Kreidler

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Kreidler’s Metall- und Drahtwerke G.m.b.H.

Firmenlogo
Rechtsform GmbH
Gründung 1904
Auflösung 1982
Auflösungsgrund Konkurs
Sitz Kornwestheim
Branche Fahrzeugbau
Kreidler Florett Mokick (1966), Dreigang Fußschaltung, 40 km/h, 2,6 PS
Kreidler K 50
Kreidler Florett RS

Die Kreidler’s Metall- und Drahtwerke G.m.b.H. Fahrzeugbau Kornwestheim bei Stuttgart war ein deutscher Hersteller von Mopeds, Mofas, Mokicks, Klein- und Leichtkrafträdern von 50 bis 80 cm³ Hubraum. Das Unternehmen wurde 1889 als Stuttgarter Telegraphendraht- und Kabelfabrik A. Kreidler in der Böblinger Straße 52 in Heslach gegründet, 1903 in die Mörikestraße, und 1904 nach Kornwestheim verlegt.[1] Das Unternehmen ging 1982 in Konkurs. Beide Gebäude in Stuttgart-Heslach stehen heute noch, wobei die Außenfassaden nahezu originalgetreu erhalten werden konnten.[2]

Die Marke Kreidler gehört heute dem Zweiradhersteller Prophete, der unter dem Herstellernamen Kreidler Fahrräder, Motorroller, Klein- und Leichtkrafträder in Zweirad-Fachgeschäften vertreibt.

Firmengeschichte

Die Motorradherstellung ging aus dem 1904 in Stuttgart von Anton Kreidler gegründeten Metallwerk hervor. In den frühen 1920er-Jahren sammelte Alfred Kreidler, der Sohn des Firmengründers, nach Abschluss seines Studiums an der Technischen Hochschule Stuttgart konstruktive Erfahrungen in Berlin, unter anderem in der Autoindustrie. Einer persönlichen Neigung folgend, konstruierte, baute und verkaufte er damals auch schnelle Motorräder. Es waren 350-cm³-Maschinen mit stoßstangengesteuertem Motor und einer Leistung von immerhin schon 12 PS. Auf dem Tank trugen sie den Markennamen »Pan«.

Kreidler stellte bis in die 1980er-Jahre Mopeds, Mofas, Mokicks, Klein- und Leichtkrafträder von 50 bis 80 cm³ Hubraum her. Mit der Entwicklung von Krafträdern unter der Marke Kreidler begann Alfred Kreidler 1949, nachdem er 1942 die Firmenleitung übernommen hatte. Die erste Kreidler war 1951 ein ungedrosseltes Motorfahrrad mit einem 50-cm³-Motor und einer Leistung von 2,2 PS, Typenbezeichnung K 50.

Die letzte Neuentwicklung, eine 80-cm³-Kreidler mit liegendem Zylinder und Target Design, kam nicht mehr auf den Markt, nachdem am 12. März 1982 das Konkursverfahren eröffnet und die Produktion eingestellt worden war.[3] Seit 1987 vertreibt der Niederländer John Bos in Goes Kreidler-Ersatzteile sowie restaurierte Floretts. Er erwarb die notwendigen Produktionsmaschinen nach dem Konkurs 1982.

Die Marke Kreidler existiert in Form der Kreidler-Zweiradgesellschaft weiter. Zunächst wurden Garelli-Mofas – mit Tanks des Kreidler-Mofas Flory – unter dem Namen Kreidler verkauft. 1986 begann die Herstellung von Kreidler-Fahrrädern und 1996 wurde die Produktion von motorisierten Zweirädern wieder aufgenommen. Der Anteil der Eigenentwicklung an diesen Fahrzeugen ist gering; sie beschränkt sich auf die Zusammenstellung bewährter Komponenten asiatischer Hersteller. Kreidler wurde in den 1990er-Jahren vom Fahrradhersteller Prophete übernommen.

Modelle

Die ersten Kreidler-Modelle waren die K 50 (1950–55) sowie K 51 (1954–56), Mopeds mit 50 cm³ Hubraum, einer Leistung von 2–2,2 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von 50–55 km/h. Auch der Kreidler Roller R 50 (1954–57) und diverse Modelle wie Amazone waren marktübliche Zweigang-Motorräder, die zu dieser Zeit von verschiedenen Herstellern angeboten wurden.

