„National Missile Defense“ – Versionsunterschied

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Wegen des Streits um die US-Raketenabwehr in Osteuropa hatte Putin am 14. Juli 2007 den [[Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa]] <ref>[http://www.osce.org/documents/doclib/1990/11/13752_en.pdf Treaty On Conventional Armed Forces in Europe] (via [[OSZE]] - PDF, 279 kB)</ref> ausgesetzt. Am 12. Juni 2007 begann in der Wiener Hofburg eine von Russland geforderte Sonderkonferenz zu diesem Vertrag, die nach vier Tagen ohne Ergebnis endete.
Wegen des Streits um die US-Raketenabwehr in Osteuropa hatte Putin am 14. Juli 2007 den [[Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa]] <ref>[http://www.osce.org/documents/doclib/1990/11/13752_en.pdf Treaty On Conventional Armed Forces in Europe] (via [[OSZE]] - PDF, 279 kB)</ref> ausgesetzt. Am 12. Juni 2007 begann in der Wiener Hofburg eine von Russland geforderte Sonderkonferenz zu diesem Vertrag, die nach vier Tagen ohne Ergebnis endete.

'''August 2007: Russland plant umfangreiche Aufrüstung'''

Im August wurden zudem Pläne für eine umfangreiche Aufrüstung und Modernisierung der russischen Streitkräfte bekannt <ref>[http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,druck-500471,00.html Simone Schlindwein, Machtanspruch: Putin plant massive Aufrüstung] (Spiegel Online, 17. August 2007)</ref>. Unter anderem wurden die regelmäßigen Patrouillenflüge von Langstreckenbombern <ref>[http://de.rian.ru/safety/20070823/73773661.html Russland sieht in Langstrecken-Patrouillen keinen neuen Kalten Krieg] (RIA Nowosti, 23. August 2007)</ref> außerhalb des russischen Staatsgebiets wiederaufgenommen, die [[1992]] einseitig eingestellt worden waren; geplant ist u.a. der Bau von sechs [[Flugzeugträger]]n sowie von neuen [[U-Boot]]en. Darüber hinaus entwickelt Russland neue [[Flugzeug]]e, darunter einen [[Tarnkappenbomber]].


'''Russischer Generalstabschef: Stationierung von Radar in Tschechien ist "schwerer Fehler"'''
'''Russischer Generalstabschef: Stationierung von Radar in Tschechien ist "schwerer Fehler"'''

Version vom 26. September 2007, 09:49 Uhr

Start des Prototypen des „Exoatmospheric Kill Vehicle“
Prototyp des „Exoatmospheric Kill Vehicle“

Die National Missile Defense (NMD) ist das zur Regierungszeit von George W. Bush wohl wichtigste (und teuerste) Rüstungsprojekt der USA. Es gilt als Nachfolger der Strategic Defense Initiative (SDI).

Zweck der NMD soll es sein, mittels modernster (teilweise satellitengestützter) Waffen anfliegende Atomraketen (ICBMs) noch in der Erdatmosphäre bzw. auf ihrer Bahn im Weltall zu zerstören. Auf diese Weise soll ein Verteidigungsschutzschild für die Vereinigten Staaten realisiert werden.

Federführend verantwortlich für die Entwicklung und Umsetzung der NMD ist die Missile Defense Agency (etwa: Amt für Raketenverteidigung), eine Abteilung des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums.

Das Gesetz

Beschlossen wurde das Gesetz zur Nationalen Raketenverteidigung noch in der Regierungszeit von Bill Clinton. Darin heißt es:

Es ist die Politik der Vereinigten Staaten, so rasch wie technologisch möglich eine effektive Nationale Raketenverteidigung zu stationieren, die in der Lage ist, das Gebiet der Vereinigten Staaten gegen begrenzte ballistische Raketenangriffe (ob nun unbeabsichtigt, ungenehmigt oder vorsätzlich) zu verteidigen und deren Finanzierung unter dem Vorbehalt der jährlichen Zuteilungsbewilligung und der jährlichen Bewilligung von Mitteln für die Nationale Raketenverteidigung steht. (National Missile Defense Act von 1999 [1])

Aufgaben und Verfahren des Systems

Übersicht

Zunächst muss ein Raketenabwehrsystem anfliegende Raketen erkennen und unterscheiden können. Mittels Frühwarnradarstationen am Boden und mit Hilfe von Infrarotkameras in geostationären Satelliten erkennt das System - zumindest in der Theorie - automatisch startende Raketen an ihrer Antriebswärme (also dem Schweif bzw. Feuerstrahl). Die Infrarotkameras der Frühwarnsatelliten können die Raketen nach dem Durchbrechen der untersten Atmosphärenschichten detektieren und anhand der Form und der Hitzeverteilung im Feuerstrahl den Raketentyp bestimmen - so jedenfalls die Vorstellung der Initiatoren der NMD.

Zu diesem Zeitpunkt (in der boost phase) ist bei Raketentypen, die sowohl für die Raumfahrt als auch als ICBMs verwendet werden, allerdings bislang keine Unterscheidung zwischen einem zivilen Raumfahrteinsatz oder einer militärischen Aggression möglich.

Das Near Field Infrared Experiment (NFIRE [2].), das im Frühjahr 2007 stattfinden soll (nachdem es bereits zweimal verschoben wurde), soll die Detektion von Raketentypen bzw. ihres Einsatzzweckes nunmehr entscheidend verbessern. Raketen, die in friedlicher Absicht eingesetzt werden, sollen so schon in der Startphase aussortiert werden können.

Im nächsten Schritt wird die Bahn der Rakete beobachtet und vorausberechnet. In der Zusammenschau der - in einem äußerst kurzen Zeitfenster - gewonnenen Daten muss dann abgeschätzt werden, ob es sich beim jeweiligen Raketenstart um eine Angriff oder zum Beispiel nur um eine Trägerrakete für die Raumfahrt handelt.

