Karsten Krampitz
Karsten Krampitz (* 24. Dezember 1969 in Rüdersdorf, Brandenburg) ist ein deutscher Schriftsteller und Journalist.
Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Nach einer Ausbildung zum Betriebswirt studierte Krampitz Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. 2016 wurde er zum Dr. phil. promoviert. Seine Dissertation befasst sich mit der Selbstverbrennung des Pfarrers Oskar Brüsewitz in Zeitz 1976.[1] Krampitz veröffentlichte mehrere Romane und Erzählungen. Er war Redakteur, später Chefredakteur bei Berliner Straßenzeitungen. Als freier Journalist schrieb er für Zeitungen und Zeitschriften, so für den Freitag, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Junge Welt, die Berliner Zeitung, Die Welt und Neues Deutschland. Er lebt in Berlin-Prenzlauer Berg.
Straßenzeitungen und Aktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Krampitz wirkte als Autor mit in den Berliner Straßenzeitungen Hunnis Allgemeine Zeitung (HAZ) (von der Gründung bis zur Einstellung im April 1994), in der Motz (von der Gründung im Mai 1995 bis Anfang 1996) und im Strassenfeger bis zum Jahr 2000. Sein Ansatz war, Straßenzeitungen zu einem „linken Boulevardblatt“ zu entwickeln. Dazu gehörten Artikel, die auf die schwierigen und gesellschaftlich verursachten Lebensumstände wohnungsloser Menschen hinweisen, aber auch öffentlichkeitswirksame Interviews mit Prominenten wie Harald Juhnke, Harry Rowohlt und Inge Meysel.
Krampitz beteiligte sich auch an Kampagnen, etwa der symbolischen Besetzung der Hotels Adlon und Kempinski in Berlin unter dem Motto „Es sind noch Betten frei“, um auf das alljährliche Ende der Kältehilfe Ende März aufmerksam zu machen. Auch beteiligte er sich an Besetzungen des Bahnhof Zoo, die die Straßenzeitung Strassenfeger zusammen mit den JungdemokratInnen/Junge Linke unter dem Motto „Freiheit stirbt mit Sicherheit“ organisierte, um auf die zunehmende Privatisierung öffentlicher Räume und die Vertreibung Wohnungsloser durch private Sicherheitsdienste aufmerksam zu machen.
Die Umbenennung des Nachtcafés Arche der Treptower Bekenntniskirche in Nachtcafé Landowsky, das an den Berliner Bankenskandal und die Beteiligung Klaus-Rüdiger Landowskys erinnern soll, geht ebenfalls auf eine Initiative von Krampitz im Frühjahr 2007 zurück. Im April 2008 verbot das Diakonische Werk Neukölln-Oberspree dem Nachtcafé, sich Landowsky zu nennen. Krampitz wurde daraufhin von seiner Arbeit in der Obdachlosenhilfe suspendiert.[2] Karsten Krampitz engagiert sich nun für das Nachtasyl Gorki, ein Nachtcafé für Obdachlose im Berliner Bezirk Lichtenberg.
