Württembergische Staatstheater Stuttgart

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 13. Oktober 2016 um 17:59 Uhr durch Olorulus (Diskussion | Beiträge) (→‎Einzelnachweise). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Staatstheater Stuttgart sind ein Drei-Sparten-Theater mit den Sparten Oper Stuttgart, Stuttgarter Ballett und Schauspiel Stuttgart in der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart. Die Hauptspielstätten befinden sich im Schlossgarten und wurden 1909–1912 von Max Littmann als Doppeltheater mit dem Opernhaus (früher Großes Haus genannt) und einem Schauspielhaus erbaut. Nach der Zerstörung des Kleinen Hauses (für das Schauspiel) im Zweiten Weltkrieg wurde dieses 1959 bis 1962 durch einen Neubau von Hans Volkart ersetzt. Das Große Haus wurde 1956 modernisiert und 1983/84 wieder in die ursprüngliche Gestalt zurückversetzt. 2001 erfolgte die Umbenennung: Das Große Haus heißt nun Opernhaus und das Kleine Haus Schauspielhaus, nicht zu verwechseln mit dem Alten Schauspielhaus.

Staatstheater Stuttgart, Opernhaus mit seiner repräsentativen Eingangsfront
Opernhaus, Baukörper von Südwesten gesehen
Staatstheater Stuttgart, Schauspielhaus

Das Stuttgarter Drei-Sparten-Theater bezeichnet sich das größte weltweit,[1] bezogen auf die Anzahl der Mitarbeiter.

Spielstätten

Heute nutzen die Staatstheater Stuttgart die folgenden Spielstätten:

  • Das Opernhaus verfügt über 1.404 Sitzplätze und ist Bühne für die Oper Stuttgart und das Stuttgarter Ballett.
  • Das Schauspielhaus mit 679 Sitzplätzen ist Bühne für das Schauspiel Stuttgart und das Stuttgarter Ballett.
  • Im Kammertheater mit 420 Sitzen werden kleinere Opern, Schauspiele oder auch Ballettinszenierungen aufgeführt.
  • Das Nord ist eine Studiobühne des Schauspiels Stuttgart mit 150 Sitzplätzen im Probenzentrum der Staatstheater am Löwentorbogen.

Weitere Spielstätten:

  • In der Liederhalle finden Sinfonie- und Kammerkonzerte des Staatsorchesters Stuttgart statt.
  • Die Bühne in der Bar Erdgeschoss an der Theodor-Heuss-Straße wird regelmäßig vom Schauspiel Stuttgart bespielt.

Ehemalige Spielstätten:

  • Das Theater im Depot befand sich bis zur Schließung im Sommer 2010 in einem ehemaligen Straßenbahndepot im Stuttgarter Osten.[2]
  • Die Niederlassung Türlenstraße mit den Spielstätten Arena, Werkhalle, Box und Klub diente während der Sanierung des Schauspielhauses 2010–2012 als Ausweichspielort für das Schauspiel Stuttgart.
  • Seit Beginn der Spielzeit 2012/2013 wurde im Probenzentrum der Staatstheater eine weitere Spielstätte NORD/Große Bühne als Interimsspielstätte während der erneuten Sanierung des Schauspielhauses eingerichtet. Die Oper Stuttgart stellte dafür ihre größte Probebühne zur Verfügung, die vorübergehend als Spielort für ca. 400 Zuschauer eingerichtet wurde.

Geschichte

Eingangsbereich des Kammertheaters

Seit dem 17. Jahrhundert fanden Opern-, Ballett- und Schauspielaufführungen in Stuttgart im Festsaal des Neuen Lusthauses statt. Als erste Opernaufführung gilt das Singspiel Der Raub der Proserpina (1660) des Stuttgarter Hofkapellmeisters Samuel Capricornus.[3]

Vier Jahre später sind feste Bühneneinrichtungen nachweisbar (1664).[4] 1750 wurde das Neue Lusthaus zum Opernhaus sowie 1811 und 1845 zum Königlichen Hoftheater umgebaut. 1902 brannte es nieder. Von 1902 bis 1912 wurde in einem provisorischen Interimstheater gespielt.[5][6]

