Polessk
Stadt
Polessk
Полесск
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Liste der Städte in Russland |
Polessk (russisch Полесск; bis 1946 deutsch Labiau, litauisch Labguva, polnisch Labiawa/Labiewo) ist eine Rajonstadt mit 6926 Einwohnern (Stand 1. Oktober 2021)[1] in der russischen Oblast Kaliningrad. Die Stadt ist auch Sitz der städtischen Gemeinde Polesskoje gorodskoje posselenie[2] mit den beiden weiteren Siedlungen Podsobny (russisch Подсобный) (Groß Reikeninken, 1938–1946 Reiken) und Tjulenino (russisch Тюленино) (Viehof).
Geographische Lage
Polessk ist Zentrum des Rajons Polessk und liegt zwischen Kaliningrad und Sowjetsk am Übergang der Hauptstraße und Eisenbahn über die Deime (rus. Deima; prußisch Deimena/ Deiwmena: bot. Stabwurz/ Eberraute), kurz vor deren Mündung ins Kurische Haff. Nordöstlich von Polessk liegt das Hochmoorgebiet Großes Moosbruch.
Sehenswürdigkeiten
In Polessk befinden sich die alte Burg Labiau des Deutschen Ordens (heute industrielle Nutzung) und ein russisch-orthodoxes Frauenkloster. An der Polessk gegenüberliegenden Seite der Deime beginnt der Friedrichsgraben.
Geschichte
- 1258 Labegowe moter
- 1261 in terra Labigow
- 1300 Labigow/ Labiow
- 1420 Labiau/ Labiaw
Bedeutung:
- prußisch labs = gut
- prußisch moter = sumpfiges Land, Areal, Beritt
- litauisch labguvyna = Heilstein (cuprum aluminatum sive lapis divinus)
Cuprum aluminatum wird auch Augenstein, Heiligenstein und Kupferalaun genannt und ist ein Chalcedon aus der Gruppe der Quarze.
Die Burg Labiau wurde nach der Eroberung des Samlandes zwischen 1258 und 1259 angelegt und sollte Königsberg vor Feinden schützen, die sich über das Haff näherten. 1277 brannten die Schalauer sie nieder. Die Burg wurde anschließend aus Stein als Komturei wieder errichtet. 1352 siegte Heinrich Schindekopf über die Litauer. Die Wasserburg galt als uneinnehmbar und wurde nach 1550 von Anna Maria, der zweiten Frau Herzogs Albrecht bewohnt. Stadtrecht wurde ihr 1642 durch den Großen Kurfürsten verliehen. 1656 wurde in Labiau der Vertrag von Labiau zwischen Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg und König Karl X. Gustav von Schweden geschlossen.[3]
Nach Meyers Konversationslexikon von 1888 hatte die Kreisstadt Labiau ein Amtsgericht, eine Reichsbanknebenstelle, eine Dampfbrauerei, Dampfsägemühlen, Fischhandel und (1885) 4.744 fast ausschließlich evangelische Einwohner.
Bis 1945 gehörte Labiau zum Landkreis Labiau im Regierungsbezirk Königsberg der Provinz Ostpreußen.
1945 wurde Labiau von der Roten Armee besetzt und nach Kriegsende der Verwaltung der RSFSR, der russischen Teilrepublik der Sowjetunion, unterstellt. Labiau wurde 1946 in Polessk umbenannt. Seit Auflösung der Sowjetunion gehört Polessk zur Russischen Föderation.
Bevölkerungsentwicklung
Jahr | Einwohner | Anmerkungen | |
---|---|---|---|
1782 | 2.129 | in 168 Haushaltungen, ohne die 420 militärischen und Zivilangehörigen der Garnison[4] | |
1875 | 4.487 | ||
1880 | 4.683[5] | ||
1890 | 4.861 | davon 29 Katholiken und 92 Juden[5] | |
1900 | 4.455 | meist Evangelische[6] | |
1910 | 4.604 | ||
1925 | 4.840 | ||
1933 | 5.879 | ||
1939 | 6.544 | ||
1959 | 5.435 | ||
1970 | 5.601 | ||
1979 | 6.338 | ||
1989 | 6.859 | ||
2002 | 7.681 | ||
2010 | 7.581 |
Anmerkung: Volkszählungsdaten
Kirche
Evangelisch
Ehemalige Stadtkirche
Siehe den Hauptartikel: Stadtkirche Labiau
Die Labiauer Stadtkirche war neben dem Königsberger Dom die einzige dreischiffige Kirche im nordwestlichen Teil Ostpreußens. Als chorlose Hallenkirche aus verputztem Feldstein wurde sie Ende des 14. Jahrhunderts mit vorgesetztem Westturm aus Ziegeln errichtet.[7] In der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde sie – u.a. mit Einbau des Zellengewölbes restauriert. 1701 erhielt die Kirche eine von Johann Josua Mosengel gebaute Orgel und 1870 einen Neubau von Wilhelm Sauer aus Frankfurt (Oder).
