Johann Wilhelm Trollmann

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Rukeli Trollmann
Johann Wilhelm Trollmann, 1928
Daten
Geburtsname Johann Wilhelm Trollmann
Geburtstag 27. Dezember 1907
Geburtsort Wilsche bei Gifhorn
Todestag 9. Februar 1943
Todesort Wittenberge (Brandenburg)
Nationalität Deutschland Deutsch
Gewichtsklasse Halbschwergewicht
Kampfstatistik als Profiboxer
Kämpfe 62
Siege 30
K.-o.-Siege 11
Niederlagen 19
Unentschieden 13

Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann (* 27. Dezember 1907 in Wilsche bei Gifhorn; † 9. Februar 1943 im Außenlager Wittenberge des KZ Neuengamme) war ein deutscher Boxer. Als Sinto wurde er Opfer des Porajmos.

Leben

Johann Wilhelm Trollmann wuchs in Hannover in einer großen Sinti-Familie in ärmlichen Verhältnissen auf. Wie viele Sinti hatte er zwei Vornamen, „einen fürs Standesamt und einen in der Sprache der Sinti und Roma“. Rukeli deutet dort auf einen schönen, biegsamen Baum.[1]

Deutscher Meistertitel – aberkannt

Im Februar 1933 gewann der jüdische Boxer Erich Seelig den Titel im Mittelgewicht.[2] Der Verband Deutscher Berufsboxer erkannte ihm dann den Titel ab.

Der Titel war also bis Juni vakant. Am 9. Juni 1933 kämpfte Trollmann gegen Adolf Witt. Der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Faustkämpfer (Radamm) befand sich im Publikum. Als klar wurde, wie der Kampf enden würde, gab er den Punktrichtern die Anweisung, den Kampf als „unentschieden“ zu werten. Die Punktrichter folgten dieser Anweisung. Das Publikum hatte aber Johann Rukeli Trollmann als weit überlegenen Boxer gesehen. Die Empörung des Publikums sorgte dafür, dass der Sieger auch als solcher ausgerufen wurde.[3]

Trollmann besiegte seinen Gegner, dem er in puncto Technik, Beweglichkeit und wegen seiner nur 71 Kilo vor allem an Schnelligkeit überlegen war. (Der Kampf zwischen beiden im Jahr zuvor endete unentschieden bzw. nach Punkten über acht Runden, die Trollmann verlor.)

Acht Tage später wurde ihm der Titel jedoch wegen „armseligen Verhaltens“ (wohl unter dem Vorwand von Trollmanns Freudentränen nach dem Sieg) wieder aberkannt.

Kampf gegen Gustav Eder

Trollmanns Kampfstil, der Ähnlichkeiten mit dem späteren Stil Muhammad Alis aufwies, erregte in der Zeit des Nationalsozialismus Missfallen. Im Juli 1933 trafen in der Kreuzberger Bockbrauerei in Berlin zwei herausragende deutsche Boxer ihrer Gewichtsklassen aufeinander: Gustav Eder im Weltergewicht und sein Kontrahent Trollmann im Mittelgewicht. Im Kampf beider Boxer um den Deutschen Weltergewichtstitel sollte Eder – neun Zentimeter kleiner und sechs Kilo leichter als sein Gegner – das wiederholen, was Trollmann wenige Monate zuvor gegen den größeren und schwereren Boxer Witt erreicht hatte, nämlich einen Sieg erzielen. Die beiden Boxer und ihr Kampf wurden instrumentalisiert, um die These der Machthaber von der Überlegenheit der „arischen Herrenrasse“ zu untermauern. Trollmann kam mit blondgefärbten Haaren, seine Haut mit weißem Puder bedeckt, als Karikatur eines „arischen“ Boxers in den Ring. Ihm wurden Auflagen gemacht, die ihn in seiner Art der Kampfesführung stark einschränkten. Unter Androhung des Entzugs seiner Boxlizenz war es ihm untersagt, seinen typischen Stil zu kämpfen, dem Gegner tänzelnd kein Ziel zu bieten und auszukontern. Auch durfte er keinen Gebrauch von seinem Reichweitenvorteil machen und nicht auf Distanz boxen. Die Auseinandersetzung der beiden Faustkämpfer entwickelte sich zu einer Farce. Trollmann bewegte sich während des Kampfes nicht, sondern steckte breitbeinig stehend, ohne sich zu ducken, die Schläge des Kontrahenten ein. Er verlor nach fünf Runden durch K. o. Trollmann behielt danach nur noch für wenige Monate seine Boxlizenz, der Kampf gegen Gustav Eder beendete somit seine Boxkarriere.