Florett 50 cm³

1957 erschien das erste Modell der Florett (K 54), angetrieben von einem liegend eingebauten Einzylinder-Zweitaktmotor mit Gebläsekühlung. Die Florett, das bekannteste Modell von Kreidler – bis 1967 nur mit Gebläsekühlung ausgeliefert – wurde in zahlreichen Modellvarianten angeboten: Entweder mit Pedalen (Moped), ohne Pedale als Mokick mit einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h. Als Kleinkraftrad ohne Geschwindigkeitsbegrenzung zunächst mit 3,6 PS, dann als GT- und RS-Modelle (ab 1967) mit 5,3 PS und ab 1972 mit 6,25 PS bis zur letzten Ausbaustufe kurz vor der Produktionseinstellung mit 6,8 PS (1980) bei der Kreidler Florett RS.[4]

Die Typenbezeichnung Florett (ebenso Amazone) wurde von dem damaligen Leiter der Kreidler-Presseabteilung, dem später durch das Fernsehen als Olympia-Wintersportreporter bekannt gewordenen Bruno Moravetz, entwickelt.[5]

Die Florett wies unter den mehreren Marktalternativen eine Besonderheit auf: ein Klauenschaltgetriebe. Bei den Konkurrenten wie Hercules, Rixe, Maico und Zündapp waren es Ziehkeilgetriebe mit filigranerer innerer Schaltbetätigung. Nur die Kleinkrafträder und Mokicks der Konkurrenz Puch (Österreich) sowie die späten Mokicks und Leichtkrafträder von Zündapp hatten wie die Kreidler Florett ebenfalls Klauenschaltgetriebe.

Florett-Mokicks waren unter Tunern sehr beliebt, da für diese Maschinen zur Leistungssteigerung eine Reihe sogenannter Frisiersätze – vor allem in den Niederlanden – erhältlich waren, deren Einsatz illegal war. Die Leistung der gedrosselten Motoren wurde beträchtlich angehoben: Manche Kreidleristen fuhren ein Gebläse-Mokick mit dem kleinen Versicherungskennzeichen und dem Motor der letzten Version des gebläsegekühlten Kleinkraftrades mit 5,8 PS (Florett TM – Tourenmodell). Es war optisch nicht erkennbar, wenn er verbotenerweise unter den Blechen der Gebläsekühlung steckte, erlaubte jedoch, statt 40–45 km/h über 90 km/h zu fahren. Unterscheidungsmerkmal waren auch die Vorderradbremsen: die schnellen Kleinkrafträder hatten einen Bremstrommeldurchmesser von 150 mm (1969 bis 1973) bzw. 160 mm (ab 1973), während die Mokick-Versionen nur 116 bzw. 120 mm hatten. Diese Tuningmaßnahmen waren beliebt wegen der hohen Haftpflichtversicherungsprämien von ca. 450 DM/Jahr (im Jahre 1974, was unter Berücksichtigung der Inflation einer heutigen Kaufkraft von etwa 747 Euro entspricht) bis zu ca. 780 DM/Jahr (1982, entspricht heute 897 Euro), die ansonsten für ein ungedrosseltes Kleinkraftrad zu zahlen waren.

In die Niederlande wurden technisch veränderte Mokicks (Bromfiets) verkauft: Die niederländischen Versionen der Kreidler Florett hatten aus gesetzlichem Grund die in Deutschland unbeliebten Tretkurbeln, waren aber trotzdem teilweise mit Fußschaltung und Fußbremse versehen.

Kreidler Florett – Moped/Mokick bis 40 km/h
Kreidler Florett GT–TM–RS – Kleinkraftrad über 40 km/h
Tabelle Kreidler-Florett (1967–82)
Florett RS Florett TM Florett RM Florett RMC/S Florett LF Florett LH
Klasse Kleinkraftrad Kleinkraftrad Mokick Mokick Mokick Mokick
Baujahr 1967–1981[6] 1967–1974 1972–1976 1974–1982 1968–1976 1968–1976
Leistung 5,3–6,8 PS 5,3 PS 2,9 PS 2,9 PS 2,9 PS 2,9 PS
Kühlung Fahrtwind Gebläse Fahrtwind Fahrtwind Gebläse Gebläse
Schaltung 5-Gang-Fußschaltung 5-Gang-Fußschaltung 4-Gang-Fußschaltung 4-Gang-Fußschaltung 3-Gang-Fußschaltung 3-Gang-Handschaltung
vmax 85 km/h 80 km/h 40 km/h 40 km/h 40 km/h 40 km/h

