FS ETR.450

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FS ETR 450
ETR 450.06, unterwegs in Kalabrien
ETR 450.06, unterwegs in Kalabrien
ETR 450.06, unterwegs in Kalabrien
Nummerierung: ETR.450.001 - ETR.450.030
Anzahl: 15
Hersteller: Fiat Ferroviaria S.p.A.
Ercole Marelli S.p.A.
Baujahr(e): 1985–1992
Ausmusterung:
Achsformel: (1A)’(A1)’ (achtteilig) + 2’2’
bei einem Zwischenwagen
Gattung: Triebwagenzug
Spurweite: 1435 mm (Normalspur)
Länge: 234.000 mm (neunteilig)
Höhe: 3.297 mm
Breite: 2.750 mm
Drehzapfenabstand: 18.900 mm
Drehgestellachsstand: 2.450 mm
Leermasse: 435 t (neunteilig)
Radsatzfahrmasse: 12 t
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h (siehe Text)
Stundenleistung: 5.568 kW (achtteilig)
Dauerleistung: 5.008 kW (achtteilig)
Anfahrzugkraft: 190 kN
Treibraddurchmesser: 890 mm
Laufraddurchmesser: 890 mm
Stromsystem: 3 kV =
Anzahl der Fahrmotoren: 16 (achtteilig)
Antrieb: elektrisch, Oberleitung
Übersetzungsstufen: 34/63
Sitzplätze: 390 Sitze: 126 1. Klasse
264 2. Klasse (neunteilig)

Der ETR 450 (von italienisch ElettroTreno Rapido) oder „Elektrischer Schnellzug“ ist ein von Fiat Ferroviaria (heute zum Alstom-Konzern gehörend) und Ercole Marelli produzierter und von Trenitalia (FS) betriebener Neigezug, der 1984 bestellt wurde und mit dem Sommerfahrplan 1988 auf der Relation Rom–Mailand seinen Dienst aufnahm.

Technik

Die Triebwagenzüge sind von dem 1971 gebauten Prototyp-Triebwagen FIAT Y 0160 und dem 1975 gefertigten elektromotorischen Vorgänger ETR 401 abgeleitet (weltweit erster Zug mit aktiver hydraulischer Neigetechnik, bis 2000 gelegentlich eingesetzt) und bestehen aus neun Teilen, zwei Steuerwagen als Endwagen und sieben Mittelwagen. Der ETR 450 repräsentiert die zweite „Pendolino“-Generation. Er behält das Aussehen und die wichtigsten Abmessungen des Vorgängers ETR 400 bei, unterscheidet sich aber in manchen technischen Details, aufgrund von Weiterentwicklungen, deutlich von diesem. Die eher schmalen und niedrigen Waggons konnten in Querrichtung nur 3 Sitze bequem nebeneinander aufnehmen (2+1-Bestuhlung).

Der hauptsächliche Unterschied im elektrischen Teil besteht in der Einführung von Leistungselektronik. Während die Motoren weiterhin mit 3.000 Volt Gleichstrom gespeist werden, wird die Geschwindigkeitsregelung mithilfe eines sogenannten Choppers statt eines Rheostaten vorgenommen. Die Kraftübertragung auf die Neigeantriebe in jedem Wagen geschieht über eine elektro-hydraulische Unterstützung mit zentraler Steuerung. Die Neigung beträgt 8° (maximal 10° sind möglich), die Stromabnehmer neigen sich nicht mit.

In technischer Hinsicht konnte der Zug auf ebener Strecke eine Geschwindigkeit von 280 km/h erreichen. Im Regelbetrieb waren ursprünglich bis zu 250 km/h zugelassen, Kurven wurden durch Seitenneigung rund 25 bis 30 % schneller durchfahren. Möglich werden diese Fahrleistungen durch eine geringe Achslast von rund 12 Tonnen und über den Zug unterflur verteilte Motoren (zwei pro Waggon, auf je einen Drehgestellradsatz wirkend). Italien war mit der Einführung der ETR 450 das zweite Land Europas (nach Frankreich mit dem TGV), in dem der Zugverkehr bei der Reisezeit den Durchschnittswert von 200 km/h überschritt. Dadurch konnte mit Intercity-Zügen eine Verringerung der Fahrzeit zwischen Rom und Mailand von 4 Stunden und 55 Minuten auf 3 Stunden, 58 Minuten, also etwa 20 %, erzielt werden. Im Ergebnis des Geschäftsjahres 1989, mit 1.500.000 von der „Pendolini“-Flotte zurückgelegten Kilometern, kam es zu einem einzigen Ausfall (ohne Einsatzunterbrechung). In der Presse kursierte damals ein Bild einer älteren E.626-Lokomotive, die einen defekten neuen ETR zog, was Fragen zur Zuverlässigkeit aufwarf. Es kann festgehalten werden, dass in den Betriebsergebnissen der ersten sechs Jahre statistisch gesehen nur 0,78 Fehler pro eine Million Kilometer auftraten, im Vergleich zu 13 Fehlern pro Million bei den damals gleichfalls recht neuen Lokomotiven der Reihe E.633.[1]