1909 bis 1912 wurden die Theatergebäude am heutigen Standort vom Architekten Max Littmann aus München als Doppeltheater mit Großem und Kleinem Haus erbaut. Nach dem Sturz der Monarchie wurden die Königlichen Hoftheater umbenannt in Württembergische Landestheater. Seit 1924 stehen die Gebäude unter Denkmalschutz. Nach dem Zweiten Weltkrieg war nur noch das mit Säulen versehene Große Haus erhalten. Der Krieg hatte aber nicht nur Zerstörung hinterlassen, sondern veränderte auch das geistige und moralische Denken der Deutschen. Aufgrund der knappen Nahrungsmittel füllte der geistige Hunger Theater, Konzerte und Hörsäle.[Finanz 1]

1959 bis 1962 wurde durch die Architekten Hans Volkart, Kurt Pläcking und Bertam Perlia ein neues Kleines Haus errichtet. 1983 wurde im Gebäude der Neuen Staatsgalerie des britischen Architekten James Stirling das Kammertheater eröffnet. Bis 1984 wurde das Große Haus umfassend renoviert; die Gestaltung des Zuschauerraums, die durch einen Umbau in den 1950er Jahren fast ganz zerstört worden war, wurde dabei nach Originalplänen wieder dem Zustand von 1912 angenähert. 2001 wurden die Theater in Opernhaus und Schauspielhaus umbenannt. 2010 wurde die Studiobühne Nord im neu erbauten Probenzentrum der Staatstheaters eröffnet.

Brand des Alten Hoftheaters 1902 und Interimstheater

Altes Hoftheater um 1890

In der Nacht vom 19. auf den 20. Januar 1902 brannte das alte königliche Hoftheater nieder. Im Kern ging dieses Gebäude noch auf das Neue Lusthaus aus dem Jahr 1593 zurück. Bereits im Oktober 1902 konnte das Königliche Interimstheater als vorübergehende Spielstätte eröffnet werden, erbaut von Ludwig Eisenlohr senior. Das Interimstheater diente für die Zeit bis zur Eröffnung der neuen Theatergebäude 1912 als Spielstätte. Heute befindet sich an diesem Standort der Landtag von Baden-Württemberg. Darüber hinaus fanden in dieser Zeit Aufführungen im Wilhelma-Theater sowie zahlreiche Gastspiele, u.a. im Konzerthaus Ravensburg sowie in weiteren Städten des Deutschen Reichs statt.

Neubau der Königlichen Hoftheater

Wettbewerb

Nach ausführlichen Beratungsgesprächen im Frühjahr 1908 wurde beschlossen, dass an eine begrenzte Zahl von erfahrenen Theaterbauarchitekten eine Ausschreibung zum Wettbewerb stattfinden sollte. Die Arbeit des anerkannten Architekten Max Littmann wurde von dem Preisgericht von 23 eingereichten Entwürfen auf den ersten Platz gewählt. In der darauffolgenden Umsetzung konnte allerdings nicht das genaue Wettbewerbsobjekt realisiert werden, da der Architekt sich mit weiteren Bearbeitungen befassen musste. Der generelle Grundrissgedanke und die Grundidee des Aufbaus blieben jedoch erhalten.[Wolf 1]

Standortsuche

Nun wurde klar, dass der Platz neben dem Alten Schloss in Stuttgart für den geplanten Theaterkomplex mit zwei Häusern nicht genügte. Die alte Planmappe aus dem Archiv des Hauses Württemberg in Altshausen zeugt mit großformatigen Lageplänen und dem aus Pappe geschnittenen Grundriss des geplanten Theaters davon, dass man sich bei der Suche nach einem geeigneten Standort intensiv mit der Thematik auseinandersetzte.[Finanz 2] Als Standort wurde schließlich der Schlossgarten mit See gewählt. Dieser bot für das geplante Zwei-Häuser-System eine Gelegenheit der bewegten Gliederung um den See herum und steigerte die Verwendbarkeit der Anlage.[Wolf 1]

Bauausführung

„Mit den neuen Hoftheatern in Stuttgart wurden zum ersten Male zwei Theater gleichzeitig im engem, organischem Zusammenhang nach künstlerischen Grundsätzen errichtet und damit ein neuer Typus geschaffen.“

Max Littmann[Wolf 2]

„Der Theaterbau in Stuttgart ist der größte von Littmann, er kann sogar als sein Hauptwerk bezeichnet werden.“[Wolf 3]

Max Reinhardt bezeichnete den Bau jedenfalls als das schönste Theater der Welt.[Finanz 3]

