Grabenwahlsystem
Das Grabenwahlsystem ist ein Wahlsystem, bei dem mehrere Wahlverfahren nebeneinander und ohne Verrechnung miteinander angewandt werden (Parallelwahl ohne Ausgleich, daher im Englischen parallel voting genannt). Meistens wird beim Grabenwahlsystem ein Teil der Sitze in Einpersonenwahlkreisen vergeben und der andere nach dem Prinzip des Verhältniswahlrechts. Dabei müssen nicht notwendigerweise zwei Stimmen abgegeben werden, entscheidend ist lediglich, dass es zwei völlig getrennte Sitzzuteilungsverfahren gibt.
Der Begriff kommt daher, dass beim Grabenwahlsystem (anders als beim heutigen bundesdeutschen Wahlsystem) die Direktmandate nicht auf die Listenmandate angerechnet werden.[1] Zwischen beiden Arten, ins Parlament zu kommen, besteht so gesehen ein Graben.
Anwendung
Das System findet in einer Reihe von Ländern Anwendung (wo nicht anders vermerkt in einer Kombination aus Mehrheitswahl in Einpersonenwahlkreisen und Verhältniswahl).
Europa
- 1990 und 2009 in Bulgarien
- 1992 und 1995 in Kroatien für die Wahl des Abgeordnetenhauses
- in Litauen bei der Wahl des Parlaments (Mehrheitswahl mit Stichwahl und Verhältniswahl)
- 1993 bis 2003 und wieder seit 2016[2] in der Russischen Föderation bei den Wahlen zur Duma.
- seit 2012 in der Ukraine bei der Parlamentswahl (Mehrheitswahl ohne Stichwahl und Verhältniswahl)
Afrika
- in Guinea bei der Wahl der Nationalversammlung
- seit 2014 in Libyen bei der Wahl des Abgeordnetenrats
- in Niger bei der Wahl der Nationalversammlung
- auf den Seychellen bei der Wahl der Nationalversammlung
Amerika
- in Guatemala bei der Wahl des Kongresses
- in Mexiko bei der Wahl der beiden Kammern des Kongresses
Asien
- in Armenien bei der Wahl der Nationalversammlung
- in Aserbaidschan bei der Wahl der Nationalversammlung (Mehrheitswahl mit Stichwahl und Verhältniswahl)
- in Taiwan bei der Wahl des Legislativ-Yuans (bis 2004: nicht übertragbare Einzelstimmgebung und Verhältniswahl)
- in Georgien bei der Wahl des Parlaments
- in Japan bei der Wahl von Unterhaus und Oberhaus (nicht übertragbare Einzelstimmgebung und Verhältniswahl)
- In Nepal kam ein Grabenwahlsystem erstmals bei der Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung 2008 zur Anwendung.[3]
- in Palästina bei der Wahl des Palästinensischen Legislativrats (zuletzt 2006)
- auf den Philippinen bei der Wahl des Repräsentantenhauses
- in Südkorea bei der Wahl der Nationalversammlung
- seit 2007 in Thailand bei der Wahl zum Repräsentantenhaus (375 Sitze per Mehrheitswahl; 125 Sitze per Verhältniswahl)
Literatur
- Michael Schmid: Wahlsysteme und Wahltypen, VS Verlag für Sozialw. 2006, ISBN 978-3531148908
Belege
- ↑ Uwe Backes, Eckhard Jesse: Entwicklung des Parteiensystems. In: Informationen zur politischen Bildung, Heft 207. Zitiert nach: Site der BPB. (PDF) 16. Januar 2009, abgerufen am 18. September 2016.
- ↑ Gesine Dornblüth: Kleine Verluste für demokratischen Anstrich. Am auf deutschlandfunk.de
- ↑ Fida Nasrallah: How the electoral system works. In: UNMIN Newspaper: Issue 5 Feb/March 2008. (PDF) S. 3, ehemals im (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 18. September 2016. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)