Einweisung ins Arbeitshaus

Am 1. Juni 1935 heiratete Rukeli im Standesamt Berlin-Charlottenburg seine Freundin Olga Frieda Bilda, mit der er seit März 1935 die gemeinsame Tochter Rita hatte. Wenige Wochen nach der Trauung stellte der Direktor des Berliner Arbeits- und Bewahrungshauses den Antrag, Johann Trollmann zu sterilisieren, er ging am 3. Juli 1935 beim Amtsgericht ein. Trollmanns Einlassungen vor Gericht wurden gegen ihn und zur Verfestigung der „Diagnose“ „angeborener Schwachsinn“ verwandt. Vermutlich am 23. Dezember 1935 wurde Trollmann zwangssterilisiert.[4]

Letzte Jahre und Tod

Im Zweiten Weltkrieg wurde er von der Wehrmacht eingezogen und diente als Soldat. An der Ostfront wurde er verwundet und kam so zurück in die Heimat.

Im Juni 1942 wurde Johann „Rukeli“ Trollmann verhaftet und in das KZ Neuengamme gebracht, in dem er am 9. Februar 1943 für tot erklärt wurde. Aussagen eines Mithäftlings zufolge kam er unter anderem Namen ins KZ-Außenlager Wittenberge.[5] Dort wurden ihm seine Boxfähigkeiten zum Verhängnis, da er von SS-Leuten immer wieder unter Bezugnahme auf seine Boxerkarriere verprügelt wurde. 1943 trat ein Kapo gegen Trollmann an und wurde niedergeschlagen. Der Kapo war darüber so erbost, dass er einen Knüppel nahm und Trollmann erschlug.[6] Laut dem Totenbucheintrag verstarb er an Herz- und Kreislaufversagen.[7]

Späte Anerkennung

Für Printmedien und Funktionäre der Boxverbände war nach der NS-Zeit die Aberkennung des Meistertitels kein Thema.

Erst die Buchveröffentlichung von Hans Firzlaff Ende der 1990er Jahre über das Schicksal Trollmanns rückte diese Frage ins allgemeine Interesse. Trollmann wurde 2003 offiziell als Deutscher Meister im Halbschwergewicht vom Bund Deutscher Berufsboxer e. V. (BDB) in die „Riege der Deutschen Meister“ aufgenommen. Allerdings weigerte sich der BDB, einen Meistergürtel symbolisch an seine noch lebenden Verwandten Louis und Manuel Trollmann zu überreichen. Daraufhin fertigten der Manager und Matchmaker Olaf Schröder sowie die Promoterin Eva Rolle auf eigene Kosten einen Gürtel an, welcher der Familie Trollmann dann am 18. Dezember 2003 im Rahmen einer kleinen Boxveranstaltung in Berlin im Beisein des Vorsitzenden des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose, und etlichen Überlebenden des Holocaust überreicht wurde.