2004 erfand Krampitz die Wewelsflether Trinkerklappe,[3] einer satirischen Aktion in Analogie zu Babyklappen, die Ehefrauen von Alkoholikern dazu aufruft, ungewollte „Findeltrinker“ einer Versorgung im örtlichen Therapiezentrum zuzuführen:
„Weil sie von ihren Frauen ausgesetzt wurden, erfrieren jeden Winter unter Deutschlands Brücken, in den Straßen und Parks Hunderte Trinker. Der Umgang mit Alkohol und seinen Opfern ist ein Indikator für den Zustand der Gesellschaft. Vor allem alte und arbeitslose Männer werden rigoros entsorgt. Um der Praxis des Wegschauens und Liegenlassens entgegenzutreten, hat der deutsche P. E. N. N. gemeinsam mit dem Eulenhof die Aktion ‚Findeltrinker‘ ins Leben gerufen. Am Freitag, 5. November, wird die Initiative in Wewelsfleth, Dorfstraße 2. erstmalig öffentlich in Erscheinung treten.“
Partei- und Geschichtspolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Krampitz war bis 2018 Mitglied der Linken. 2012 erklärte er seine Absicht, als Parteivorsitzender zu kandidieren, nahm dies aber wenige Tage später zurück, auch weil die Partei nicht geschlossen hinter ihm stehe.[5] Dass sich die Partei ihrer SED-Vergangenheit stelle, sei ihm ein wichtiges Anliegen und ein Grund, bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus den Linken-Spitzenkandidaten Klaus Lederer zu wählen, sagte er 2016.[6]
Im gleichen Jahr wurde sein Buch 1976. Die DDR in der Krise im Umfeld der Partei kontrovers diskutiert. Die Parteizeitung Neues Deutschland veröffentlichte einen 14-teiligen Vorabdruck und Briefe protestierender Leser, so des früheren SED-Politikers Egon Krenz und des Radrennfahrers Täve Schur.[7] Die Reaktionen außerhalb der Partei waren positiver. Krampitz versuche eine multiperspektivische Sichtweise auf den SED-Staat, ohne die DDR zu verklären oder zu dämonisieren, hieß es in der taz.[8] Die Frankfurter Rundschau bescheinigte dem Historiker eine solide Arbeit: „Krampitz’ Buch gelingt ein differenzierter Blick auf die Geschichte der DDR, die vielschichtiger und komplizierter war, als sie heute oftmals dargestellt wird.“[9] Der Tagesspiegel urteilte: „Krampitz gehört zu den besten Kennern der DDR-Spätphase.“[10]
Sein Verhältnis zur Partei „Die Linke“ beschreibt Krampitz als ambivalent: „Ich war (…) in der Kirche, ohne in der Kirche zu sein. In den Neunzigerjahren war ich lange Zeit leitender Redakteur einer Obdachlosenzeitung, obwohl ich eine Wohnung hatte. Ich bin promovierter Historiker und gleichzeitig Mitglied der SED-Nachfolgepartei Die Linke. Es ergibt sich also oft, dass ich irgendwo dabei bin, ohne wirklich dazuzugehören.“[11] Im Neuen Deutschland erklärte er 2014 sein Unbehagen, dass es auch in der Linken zu viele Funktionäre und Mandatsträger gebe, „die bestimmte existenzielle Erfahrungen nie gemacht haben und auch nie machen werden. Angst, materielle Not und Verzweiflung kennen sie vom Hörensagen.“[12]
Preise und Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- 1994: 1. Preis beim 3. Berliner Jugend-Literaturwettbewerb
- 2004: Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste und drei Monate Aufenthalt im schleswig-holsteinischen Wewelsfleth
- 2009: Publikumspreis der 33. Tage der deutschsprachigen Literatur (Ingeborg-Bachmann-Preis)
- 2010: Klagenfurter Stadtschreiber
- 2017: Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste
Publikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Supersteuer. Spiritus-Editionen (Haus der Künste), Frankfurt an der Oder 1991.
- Mein Freund Judas und ich. Zyankrise Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-928835-09-2.
- Rattenherz. Zyankrise Verlag, Berlin 1995, ISBN 978-3-928835-38-1.
- Affentöter. Ab heute wird zurückgeschrieben. 1. Auflage. Kramer, Berlin 2000, ISBN 3-87956-247-4.
- Der Kaiser vom Knochenberg. Roman. Ullstein, München 2002, ISBN 3-550-08379-3.
- Karsten Krampitz, Lothar Tautz, Dieter Ziebarth (Hrsg.): „Ich werde dann gehen…“ Erinnerungen an Oskar Brüsewitz. Evangelische Verlags-Anstalt, Leipzig 2006, ISBN 978-3-374-02398-1.
- Heimgehen. LangenMüller, München 2009, ISBN 978-3-7844-3189-5.
- Crashkurs Klagenfurt. Poesie und Propaganda (zusammen mit Peter Wawerzinek), Edition Meerauge, Klagenfurt 2012, ISBN 978-3-7084-0421-9
- Karsten Krampitz, Klaus Lederer (Hrsg.): Schritt für Schritt ins Paradies. Handbuch zur Freiheit. Karin Kramer Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-87956-374-6.
