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Tanzlinde

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Tanz unter der Linde (zeitgenössische Darstellung, 18. Jh.)
Tanzlinde in Langenstadt (2009)

Tanzlinden sind kunstvoll geleitete Lindenbäume, die früher in manchen Regionen häufig der Mittelpunkt dörflicher Feste und Bräuche waren. Heute gibt es sie nur noch in wenigen Dörfern.

  • Tanzlinden im engeren Sinne sind eine besondere Form von geleiteten Linden. Ursprünglich wurden als Tanzlinden nur geleitete Linden bezeichnet, die Podeste trugen, damit in der Baumkrone getanzt werden konnte. Die Stützpfeiler der geleiteten Tanzlinden sind dabei, ähnlich wie die übrigen Konstruktionen, häufig kunstvoll gearbeitet.[1]
  • Tanzlinden im weiteren Sinne sind geleitete Linden, bei denen am Boden unter der Linde oder außerhalb des Astbereiches um sie herumgetanzt wird.
  • Sonstige Tanzlinden sind Linden, die im Mittelpunkt von Tanzbräuchen stehen oder standen, ohne einer besonderen Formgebung unterzogen worden zu sein und ohne über Gerüstkonstruktionen zu verfügen.
  • Daneben gibt es noch geleitete Linden, die mit ihrer Formgebung der klassischen Tanzlinde sehr ähnlich sind (und deshalb oftmals auch als Tanzlinde bezeichnet werden), aber niemals mit Tanzbräuchen verbunden waren (etwa manche Stufenlinden).
  • Der Vollständigkeit halber sind auch weitere Formen geleiteter Linden wie etwa Gerichtslinden sowie Linden-Lauben aufgeführt.

Allgemeines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tanzlinde in Peesten (2008)
Tanzlinde in Galenbeck (2006)
Deutschlands südlichste Tanzlinde in Wald (Hohenzollern), 2008 neu angelegt (2020)

Bei beiden geleiteten Hauptformen der Tanzlinden ist um den Stamm der Linde, auf Höhe des unteren Astkranzes, ein Gerüst gebaut, das unter anderem dem Verziehen der Äste dient. Bei Tanzlinden sind die Bäume in der Regel Naturdenkmale, die stützenden Bauwerke meist auch Baudenkmale, die gemeinsam als Teil dörflicher Kultur, meist als Mittelpunkt lokaler Traditionen und Tanzbräuche in Zusammenhang mit Kirchweihfesten, dienen; auf diesem einmaligen Zusammenspiel dreier Elemente beruht die besondere, weit über die Standortdörfer und -regionen hinausgehende eigenständige kulturelle Bedeutung der Tanzlinden.

In Limmersdorf entsteht zurzeit das Deutsche Tanzlindenmuseum, in dem neben einer umfassenden Bestandsaufnahme unter anderem auch erstmals eine Klassifizierung und Typisierung und eine umfassende Bibliothek erfolgen soll.

Seit 2014 zeigt das Lindenbaum-Museum in Neudrossenfeld anhand von Modellen über 40 Beispiele von geleiteten Lindenbäumen in Europa, davon viele Tanzlinden. Die Ausstellung wurde in Form einer Begleitpublikation verschriftlicht.[2]

Tanzlinden im engeren Sinne[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei den Tanzlinden im engeren Sinne wachsen die Äste des untersten Astkranzes, meist in einer Höhe zwischen zwei Metern und drei Metern, unter einem Gerüst aus massiven Holzbalken entlang und dann außerhalb an laubenartigen (über-)mannshohen Spalieren mit Fensterausschnitten oder an Balustraden wieder nach oben, so dass es aussieht, als ob die Äste die Balkenkonstruktion trügen; eigentlich hängen die Äste aber an den Balkenkonstruktionen. Tatsächlich werden die Konstruktionen dann hauptsächlich von Säulen aus Sandstein oder Holz getragen (manchmal auch Metall), die am Rand der Baumkrone ringförmig um den Stamm mit Radien zwischen drei Metern und fünf Metern angeordnet sind; je nach statischem Bedarf werden manchmal Säulen innerhalb des Ringes aufgestellt. Die horizontale Balkenlage ist entweder dauerhaft oder nur zu den Tanzfesten mit Brettern belegt; diese Tanzfläche ist über eine Treppe zu erreichen. So entstehen imposante, luftige Baumpavillons, die Tanzpaaren und manchmal sogar den Musikkapellen Platz bieten, früher angeblich manchmal sogar auf zwei Ebenen verteilt.