Baubeginn war im September 1909, Fertigstellung im Sommer 1912, am 14. und 15. September folgte die Eröffnungsfeier. Schon bald galt das neue Opernhaus als Zentrum des klassischen und modernen Musiklebens, an dem berühmte Sänger und Dirigenten und Regisseure wirkten und arbeiteten.[Finanz 3] Der damalige Bau bestand aus dem Großen und dem Kleinen Haus. Die beiden Gebäude wurden durch das Verwaltungsgebäude verbunden, dessen schlichte und ohne Aufwand auskommende bauliche Erscheinung auf eine gute, taktvolle Verteilung der Massen abzielte.[Wolf 3]

Max Littmann hatte nicht vor, mit dem Kleinen Haus eine Kopie des Großen Hauses zu schaffen, er wollte das Gemeinsame in der Baugesinnung durch ähnliche Proportionen kennzeichnen.[Wolf 4] Zur Gestaltung des Raumensembles beschäftigte Littmann renommierte Stuttgarter Künstler, die ihm bei der bildkünstlerischen Ausgestaltung behilflich waren.[Wolf 5]

Modernisierung und Wiederaufbau

Modernisierung des Großen Hauses

Das Große Haus überstand den Zweiten Weltkrieg weitgehend intakt, während das Kleine Haus durch eine Fliegerbombe im Herbst 1944 komplett zerstört wurde.

Nach dem Grundgesetz 1949 setzte eine Initiative ein, die zur Modernisierung und Umgestaltung des Opernhauses im Jahr 1956 führte. Man wollte durch den Wiederaufbau und die Veränderungen die geistige Weiterentwicklung in Deutschland demonstrieren. Und der Denkmalschutz, der nach dem Krieg die Orientierung verloren hatte, hielt sich großteils zurück.

Zu dieser Zeit gab es in mehreren Punkten Kritik an der Gestaltung des Großen Hauses, wie zum Beispiel an dem Farbklang der Innengestaltung von Grausilber, violett und honigfarbenen Stuhl- und Wandbespannungen. Littmann hatte durch diese Farbgebung damals eine kühle Distanz geschaffen. Des Weiteren war die Bühnenbeleuchtung nicht mehr zeitgemäß, da sie begrenzt an den Proszeniumslogen angebracht worden war.[Finanz 4] Die Akustik des Orchestergrabens wurde seit der Entfernung des in den 1920er Jahren angebrachten Schalldeckels als problematisch empfunden. Außerdem waren die Zugänge in den zweiten und dritten Rang durch einfache und enge Treppenhäuser erschwert und stellten ein Problem dar.[Finanz 5]

Bühnenbildner kritisierten ebenfalls den monumentalen Portalrahmen, der das Publikum von der Bühne trennte und eine erdrückende Wirkung hatte.[Finanz 4] Der Architekt Paul Stohrer machte sich bereits bei dem Wettbewerb um den Wiederaufbau des Kleinen Hauses einen guten Namen. Da er als künstlerisch einfallsreicher Architekt galt, wurde ihm die Modernisierung des Opernhauses anvertraut, um eine Balance zwischen alt und neu zu erschaffen.[Finanz 5]

Das Konzept der Umgestaltung sollte fünf Punkte im Großen Haus verbessern: Theatertechnik, Funktion, Gestaltung, Ideologie und Zeitgeschichte.

Stohrer ließ für das Orchester ein Hubpodium einbauen und den Portalrahmen mit patinierten Sperrholzplatten verkleiden, um die Trennung von Publikum und Bühne zu minimieren.[Finanz 6] Auch wollte man den Charakter des Hauses bewahren, ihm aber eine hellere freundlichere Atmosphäre verleihen. Die grausilbernen Rangbrüstungen wurden mit einem Weißgrau aufgehellt und die gelbgoldene Wandbespannung wurde durch eine silbergraue ersetzt. Die Speichen der Deckenrosette wurden mit weißgrauem Putz verdeckt, wodurch das Deckengemälde von Julius Mössel besser zur Geltung gebracht werden sollte.[Finanz 7] Das zuvor goldgelbe Gestühl wurde mit einem blauvioletten Stoff bespannt.