Die Kirche wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt, fand dann eine Fremdnutzung und verfiel. In den 1960er Jahren hat man das Gebäude abgetragen, um Baumaterial zu gewinnen. Die Fundamente fanden Verwendung für den Neubau eines fünfstöckigen Wohnhauses, das jetzt den Platz der Kirche einnimmt.
Kirchengemeinde
Die Reformation setzte sich in Labiau relativ früh durch.[8] Bereits vor 1532 amtierte hier ein lutherischer Geistlicher, im Jahre 1622 wurde eine zusätzliche Pfarrstelle errichtet, deren Amtsinhaber – als sogenannte „litauische Pfarrer“ – bis 1719 zugleich Rektoren der Stadtschule waren. Bis 1945 gehörte Labiau mit seinem weitflächigen Kirchspiel zum Kirchenkreis Labiau in der Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union.
Nach dem Zweiten Weltkrieg brach aufgrund von Flucht und Vertreibung der einheimischen Bevölkerung sowie der restriktiven Religionspolitik der Sowjetunion das kirchliche Leben ein. In den 1990er Jahren entstand in Polessk eine neue evangelisch-lutherische Gemeinde. Sie ist Filialgemeinde der Auferstehungskirche in Kaliningrad (Königsberg) innerhalb der Propstei Kaliningrad[9] der Evangelisch-lutherischen Kirche Europäisches Russland.
Kirchenkreis Labiau
Bis 1945 war Labiau das Zentrum des nach ihm benannten Kirchenkreises, der zur Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union gehörte. Ihm waren zehn Kirchengemeinden aus den Landkreisen Labiau und Wehlau untergliedert, in denen im Jahre 1925 insgesamt 52.375 Gemeindeglieder registriert waren[10]:
Name | Änderungsname 1938–1946 |
Russischer Name |
---|---|---|
Augstagirren (Groß Baum) | Sosnowka | |
Gilge- Agilla/ Juwendt |
Haffwerder/ Möwenort |
Matrossowo Krasnoje Rasino |
Kaymen | Kaimen | Saretschje |
Labiau | Polessk | |
Laukischken | Saranskoje | |
Lauknen | Hohenbruch | Gromowo |
Legitten mit Sitz in Groß Legitten |
Turgenewo | |
Mehlauken | Liebenfelde | Salessje |
Popelken | Markthausen | Wyssokoje |
Sussemilken mit Sitz in Alt Sussemilken |
Friedrichsrode | Tarassowka |
Katholisch
Die vor 1945 kleine römisch-katholische Gemeinde besaß als eigenes Gotteshaus die St.-Ansgar-Kapelle. Gebaut wurde sie 1928 nach Plänen des Königsberger Architekten Schönwald. Im Jahre 1925 gab es in der Stadt Labiau 25 Katholiken und 288 weitere im ganzen Kreisgebiet. Das Gebäude des Kapelle wird heute nicht mehr gottesdienstlich genutzt. Hier ist jetzt eine Musikschule untergebracht.
Orthodox
In Polessk wurde Ende der 1990er Jahre ein russisch-orthodoxes Gotteshaus errichtet. Die Gemeinde gehört zur Diözese Kaliningrad und Baltijsk.