„Klassische“ Tanzlinden, die noch zum Tanzen benutzt werden (können), stehen in:

Neue Tanzlinden entstehen in:

Baumveteranen, die vermutlich Tanzlinden im engeren Sinne waren in:

Bäume, die wie „echte“ Tanzlinden geformt sind, aber mit keiner Tanztradition verbunden sind:

  • Podest ohne Astkranz:
    • Galenbeck (Mecklenburg-Vorpommern), Privatbesitz
  • Podest ohne Mittelstamm und ohne Stütz-Gerüst:
    • Gescher (Westfalen, seit etwa 1880), Privatbesitz
  • Podest zur Aussicht oder für Musikanten:
    • Elstra-Rehnsdorf (Sachsen), Privatbesitz
    • Klein Görnow (Mecklenburg-Vorpommern), Privatbesitz

Tanzlinden im weiteren Sinne[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei den geleiteten Tanzlinden im weiteren Sinne ist das Zusammenspiel von Baum und Gerüst andersherum: Dort wachsen die Äste über den Konstruktionsbalken, weil in der Regel die Gerüste die Äste tragen. Deshalb konnte bzw. kann nicht auf, sondern lediglich unter den Linden getanzt werden (Platz- oder Plan-Tanz).

Solche Tanzlinden stehen beispielsweise in:

Sonstige Tanzlinden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei den sonstigen Tanzlinden ist hingegen kein Gerüst vorhanden, das umgebende Gelände dient jedoch als Tanzplatz; in einigen Fällen wird die Bezeichnung Tanzlinde auch ohne jeden erkennbaren Bezug zu Tanzbräuchen als Interpretation der Form des Baumes benutzt.

Linden dieser Art stehen beispielsweise in

Stufenlinden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine besondere Form geleiteter Linden, die oftmals als Tanzlinden bezeichnet werden, sind die Stufenlinden. Diese eindrucksvollen Bäume mit bis zu zehn Astkränzen erhielten aber in der Regel nicht zu Tanzzwecken, sondern als rein ästhetisch-romantische Spielart ihre Form. Die bekanntesten davon stehen in

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tanzlinden waren sowohl Orte der Gerichtsbarkeit als auch Versammlungsstätten. Linden wurden und werden deshalb oftmals an zentralen Plätzen innerhalb von Siedlungen gepflanzt und erreichen dort zum Teil imposante Größen.

Verbreitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tanzlinden sind heute vorwiegend noch in kleineren Orten zu finden, in denen sie sowohl das Ortsbild als auch die dörflichen Feste prägen. Schwerpunkt dieser Tradition sind eindeutig die fränkischen Regionen Oberfranken, Südthüringen, Osthessen und Hohenlohe.

Vereinzelt existieren ähnliche Bäume auch in anderen deutschen Regionen (etwa Westfalen) und angrenzenden europäischen Ländern (Schweiz, Frankreich, Belgien, Österreich). Allerdings sind die Linden dort zwar in entsprechende Form geleitet, Tanztraditionen wie bei den „klassischen“ Tanzlinden in Oberfranken und Thüringen sind aber meist nicht überliefert.

Tanz auf der Linde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die heute bekannteste Tanzlinde steht im oberfränkischen Limmersdorf im Landkreis Kulmbach, das seit 1978 zum Markt Thurnau gehört. Die dortige Lindenkirchweih ist das älteste, ununterbrochen seit mindestens 1729 veranstaltete Fest, bei dem der Tanz auf der Linde und der Platztanz unter der Linde im Mittelpunkt des Kirchweihfestes stehen. Die Musikkapelle hat ein eigenes kleines Häuschen in der Plattform. Am Linden- und Kirchweihplatz, unmittelbar neben der 500-jährigen Kirche St. Johannes der Täufer, ist in Limmersdorf wegen der besonderen Bedeutung der Limmersdorfer Tanzlinde und dieses Brauchtums in Oberfranken das Deutsche Tanzlindenmuseum im Aufbau; auch die Deutsche Tanzlindenroute und der Tanzlindenradweg rund um Thurnau (Limmersdorf – Langenstadt – Peesten – Limmersdorf, ca. 30 km) beginnen dort.

