Danziger Freiheit

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Die ehemalige "Danziger Freiheit" in Koblenz wurde im April 2022 in "Esther-Bejarano-Straße" umbenannt. Auf dem Foto aus dem Mai 2023 sieht man sowohl noch das alte, rot durchgestrichene Straßenschild "Danziger Freiheit" als auch darunter das neue Straßenschild "Esther-Bejarano-Straße".
Nach der Umbenennung im April 2022 findet man in Koblenz das alte, rot durchgestrichene Straßenschild "Danziger Freiheit" sowie auch darunter das neue Schild "Esther-Bejarano-Straße". (Mai 2023)
Straßenschild in Münster (2020)
Bushaltestelle in Münster (2020)

Den Namen Danziger Freiheit tragen bzw. trugen zahlreiche öffentliche Plätze in deutschen oder ehemals deutschen Orten, sowie, davon abgeleitet, auch Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel.

Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gebiet der Freien Stadt Danzig nordöstlich des Polnischen Korridors

Nach dem verlorenen gegangenen Ersten Weltkrieg fiel 1919 durch den Friedensvertrag von Versailles fast ganz Westpreußen an Polen. Danzig hingegen wurde mit seiner näheren Umgebung gegen ihren Willen zur Freien Stadt unter Kontrolle des Völkerbundes erklärt, in das polnische Zollgebiet eingeschlossen und von Polen außenpolitisch vertreten.

Die Benennung öffentlicher Plätze als Danziger Freiheit beruht auf einem Aufruf der Verkehrszentrale im seit 1933 nationalsozialistisch regierten Danzig, in großen deutschen Städten einen verkehrsreichen Platz mit diesem Namen zu versehen.[1] Hierbei berief sie sich auf eine Rede von Joseph Goebbels, die er am 17. Mai 1933 vor Vertretern des deutschen Fremdenverkehrs gehalten hatte.[2][3] Der Danziger Senat warb seit 1933 bei deutschen Kommunalverwaltungen um entsprechende Benennung von Straßen und Plätzen.[2] Von der Danziger Verkehrszentrale wurden in weiten Teilen standardisierte Briefe an eine Vielzahl deutscher Ortschaften verschickt.[2]

Der Verlauf lässt sich exemplarisch am Fall Münchens nachvollziehen, bei dem ein solcher am 27. September 1933 verfasste Brief an Münchens Oberbürgermeister Karl Fiehler mit folgendem Wortlaut adressiert wurde:[2][3]

„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister!

Wie Ihnen sicher bekannt ist, hat die Stadt Lübeck ihren grössten Platz, der bisher seinen Namen dem Novemberregime von 1918 verdankte, in »Danziger Freiheit« umgetauft.[4]

Sie werden verstehen, dass wir in Danzig dieses Zeichen der Verbundenheit and der Treue der Hansestadt Lübeck mit uns, die wir gegen unseren Willen vom deutschen Mutterlande losgetrennt sind, auf das Dankbarste empfinden.

Durch das Ausrufen der beiden inhaltschweren Worte »Danziger Freiheit« von seiten der Strassenbahnschaffner, durch die Beschriftung eines solchen grossen Platzes, der als Verkehrsknotenpunkt mehrere Strassenschilder trägt, wird die Bevölkerung immer wieder an den Kampf des deutschen Danzigs, der entscheidend für das Schicksal der deutschen Ostmark ist, erinnert und aufgerüttelt.

Wir bitten Sie, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, uns in diesem Kampfe zu unterstützen und einen dar wichtigen Verkehrsplätze Ihrer den Namen »Danziger Freiheit« zu geben.

In diesem Zusammenhange möchten wir nicht unterlassen zu erwähnen, dass der Herr Reichsminister Dr. Goebbels am 17. Mai in seiner Rede vor den Vertretern des deutschen Fremdenverkehrs betont hat, dass die ständige Hinlenkung auf Danzig von grösster nationalpolitischer Bedeutung für die Existenz von Volk und Reich ist.