Gedenken

Stolpersteine für Johann Wilhelm Trollmann und seinen Bruder Heinrich in Hannover

2013 gründeten Verwandte von Johann Wilhelm Trollmann den in Isernhagen ansässigen Sportverein „Rukeli Trollmann e.V.“ mit den Sparten Boxen und Leichtathletik. Vereinsziel ist es, das Andenken an den Boxer zu erhalten.[8]

Stolpersteine für Rukeli

Im Kreuzkirchenviertel in der Altstadt von Hannover wurde 2004 der kleine Fußweg Tiefental zwischen der Kreuzkirche und der Burgstraße in Johann-Trollmann-Weg umbenannt. 2008 wurde dort vor seinem früheren Wohnhaus ein Stolperstein für ihn gelegt.[9] Im Mai 2009 ist auch im Hamburger Schanzenviertel vor dem Portal der Roten Flora ein Stolperstein zur Erinnerung an Trollmann verlegt worden. Er hatte – zuletzt im November 1933 – im historischen Flora-Theater einige seiner Profiboxkämpfe bestritten. Im Juli 2010 wurde ein weiterer Stolperstein in der Fidicinstraße vor der früheren Bockbrauerei in Berlin-Kreuzberg verlegt, in der Trollmann seine Kämpfe gegen Witt und Eder bestritten hatte.

Stolperstein für Stabeli

Trollmanns Bruder Heinrich, genannt Stabeli, wurde 1944 im KZ Auschwitz im Alter von 27 Jahren ermordet. Auch für ihn liegt ein Stolperstein im hannoverschen Johann-Trollmann-Weg.[9]

Johann-Trollmann-Boxcamp in Berlin

Am 28. Januar 2011 wurde in Berlin-Kreuzberg die Sporthalle der ehemaligen Rosegger-Grundschule am Marheinekeplatz als Johann-Trollmann-Boxcamp benannt.

Johann-Trollmann-Weg

In Hannover und seit 2023 auch in Wilsche sind Wege nach ihm benannt.[10]

Temporäres Denkmal

Das Künstlerkollektiv Bewegung Nurr initiierte ein Projekt „9841 – Temporäres Denkmal für Johann Rukeli Trollmann“, das aus einem Boxring mit schräger Kampffläche besteht. Bei der Zahl 9841 handelt es sich um Trollmanns Häftlingsnummer. Die Skulptur wurde 2010 in Berlin, 2011 in Hannover, unweit seines früheren Wohnsitzes jeweils etwa sechs Wochen lang und seit 2012 in Dresden Hellerau aufgestellt.[11]

Filme

Babylon Berlin

In der dritten Staffel der Fernsehserie Babylon Berlin, die historische Ereignisse und Persönlichkeiten der Weimarer Republik mit fiktionalen Handlungssträngen mischt, entdeckt die Hauptfigur Charlotte Ritter ein Plakat von Rukeli Trollmann unter dem Hinweis, dieser sei der Sohn ihres verschollenen Vaters und damit ihr Halbbruder. Zum Ende der vierten Staffel besuchen Charlotte Ritter und Gereon Rath einen Boxkampf, den Rukeli überlegen gewinnt.

Theaterstücke

Theaterstück „Gypsy Stop Dancing“

Der Theaterverein Romano Svato entwickelte das Stück „Gypsy Stop Dancing“, das die Geschichte Trollmanns in die Gegenwart, sowie in einen fiktiven ungarischen Staat verlegt und von einer weiblichen Boxerin erzählt. Das Stück wurde 2011 in Wien im Palais Kabelwerk aufgeführt.[12][13]

Theaterstück „Der Boxer“

Am 29. Januar 2015 wurde das Theaterstück „Der Boxer“ des österreichischen Autors Felix Mitterer im Theater in der Josefstadt in Wien uraufgeführt. Die Handlung des Stückes sei „frei nach dem Schicksal des Sinto-Boxers Johann 'Rukeli' Trollmann“ angelegt, die Hauptrolle wurde dem österreichischen Schauspieler Gregor Bloéb übertragen, Regie führte Stephanie Mohr.[14]

Gedenktafel

Im Februar 2020 wurde an der ehemaligen Bockbrauerei, Berlin-Kreuzberg, Fidicinstraße 2, eine Gedenktafel enthüllt.

