Tschernyschewskoje

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Siedlung
Tschernyschewskoje
Eydtkuhnen (Eydtkau)

Чернышевское
Wappen
Wappen
Föderationskreis Nordwestrussland
Oblast Kaliningrad
Rajon Nesterow
Erste Erwähnung 1525
Zeitzone UTC+2
Kfz-Kennzeichen 39, 91
OKATO 27 224 813 001
Geographische Lage
Koordinaten 54° 38′ N, 22° 44′ OKoordinaten: 54° 38′ 0″ N, 22° 44′ 0″ O
Tschernyschewskoje (Europäisches Russland)
Tschernyschewskoje (Europäisches Russland)
Lage im Westteil Russlands
Tschernyschewskoje (Oblast Kaliningrad)
Tschernyschewskoje (Oblast Kaliningrad)
Lage in der Oblast Kaliningrad

Vorlage:Infobox Ort in Russland/Wartung/Daten

Tschernyschewskoje (russisch Чернышевское, wissenschaftliche Transliteration: Černyševskoje; deutsch Eydtkuhnen bzw. 1938–45 Eydtkau, litauisch Eitkūnai) ist ein Ort in der Oblast Kaliningrad, Russland, an der Grenze zu Litauen. Er gehört zur Landgemeinde Prigorodnoje im Rajon Nesterow.

Geographische Lage

Tschernyschewskoje liegt im äußersten Osten der Oblast Kaliningrad an der Grenze zu Litauen. Durch den Ort führt die russische Fernstraße A 229 (ehemalige deutsche Reichsstraße 1, heute auch Europastraße 28), die hier in die litauische Fernstraße A 7 übergeht. Das damalige Eydtkuhnen war bis 1945 Endbahnhof der Preußischen Ostbahn.

Geschichte

Dekoration aus dem Wartezimmer für hohe Herrschaften auf dem Bahnhof Eydtkuhnen

Bis 1945

Die Anfänge des Ortes Eydtkuhnen gehen ins 16. Jahrhundert zurück. Einen Aufschwung erlebte der damals von nur 125 Einwohnern[1] besiedelte Ort, als 1860 die Preußische Ostbahn bis hierher ausgebaut war und Eydtkuhnen zum wichtigsten Grenzbahnhof Preußens an der Ostgrenze wurde.[2]

Die normalspurige Ostbahn stieß in Eydtkuhnen auf die russischen Breitspurgleise, so dass wegen der unterschiedlichen Spurweiten keine durchgängige Zugverbindung möglich war. So fuhren Züge aus Sankt Petersburg bzw. Leningrad bis Eydtkuhnen, wo die Fahrgäste am selben Bahnsteig in einen preußischen Zug mit Normalspur umstiegen. In der Gegenrichtung geschah das dagegen im zwei Kilometer entfernten, ebenfalls als Spurwechselbahnhof ausgebauten russischen bzw. litauischen Bahnhof Wirballen, heute Kybartai in Litauen.

Bis 1875 erhöhte sich die Anzahl der Einwohner auf 3253[1] und bereits vor 1894 bestand hier eine Eisenbahnwerkstatt. Ab 1896 fungierte Eydtkuhnen auch als Umsteigebahnhof für den LuxuszugNord-Express“, der die Route Sankt PetersburgParis befuhr. Der Bahnhof wurde nach Plänen von Friedrich August Stüler gebaut.[1]

1905 vermeldete Meyers Großes Konversationslexikon zu diesem Ort:

„Flecken im Regierungsbezirk Gumbinnen, Kreis Stallupönen, Knotenpunkt der preußischen Staatsbahnlinie Königsberg – Eydtkuhnen und der russischen Staatsbahnlinie Landwarow – Eydtkuhnen (Grenzstation Wirballen), hat eine evangelische Kirche, Synagoge, Hauptzollamt und Nebenzollamt I, lebhaften Speditionshandel, besonders in russischen Pferden, Gänsen, Getreide und (1900) 3707 meist evangelische Bewohner“

Meyers 1905[3]
Im Ersten Weltkrieg zerstörte Brauerei in Eydtkuhnen

Im Ersten Weltkrieg wurde Eydtkuhnen von der russischen Armee stark zerstört. Nach dem Wiederaufbau der Stadt begann in der Zwischenkriegszeit eine erneute, kurze Blütezeit mit einer Zunahme der Einwohnerzahl auf 10.500 (1923).[1] Eydtkuhnen wurde erneut zum wichtigsten Grenzübergang zwischen dem Reich und den baltischen Staaten. Durch die Umstellung des litauischen Eisenbahnnetzes auf Normalspur waren Eydtkuhnen und der benachbarte Bahnhof Virbalis keine Spurwechselbahnhöfe mehr. Der Nord-Express fuhr allerdings nicht mehr über Eydtkuhnen, es verblieben lediglich direkte Schlafwagen von Paris nach Riga im D 1 (Berlin–Eydtkuhnen). 1935 war auch die von Aachen kommende Reichsstraße 1 bis zu diesem Ort herangeführt.

Göttingen, Stadtfriedhof: Grab des geflohenen Bürgermeisters Curt Steiner

Der Aufschwung endete abrupt mit dem Zweiten Weltkrieg, wobei Eydtkuhnen bei der Eroberung durch die Rote Armee abermals stark zerstört wurde. Die überwiegend deutsche Bevölkerung des Ortes floh bei Kriegsende oder wurde nach der Besetzung durch die Rote Armee vertrieben.

Seit 1945

Als Tschernyschewskoje (nach dem sowjetischen Offizier Tschernyschew) wurde die Ortschaft Teil der RSFSR, seit 1991 der Russischen Föderation. In der Stadt wurde ein Gefängnis eingerichtet. Der Bahnhof wurde demontiert, da er nach 1945 nicht mehr als Grenzbahnhof benötigt wurde und der nächste Bahnhof Kybartai sehr nah lag.