Nach den Umbauten waren die Ziele der Neugestaltung erreicht worden: festlicher, hellerer Innenraum, funktional verbessert und befreit vom Stuck.[Finanz 8] Nach der Entfernung von Stuck und Verzierungen las man zunächst durchgehend positive Kritiken in der Stuttgarter Lokalpresse. Aus heutiger Perspektive macht man den Zeitgeschmack der Nachkriegszeit für die Modernisierung der Innenarchitektur verantwortlich. Auch erhoffte man sich, dass die Entfernung des Stucks und der Verzierungen den Schall in alle Richtungen brechen ließe und so die Akustik im Opernhaus verbessert würde. Dies stellte sich jedoch als Irrtum heraus.[Finanz 9]

Kurz nach dem Umbau behauptete der Musikkritiker Otto Erich Schilling, dass der Klang feinfühliger und hellhöriger sei, was auch beabsichtigt war. Dennoch teilte der Spiegel ein Jahr später mit, dass sich die Akustik verschlechtert habe und es sogar Ensembles gebe, die ihren Vertrag mit dem Opernhaus kündigen wollten. Das Problem lag weniger im Zuschauerraum, als vielmehr auf der Bühne. Die Künstler nahmen ihre Stimmen und Instrumente verzerrt wahr. Durch die Polstergarnituren wurde die Reflexion des Schalls auf die Bühne vermindert.[Finanz 10] Nach den ganzen Problemen mit dem Klang schlug Prof. Keilholz vor, einen Schalldeckel an der Theaterdecke anzubringen, der in dieser Größe einmalig war. Nachdem immer mehr Spezialisten sich mit dem Thema beschäftigt hatten, wurde die Optik des Raumes eher verschlechtert als verschönert. Anstatt in einem festlichen Saal zu sitzen, befand man sich in einer Art dunkler Höhle. Im Nachhinein scheint es nun so, als wären die funktionalen, technischen und spielbedingten Gründe der Modernisierung nur der Anlass gewesen, das Große Haus demonstrativ von seiner Vergangenheit zu befreien.[Finanz 11]

Kleines Haus

Nach der Zerstörung des Kleinen Hauses im Jahr 1944 wurde über den Neubau des neuen Schauspielhauses in zwei Wettbewerben entschieden. Erbaut wurde er von 1959 bis 1962 von den Architekten Hans Volkart, Kurt Placking und Bert Perlia.[7] Volkart entwarf auch den Neubau des Kulissengebäudes an der Konrad-Adenauer-Straße, der ebenfalls 1962 eröffnet werden konnte.

Restaurierung des Großen Hauses

Technische Probleme, wie defekte oder zugewachsene Heizungsrohre, kurzschluss- und brandgefährdete Elektroleitungen, sowie renovierungsbedürftige Sanitärinstallationen waren 1970 Ausgangspunkt für Überlegungen, das Große Haus zu modernisieren. Die dafür notwendigen Maßnahmen erforderten erhebliche Eingriffe in die vorhandene Bausubstanz.

1980 informierte die Bauverwaltung des Theaters den Verwaltungsrat darüber, dass die Modernisierung bis zu einem Jahr dauern könne. Daher habe man entschieden, diese in den 14-monatigen Theaterferien 1983/84 vorzunehmen.[Finanz 12] So entschloss man sich erneut dazu, einen Wettbewerb zu veranstalten, den der Verwaltungs- und Theaterbeirat am 31. Januar 1981 genehmigte.

Die Renovierung sollte einige zentrale Problem lösen, wie z. B. Modernisierung der Beleuchtungsanlagen und Verbesserung der Akustik. Aber auch der historische Bestand des Hauses sollte wieder hergestellt bzw. erhalten bleiben. Dies erschien zunächst schwierig angesichts der hohen finanziellen Anforderungen.

Für den Wettbewerb zur Vergabe der Bauaufgaben wurden acht Architekten aufgefordert, Entwürfe einzusenden. Sechs Entwürfe wurden abgegeben und beurteilt. Gewonnen hat den Architektenwettbewerb Gottfried Böhm, dessen Konzept die größtmögliche Rückgewinnung der Gestaltungselemente von Littmann mit eigenständigen Ergänzungen kombinierte, beispielsweise im Bereich des Proszeniums.

Zunächst wurde die Kassettendecke, welche die Modernisierung 1956 ohne größere Schäden überstanden hatte, wieder freigelegt und Pilasterordnungen wurden anhand der vorhandenen Unterlagen Littmanns wiederhergestellt. Ziel war es, ohne große Eingriffe in die Bausubstanz und durch die Freilegung der abgedeckten und verkleideten Originalgestaltung dem Theater seine festliche Atmosphäre zurückzugeben.