ETR 450 bei Monzuno, Bologneser Apennin

Einsatz

Nach Einsatzerprobung am 20. April begann mit dem Sommerfahrplan 1988 ab 29. Mai der reguläre Betrieb zweier Paar ETR 450 als bestes Zugangebot auf italienischen Schienen mit der Direktverbindung RomMailand in unter vier Stunden. Bei zeitgleicher Abfahrt aus Rom und Mailand, jeweils um 7 Uhr und um 19 Uhr standen 240 Sitze zur Verfügung. Zu Beginn in sechsteiliger Erste-Klasse-Zusammenstellung gefahren, wählte man seit 1993 eine Aufteilung in drei Waggons erster Klasse mit den restlichen als Zweite-Klasse-Wagen.

ETR 450, abgestellt
ETR 450.027 in TrenOk-Lackierung, Station Roma Termini

Während des Winters 1988/1989 konnte durch Lieferung weiterer Einheiten der Einsatz auf Turin und Neapel ausgeweitet werden. Die Züge wurden durch Mittelwagen sukzessive verlängert, sodass bis zu 340 Passagiere befördert werden konnten. Später kamen noch antriebslose Speisewagen hinzu. Mit Sommer 1989 wurden ab Mai Relationen nach Venedig, Salerno und Bozen eingeführt.

In den frühen 1990er Jahren wurden die „Pendolini“-Dienste zu den führenden Verbindungen Italiens. Von Rom gingen ETR 450 ab nach Mailand, Turin, Bozen, Venedig, Bari, Lecce, Reggio Calabria, Potenza, Tarent, Genua, La Spezia, Vicenza und Savona. Züge liefen auch von Mailand nach Ancona und Pescara.

In den Jahren 1991 und 1992 gingen beispielsweise die Einsätze auch über die Wochenenden zwischen Mailand und Ancona, mit Halten in Bologna, Cesena, Rimini, Riccione, Cattolica, Pesaro und Senigallia, sowie die Destination Rom–Rimini. Abfahrt war freitagnachmittags und Ankunft am Sonntagabend. Die Fahrt zwischen Mailand und Senigallia dauerte erst drei Stunden, im darauffolgenden Jahr nur 18 Minuten länger, was bei Reisenden großen Zuspruch fand. Die 15 Garnituren wurden nach Umbau schließlich auf neun Teile bei 390 Sitzen gebracht.

Im neuen Jahrtausend

Wegen Schwierigkeiten bei der Nachbeschaffung der gyroskopischen Sensorik, welche von British Aerospace nicht länger gefertigt wurde, aber patentiert und sonst nirgendwo erhältlich war, wurde die Neigetechnik nach und nach deaktiviert, die „Pendolini“ damit ihrer technischen Vorzüge beraubt. Schlussendlich fuhren die Einheiten ab 10. Juni 2004 nunmehr in Rang C-Einstufung, mit einer Verminderung der Höchstgeschwindigkeit auf 200 km/h, nachdem einige Jahre zuvor schon nur noch 220 km/h erlaubt waren.[2][3] Damit konnte die höhere Geschwindigkeit auch nicht mehr auf eher kurvenarmen Neubaustrecken zur Geltung kommen.[4]

Anzumerken ist, dass die Deutsche Bahn bei ihren Triebwagen der Reihe 610 vor ähnlichen Schwierigkeiten stand, die durch das Ersetzen mit moderneren statischen Komponenten und Neuauslegen der Neigetechnik-Kennlinien gelöst wurden.

2004/2005 wurden Einheiten zur Etablierung einer „Billigreisezug“-Marke TrenOK (in Anlehnung an sogenannte „Billigflieger“-Airlines ohne zusätzliche Serviceangebote) auf mehreren Strecken herangezogen. Die ETR verfügten nur über Zweite-Klasse-Sitze und bekamen eine farbenfrohe neue Lackierung, die für die etwas langsameren „Low-Cost“-Zugverbindungen warb. Es sollten Vorort-Stationen angelaufen werden, analog den von manch günstigen Fluggesellschaften statt vielfrequentierter Knotenpunkte genutzten Alternativflughäfen.[5][6][7] Das Angebot wurde aber nach einigen Monaten eingestellt. Ein ähnliches Konzept verfolgt in Großbritannien seit 2005 die Marke Megatrain der Gesellschaft Stagecoach Group.