Siehe auch

Literatur

  • Hans Firzlaff: Knock-out: Das Leben des deutschen Sinti-Boxers Rukelie Trollmann aus der hannoverschen Altstadt. 2. Auflage. Satire-Verlag, Hannover 1997, ISBN 3-923127-23-6
  • Marko D. Knudsen: Geschichte der Roma. RomaBooks.com, Hamburg 2002.
  • Knud Kohr, Martin Krauß: Kampftage – Die Geschichte des deutschen Berufsboxens. Verlag die Werkstatt, Göttingen 2000, ISBN 3-89533-309-3.
  • Michail Krausnick: Wo sind sie hingekommen? Der unterschlagene Völkermord an den Sinti und Roma. Bleicher, Gerlingen 1995, ISBN 3-88350-038-0, S. 73–79.
  • Roger Repplinger: Leg dich, Zigeuner. Die Geschichte von Johann Trollmann und Tull Harder. Piper, München 2008, ISBN 978-3-492-04902-3.
  • Roger Repplinger: Trollmann, Rukeli. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 26, Duncker & Humblot, Berlin 2016, ISBN 978-3-428-11207-4, S. 442 (Digitalisat).
  • Claus Grote: Johann Wilhelm Trollmann, gen. Rukelie, gen. Gipsy. Eine Außenseiterbiographie im deutschen Boxsport. In: A. Krüger, B. Wedemeyer (Hrsg.): Aus Biographien Sportgeschichte lernen. Hoya 2000, ISBN 3-932423-07-0, S. 177–199.

Belletristik

Film

  • Rukelie, Deutschland 2007; Regie: Sabine Neumann, Hauptdarsteller: Stanislav Lisnic, Nora von Waldstätten, Länge: 11 Min.
  • Gibsy – Die Geschichte des Boxers Johann Rukeli Trollmann, Dokudrama Deutschland 2012. Drehbuch und Regie: Eike Besunden, Hauptdarsteller: Hannes Wegener, Hannelore Elsner.

Theater

Commons: Johann Wilhelm Trollmann – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Andreas Fritsche: Erinnern an Porajmos: Gerechtigkeit für Sinto-Boxer Trollmann In: Neues Deutschland vom 11. Juni 2023
  2. Germany BDB Light Heavy Title. Boxing's Official Record Keeper, abgerufen am 6. Dezember 2020 (englisch).
  3. Lebenslauf Johann „Rukeli“ Trollmann. Rukeli Trollmann e. V., abgerufen am 6. Dezember 2020.
  4. Bernhard Bremberger, Lothar Eberhardt: 195 Zwangssterilisierte aus dem Berliner Arbeits- und Bewahrungshaus Rummelsburg
  5. Martin Sonnleitner: Der Stürmer und der Dränger. In: Spiegel Online. 17. Juni 2008.
  6. Die Qualen eines Boxers. In: Hamburger Abendblatt. 14. Februar 2009.
  7. Trollmann, Johann Wilhelm (Rukeli) in Neue Deutsche Biographie, S. 442
  8. Zielsetzung des Vereins Rukeli Trollmann e.V. bei rukeli-trollmann.de
  9. a b Patrick Hoffmann: 13 weitere Stolpersteine verlegt. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung. 23. März 2010, S. 15.
  10. Dirk Kühn: Wilsche hat jetzt einen Johann-Trollmann-Weg. In: Gifhorner Rundschau. Ausgabe vom 13. Februar 2023.
  11. Website zum Projekt 9841.
  12. Deutsche Welle (www.dw.com): Simonida. Sandra. Rampenlicht | DW | 03.02.2022. Abgerufen am 5. Februar 2022 (deutsch).
  13. Selina Nowak: Theater - Eine Roma-Frau schlägt zu. Abgerufen am 5. Februar 2022.
  14. josefstadt.org.
  15. Zeitungsbericht zur Uraufführung von Trollmanns Kampf in der HAZ vom 2. Mai 2010.
  16. Unwissend sämtliche Tabus verletzt. In: taz. 28. April 2010.
  17. Heinz Wagner: Sie durften nicht Meister/innen bleiben, Kurier.at, 15. Dezember 2011
  18. Der Boxer. (Memento vom 7. Dezember 2015 im Internet Archive)