Ein Problem, was schon zu Littmanns Zeiten nicht gelöst wurde, war die Büffetfrage, die aber zur Zeit des Hoftheaters wahrscheinlich nicht so relevant war wie in den 1980er Jahren. Das Königsfoyer war provisorisch ausgestattet und wurde seiner Wertigkeit nicht gerecht. Daher musste eine Lösung für den sogenannten „Kalten Gang“ gefunden werden. So verwendete man den Gang als Übergang und Terrasse zum Verwaltungsgebäude.[Finanz 13]

Der Bühnenrahmen, der gitterartig vor der Bühnenöffnung stand und sich so in den Wandfeldern zwischen den Pilastern fortsetzte, wurde zur Verklammerung von Bühnenbereich und Zuschauerraum. Dieses Konzept galt unter Architekten als faszinierend, für die Theatervertreter hatte die Portalstruktur einen zu starken Eigenwert.[Finanz 14]

Das Preisgericht des Wettbewerbs bemerkte zu Böhms Entwurf: „Die Arbeit liefert als Vision in der Verbindung eines historischen Raumes mit den Veränderungen unserer Zeit einen bemerkenswerten und entwicklungsfähigen Beitrag zur gestellten Aufgabe.“

Böhm löste auch das Problem mit dem kalten Gang, indem er einen aufwendigen zweigeschossigen, runden Pavillon plante und ihn mittels Brücken mit dem Foyer des ersten und des zweiten Rangs verknüpfte.[Finanz 15] Obwohl Böhm den Wettbewerb gewonnen hatte, wurde bei der finalen Umsetzung auf die Wünsche der Theaterleitung in Bezug auf den Proszeniumsrahmen eingegangen.

Ein Glücksfall war es, dass die Arbeitsgruppe des Bauamtes im Münchner Theatermuseum auf die Originalpläne Littmanns gestoßen war, in denen bis hin zu den kleinsten Dekorationen großformatige Details über die Stuttgarter Theatergebäude aufzeichnet waren. Vor dem Fund hatte man nur wenige Fotografien aus dem Jahr 1912 sowie beschreibende Texte. In einem Stahlschrank befanden sich zwei Schubladen mit ca. 2.000 Zeichnungen und Aquarellen von den Theatern in Stuttgart.[Finanz 16] Dieser Umstand, der auch etwaige Unsicherheiten beseitigen half, ersparte vor allem Zeit und Geld. Trotzdem kostete der Umbau für eine „bessere Gestaltung“ statt 4,5 Millionen DM nach dem Beschluss der Rückführung sowie dem Bau des Büffetpavillon 16,5 Millionen DM.[Finanz 17] Die Mehrkosten wurden zum einen durch den Einsatz des Fördervereins „Alte Oper Stuttgart e.V“, zum anderen durch die Übernahme des restlichen Betrags durch das Land Baden-Württemberg gedeckt. Der Bauplan, der bis ins kleinste Detail zeitlich abgestimmt war, um Verzögerungen zu verhindern, stand bereits acht Wochen vor Baubeginn fest. Bis zu 250 Bauarbeiter wirkten gleichzeitig an dem Umbau mit. Die folgenden Arbeiten wurden sofort in Angriff genommen:[Finanz 18]

  • Rekonstruktion der Stuckaturen
  • Wiederherstellung der Stuccolustrowände in den Foyers
  • originalgetreuer Nachbau sämtlicher Leuchten in Zuschauerraum und Foyer
  • Ausbildung von beweglichen Feldern des Architravs
  • Umbau des Bühnenportals
  • Rückverlegung der an der Seite der Bühne gelegenen Portaltürme
  • Erneuerung der Hubvorrichtung des Orchesterpodiums
  • Wiederherstellung der Wandbespannung
  • Anfertigung des Gestühls nach Mustern aus der Erbauungszeit
  • Neueinrichtung von WCs und Duschräumen
  • Umbau des Kammertheaters in einen Ballettübungssaal
  • Vergrößerung des Chorprobenraumes und Ausstattung mit neuen Stühlen

Beschreibung

Lage

Opernhaus, Schauspielhaus und Verwaltungsgebäude befinden sich in der Nähe des Hauptbahnhofes am Oberen Anlagensee (auch "Eckensee" genannt) im Schlossgarten. Die Adresse lautet: Oberer Schlossgarten 6.[8]

Architektur und Bautechnik

Opernhaus

Die Grundidee Littmanns war eine ovale halbrunde Rotunde, die eine mit kräftigen Pilastern gegliederte Wandfläche hat, welche ein mittelschweres Gebälk tragen. Das Gebäude ist aus Sandstein erbaut. Die Zusammensetzung der antiken Merkmale in der Architektur wurde unakademisch umgesetzt: z. B. gibt es keinen Architrav. Auch fehlen die Basen bei den Pilastern und sie haben nur minimale Andeutungen von Kapitellen.[Finanz 19] Die Eingangsfront bildet eine schwunghafte Einheit mit ihren Doppelsäulen.[Finanz 4]