Die Vorausberechnung der Flugbahn ist relativ einfach, solange es sich bei dem Geschoss um eines mit strikt ballistischer Flugbahn wie etwa bei den meisten Interkontinentalraketen (ICBMs) handelt. Diese Raketen steigen nach dem Brennschluß in einer rechnerisch nachvollziehbaren Bahn (mit gewissen Abweichungen, verursacht u.a. durch diverse atmosphärische Einflüsse) bis in den Weltraum hinauf, um dort einen oder mehrere Gefechtsköpfe freizusetzen. Üblicherweise werden bei MIRVs auch noch Gefechtskopfattrappen freigesetzt, um Abwehrsysteme abzulenken und zu verwirren.

Allerdings hatte die Sowjetunion bereits in den 1960-er Jahren ein System zur Einsatzreife entwickelt, das schon damals eine Vorausschau des mutmaßlichen Ziels bis kurz vor dem Einschlag unmöglich machte (vgl. FOBS).

Zur Zerstörung der atomaren Gefechtsköpfe wird in ihrer Flugbahn ein vom Boden gestartetes oder auch von Satelliten freigesetztes „Kill Vehicle“ (wie bei NFIRE vorgesehen, das die Detektion von feindlichen Flugkörpern mit deren Abwehr in einem Satelliten verbinden soll) auf Kollisionskurs gebracht (in teilweise nahezu entgegengesetzter Flugrichtung). Es ist mit IR- und Bildsensoren ausgestattet, um die Gefechtsköpfe zu erkennen. Im Idealfall besitzt diese Vernichtungsvorrichtung ein gewisse Lenkfähigkeit; geplant sind auch Killersatelliten, die zu selbstständigen Annäherungsoperationen fähig sind ("Autonomous Proximity Operations"). Ein solches „Kill Vehicle“ soll dann einen Gefechtskopf bei seiner Bahn im All in der Regel durch bloße Kollision - also durch kinetische Energie - bei über 7 km/s (also 25200 km/h) zerstören.

Hintergründe

Politischer Hintergrund

Als Nachfolgeprogramm der 1983 von Ronald Reagan ins Leben gerufenen Strategic Defense Initiative wird die NMD im Auftrag des amerikanischen Präsidenten George W. Bush mit Hochdruck weiterentwickelt. Dabei soll es nach offiziellen Angaben in erster Linie nicht als Verteidigung gegen mögliche Attacken der konkurrierenden Weltmächte Russland und China dienen, sondern vielmehr vor Terroristen und so genannten Schurkenstaaten wie dem Iran und Nordkorea schützen. Zusätzlich soll das System auch vor einem versehentlichen Abschuss atomarer Raketen durch Russland schützen, dem man offenbar auf Grund einer unterstellten mangelnden Stabilität seiner inneren Ordnung zutraut, seine Streitkräfte könnten der Kontrolle der Regierung entgleiten. Die Fertigstellung von NMD hätte allerdings gegen den noch mit der UdSSR abgeschlossenen ABM-Vertrag von 1972 verstoßen, den die USA deshalb am 13. Dezember 2001 einseitig aufgekündigt haben. Die Kündigung wurde sechs Monate später, am 13. Juni 2002, wirksam.

Technische Kritik

Die Verteidigung gegen eine ganze Flotte angreifender Raketen - und somit der vielbeschworene "Schutzschild" - gilt jedoch nach Angaben verschiedener Experten bis heute (Stand: 2006) als technisch nicht möglich. Demnach können derzeit höchstens 20 Gefechtsköpfe auf einmal abgewehrt werden, was zwei bis drei angreifenden Raketen mit sieben bis acht MIRVs entspräche.

Gegen terroristische Angriffe ist der Schutz nach Einschätzung von Kritikern des NMD-Konzepts ebenfalls unvollkommen: eine terroristische Organisation, wenn sie denn in den Besitz einer Kernwaffe gelangte, würde diese eher auf anderen Wegen gegen die Vereinigten Staaten anwenden, etwa ins Land geschmuggelt (z.B. als "Kofferbombe"), in einem LKW o.ä. untergebracht und/oder per Schiff in den Hafen einer großen Stadt transportiert.

Auch hinsichtlich eines Raketenangriffs aus Russland ist die Wirksamkeit des Systems derzeit zweifelhaft, da die neu entwickelte russische Interkontinentalrakete Topol-M (SS-X-27; Topol-M2) über einen Sprengkopf verfügt, der sowohl im Hyperschallbereich operieren soll als auch lenkbar ist und somit keine ballistische (also vorausberechenbare) Flugbahn mehr hat. Sollte ein „Kill-Vehicle“ den atomaren Sprengkopf dennoch treffen und vernichten, würde sich der größte Teil seiner Trümmer inklusive des radioaktiven spaltbaren Materials weiter auf der ursprünglichen Bahn bewegen und über dem Ziel in die Erdatmosphäre eintreten und dort verglühen.

Taktische Grundlagen eines Raketenabwehrsystems

Die Zielsetzung bei der Systemarchitektur der National Missile Defense (DoD-Grafik)
Abkürzungen in der Grafik:

GBR = Ground-Based Radar = Am Boden stationiertes Radar
GBI = Ground-Based Interceptor = Am Boden stationierte Abfangeinrichtung [3]
DSP = Defense Support Program = Programm zur Unterstützung der Verteidigung
SBIRS = Space-Based Infrared System = Weltraumgestütztes Infrarotsystem
UEWR = Upgraded Early Warning Radar = Verbessertes Frühwarnradar
SMTS = Space and Missile Tracking System = Raumüberwachungs- und Raketenverfolgungssystem
LEO = Überwachungssatellit im erdnahen Raum ("Lower Earth Orbit")
GEO = Geostationärer Überwachungssatellit

Grundlage einer Raketenabwehr ist die schnelle Reaktion auf anfliegende Raketen/Gefechtsköpfe. Innerhalb kürzester Zeit müssen startende Raketen als anfliegende ICBMs erkannt und deren Flugbahnen bestimmt werden.

