Chinas Grüne Mauer

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Die Gobi an den Grenzen Chinas

Grüne Mauer (chinesisch 绿色长城, Pinyin Lǜsè Chángchéng) ist ein chinesisches Umweltprojekt, um die Desertifikation der Volksrepublik zu verhindern. Der offizielle Name für das Projekt lautet Sanbei Fanghulin (chinesisch 三北防護林 / 三北防护林, Pinyin Sānběi Fánghùlín, englisch Three-North Shelterbelt Development Program – „Drei-Norden-Schutzwald“, wobei ‚Drei-Norden‘ die Regionen Nordwest-, Nord- und Nordostchina meint).

Der Name des Projektes leitet sich von der parallel verlaufenden Großen Mauer ab. Gemeinsam ist die Schutzfunktion: Während die große Mauer Schutz gegen die Völker aus dem Norden bot, soll die Grüne Mauer Wüstenstürme zurückhalten.

Die Grüne Mauer ist das größte jemals unternommene Aufforstungsprojekt. Es gilt als die beste Möglichkeit für China, die immer stärkere Verwüstung ganzer Regionen aufzuhalten. Besonders der trockene Norden ist betroffen, der aber aufgrund der Bevölkerungszahl bewohnbar bleiben muss.

Desertifikation in China

Sandablagerung nach einem Sandsturm in Peking

In Peking gibt es jedes Jahr mehrmals Alarm wegen drohender Atemprobleme, wenn ein Sandsturm aus dem Norden Wüstensand mitbringt. Dieses Problem betrifft hauptsächlich den Norden, wo die Grenzen zu den chinesischen Wüsten liegen. Durch die Desertifikation verliert die Volksrepublik jedes Jahr 2.500 km² Fläche (etwa die Fläche des Saarlands). 100 Millionen Menschen werden von der Desertifikation bedroht. Die Durchschnittstemperatur in Peking ist durch die Wüstenhitze bereits um einige Grad Celsius gestiegen. Auch Japan, Nordkorea und Südkorea leiden unter den Sandstürmen aus China, denn sie führen in jenen Ländern zu braunem Regen und zu verstopften Flüssen. Diese Sandstürme, die die Chinesen poetisch auch „gelbe Drachen“ nennen, sind so kräftig, dass bereits an der Westküste der USA Staub aus China gefunden wurde.

Ursachen der Desertifikation

Sandsturm in der Sahara und im Osten Chinas (Animation)

Wie in vielen Ländern der Erde ist die Desertifikation eine Folge menschlichen Einflusses.

Die stark steigende Landnutzung überfordert den Boden, da sie ihm Nährstoffe entzieht und das Bodengefüge verändert. Durch Überweidung und Abholzung nimmt der spärliche Pflanzenbewuchs ab, dabei verliert der Boden an Festigkeit bzw. liegt ohne die schützende Pflanzenschicht frei. Mit der Zeit trägt entweder der Niederschlag die oberste Bodenschicht (Humusschicht) ab, oder sie trocknet aus und wird vom Wind abgetragen (Deflation; siehe auch Erosion).

Auch die Industrialisierung trägt eine Mitschuld. Bei der Gründung der Volksrepublik 1949 waren noch 8 % der Landesfläche bewaldet. Infolge der Industrialisierung stieg der Bedarf an Brennholz, der durch vermehrte Abholzung gedeckt wurde.

Ein weiteres Problem ist der steigende Wasserverbrauch der Industrie, der Landwirtschaft und der wachsenden Bevölkerung. Er wird unter anderem durch neue Brunnen und Staudämme erst ermöglicht. Die Folgen davon ist ein sinkender Pegelstand der Flüsse - dies kann soweit führen, dass der Fluss versiegt, bevor er ins Meer mündet - und ein Absinken des Grundwasserspiegels. Beispielsweise fällt Chinas zweitlängster Fluss, der Huang He (Gelbe Fluss), an seinem Unterlauf und im Mündungsgebiet für ungefähr ein halbes Jahr trocken.

Projektumfang

Die Errichtung der Grünen Mauer wurde nach der Kulturrevolution in den 1970ern begonnen und soll noch bis 2050 fortgesetzt werden. Bis dahin sollen 350.000 Quadratkilometer Land bepflanzt sein, eine Fläche von der Größe der Bundesrepublik Deutschland.

Die von der Desertifikation betroffenen Gebiete (inklusive Wüstengebiete) umfassen etwa 2,6 Millionen Quadratkilometer. Das entspricht etwa 28 % des Chinesischen Territoriums, der etwa siebenfachen Größe Deutschlands.[1]

Vorgehensweise

Aufforstung eines Steilhanges an der Großen Mauer, Abschnitt Simatai Ost (1997). – In windresistenten Einfassungen aus handgeschichtetem Bruchstein werden Jungpflanzen ausgesetzt.