Schauspielhaus

Die Außenfassade des Schauspielhauses ist in weißem Marmor gehalten, was im Gegensatz zu dem aus Sandstein bestehenden Opernhauses steht. Der Bau öffnet sich zum Schlossgarten, indem die Fassade mit umlaufenden Fensterbändern sich über die ganze Höhe des Baus erstrecken. Das Theater hat die Form eines Achtecks.[7]

Innenarchitektur und Ausstattung

Staatstheater, Foyer Opernhaus

Opernhaus

Nach der letzten Umgestaltung erschließt sich im Stuttgarter Opernhaus wieder ein dekorativer und farbiger Reichtum, der aufgrund von kolorierten Zeichnungen Littmanns auch authentisch ist.[Finanz 20] Das Opernhaus ist mit Grau-, Silber- und Gelbtönen im Innenraum eher kühl und feierlich gestaltet. Der Zuschauerraum bietet 1.404 Plätze, die sich auf dem als Amphitheater aufgebauten Parkett sowie auf drei Rängen verteilen.[Wolf 6] Oberhalb des Parketts schwebt der erste Rang stützenlos mit einer umlaufenden Brüstung, die beiden seitlichen Logen waren für die Majestäten und den Thronfolger vorgesehen, die heutige Mittelloge als Königliche Galaloge geplant.

Der zweite Rang, der nur drei bis vier Sitzreihen zählt, schließt ebenso wie der erste Rang mit der Raumschale ab. In der letzten Sitzreihe befinden sich Wandpilaster, welche die Decke des Zuschauerraums tragen. Die vordersten beiden Pilaster vor der Bühnen, stellen den Bezug zu den hölzernen Wandvertäfelungen im Parkett her, die in der Literatur als Sockel für die Architektur interpretiert werden. Dass die Rotunde von schlanken Pilastern und Pfeilern eingefasst wird, was nur durch den Verzicht eines dritten umlaufenden Gangs möglich war, ist Max Littmanns Leitmotiv, das sich in den kreisförmig angeordneten Kassetten zeigt, die den von dem Künstler J. Moesel gemalten Sternenhimmel einrahmen. Das Bühnenportal ist schwer kassettiert und eher neutral untektonisch.[Finanz 21]

Schauspielhaus

Das Kleine Haus hatte vor dem Krieg eine gewisse Harmonie, die durch seine grünen Stoffbezüge und das braune Kirschbaumholz geschaffen wurde und somit eine edelmütige aber dennoch gemütliche Atmosphäre ausstrahlte.[Finanz 5] Das 1962 neu erbaute Schauspielhaus bot Raum für 837 Zuschauer, die sich auf einem als Amphitheater gestalteten Parkett verteilen.[Wolf 2] Das als umlaufender Rang gebaute Foyer ist in die Außenwand eingehängt und lässt in der Mitte Zuschauerhaus und die tieferliegenden Garderoben frei stehen. Die Bühne ist mit zwei Seitenbühnen und einer reduzierten Hinterbühne ausgestattet.[7] Von 2010 bis 2012 wurde das Schauspielhaus saniert, ab August 2012 war es für eine zweite Sanierungsphase geschlossen und wurde am 19. September 2013 wiedereröffnet. Der neu gestaltete Zuschauerraum umfasst jetzt maximal 670 Sitzplätze.

Nutzung

Die Bauten wurden bis auf die kurze Zeit nach dem Krieg ausschließlich für Vorstellungen von Opern, Balletten und Schauspielen genutzt.

Nachdem die amerikanischen Truppen sich in Stuttgart niedergelassen hatten, errichteten sie in dem alten Opernhaus ihren PX Club, in dem sie Ping Pong spielten und ihre Freizeit verbrachten. Am frühen Abend – vor Beginn der Sperrstunde – durften die Deutschen, wenn sie einen Holzscheit mitbrachten, ins Parkett, während sich die GIs im Foyer vergnügten. Für die Stuttgarter schien ihr Großes Haus entweiht. Nach der Umstellung der Währung war es wieder möglich, Theaterkarten zu kaufen – und die Besatzungsmacht gab das Opernhaus wieder frei.[Finanz 4]