Die Bekämpfung kann in drei möglichen Phasen des Angriffs stattfinden:

  1. Startphase
  2. Ballistischer, gfs. suborbitaler Flug außerhalb der Atmosphäre
  3. Wiedereintritt in die Atmosphäre/Zielanflug

Startphase

Datei:AASATAbnLaser.jpg
Eine Boeing AL-1 beschießt eine startende ballistische Rakete mit einem Laser

In der Startphase bietet eine aufsteigende ICBM im Prinzip ein relativ großes, sich auf einer vorausberechenbaren Bahn bewegendes Ziel, welches theoretisch einfach erfasst und bekämpft werden könnte. Ebenso könnten (im Prinzip) auf diese Weise mehrere Sprengköpfe (MIRVs) gleichzeitig durch die Zerstörung einer Rakete ausgeschaltet werden.

Das Problem in dieser Phase ist allerdings die Reaktionszeit: Die aktive Aufstiegsphase dauert ca. fünf bis zehn Minuten; bei moderneren Langstreckenraketen ist sie noch erheblich kürzer. In dieser Zeit müssen die Starts entdeckt und bewertet werden. Es muss entschieden werden, ob ein Angriff vorliegt und welche Ziele voraussichtlich angegriffen werden. Außerdem müssten in dieser kurzen Zeit die politischen und militärischen Entscheidungen zur Reaktion auf einen möglichen Angriff getroffen werden, was die Gefahr von Fehlschlüssen erheblich erhöht.

Durch das NMD-Konzept ist eine Bekämpfung in dieser Phase bislang nicht möglich, wenngleich auch hierzu intensiv geforscht wird. In Zukunft sollen für Abfangmanöver in der Startphase vornehmlich luftgestützte Laser (Airborne Laser, ABL) eingesetzt werden, da hier für den Einsatz jedweder materieller Geschosse die Zeit in aller Regel einfach zu knapp wäre (es sei denn, die Abwehrwaffe befände sich in unmittelbarer Nähe der startenden Rakete). Vom ABL erhofft man sich, Raketen in der Startphase innerhalb von Sekunden vernichten zu können [4].

Ende Oktober 2006 wurde angekündigt, dass 2007 eine Boeing-747, genannt Big Crow ("Große Krähe"), mit einem Lasersystem zur Raketenabwehr ausgestattet werden soll; Meldungen zufolge sind die ersten Tests des Lasersystems unter Luftkampfbedingungen für 2008 geplant.

Für Kritiker sind Laserwaffen dieser Art allerdings nicht nur zu teuer, sondern oberdrein auch überflüssig, da sie mit geringem Aufwand wirkungslos gemacht werden könnten: Man müsse die Raketen dazu einfach nur mit einer verspiegelten Ummantelung versehen, die einen Großteil der gerichteten Energie ablenke. - Bisher sollen die USA für das Lasersystem zur Raketenabwehr bereits 3,5 Milliarden US-Dollar aufgewendet haben [5]. Der für das Projekt verantwortliche US-Generalleutnant Henry "Trey" Obering feierte "Big Crow" ganz im Sinne der manichäischen "Star Wars"-Welt: "Ich glaube, dass wir die Mächte des Guten aufbauen, um die Mächte des Bösen zu schlagen. Wir unternehmen einen großen Schritt, um dem amerikanischen Volk sein erstes Lichtschwert zu geben." [6]

Hauptartikel: Directed Energy Weapon; vgl. Tactical High Energy Laser

Ballistischer suborbitaler Freiflug außerhalb der Atmosphäre

Während des ballistischen Flugs werden die Sprengköpfe ausgesetzt. Diese steuern daraufhin auf ihre Ziele zu. Sollten MIRVs oder MARVs eingesetzt werden, vervielfachen sich dabei die zu bekämpfenden Objekte. Die Sprengköpfe stellen kleine, sich rasch und unabhängig bewegende Ziele dar. Jeder Sprengkopf müsste einzeln erfasst, verfolgt und bekämpft werden, was eine äußerst umfangreiche Dislozierung von Abwehrmitteln erforderte.

Der Vorteil einer Bekämpfung in dieser Phase wäre die verlängerte Reaktionszeit, um den Angriff zu bewerten und Prioritäten für die Verteidigung festzulegen.

Beim NMD-Programm soll diese Phase vorrangig zur Bekämpfung anfliegender Gefechtsköpfe genutzt werden.

Wiedereintritt in die Atmosphäre/Zielanflug

Der Wiedereintritt in die Atmosphäre bietet die längste Reaktionszeit zur Bekämpfung (je nach Flugbahn bis zu 45 Minuten nach dem Start). Es ist am ehesten möglich, betroffene Ziele und Flugbahnen zu bestimmen, um den Abfangvorgang zu koordinieren - jedenfalls bei ballistischen Raketen. Ebenso können Attrappen besser ausgeschlossen werden, falls diese beim Eintritt in die Atmosphäre verglühen sollten.

Beim Wiedereintritt sind allerdings aktive Ausweichmanöver der Gefechtsköpfe möglich, so z.B. ein „Hakenschlagen“ im hohen Überschallbereich in der oberen Atmosphäre, etwa durch als Auftriebskörper geformte Gefechtsköpfe.

Eine Bekämpfung durch das NMD-Konzept wäre begrenzt in den oberen Schichten der Atmosphäre möglich. In den unteren Schichten müssten jedoch konventionelle FlaRak-Systeme den untersten (und letzten) Abwehrschirm für durchkommende Gefechtsköpfe bilden.

Das NMD-Programm deckt nur einen Teil aller Angriffsphasen ab. Es stellt praktisch einen Kompromiss zwischen maximaler Reaktionszeit und möglichst einfacher Bekämpfung dar. Am problematischsten ist dabei, Verfahren und Techniken für eine schnelle Evaluierung und Entscheidung zu entwickeln, da bei einem Angriff 30 bis maximal 45 Minuten zwischen Start und Einschlag zur Verfügung stehen.