Im Jahr 2014 wurde die Limmersdorfer Lindenkirchweih für die Region Franken als einer von 27 Bräuchen in Deutschland in die Nationale Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen; seitdem gilt die Tanzlinde in Limmersdorf für viele als „Baum der Franken“, manche sehen in ihr auch den neuen „Baum der Bayern“.

2014 wurden das Gerüst um die Linde, der Tanzboden und die tragenden Sandsteinsäulen umfassend saniert.

Der Tanz auf der Linde zur Kirchweih findet auch noch auf den Linden in Langenstadt, Peesten und Effelder statt; in Bärstadt wird seit einigen Jahren begonnen, die Tradition nach fränkisch-thüringischem Vorbild neu zu begründen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Friedrich Wallner: Die Dorflinde zu Effeltrich (Oberfranken). In: Friedrich Stützer (Hrsg.): Die größten, ältesten oder sonst merkwürdigen Bäume Bayerns in Wort und Bild. Band 1. Piloty & Löhle, München 1900, S. 29–31 mit Lichtdruck-Tafel, urn:nbn:de:bvb:12-bsb00113451-1.
  • Friedrich Stützer: Die Plan- oder Tanzplatzlinde in Peesten bei Kulmbach (Oberfranken). In: Friedrich Stützer (Hrsg.): Die größten, ältesten oder sonst merkwürdigen Bäume Bayerns in Wort und Bild. Band 2. Piloty & Loehle, München 1901, S. 75–76, urn:nbn:de:bvb:12-bsb00113452-7.
  • Friedrich Gollwitzer: Die Tanz- und Platzlinden im Bezirk Kulmbach. In: Fränkische Heimat. Band 6, 1927, S. 180.
  • Herrmann Röttger: Über die Dorflinde. In: Bayerischer Heimatschutz. Band 24, 1928, S. 24–30.
  • Oskar Moser: Lindentanz und Kirchweihrecht. In: Festschrift für Franz Koschier. Klagenfurt 1974, S. 58.
  • Rainer Graefe: Geleitete Linden. In: Daidalos. Nr. 23: Baum und Architektur. Gütersloh 1987.
  • Katrin Birkner, Volker Illigmann, Jürgen Kraus, Heike Schwandt: Limmersdorf 1255–2005. Boullion, Bayreuth 2005 (Verein zur Erhaltung und Förderung der Limmersdorfer Kirchweihtradition).
  • Uwe Kühn, Stefan Kühn, Bernd Ulrich: Bäume, die Geschichten erzählen. BLV, München 2005, ISBN 3-405-16767-1.
  • Michel Brunner: Bedeutende Linden – 400 Baumriesen Deutschlands. Haupt, Bern 2007, ISBN 978-3-258-07248-7.
  • Andreas Zehnsdorf: Thüringens merkwürdige Linden. In: Thüringer Hefte für Volkskunde. Erfurt 2009.
  • Rainer Graefe: Bauten aus lebenden Bäumen. Geleitete Tanz- und Gerichtslinden. In: Arbeitsblätter zur Baugeschichte. Band 4, Geymüller, Aachen/Berlin 2014, ISBN 978-3-943164-08-4.
  • Anette Lenzing: Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland. Die Blauen Bücher, Königstein im Taunus 2005, ISBN 3-7845-4520-3.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Tanzlinde – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Tanzlinde – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Rainer Graefe: Bauten aus lebenden Bäumen: Geleitete Tanz- und Gerichtslinden. Geymüller, Aachen u. a. 2014, ISBN 978-3-943164-08-4, S. 40.
  2. Rainer Graefe: Bauten aus lebenden Bäumen: Geleitete Tanz- und Gerichtslinden. Geymüller, Aachen u. a. 2014, ISBN 978-3-943164-08-4.
  3. Biedermann: Naturdenkmale im Wartburgkreis. Landratsamt Wartburgkreis, 2014, S. 41.