Heil Hitler

Danziger Verkehrsuentrale E.V. Klose“

Klose, Danziger Verkehrszentrale E.V.: Brief vom 27. September 1933 an Oberbürgermeister Karl Fiehler[3]

Danzigs Senator für Volksaufklärung und Propaganda Paul Batzer warb am 3. Oktober 1933 darum, mit der „Erfüllung der Bitte die enge Verbundenheit des deutschen Mutterlandes mit der Freien Stadt Danzig auch nach aussen hin zu dokumentieren“.[5] Nach der erfolgten Umbenennung in München dankte Batzer im Namen von Senator Dr. Barth, des Leiters der Danziger Abteilung für Volksaufklärung und Propaganda, und betonte, die Umbenennung „bekundet nicht nur ein lebhaftes Interesse an dem Schicksal unserer deutschen Stadt und seiner Bevölkerung, sondern unterstützt tatkräftig abgetrennte deutsche Volksgruppen in dem Kampf um die Aufrechterhaltung ihres Deutschtums und ihrer deutschen Kultur“.[6] Einen Tag später dankte auch Klose für den „vorbildlichen Beweis der treuen Verbundenheit von Süd und Nord“.[7]

Auf diese Weise sollte mit propagandistischem Vorgehen der Forderung nach einer Änderung des Status der Freien Stadt Danzig, nämlich einer erneuten Angliederung an das Deutsche Reich, Ausdruck geben werden.[8] Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 verstärkte sich diese Forderung zur Kompensation erlittener Gebietsverluste.[8]

In München wurde dem Aufruf Folge geleistet, da die Stadt wuchs und nach Eingemeindung mehrfach vergebene Straßennamen umbenannt werden mussten, um die Eindeutigkeit von Adressen weiterhin sicherzustellen.[2] Dort, aber auch in Münster, wurde eine Umbenennung von solchen Plätzen präferiert, die mit nur wenigen anzupassenden Hausnummern einherging, um den bürokratischen Aufwand möglichst gering zu halten. In München wurden zwei Hausnummern neu vergeben, in Münster gibt es keinerlei Adressen, die zu dem gewählten Platz gehören.[2][9]

Partizipierende Orte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  keine Umbenennung erfolgt
  Umbenennung erfolgt

In vielen deutschen Orten waren Plätze mit diesem Namen zu finden, in einigen tragen sie diesen Namen noch heute.

Ort Benennung als Danziger Freiheit heutige Benennung
Bremen ab 1933 Nordstraße
Chemnitz bis 1945 Arthur-Strobel-Straße[10]
Dortmund 1934–1946 Brügmannplatz[11]
Dresden 1939–1945 Siegfried-Rädel-Platz (1945–1991), Ullersdorfer Platz (seit 1991)[12]
Erfurt bis 1945 Stadtfreiheit[13]
Freiburg im Breisgau Johanniskirchplatz
Gera ab 1936 An der Spielwiese[14]
Görlitz bis 1945 Brautwiesenplatz
Halle (Saale) Moritzburgring[15]
Koblenz bis 2021 Esther-Bejarano-Str.
Lübeck 1933–1945 Lindenplatz
Magdeburg 1935–1937 Olvenstedter Platz[16][17]
München 1933–1946 Münchner Freiheit
Münster 1934–2020 Warendorfer Straße[18][8][9]
Opole/Oppeln 1934/1935, 1943 Plac Jana Kazimierza [1]
Regensburg seit 1933 [19][20]
Rostock 1935–1943 Dürerplatz
Stralsund bis 1946 Saßnitzer-Weg[21]
Stuttgart Charlottenplatz
Wolfratshausen 1939–1945 Independence Place (1945–1956), Kolpingplatz (seit 1956)