Leitung

Generalintendanz

Seit 1992 gibt es an der Spitze der Staatstheater keinen Generalintendanten mehr, sondern drei gleichberechtigte künstlerische Intendanten von Oper, Schauspiel und Ballett („Stuttgarter Modell“); die Gesamtleitung hatten seither inne:

Leitung der Sparten

Oper Stuttgart

Generalmusikdirektoren

Stuttgarter Ballett

Schauspiel Stuttgart

Auszeichnungen

  • Das Schauspiel Stuttgart wurde 1976 bis 1978 unter der Intendanz von Claus Peymann dreimal in Folge zum Theater des Jahres gewählt
  • Die Oper Stuttgart wurde während der Intendanz von Klaus Zehelein (1991–2006) insgesamt sechsmal als Opernhaus des Jahres (1994, 1998, 1999, 2000, 2002 und 2006) ausgezeichnet
  • Das Schauspiel Stuttgart wurde 2006 unter der Intendanz von Hasko Weber zum Theater des Jahres gewählt
  • Der Staatsopernchor Stuttgart wurde neunmal, zuletzt 2012, als Chor des Jahres ausgezeichnet[12]
  • Das Stuttgarter Ballett wurde 2011 zur Kompagnie des Jahres gewählt[13]
  • Die Junge Oper erhielt 2013 den BKM-Preis Kulturelle Bildung für die Produktion smiling doors[14]

Bekannte Ensemblemitglieder (Auswahl)

Trivia

Laut Auskunft des Opernhauses befinden sich die besten Plätze in Bezug auf Sicht und Akustik in der Reihe 5 im Parkett auf Sitz 131 und 132.[15]

Siehe auch

Literatur

  • Ingrid Bauz, Sigrid Brüggemann, Roland Maier: "Sie brauchen nicht mehr zu kommen!" Die Verdrängung der Künstlerinnen und Künstler jüdischen Glaubens und jüdischer Abstammung aus dem Stuttgarter Theater- und Musikleben durch die Nationalsozialisten. Stuttgart 2008.
  • Ute Becker: Die Oper in Stuttgart. 75 Jahre Littmann-Bau. DVA, Stuttgart 1987, ISBN 3-421-06379-6.
  • Uwe Bogen (Text); Thomas Wagner (Fotos): Stuttgart. Eine Stadt verändert ihr Gesicht. Erfurt 2012, S. 88–89.
  • Ulrich Drüner: 400 Jahre Staatsorchester Stuttgart Staatstheater Stuttgart, Stuttgart 1994. (Festschrift)
  • Finanzministerium Baden-Württemberg (Hrsg.): Das Grosse Haus der Württembergischen Staatstheater Stuttgart. Die Restaurierung 1983–1984 (Redaktion: Staatliches Hochbauamt 1, Stuttgart), 1984
    Bei den Einzelnachweisen zitiert als Finanzministerium Baden-Württemberg
  • Georg Günther: Carmen – letzter Akt. Die Künstlertragödie Sutter – Obrist von 1910 und die Stuttgarter Oper um 1900. Begleitband und Ausstellungskatalog. Ludwigsburg 2001. (Beziehbar über das Staatsarchiv Ludwigsburg)
  • Rudolf Krauß: Das Stuttgarter Hoftheater von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Metzler, Stuttgart 1908. (Digitalisat)
  • Max Littmann: Die Königlichen Hoftheater in Stuttgart. Alexander Koch, Darmstadt 1912. (Digitalisat)
  • Martin Laiblin (Bearb.): Theaterbilder – Bildertheater. Bühnenbild- und Kostümentwürfe der Staatstheater Stuttgart im Staatsarchiv Ludwigsburg. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-17-019752-7.
  • Albert von Schraishoun: Das Königliche Hoftheater in Stuttgart von 1811 bis zur neueren Zeit. Nach Erinnerungen von Albert von Schraishoun. Müller, Stuttgart 1878. (Digitalisat)
  • Hannelore Schubert: Moderner Theaterbau, Internationale Situation – Dokumentation – Projekte – Bühnentechnik, Karl Krämer Verlag Stuttgart, Bern 1971.
  • Anne-Marie Schwinger (Red.): Staatstheater Stuttgart. Geschichte und Gegenwart. Staatstheater, Stuttgart 2005. (Broschüre)
  • Jürgen-Dieter Waidelich: Vom Stuttgarter Hoftheater zum Württembergischen Staatstheater. Ein monographischer Beitrag zur deutschen Theatergeschichte. 2 Bände. München, Univ., Diss., 1956.
  • Christine Wawra: Zwischen Repräsentation und Resignation. Um- und Neubaupläne des Württembergischen Hoftheaters in Stuttgart 1750 - 1912 Württ. Landesmuseum, Stuttgart 1994.
  • Wilhelm Wegener: Die Reformation der Schaubühne. Eine technisch-dramaturgische Interpretation der Theaterbauten des Münchner Architekten Max Littmann und ihre Bedeutung für die Entwicklung der Deutschen Schaubühne Diss., München 1956.
  • Georg Jacob Wolf: Max Littmann 1862-1931. Das Lebenswerk eines deutschen Architekten. Knorr & Hirth, München 1931.
  • Württembergische Staatstheater Stuttgart, Generalintendanz (Hrsg.): Festschrift der Württembergischen Staatstheater Stuttgart, anlässlich der Eröffnung des Kleinen Hauses 5. Oktober 1962. Stuttgart, 1962.
  • Klaus Zehelein (Hrsg.): Fünfzehn Spielzeiten an der Staatsoper Stuttgart 1991–2006. Ein Arbeitsbericht. raumzeit 3, Stuttgart 2006, ISBN 3-9811007-6-X.