Im Januar 2007 wurde die Bedienung der Verbindung Rom–Mailand eingestellt, die Relationen Rom–Ancona, Rom–Perugia und Rom–Tarent, auf denen die Züge ursprünglich auch als Eurostar Italia verkehrten, wurden noch aufrechterhalten. Mit dem Winter 2010/2011 und des Weiteren 2011 und 2012 werden die Garnituren als Reserve nur sporadisch in Intercity-Diensten verwendet, bedingt durch steigende Fehleranfälligkeit, auch aufgrund nachlassender Wartung.[8]

In den Jahren 2013 und 2014 sind die Garnituren noch zwischen Rom und Reggio Calabria über die Bahnstrecke Salerno–Reggio di Calabria in Betrieb. Vom Standpunkt der technischen Weiterentwicklung und auch in der Anzahl der Einheiten, wurden die ETR 450 bei den FS mittlerweile durch eine Reihe von Nachfolgezügen, beginnend mit den ETR 460 (10 Stück, projektiert bereits ab 1982, in Dienst 1993/94) und ETR 480 (15 Stück, Planung ab 1996, Einsatz seit 1997), sowie durch die ETR 600 (12 Stück, Konstruktion 2006, auf der Strecke 2008) und ihre Ableger (siehe dazu Pendolino) ergänzt und abgelöst. Wie lange die Züge daher noch regulär verkehren werden, ist unsicher. Ein von der FS im Januar 2013 gefällter Beschluß, bei einem Totalausfall oder einer anstehenden Generalüberholung die Fahrzeuge wegen Überalterung der elektrischen und mechanischen Komponenten nach und nach aus dem Verkehr zu ziehen und abzustellen, lässt ihre endgültige Ausmusterung bald erwarten.

Anlässlich des 25. Jahrestages der Inbetriebnahme dieser Garnituren wurde am 3. Oktober 2013 in Mailand, von der Fondazione FS Italiane (der für die Erhaltung des historischen Erbes der italienischen Eisenbahn verantwortlichen Stiftung der FS) eine Feier im Bahnhof Milano Centrale veranstaltet.[9][10] Auf den dortigen Gleisen wurden neben einem ETR 232 (früher ETR 212) aus den 1930er Jahren der Vorgänger ETR 401 von 1975 (mit renovierter Außenhaut in ursprünglicher Lackierung) sowie der noch im Liniendienst befindliche ETR450.010 mit auffälliger Klebebeschriftung in den Worten „25-jähriges Jubiläum Pendolino ETR 450“ präsentiert.[11]

Literatur

  • R. Romei: ETR 450 - Il Valore di una Esperienza. In: La Tecnica Professionale N.S. Anno 6º (N. 5), März 1989, S. 255 ff.
  • C. Bianchi, C. Casini, A. Elia, P. Losa: ETR 450 - Il Valore di una Esperienza. In: La Tecnica Professionale N.S. Anno 6º (N. 5), März 1989, S. 257 ff.
  • G. Gomisel, R. Romano: L'Equipaggiamento elettrico dell'Elettrotreno ETR 450. In: La Tecnica Professionale N.S. Anno 6º (N. 5), März 1989, S. 280 ff.
  • Mario Meriana, Alberto Furregoni: Il "Pendolino", un Progetto di Successo in continua Evoluzione. In: La Tecnica Professionale N.S. Anno 12º (N. 12), Dezember 2005, S. 25 ff.
  • Vittorio Cervigni: FS a tutta Velocità. In: I Treni oggi Anno 6º (N. 51): Juni 1985, S. 21 ff. ISSN 0392-4602
  • Pietro Ferrari: Arrivano gli ETR.450. In: I Treni oggi Anno 8º (N. 76): November 1987

Weblinks

Commons: FS ETR 450 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Giovanni Cornolò: Roll-out per l'ETR 460. in: Mondo Ferroviario (N. 100), 1994, Desenzano del Garda
  2. "Notizia flash" in: I Treni (N. 262), September 2004, S. 5
  3. Meirana, Furregoni: Il "Pendolino", S. 30.
  4. Hochgeschwindigkeitszuege.com - ETR 450 - Hochgeschwindigkeitszug in Italien
  5. Fodors.com - Trenitalia launches "Low Cost" Program
  6. Scritti.de - Im Billigzug zum Papst
  7. Modugno.it - TrenOk, il Treno lowcost di Trenitalia
  8. http://www.nonpendolare.it
  9. "Fondazione FS al taglio del nastro", http://www.ferrovie.it/ferrovie.vis/timdettvp.php?id=3265
  10. "Pendolino turns 25", http://www.fondazionefs.it/ffs-en/News-and-events/Under-the-spotlights/3-October-2013:-Pendolino-turns-25
  11. „Il ritorno dell'ETR.401“, http://www.ferrovie.it/ferrovie.vis/timdettvp.php?id=3263