Umgang nach Kriegsende[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 2018 gab es in Deutschland 1257 Straßen, Plätze oder Wege, die nach der Stadt Danzig benannt waren.[22] Die als Danziger Freiheit benannten Plätze wurden jedoch zumeist nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder umbenannt. In einigen Fällen geschah dies auf Befehl der US-Besatzungsmacht.[2] Oftmals entschied sich die Bevölkerung bzw. ihre gewählten Vertreter für eine Umbenennung, da die einstige Namensgebung als nicht mehr tragbares Relikt der Zeit des Nationalsozialismus empfunden wurde.[8]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Straßennamen als Spiegelbild der Geschichte: Zu den Veränderungen im Bereich der Straßennamen in Oppeln von den Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg, Daniela Pelka, In: Studia Germanistica, 11/2012, S. 83–99, 2012, S. 96
  2. a b c d e f g Taxikurier – Das Monatsmagazin für die Taxibranche: Geschichte und G'schichten: Vom Feilitzschplatz zur Münchner Freiheit (Memento des Originals vom 9. Juli 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.taxi-muenchen.com, Benedikt Weyerer, Ausgabe Oktober 2011, 51. Jahrgang, S. 26f.
  3. a b c stadtgeschichte-muenchen.de: Straßenbenennung – Danziger Freiheit, Brief vom 27. September 1933 von Klose von der Danziger Verkehrszentrale E.V. an Oberbürgermeister Karl Fiehler, abgerufen am 21. Dezember 2020
  4. Bis dahin war der Platz in Lübeck nach dem Reichspräsidenten Friedrich Ebert benannt.
  5. stadtgeschichte-muenchen.de: Straßenbenennung – Danziger Freiheit, Brief vom 3. Oktober 1933 von Paul Batzer, Danziger Senator für Volksaufklärung und Propaganda, an Oberbürgermeister Karl Fiehler, abgerufen am 21. Dezember 2020
  6. stadtgeschichte-muenchen.de: Straßenbenennung – Danziger Freiheit, Brief vom 22. Dezember 1933 von Paul Batzer, Danziger Senator für Volksaufklärung und Propaganda, an Oberbürgermeister Karl Fiehler, abgerufen am 21. Dezember 2020
  7. stadtgeschichte-muenchen.de: Straßenbenennung – Danziger Freiheit, Brief vom 23. Dezember 1933 von Klose von der Danziger Verkehrszentrale E.V. an Oberbürgermeister Karl Fiehler, abgerufen am 21. Dezember 2020
  8. a b c d Westfälische Nachrichten: Vorschlag der Verwaltung: Danziger Freiheit soll Namen verlieren (online), Münster, Münster, Martin Kalitschke, 3. Dezember 2020
  9. a b Westfälische Nachrichten: Straßenname wird gestrichen: Danziger Freiheit ade (online), Münster, Münster, Klaus Baumeister, 9. Dezember 2020
  10. Eva Siebenherz: Umbenannte Straßen in Sachsen: Adorf bis Lampertswalde. neobooks, 2016, ISBN 3-7380-8228-X, S. 9128 (Volltext in der Google-Buchsuche).
  11. Landschaftsverband Westfalen-Lippe: Die Straßenumbenennungspraxis in Westfalen und Lippe während des Nationalsozialismus: Datenbank der Straßenbenennungen 1933–1945, Gdansk, H. Bausch, Straßennamen, S. 14
  12. Ullersdorfer Platz (Memento vom 26. Januar 2023 im Internet Archive)
  13. Eva Siebenherz: Umbenannte Straßen in Thüringen: Wie hieß die Straße früher? neobooks, 2016, S. 99095 (Volltext in der Google-Buchsuche).
  14. chronik-gera.de: Danziger Freiheit@1@2Vorlage:Toter Link/www.chronik-gera.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Dezember 2023. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., abgerufen am 15. Dezember 2020
  15. Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt: Verzeichnis der umbenannten Straßen und Plätze, Umbenannte Straßen und Plätze, Teil III. Behörden, Kirchen, Schulen und öffentliche Einrichtungen, Verzeichnis der Straßen und Plätze, XVI. Abschnitt Behörden der Orte, Hallisches Adressbuch / Hrsg.: Der Rat der Landeshauptstadt Halle, Saale. In Zsarb. mit d. KWU-Verkehrs- u. Werbebüro, Mitteldeutscher Verlag, 1946–1950, S. 24
  16. Stadtarchiv Magdeburg: Rep. 18.4 Bü 245, Dez.-Bespr. vom 24. Juni 1935, Blatt 8, 16
  17. Stadtarchiv Magdeburg: Rep. 18.4 Bü 259, Dez.-Bespr. vom 14. Juni 1937, Blatt 6
  18. Landschaftsverband Westfalen-Lippe: Die Straßenumbenennungspraxis in Westfalen und Lippe während des Nationalsozialismus: Datenbank der Straßenbenennungen 1933–1945, Stadt Münster, StadtA Münster: Dokumentation Straßennamen, S. 169; Stadt Münster, VuKA, StrN. - MZ: 02.04.1959; F.-C. Schultze-Rhonhof, Straßennamen aus Kulturräumen der Vertriebenen, S. 301
  19. Regensburg digital: Zwischen Drei-Mohren, Schrems und Danziger Freiheit: Stadt lässt Straßennamen prüfen, Michael Bothner, 13. Juli 2020
  20. SPD Regensburg: „Danziger Freiheit“ – Information zu den geschichtlichen Hintergründen eines Straßennamens, Beer, 16. März 2020
  21. Universität Greifswald: Stadtauschußsitzung vom 8. März 1946, Rep. 48, Nr. 004, Stadtverordnetenversammlung, Stadtarchiv Stralsund
  22. Dialog Forum: Was Straßen und Denkmäler erzählen, Peter Oliver Loew, Geschichte/Kultur, 18. März 2018