Auswirkungen

Neuer Rüstungswettlauf

Das Sea-based X-band Radar (SBX), das weltgrößte X-Band-Radar, hier während Modernisierungsarbeiten in Pearl Harbor im Januar 2006. Es soll ab 2007, bei Adak Island eine Alëuten-Insel bei Alaska stationiert, dem NMD-Raketenabwehrsystem dienen

Das National Missile Defense Projekt könnte zu einer erneuten Aufrüstung der Atommächte führen. So kündigte das russische Militär bereits neue Langstreckenraketen an, die über drei in der freien Flugphase lenkbare Sprengköpfe sowie über zusätzliche Attrappen verfügen sollen, womit sie die bisherigen Konzepte der NMD, wie oben erwähnt, weitestgehend nutzlos machen würden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Russland seit längerem plant, seine veralteten SS-18 und SS-N-20 Interkontinentalraketen (Baujahr 1967 bzw. 1984) zu ersetzen. Die Tatsache, dass dessen ungeachtet gleichwohl eine geringe Anzahl anfliegender Raketen bzw. Sprengköpfe abgewehrt werden können, würde das Wettrüsten voraussichtlich zusätzlich beschleunigen. Um eine glaubwürdige Abschreckung aufrecht zu erhalten, wäre zum Beispiel China gezwungen, sein Atomwaffenarsenal aufzustocken [7]. Davon könnten sich wiederum Pakistan und Indien gefährdet fühlen und ihrerseits ihre Arsenale vergrößern und modernisieren. "Chinas bescheidener Ausbau seiner nuklearen Raketenstreitkräfte wird dazu betrieben, um es in die Lage zu versetzen, gegenwärtige und künftige Raketenverteidigungssysteme der USA überwinden zu können. Eine dieser Technologien wären Mehrfach-Gefechtsköpfe, um die Raketenabwehr zu überfordern", hielt der US-Militärexperte Rick Fisher dazu 2005 fest [8].

Aktuelle Entwicklungen

Stationierungspläne in Tschechien und Polen

US-Grafik des Ballistic Missile Defense System (BMDS) in Europa

Einem Bericht des "Guardian" (London) vom 22. Januar 2007 zufolge [9] hat die tschechische Regierung am 20. Januar grünes Licht gegeben für eine Militärbasis, die das umstrittene Raketenabwehrsystem der USA beherbergen soll. Es sei das erste Mal, dass Prag offiziell bestätige, Washington habe um Erlaubnis gebeten, eine Radarstation für das NMD-Programm auf tschechischem Territorium errichten zu dürfen. Schon in einer seiner ersten Amtshandlungen als tschechischer Ministerpräsident sagte Mirek Topolanek, der Bau der Einrichtungen in der Tschechischen Republik werde die europäische Sicherheit entscheidend verbessern. Er bezog sich dabei laut "Guardian" lediglich auf den Radarstützpunkt - dem britischen Blatt zufolge ein starkes Indiz dafür, dass das Pentagon hofft, einen Silo für eine Antiraketen-Rakete im benachbarten Polen bauen zu dürfen.

Unter dem Schlagwort "Son-of-Star-Wars"-Einrichtung bzw. -Stützpunkt werden solche außerhalb des US-amerikanischen Hohheitsgebiets verstanden [10].

Unmissverständliche Warnungen aus Moskau

Russland hatte bereits Anfang Januar 2007 wiederholt davor gewarnt, dass jedwede Ausweitung des US- Raketenverteidigungsprojekts nach Osteuropa es nötigen werde, seine militärischen Planungen zu überarbeiten, um der darin gesehenen Bedrohung zu begegnen.

„Das ist uns nicht gleichgültig und wir beobachten dies aufmerksam“, erklärte Generaloberst Wladimir Popowkin, der Befehlshaber der russischen Weltraumtruppen, dazu in Moskau vor Medienvertretern nach Bekanntwerden des tschechischen Placets zugunsten des US-Militärs [11]. Die Stationierung von US-amerikanischen Radaranlagen in Tschechien und von zehn Abwehrraketen in Polen würde die Sicherheit Russlands bedrohen, unterstrich der General. „Die Aufstellung amerikanischer Radars in Tschechien und die Einrichtung eines Stellungraumes für Abwehrraketen in Polen würden für Russland eine Gefahr darstellen. Vor allem deshalb, weil unsere strategischen Atomkräfte sichtbar sein würden“, so Popowkin.

Der Kommandeur der strategischen Bomberflotte Russlands, Generalleutnant Igor Chworow, hatte bereits am 5. März 2007 unverhohlen gedroht, seine Fernfliegerkräfte könnten mit Leichtigkeit jedwede Infrastruktur der Raketenabwehr in Polen oder Tschechien unbrauchbar machen oder zerstören. Zuvor hatte am 19. Februar Generaloberst Nikolai Solowzow, Chef der strategischen Raketenstreitkräfte, ebenso unmissverständlich angedeutet, dass Moskau Standorte der National Missile Defense der USA mit Waffen aus seinem nuklearen Arsenal angreifen könnte, wenn Washington seine Pläne weiter vorantreibt [12].

Ein NATO-Sprecher erklärte dazu: "Die Tage, in denen von Angriffen auf NATO-Gebiet oder umgekehrt gesprochen wurde, liegen lange hinter uns. Diese Art übertriebener Sprache ist altmodisch und deplatziert." Der polnische Regierungschef Jaroslaw Kaczynski sprach von einem "Missverständnis" und wandte sich gegen die Behauptung, der Schutzschild ziele auf eine Veränderung des militärischen Gleichgewichts ab. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hob gegenüber dem "Handelsblatt" die diplomatischen Versäumnisse hervor: "Da die Stationierungsorte näher an Russland heranrücken, hätte man vorher auch mit Russland reden sollen [13]."

Wladimir Putin: "Niemand fühlt sich mehr in Sicherheit!"