Filmdokumentation

  • Vadim Jendreyko und Thiemo Hehl (Buch), Vadim Jendreyko (Regie): Die Singende Stadt, 2010, Dokumentarfilm, ca. 92 Minuten Filminformationen
  • Karl Ulrich Majer (Buch), Walter Rüdel (Regie): Walter Erich Schäfer oder Die Theatertaten eines Gutsherrn aus Niederbayern, ca. 30 min., ZDF

Weblinks

Commons: Württembergische Staatstheater Stuttgart – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Staatstheater Stuttgart - Gebäude und Architektur - Stadt Stuttgart. In: www.stuttgart.de. Abgerufen am 11. Juli 2016.
  2. Abschiedsfest am 22. Juli. (Memento vom 4. Oktober 2013 im Internet Archive) In: Stuttgarter Zeitung vom 11. Juni 2010, abgerufen am 13. Februar 2012
  3. Ulrich Drüner: 400 Jahre Staatsorchester Stuttgart. Staatstheater Stuttgart, Stuttgart 1994, S. 62.
  4. Christine Wawra: Zwischen Repräsentation und Resignation. Um- und Neubaupläne des Württembergischen Hoftheaters in Stuttgart 1750 - 1912. Württ. Landesmuseum, Stuttgart 1994. S. 11.
  5. Brand des Hoftheaters 1902
  6. Postkartenansichten Interimstheater
  7. a b c Schubert 1971, S. 138.
  8. Spielstätten Opernhaus, bei „Die Staatstheater Stuttgart“
  9. Reiner Nägele (Hrsg.): Musik und Musiker am Stuttgarter Hoftheater (1750-1918), Württembergische Landesbibliothek, Stuttgart 2000, S. 174
  10. Staatsanzeiger Nr. 15 vom 24. April 2009
  11. Gorki-Intendant Petras unterschreibt in Stuttgart, 14. November 2011, Berliner Morgenpost Digital
  12. Kritikerumfrage der Zeitschrift Opernwelt, abgerufen am 19. März 2012
  13. Kritikerumfrage der Zeitschrift tanz, abgerufen am 30. Januar 2012
  14. Laudatio bei der Verleihung des BKM-Preises, abgerufen am 24. September 2016
  15. Der perfekte Platz. Artikel im SZ-Magazin, Nr. 14/2009, S. 40
  1. a b Wolf 1931, Seite 59.
  2. a b Wolf 1931, Seite 60.
  3. a b Wolf 1931, Seite 64.
  4. Wolf 1931, Seite 70.
  5. Wolf 1931, Seite 62.
  6. Wolf 1931, S. 60–62.
  1. Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, S. 42.
  2. Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, S. 35.
  3. a b Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, S. 7.
  4. a b c d Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, Seite 43.
  5. a b c Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, Seite 44.
  6. Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, Seite 45.
  7. Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, Seite 46.
  8. Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, Seite 47.
  9. Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, Seite 28.
  10. Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, Seite 48.
  11. Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, Seite 49.
  12. Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, S. 13.
  13. Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, S. 14.
  14. Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, S. 17.
  15. Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, S. 18.
  16. Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, S. 40–41.
  17. Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, S. 18–19.
  18. Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, S. 55.
  19. Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, S. 37.
  20. Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, S. 20.
  21. Finanzministerium Baden-Württemberg 1983, S. 37–38.

Koordinaten: 48° 46′ 49″ N, 9° 11′ 6″ O