Mustang/80 cm³

1974 bis 1976 brachte Kreidler auf Basis der Florett eine Enduroversion auf den Markt, die über längere Federwege verfügte und mit einem Hochlenker ausgestattet war. 1980 erschienenen Florett-Varianten mit 80 cm³ Hubraum für die neue Führerscheinklasse 1b. Die Mustang- und Florett-Motoren dieser Baureihen waren stehend angeordnet. Wegen der gänzlichen Abkehr von den typischen Florett-Merkmalen konnten sie sich nicht mehr auf dem Markt etablieren. Für ca. 4000 DM bekam man ein Leichtkraftrad mit Rohrrahmen und stehendem Zylinder, das zwar gut verarbeitet war, aber noch verschiedene Detailmängel aufwies.

Kreidler Flory

Kreidler-Garelli Flory

Kreidler stellte 1969 das erste Mofa, die MF 4 vor. Am bekanntesten war die Kreidler Flory, sie gab es in verschiedenen Ausführungen: Ab 1975 die Flory MF 12, sowie die MF 13. Sie unterschieden sich von der ab 1977 gebauten MF 23 hauptsächlich durch einen runden Tachometer statt eines Cockpits mit Drehzahlmesser, sowie durch Speichen- statt Verbundräder. Neben dem Topmodell MF 23, das über drei Gänge verfügte, baute Kreidler ab 1979 noch die Flory MF 22 mit einer Zweigangschaltung, sowie die Flory 2 mit dem Kreidler-typischen Zweigang-Automatikgetriebe, wie es bereits in der MF 2 und MF 4 zum Einsatz kam. Neben der Flory fertigte Kreidler ab 1980 die Sportmofa-Typen Flott MF 24 und MF 25, die eher nach einem Moped als nach einem Mofa aussahen, aber nur für 25 km/h zugelassen waren. Nachdem Kreidler 1982 in Konkurs gegangen war, fertigte Garelli bis 1985 die Mofas Flory und Flirt unter dem Namen Kreidler. Garelli wollte damit in Deutschland in die Fußstapfen der Flory treten; das Mofa war im Prinzip ein Garelli, das den Tank und die Seitenverkleidungen der Flory trug.

Rekorde und Erfolge im Rennsport

1965 stellte Kreidler bei einer Rekordfahrt in dem Great Salt Lake Desert im US-Bundesstaat Utah zum ersten Mal den Geschwindigkeitsrekord für 50-cm³-Motorräder von über 200 km/h auf. Rudolf Kunz wurde mit einem anerkannten Mittelwert von 210,634 km/h gemessen. Im Jahr 1977 wurde dieser von dem Niederländer Henk van Kessel auf 221,586 km/h hochgeschraubt.

Europameistertitel auf Kreidler in der 50-cm³-Klasse
Weltmeistertitel auf Kreidler in der 50-cm³-Klasse

Literatur

  • Frank O. Hrachowy: Kreidler. Geschichte – Typen – Technik. Verlag Johann Kleine, Vennekate 2009, ISBN 978-3-935517-45-4.
  • Andy Schwietzer: Typenkompass Kreidler. Mofas, Mokicks, Kleinkrafträder. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-613-02032-7.
  • Frank-Albert Illig: Der Weg zum Florett. Typen, Technik, Sport, Geschichte. Text & Technik Verlag, Leonberg 1997, ISBN 3-932563-00-X.
  • Gabriele Kreuzberger:Fabrikbauten in Stuttgart. Ihre Entwicklung von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg, Klett-Cotta, Stuttgart 1993, ISBN 3-608-91629-6.

Weblinks

Commons: Kreidler – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gabriele Kreuzberger, S. 270–278 (s. Lit.)
  2. Gabriele Kreuzberger, S. 274 f.
  3. Andy Schwietzer: Kreidler? Ach, schluchz! Artikel in der Welt
  4. Kreidler-Museum
  5. Wo ist Behle?: Bruno Morawetz wird 80 Jahre alt, RP Online, 8. September 2001
  6. Preis 1974: 2025,00 DM – nach heutiger Kaufkraft: 3.361 Euro