Seit 2007 befindet sich in Tschernyschewskoje ein wichtiger Straßengrenzübergang zwischen der Oblast Kaliningrad und Litauen. Die Eisenbahngrenzabfertigung auf russischem Gebiet findet nunmehr in Nesterow (Stallupönen) statt. Ein großer Teil des Ortes ist heute von einer Mauer umgeben und wurde lange zum Teil als Kaserne, zum Teil auch als Gefängnis genutzt. Die russische Eisenbahn verwirklichte nach der Jahrtausendwende den Wiederaufbau des Grenzbahnhofs,[4] da die Kapazitäten im Bahnhof Nesterow nicht ausreichten.

Dorfsowjet/Dorfbezirk Tschernyschewski 1947–1960 und 1967–2008

Der Dorfsowjet Tschernyschewski (ru. Чернышевский сельский Совет, Tschernyschewski selski Sowet) wurde im Juli 1947 eingerichtet.[5] Von 1960 bis 1967 war der Dorfsowjet aufgelöst und vermutlich an den Dorfsowjet Prigorodny angeschlossen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion trug die Verwaltungseinheit den Namen Dorfbezirk Tschernyschewski (ru. Чернышевский сельский округ, Tschernyschewski selski okrug). Im Jahr 2008 wurden die beiden verbliebenen Orte des Dorfbezirks in die neu gebildete Landgemeinde Prigorodnoje eingegliedert.

Ortsname Name bis 1947 Bemerkungen
Berjosowka (Берёзовка) Romeyken, 1938–1945: „Romeiken“ Der Ort wurde 1947 umbenannt und vermutlich vor 1967 verlassen.
Detskoje (Детское) Kinderweitschen, 1938–1945: „Kinderweiten“ Der Ort wurde 1947 umbenannt.
Swobodnoje (Свободное) Mecken Der Ort wurde 1947 umbenannt und vermutlich vor 1967 verlassen.
Trawino (Травино) Schleuwen Der Ort wurde 1947 umbenannt und vermutlich vor 1967 verlassen.
Tschernyschewskoje (Чернышевское) Eydtkuhnen, 1938–1945: „Eydtkau“ Verwaltungssitz

Politik

Wappen

Blasonierung: „Im von Silber und Grün geteilten Felde oben eine eigentümlich gestaltete, aus dem unteren Teile in den oberen aufwachsende rote Burg mit der aufgehenden goldenen Sonne im Torbogen, unten ein silbern geflügeltes, eisenfarbiges Eisenbahnrad.“[6]

Der durch den Grenzhandel in wenigen Jahrzehnten aufgeblühte Ort wurde am 19. Juli 1922 zur Stadt erhoben und erhielt am 15. Januar 1924 vom Ministerium dieses heraldisch nicht vorbildliche Wappen genehmigt.[7]

Kirche

Kirche Eydtkuhnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Die Kirchenruine (2009)

Kirchengebäude

Die neoromanische Kirche mit kreuzförmigem Grundriss wurde nach den Plänen von Friedrich Adler gebaut und 1889 eingeweiht. Heute existieren nur noch Ruinen mit den zwei Turmunterbauten ohne die früheren Spitzdächer. Das Erdgeschoss ist zugemauert, das Dachgeschoss des Kirchenschiffs ist verschwunden.[8]

Die Kirche wurde nach 1945 lange Zeit vom Militär als Lager benutzt, heute ist das ungenutzte Gebäude eine Ruine. Das Pfarrhaus ist zugemauert.

Kirchengemeinde

Bis 1945 war das – von einer überwiegend evangelischen Bevölkerung bewohnte – Eydtkuhnen/Eydtkau ein Kirchspielort im Kirchenkreis Stallupönen (1938–1946 Ebenrode, russisch: Nesterow) in der Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union. Erst im Jahre 1883 war Eydtkuhnen ein selbstständiges Kirchspiel geworden, nachdem es von dem Kirchort Bilderweitschen (1938–1946 Bilderweiten, russisch: Lugowoje) abgetrennt worden war.

Nach 1945 kam das kirchliche Leben in dem Ort zum Erliegen. Heute hat sich in dem acht Kilometer nordwestlich gelegenen Nachbarort Babuschkino (Groß Degesen) eine neue evangelische Gemeinde gebildet, die zur Propstei Kaliningrad der Evangelisch-Lutherischen Kirche Europäisches Russland (ELKER) gehört. Das zuständige Pfarramt ist das der Salzburger Kirche in Gussew (Gumbinnen).[9]

Söhne und Töchter des Ortes

Siehe auch

Weblinks

Commons: Tschernyschewskoje – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d Webseite zu Ostpreußen
  2. Friedrich Benecke: Die Königsberger Börse. G. Fischer, Jena 1925, S. 20.
  3. Meyers Lexikon von 1905
  4. Russische Webseite zum Wiederaufbau
  5. Durch den Указ Президиума Верховного Совета РСФСР от 25 июля 1947 г. «Об административно-территориальном устройстве Калининградской области» (Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der RSFSR vom 25. Juli 1947: Über den administrativ-territorialen Aufbau der Oblast Kaliningrad)
  6. Erich Keyser: Deutsches Städtebuch. Handbuch städtischer Geschichte, Bd. 1: Nordostdeutschland. Die Städte in der Provinz Ostpreußen und im Gebiet der Freien Stadt Danzig. W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1939, S. 47/48.
  7. Prof. Otto Hupp: Deutsche Ortswappen. Kaffee-Handels-Aktiengesellschaft, Bremen 1925.
  8. Website Ostpreussen
  9. Propstei Kaliningrad