Vielfach wurden Befürchtungen vor einem neuen Kalten Krieg laut - insbesondere auch, nachdem sich Wladimir Putin auf der Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik am 10. Februar mit Nachdruck gegen die unipolare Welt der "Pax Americana" gewandt hatte: "Ich glaube, dass das monopolare Modell für die heutige Welt nicht nur unannehmbar, sondern überhaupt unmöglich ist. Und nicht nur weil bei der Führung eines einzelnen in der heutigen - eben in der heutigen - Welt weder die militärpolitischen noch die wirtschaftlichen Ressourcen ausreichen würden." Es sei eine "eine immer stärkere Vernachlässigung der grundlegenden Prinzipien des Völkerrechts" zu beobachten, so Putin: "Das ist natürlich äußerst gefährlich. Und das führt dazu, dass sich niemand mehr in Sicherheit fühlt. Ich möchte das betonen: Niemand fühlt sich mehr in Sicherheit! Weil sich niemand hinter der schützenden Mauer des Völkerrechts verbergen kann. Eine solche Politik katalysiert natürlich das Wettrüsten [14]."

In Folge meldeten sich in Deutschland Politiker aller Parteien kritisch zu dem Vorhaben. Es wurde gefordert, dass die Stationierung neuer Militärtechnik mit strategischer Bedeutung nicht einzeln zwischen USA und den betroffenen Ländern ausgehandelt werde, sondern auf EU- und NATO-Ebene abgestimmt werden müsse. Andere Kommentatoren merkten an, dass auch eine derart konzertierte Vorgehensweise nichts an den wesentlichen Bedenken strategischer Art seitens Russland ändern würde [15] oder stellten den angegebenen Zweck des Schutzes vor Raketen aus Iran in Frage - tatsächlich gehe es den USA darum, den Rüstungswettlauf mit Russland fortzusetzen.

Raketentest Ende Mai 2007

Am 29. Mai 2007 wurde von Russland demonstrativ der Prototyp der neuen Interkontinentalrakete RS-24 getestet. Dies wurde von Beobachtern als klares Signal an die USA, möglicherweise aber auch an China interpretiert [16]. Die RS-24 kann als Erst- und als Zweitschlagswaffe eingesetzt werden. - Das Säbelrasseln [17] wurde im September 2007 mit der Präsentation der angeblich weltstärksten Vakuumbombe [18] fortgesetzt.

Hardliner in Moskau hatten zudem unter anderem vorgeschlagen, als Reaktion auf die Stationierungspläne der USA aus dem Vertrag über die Raketen mittlerer und geringerer Reichweite auszusteigen und operativ-taktische Raketenkomplexe vom Typ Iskander-M (eine Kurzstreckenrakete mit extrem geringen Vorwarnzeiten) an der Grenze zu Polen zu stationieren (im Oblast Kaliningrad).

Juli 2007: Putin setzt CFE-Vertrag aus

Wegen des Streits um die US-Raketenabwehr in Osteuropa hatte Putin am 14. Juli 2007 den Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa [19] ausgesetzt. Am 12. Juni 2007 begann in der Wiener Hofburg eine von Russland geforderte Sonderkonferenz zu diesem Vertrag, die nach vier Tagen ohne Ergebnis endete.

August 2007: Russland plant umfangreiche Aufrüstung

Im August wurden zudem Pläne für eine umfangreiche Aufrüstung und Modernisierung der russischen Streitkräfte bekannt [20]. Unter anderem wurden die regelmäßigen Patrouillenflüge von Langstreckenbombern [21] außerhalb des russischen Staatsgebiets wiederaufgenommen, die 1992 einseitig eingestellt worden waren; geplant ist u.a. der Bau von sechs Flugzeugträgern sowie von neuen U-Booten. Darüber hinaus entwickelt Russland neue Flugzeuge, darunter einen Tarnkappenbomber.

Russischer Generalstabschef: Stationierung von Radar in Tschechien ist "schwerer Fehler"

„Die vor vier Monaten durchgeführten russisch-tschechischen Konsultationen über diese Frage haben zu unserem großen Leidwesen keine Veränderungen an der Position der tschechischen Führung ergeben. Sie haben beschlossen, weiter an der Stationierung einer Radarstation auf Ihrem Territorium zu arbeiten. Das ist sowohl ein politischer als auch ein militärischer Beschluss. Ich glaube, es wäre ein schwerer Fehler Ihrer Führung, Raketenabwehr-Elemente auf dem eigenen Territorium unterzubringen“, erklärte der Generalstabschef der russischen Streitkräfte Juri Balujewski am 21. August 2007 bei seinem Treffen mit dem stellvertretenden tschechischen Verteidigungsminister, Martin Bartak. Nach Ansicht des russischen Generalstabschefs wachsen sich die Verhandlungen über den Raketenabwehr-Aufbau in Europa zu einem Problem aus, wie die Nachrichtenagentur RIA Nowosti meldete [22].

„Ich bin ein Militär und rede gerade heraus, ohne diplomatischen Firlefanz", wird Balujewski zitiert. „Heute äußern bestimmte Kreise im Westen direkt Entrüstung über die Diskussionen und Konsultationen, die Russland mit jenen einzuleiten versucht, denen es nicht einerlei ist, wie sich die Situation in Europa und der Welt als Ganzes entwickeln wird“, sagte Balujewski. Er betonte hierbei, dass solche Konsultationen auch weiterhin unbedingt abgehalten werden müssen (vgl. Shanghai Cooperation Organisation). Gleichzeitig wies er Vorwürfe zurück, Russland würde sich "einmischen".

Altbundeskanzler Schröder: Die NMD treibt Russland in die Isolation

Anlässlich einer Buchvorstellung in Moskau im September 2007 kritisierte der deutsche Altbundeskanzler Gerhard Schröder, jetzt Aufsichtsratsvorsitzender der Nord Stream AG (Ostsee-Pipeline), die geplante Aufstellung von Teilen der US-Raketenabwehr in Osteuropa scharf und zeigte sich beunruhigt darüber, dass Elemente dieses Systems auch in den neuen Bundesländern stationiert werden sollen. Die Regierungen in Polen und Tschechien rief er demnach [23] auf, sich von gesamteuropäischen Interessen leiten zu lassen und den Raketenschirm nicht zu einer bilateralen Angelegenheit mit den USA zu machen. Diese "engstirnige Politik" mache das vereinigte Europa "zur Geisel der nationalen Interessen", so Schröder. Die deutsche Bundesregierung forderte er auf, das US-Raketenabwehrsystem offiziell als "gefährlich" einzustufen, denn dieses Programm treibe Russland in die Isolation [24], was europäischen Interessen widerspreche.