Wald ist sehr geeignet, um Windgeschwindigkeiten zu verringern und damit die Abtragung des Bodens zu bremsen. Daher sollen in einem Schutzgürtel durch 13 Provinzen mit einer Länge von über 4.500 km und einer Breite von mehreren 100 km Bäume, Büsche und Gräser angepflanzt werden – eine Mauer aus Wald. Die Bäume verlangsamen die Windgeschwindigkeit und halten Sand auf, die Wurzeln der Pflanzen geben dem Boden Struktur und Festigkeit und verhindern, dass der Boden abgetragen wird. Wichtig für die Verwendung der Pflanzen ist ein sehr schnelles Wachstum und Standfestigkeit gegen den Wüstensand, und das bei nur 100 bis 200 mm Regen pro Jahr. Tamarisken[2] und Pappeln, die bezüglich ihrer Umgebung anspruchslos sind und gleichzeitig schnell wachsen, eignen sich besonders gut. In der Zukunft sollen auch gentechnisch veränderte oder geklonte Pappeln gepflanzt werden.

Da Monokulturen starke Anfälligkeit gegen Schädlingsbefall und Krankheiten haben, sollen hauptsächlich Mischwälder gepflanzt werden. Aber auch Ackerflächen sind Teil der Grünen Mauer.

Das chinesische Volk ist an der Arbeit direkt beteiligt: Gesetzlich ist jeder chinesische Bürger zwischen 11 und 60 Jahren dazu verpflichtet, pro Jahr drei bis fünf Bäume anzupflanzen.[3] Als eine Alternative dazu gibt es die Möglichkeit, eine Gebühr oder ein Bußgeld zu bezahlen.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Aufforstung, die angewandt werden: Zum einen werden die Sanddünen ganz traditionell mit Baggern und Planierraupen eingeebnet sowie befestigt. Dann folgt die Bepflanzung, die im Allgemeinen von Menschen vorgenommen wird. Zum anderen gibt es die Möglichkeit der „Luftsaat“, die die Chinesen durch dieses Projekt bis zur Marktreife entwickelten. Dabei werden die Samen von einem Flugzeug abgeworfen.[4] Eingehüllt in kleine Lehmkügelchen (Samenbombe) schaffen sie es durch die erste Zeit des Wachstums. Bisher wurden bereits 1000 Quadratkilometer (etwas mehr als die Fläche der Insel Rügen) auf diese Weise bepflanzt.

Strukturreform der Forstwirtschaft

Im Jahr 2003 startete China eine Strukturreform für Forstbetriebe. Durch die Reform wurden Waldgebiete an einzelne Bauern verpachtet und ihre Rechte durch Urkunden gesichert. Die Pächter sind jetzt als Eigentümer der Bäume eingetragen, die sie selbst angepflanzt haben. Darüber hinaus dürfen sie das Land unter Auflagen bewirtschaften oder ihre Nutzungsrechte auf andere Personen oder Firmen übertragen. Diese forstwirtschaftliche Strukturreform hat für die Bauern einen Anreiz geschaffen, in Baumpflanzungen zu investieren.

Erfolge

In 13 Provinzen wurden Schutzwälder angelegt. Sie bedecken bereits eine Fläche von 220.000 Quadratkilometern. Das entspricht etwa der Fläche Großbritanniens. In einigen Regionen waren die Aufforstungsarbeiten bereits erfolgreich. Ausgetrocknete Gegenden, in denen die Bewohner ihre Häuser täglich vom Sand befreien mussten, bleiben bewohnbar, die Wirkung der Sandstürme in diesen Regionen ging zurück.

Bisher gepflanzte Wälder haben den Sandtransport der Stürme schon um 200 Mio. Tonnen pro Jahr verringert.

Seit den neunziger Jahren hat sich Chinas Waldfläche fast verdoppelt. Im neuen Jahrtausend wurde in den gefährdeten Gebieten ein totales Weideverbot weiträumig durchgesetzt. Trotz aller Anstrengungen breitet sich die Wüste in einigen Gebieten immer noch aus. Doch zwischen den Jahren 2000 und 2004 schrumpfte die Desertifikationsfläche erstmals jährlich um fast 1300 Quadratkilometer.[1] Das entspricht der Größe des Stadtgebietes von Los Angeles.

China verfügt insgesamt über 1.750.000 Quadratkilometer Wald (Stand 2008) und damit über die größten wieder aufgeforsteten Waldgebiete der Welt.[5]

Siehe auch

Medien

  • Chinas grüne Mauer. Dokumentarfilm, Deutschland, 2002, 43:30 Min., Buch und Regie: Achim Kampmann, Produktion: arte, Discovery Channel, Reihe: 360° - Geo-Reportage, Erstsendung: 19. Juni 2004 bei arte (Inhaltsangabe von GEO).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Guido Kuchelmeister: Wüstenbekämpfung in China. (Memento vom 19. Januar 2012 im Internet Archive) In: entwicklung & ländlicher raum, 2006, Nr. 4, (PDF-Datei, 4 S.).
  2. China.org.cn: Ein Tamarisken-Forscher., 24. Januar 2002.
  3. Ümüt Halik, TU Berlin: Planung und Management städtischer Freiflächen in Ürümqi. (Memento vom 19. Februar 2005 im Internet Archive) In: TU International, 46/47, Dezember 1999, (PDF-Datei, 4 S.).
  4. Esther Kahlen: Diplomarbeit 2004, siehe Kap. 1.5, S. 11, Umweltprobleme (PDF-Datei, 92 S.)
  5. Botschaft der Volksrepublik China in Deutschland: China zählt hinsichtlich der Aufforstung weltweit zu aktivsten Staaten., 29. Januar 2008.

Koordinaten: 40° 0′ 0″ N, 109° 0′ 0″ O