- Wasserstand und Tauchtiefe. Roman. Verbrecher, Berlin 2014, ISBN 978-3-95732-013-1.
- 1976. Die DDR in der Krise. Verbrecher Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-95732-145-9
- Der Fall Brüsewitz. Staat und Kirche in der DDR. Verbrecher Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-95732-159-6
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Literatur von und über Karsten Krampitz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Kurzbiografie und Rezensionen zu Werken von Karsten Krampitz bei perlentaucher.de
- Was dürfen die in Kärnten? Nacheinander waren die zwei Berliner Schriftsteller Stadtschreiber in Klagenfurt – Ein Briefwechsel zwischen Karsten Krampitz und Peter Wawerzinek übers Saufen und Badengehen in Kärnten. In: Der Standard vom 9. Dezember 2011.
- Karsten Krampitz: Erinnerungspolitik. DDR neu erzählen. In: Deutschlandfunk vom 2. Oktober 2019.
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- ↑ Staat und Kirche in der DDR, Das Verhältnis von Staat und Kirche in der DDR infolge der Selbstverbrennung des Pfarrers am 18. August 1976 unter besonderer Berücksichtigung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen. Gedruckt als: Der Fall Brüsewitz. Staat und Kirche in der DDR. Verbrecher Verlag, Berlin 2016
- ↑ Dunja Batarilo: Die „Arche“ darf nicht mehr „Landowsky“ heißen. In: Die Tageszeitung. 8. April 2008.
- ↑ Aktion „Findeltrinker“: Die weltweit erste Trinkerklappe in Wewelsfleth. In: Warenform. 11. November 2004.
- ↑ Karsten Krampitz: Wohin mit den Trinkern? In: Berliner Zeitung. 4. November 2004, abgerufen am 16. Juni 2015.
- ↑ Lena Kreck: Eine Kandidatur weniger. Karsten Krampitz will nicht Parteivorsitzender werden. In: prager frühling. Magazin für Freiheit und Sozialismus, 29. Mai 2012, online, abgerufen am 13. Februar 2017
- ↑ Wahlaufruf „Berlin braucht eine starke Linke“ (Memento vom 14. Februar 2017 im Internet Archive), abgerufen am 13. Februar 2017
- ↑ Günter Benser: Es gab kein historisches Vakuum. Eine Replik der Fallbetrachtungen von Karsten Krampitz über die DDR im Jahre 1976. In: Neues Deutschland, 15. April 2016, online (Bezahlschranke), abgerufen am 13. Februar 2017. – Andreas Rüttenauer: Das verflixte Jahr. Der Versuch von Karsten Krampitz, die DDR-Geschichte auf neue Art zu schreiben, provoziert Reaktionen aus dem alten Apparat. In: die tageszeitung, 24. April 2016, online, abgerufen am 13. Februar 2017
- ↑ Andreas Rüttenauer: Das verflixte Jahr. Der Versuch von Karsten Krampitz, die DDR-Geschichte auf neue Art zu schreiben, provoziert Reaktionen aus dem alten Apparat. In: die tageszeitung, 24. April 2016, online, abgerufen am 13. Februar 2017
- ↑ Andreas Förster: Nach diesem Hauch von Frühling. In: Frankfurter Rundschau, 10. Juni 2016, online, abgerufen am 13. Februar 2017
- ↑ Christian Schröder: Vor 40 Jahren begann der Untergang der DDR. In: Der Tagesspiegel, 9. August 2016, online, abgerufen am 13. Februar 2017
- ↑ Karsten Krampitz Leute, das geht gar nicht! In: Die Brücke Nr. 165–168, Juni/September 2015, S. 16, Digitalisat, abgerufen am 13. Februar 2017
- ↑ „Alle guten Idee kippen irgendwann“, Interview, in: Neues Deutschland, 4. Januar 2014, online (Bezahlschranke), abgerufen am 13. Februar 2017
Personendaten | |
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NAME | Krampitz, Karsten |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Schriftsteller und Journalist |
GEBURTSDATUM | 24. Dezember 1969 |
GEBURTSORT | Rüdersdorf, Brandenburg |