Auch Peter Ramsauer, stellvertretender Fraktionvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, erklärte gegenüber dem Jewish Institute for National Security Affairs (JINSA) in den USA, die Raketenabwehr sollte nicht trilateral zwischen den Vereinigten Staaten, Tschechien und Polen ausgehandelt, sondern im NATO-Russland-Rat thematisiert werden [25]. Ramsauer äußerte sein Bedauern, dass Deutschland nicht in die Planungen miteinbezogen wurde und zeigte gleichzeitig Verständnis für die russischen Einwände gegen die NMD.

Bei einem Vortrag zur Gegenwärtigen Lage der Welt im Deutschen Historischen Institut in Moskau äußerte Ende September 2007 zudem der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt Bedenken gegen die Stationierungspläne der US-Amerikaner: Ein neues Wettrüsten werde "den Frieden bestimmt nicht stabilisieren", erklärte Schmidt. "Russland versteht diese Entwicklung plus die bereits geschehene NATO-Erweiterung bis direkt vor die eigenen Grenze als Programm zur Sicherung der amerikanischen Vorherrschaft und nicht als Sicherung des militärischen Gleichgewichts." Das Land werde heute "besser und friedlicher regiert als in den Jahrzehnten zuvor." Ungeachtet dessen hielten "einige Amerikaner und auch bis zu einem gewissen Grade die NATO am früheren Argwohn fest", sagte der Altkanzler. Gleichwohl äußerte er sich skeptisch hinsichtlich einer künftigen demokratischen Entwicklung Russlands: "Russland ist etwas Einzigartiges. Seit tausend Jahren ist das Land an autokratische Regime gewöhnt", meinte Schmidt: "Es wird deshalb kaum jemals eine Demokratie nach Westminster oder Washingtoner Vorbild werden." [26]

Mehrheit der tschechischen Bürger gegen Stationierung

Laut einer nach eigenem Bekunden repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Opinion Research Corporation, die im Auftrag der US-amerikanischen Organisation Missile Defense Advocacy Alliance (etwa: Raketenabwehrunterstützerallianz) [27] im August 2007 durchgeführt wurde, sprachen sich 51 Prozent der Bürger Tschechiens gegen die Stationierung einer US-Radareinrichtung für die NMD in ihrem Land aus. Nur 38 Prozent befürworteten die Aufstellung. 57 Prozent der Tschechen glauben demnach, dass die US-amerikanische Präsenz und die Stationierung der Radaranlage nicht zur Erhöhung der Sicherheit Tschechiens beitragen würden. 30 Prozent vertraten die gegenteilige Meinung. Während 38 Prozent der Befürworter in der Radarstation einen Schutz gegen die vom Iran ausgehende Bedrohung sehen, stimmten 24 Prozent der Befürworter der Aussage zu, dass die Stationierung helfen würde, "der Einschüchterung seitens Russlands entgegenzuwirken" [28]. - Detail: Das angekündigte Webdokument zu dieser Umfrage der die NMD vehement befürwortenden Organisation ist (Stand: 20. September 2007) seit über einer Woche immer noch nicht eingerichtet; die entsprechende Pressemitteilung wurde offenbar von der Website entfernt, entlinkt oder ins Unauffindbare verlagert.

Juri Balujewski: "Raketenabwehrsystem in Europa offenkundig gegen Russland gerichtet"

Der RIA Nowosti zufolge will der russische Generalstabschef Juri Balujewski beweisen, dass die von den USA geplante Stationierung von Raketenabwehrbasen in Polen und Tschechien gegen Russland gerichtet sind: „Das Raketenabwehrsystem, das heute in Europa geschaffen wird, ist offenkundig gegen Russland gerichtet. Ich bin bereit, das mit Kalkulationen und Schemen zu beweisen“, so Balujewski am 19. September 2007.

Balujewski nannte die Erklärung der USA, dass die Ausweitung der National Missile Defense auf eine angebliche Bedrohung seitens Iran ziele, "unsinnig". Er fügte hinzu: „Wenn wir die Logik der Amerikaner übernehmen, dass Iran die Raketen binnen fünf bis sieben Jahren gebaut haben wird, was werden die Radare und Raketenabwehrbasen der USA während dieser sieben Jahre machen? Welche Funktionen werden sie erfüllen?“ Die Antwort sei eindeutig: „Die USA sind an Russlands Potential interessiert“, sagte der Generalstabschef. Gleichzeitig betonte er, dass Russland entgegen anderslautender Vorwürfe über alle Mittel zur Verteidigung verfüge und "dass es in Russland alles gibt, damit unser Volk ruhig und kreativ leben sowie arbeiten kann". [29]

Russischer Vorschlag: Radar in Aserbaidschan einbeziehen

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 die Stationierung eines gemeinsamen Raketenverteidigungsprojekts in Aserbaidschan vorgeschlagen. Zur Ortung von Raketenbewegungen könne die Radarstation Qəbələ genutzt werden, die von Russland bis zum Jahr 2012 gepachtet wurde. "George W. Bush war, trotz diverser Vorgespräche so überrascht, dass es bei ihm – auch noch nach Tagen – nur zum Kommentar: „interessanter Vorschlag“ reichte; die Europäer zeigen sich entspannt durch Putins „Rückkehr zur Verständigung“, von der Sache her gibt man sich skeptisch, ob die in Aussicht genommene aserbeidschanische Basis „nicht zu nah an den Schurkenstaaten“ liege, wie Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer kommentierte. In den deutschen Medien herrscht der Tenor vor, Putins Vorschlag sei eine Finte, mit der er vom schlechten Image Russlands ablenken wolle. [..] Angesichts all dieser Auftritte Putins kann man nur wiederholen, dass die Welt in Zukunft mit einem selbstbewussten Russland zu rechnen hat, auch wenn es militärisch nicht an die USA heranreicht", analysierte Kai Ehlers im Juni 2007 [30].

