and A.T. Dodson (2002) Food chemistry: Acrylamide is formed in the Maillard reaction. Nature 419, 448-449, PMID 12368844.
- ↑ Ökotest 7/2008, S. 22-26.
- ↑ wissenschaft.de: Wie Schwefel im Boden Acrylamid im Brot verringert.
- ↑ „Quellen für Acrylamid in Kosmetika“ (PDF; 8 kB) Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), 2003.
- ↑ Acrylamide (PDF; 3,2 MB). In: Monographs on the Evaluation of Carcinogen Risk to Humans: Some Industrial Chemicals, No. 60, Lyon: International Agency for Research on Cancer.
- ↑ Frequently asked questions - acrylamide in food ( vom 20. Dezember 2013 im Internet Archive), Antwort zu Frage 4, Abs. 3.
- ↑ Acrylamid in Lebensmitteln ist ein Problem für die öffentliche Gesundheit. EFSA, 4. Juni 2015.
- ↑ Bundesinstitut für Risikobewertung: Expositionsabschätzung Acrylamid.
Literatur
- Anonymus: Acrylamid in Lebensmitteln - ernstes Problem oder überschätzte Gefahr?. In: Umweltmedizin in Forschung und Praxis. 5/7/2002, S. 288, ISSN 1430-8681
- Thomas Schettgen, Hans Drexler, Jürgen Angerer: Acrylamid in der deutschen Allgemeinbevölkerung - eine Abschätzung der täglichen Aufnahme. In: Umweltmedizin in Forschung und Praxis. 6/7/2002, S. 331–336, ISSN 1430-8681
- S. Madle, L. Broschinski, O. Mosbach-Schulz, G. Schöning, A. Schulte: Zur aktuellen Risikobewertung von Acrylamid in Lebensmitteln. In: Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 46/2003, S. 405–415, ISSN 1436-9990
- Chip companies settle acrylamide lawsuit in California
- Omas Plätzchen sind die besten! Warnungen vor hohen Backtemperaturen sind überflüssig
Weblinks
- Signalwerte und aktuelle Untersuchungsergebnisse
- Krebserregendes Glycidamid in Chips und Pommes - NZZ Online, 18. August 2008
- CIAA Acrylamide Toolbox. (PDF; 265 kB) Europäischen Verband der Lebensmittelindustrie (CIAA), , abgerufen am 27. August 2011 (englisch): „The CIAA “Toolbox” reflects the results of several years of industry cooperation to understand acrylamide formation and potential intervention steps.“
- Giftiger Stoff bei Verschlucken
- Gesundheitsschädlicher Stoff bei Hautkontakt
- Gesundheitsschädlicher Stoff bei Einatmen
- Hautreizender Stoff
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- Alken
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