Persönlichkeiten der Stadt
Söhne und Töchter der Stadt
- Christoph Aschmoneit (1901–1984), führender deutscher U-Bootbauer
- Kasimir von Auer (1788–1837), preußischer Generalmajor
- Dagmar Blei (* 1940), deutsche Linguistin
- Louis von Hanenfeldt (1815–1888), preußischer Generalleutnant
- Bernhard Obersteller (1889–1972), deutscher Politiker (GB/BHE), Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landtags
- Jacob Ephraim Polzin (1778–1851), Architekt
Mit der Stadt verbunden
- Johannes Bretke (1536–1602), von 1562 bis 1587 Pfarrer an der Labiauer Stadtkirche, übersetzte hier das Neue Testament und die Psalmen der Bibel in die Litauische Sprache, danach in Königsberg (Preußen) auch das Alte Testament
Siehe auch
Literatur
- Wilhelm Sahm: Geschichte der Stadt Labiau. Herausgegeben von der Stadtverwaltung. Labiau 1942.
- Erich Weise (Hrsg.): Ost- und Westpreußen. Handbuch der historischen Stätten. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart, 1981. ISBN 3-520-31701-X.
- Max Toeppen: Ueber preussische Lischken, Flecken und Städte. Ein Beitrag zur Geschichte der Gemeindeverfassungen in Preußen. In: Altpreußische Monatsschrift, Band 4, Königsberg 1867, S. 511-536, insbesondere S. 515-527 (Volltext)
- Johann Friedrich Goldbeck: Volständige Topographie des Königreichs Preußen. Teil I: Topographie von Ost-Preußen. Marienwerder 1785, S. 14 (Volltext).
- Liste der Werke über Labiau
- Labiau. In: Oekonomisch-technologische Encyklopädie. Band 58 (herausgegeben von Johann Georg Krünitz, Friedrich Jakob Floerken, Heinrich Gustav Flörke, Johann Wilhelm David Korth, Carl Otto Hoffmann und Ludwig Kossarski), Berlin 1792, S. 46–47.
Einzelnachweise
- ↑ a b Таблица 1.10 «Численность населения городских округов, муниципальных районов, муниципальных округов, городских и сельских поселений, городских населенных пунктов, сельских населенных пунктов» Программы итогов Всероссийской переписи населения 2020 года, утвержденной приказом Росстата от 28 декабря 2021г. № 963, с данными о численности постоянного населения каждого населенного пункта Калининградской области. (Tabelle 1.10 „Bevölkerungsanzahl der Stadtkreise, munizipalen Rajons, Munizipalkreise, städtischen und ländlichen Siedlungen [insgesamt], städtischen Orte, ländlichen Orte“ der Ergebnisse der Allrussischen Volkszählung von 2020 [vollzogen am 1. Oktober 2021], genehmigt durch die Verordnung von Rosstat vom 28. Dezember 2021, Nr. 963, mit Angaben zur Zahl der Wohnbevölkerung jedes Ortes der Oblast Kaliningrad.)
- ↑ Aufgrund des Gesetzes über die Zusammensetzung und Territorien der munizipalen Gebilde der Oblast Kaliningrad vom 25. Juni/1. Juli 2009, nebst Gesetz Nr. 260 vom 30. Juni 2008, präzisiert durch Gesetz Nr. 370 vom 1. Juli 2009
- ↑ Eduard Heyck: Deutsche Geschichte. Volk, Staat, Kultur und geistiges Leben. Velhagen und Klasing, Bielefeld und Leipzig 1905, Bd. 3, S. 126.
- ↑ * Johann Friedrich Goldbeck: Volständige Topographie des Königreichs Preußen. Teil I: Topographie von Ost-Preußen. Marienwerder 1785, S. 14.
- ↑ a b Michael Rademacher: Deutsche Verwaltungsgeschichte Ostpreußen - Landkreis Labiau (2006)
- ↑ Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage, Band 12, Leipzig und Wien 1908, S. 6.
- ↑ Walther Hubatsch, Geschichte der evangelischen Kirche Ostpreußens, Band 2: Bilder ostpreußischer Kirchen, Göttingen 1968, S. 60, Abb. 199-201.
- ↑ Walther Hubatsch: Geschichte der evangelischen Kirche Ostpreußens, Band 3: Dokumente, Göttingen 1968, S. 464.
- ↑ Evangelisch-lutherische Propstei Kaliningrad (russisch/deutsch)
- ↑ Walther Hubatsch: Geschichte der evangelischen Kirche Ostpreußens, Band 3: Dokumente, Göttingen 1968, S. 464–465.
Weblinks
- Polessk auf mojgorod.ru (russisch)