Obering: russische Radaranlagen können Stationierung in Tschechien und Polen nicht ersetzen

Nachdem US-amerikanische Experten u.a. die Radarstation Qəbələ Mitte September 2007 besichtigt hatten, erklärte Generalleutnant Henry Obering, der Chef der Missile Defense Agency, am 18. September 2007, die russischen Radare könnten nach ihren bisher bekannten Eigenschaften die Aufgaben, für die die in Tschechien geplante Radaranlage vorgesehen sei, nicht erfüllen. Die von Moskau angebotenen zwei Radaranlagen in Aserbaidschan und Russland können demnach die Basen im dritten Stellungsraum der Raketenabwehr in Polen und Tschechien nicht ersetzen, deren Fertigstellung für 2011 oder 2012 geplant sei. Obering unterstrich den „dringlichen Charakter“ der Arbeiten zur Einrichtung der Raketenabwehr angesichts der Bedrohung durch den Iran und Nordkorea. „Wir sehen weltweit ein drastisch zunehmendes Interesse an der Raketenabwehr“, sagte er Meldungen zufolge. [31]

Sowohl US-Außenministerin Condoleezza Rice als auch Pentagon-Chef Robert Gates hatten schon zuvor erklärt, Washington sei zu dem Versuch bereit, die Radaranlage in Gabala in das gesamte ABM-System zu integrieren, wobei aber bei dieser Variante von einer Alternative für das amerikanische ABM-System in Europa keine Rede sein könne. "Moskau möchte, dass anstelle des rein amerikanischen ABM-Systems in Tschechien und Polen ein gemeinsames regionales Russland-NATO-USA-System gebildet wird, in das die Radarstation in Gabala und die Radaranlage der neuen Generation vom Typ Woronesch einbezogen werden, die demnächst beim südrussischen Armawir ihrer Bestimmung übergeben wird. Faktisch setzt sich Russland für die Schaffung eines gemeinsamen regionalen Raketenabwehrsystems ein." Wladimir Putin gab sich im September 2007 jedenfalls noch optimistisch, dass es zu einer gütlichen Einigung mit den Vereinigten Staaten kommen könnte: "Die Chancen sind noch nicht verloren, ein gewisser gesunder Optimismus ist noch vorhanden", wurde er zitiert. [32]

Lawrow: "Unsere Jungs werden die Hände nicht in den Schoß legen"

Am 21. September 2007 ergänzte der russische Außenminister Sergej Lawrow die deutlichen Warnungen der russischen Generalität und gab sich weit weniger optimistisch als sein Präsident. Die Ausweitung der NMD nach Osteuropa stelle eine Bedrohung für Russland dar, auf die das Land reagieren werde: "Jede Aktion erfordert eine Gegenaktion." Das seien die Spielregeln. "Es ist die Verpflichtung der Militärs, die Verpflichtung des Oberbefehlshabers, jeder Bedrohung eine maximal effektive Antwort zu erteilen", betonte Lawrow und fügte hinzu, dass die Errichtung des Raketenabwehrschilds ein neues Wettrüsten initiieren werde. "Und dies wird die Wissenschaftler auf jener [der US-amerikanischen] Seite des Ozeans, den militärisch-industriellen Komplex sicherlich anregen, so etwas wie eine effektivere Art von Waffen zu entwickeln. Aber unsere Jungs werden ihre Hände nicht in den Schoß legen." Mit Blick auf die Einschätzung der aserbeidschanischen Radarstation durch US-Experten frotzelte Lawrow: "Wenn unsere amerikanischen Partner sagen, Gabala könne keine Alternative zum Radar in der Tschechischen Republik sein, verstehe ich sie, weil das Radar in Gabala kein russisches Territorium von den westlichen Grenzen bis zum Ural einsehen kann ... Ein Radar in der Tschechischen Republik kann das." [33]

Ergebnislose Konsultationen zwischen USA und Russland

Nach Unterredungen in Ende Juli 2007 in Washington fand eine zweite Runde der russisch-amerikanischen Konsultationen über die Stationierung von Teilen des NMD-Systems in Europa am 10. September in Paris statt. Russland wurde dabei vom stellvertretenden Außenminister Sergej Kisljak vertreten; sein Verhandlungspartner war John Rood, ein Sicherheitsexperte des US-Außenministeriums. Rood hatte zuvor Gespräche in Polen und Tschechien geführt.

Putin kritisiert wachsenden Einfluss der USA auf osteuropäische Länder

Unterdessen hatte der russische Präsident Wladimir Putin den wachsenden Einfluss der Vereinigten Staaten auf die Länder in Osteuropa kritisiert. "Ich weiß, dass in bestimmten osteuropäischen Ländern leider nicht nur die Bewerbungen für das Amt des Verteidigungsministers, sondern auch für weniger hohe Funktionen von den US-Botschaftern abgesegnet werden", sagte Putin Meldungen zufolge bei einem Treffen mit ausländischen Politologen in Sotschi. "Das ist für diese Staaten und auch für die Vereinigten Staaten nicht gut." Putin verglich demnach die Folgen des Einflusses mit denen der Sowjetherrschaft und bezeichnete die Langzeitfolgen als eine Art "Sodbrennen", wie es auch "die Dominanz der Sowjetunion auslöste". "Heutzutage gibt es nicht mehr viele Länder auf der Welt, die das Vergnügen und das Glück haben, zu behaupten, sie seien Souveräne; man kann sie an den Fingern abzählen." Zu ihnen zählte Putin China, Indien, Russland "und einige andere Länder", die er nicht benannte. Westeuropa sei hingegen genötigt, in seiner Politik die Interessen der NATO zu berücksichtigen. [34]

US-Senat bewilligt 225 Millionen Dollar

Die von Präsident George W. Bush beantragten Gelder für die NMD-Systeme in Polen und Tschechien, die im August 2007 vom Repräsentantenhaus des US-Kongresses um 45 Prozent gekürzt worden waren, sind zu einem größeren Teil bewilligt worden. Der Bewilligungsunterausschuss des US-Senats hatte am 11. September 2007 eine entsprechende Fassung des US-Verteidigungsbudgets für das Jahr 2008 bestätigt. Demnach beträgt die Kürzung nur noch 27 Prozent auf nunmehr 225 Millionen US-Dollar. Im Februar hatte Bush beim US-Kongress die Bereitstellung von 310 Millionen US-Dollar für die Raketenabwehrwaffen in Polen und Tschechien beantragt. Im August war die beantragte Summe vom US-Repräsentantenhaus um 139 Millionen US-Dollar auf 171 Millionen gekürzt worden. Gleichzeitig war dem Pentagon verboten worden, „mit dem Bau einer Raketenbasis“ zu beginnen und „Begleitausrüstungen“ zu stationieren, solange die Abkommen mit Polen und Tschechien über die Raketenabwehr nicht unterzeichnet sind. Die im August getroffene Entscheidung des Repräsentantenhauses war vom Weißen Haus scharf kritisiert worden; im selben Monat wurde vor einer unzureichenden Finanzierung des europäischen Teils des Raketenabwehrsystems gewarnt. [35]

Siehe auch

Literatur

Artikel

  • Keir A. Lieber and Daryl G. Press: The Rise of U.S. Nuclear Primacy, "Foreign Affairs" Jg. 85, Nr. 2, S. 42–54, März/April 2006 - Online: [2]

Weblinks

Quellen

  1. National Missile Defense Act of 1999
  2. Near Field Infrared Experiment - missile phenomenology data collection satellite (Datenblatt v. General Dynamics, PDF)
  3. Ground-Based Interceptor (GBI), NSSRM)
  4. Image-Video des Directed Energy Directorate, AFRL, Kirtland Airbase, 2006 - 9:09 Min., 19,1 MB
  5. Meldung von RIA Nowosti
  6. Spiegel Online, 28. Oktober 2006
  7. Analysis: Countermeasures (UCS, 2000; Is China Developing a MARV?
  8. Rick Fischer, Top Ten Chinese Military Modernization Developments
  9. Czechs give go-ahead for US 'son of stars wars' base ("The Guardian", 22. Januar 2007)
  10. Bush orders 'Son of Star Wars' ("Sydney Morning Herald", 19. Dezember 2002)
  11. Russland sieht Gefahr in Aufstellung von US-Radar in Tschechien und Abwehrraketen in Polen (RIA Nowosti, 22. Januar 2007)
  12. Peter Zeihan: The New Logic For Ballistic Missile Defense (Stratfor, Geopolitical Intelligence Report, 6. März 2007)
  13. US-Raketenschirm: Drohungen aus Russland (Stern.de, 20. Februar 2007)
  14. Wladimir Putins Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz im vollständigen Wortlaut (RIA Nowosti, 13. Februar 2007)
  15. Erstschlag und Raketenabwehr - Die nukleare Dimension des Neuen Kalten Krieges und die Rolle der NATO ("IMI-Magazin", Juni 2007 - PDF)
  16. Intelligence Brief: Russia Sends Missile Signal to U.S. and China (PINR, 1. Juni 2007)
  17. Russische Bomber dringen in Nato-Luftraum ein (Spiegel Online/AP, 14. September 2007)
  18. Russlands neue Vakuumbombe dient als politische Waffe (RIA Nowosti, 14. September 2007)
  19. Treaty On Conventional Armed Forces in Europe (via OSZE - PDF, 279 kB)
  20. Simone Schlindwein, Machtanspruch: Putin plant massive Aufrüstung (Spiegel Online, 17. August 2007)
  21. Russland sieht in Langstrecken-Patrouillen keinen neuen Kalten Krieg (RIA Nowosti, 23. August 2007)
  22. Russlands Generalstabschef hält Tschechiens Raketenabwehr-Kooperation mit USA für Fehler (RIA Nowosti, 21. August 2007)
  23. Ex-Bundeskanzler Schröder warnt vor Isolation Russlands - „Nowyje Iswestija“ (RIA Nowosti, 10. September 2007)
  24. Gordon M. Hahn: The West Lost Russia ("Moscow Times", 29. August 2007 - Hahn ist Mitarbeiter am Monterey Institute of International Studies)
  25. A German Role in Europe-based Missile Defense: Dr. Peter Ramsauer, CSU Bundestag Leader, Addresses JINSA (4. September 2007)
  26. Matthias Schepp: Besuch in Moskau: Altkanzler Schmidt spricht sich gegen US-Raketenabwehr aus (Spiegel Online, 25. September 2007)
  27. Umfrage der Missile Defense Advocacy Alliance in Tschechien (August 2007)
  28. Streit um Raketenabwehr: Mehrheit der Tschechen laut Umfrage gegen US-Radar (RIA Nowosti, 11. September 2007)
  29. Russlands Generalstabschef hält geplante US-Raketenabwehr gegen Russland gerichtet (RIA Nowosti, 19. September 2007)
  30. Kai Ehlers: Raketenstreit: Was will Putin? (Russland.ru, 12. Juni 2007)
  31. US-Administration schließt russische Radare als Ersatz für Raketenabwehrbasen in Europa aus (RIA Nowosti, 19. September 2007)
  32. Pjotr Gontscharow: US-Raketenabwehrsystem: Es gibt immer noch Chancen bei Verhandlungen (RIA Nowosti, 13. September 2007)
  33. Lavrov: U.S. missile-shield bases in E Europe threatens Russia (Xinhua, 22. September 2007)
  34. Putin kritisiert US-Einfluss auf osteuropäische Länder (Russland.ru, 21. September 2007)
  35. US-Senat erhöht Verteidigungsausgaben für Raketenabwehr in Europa (RIA Nowosti, 12. September 2007)