Stephan Zantke

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Stephan Zantke (geboren 1961 in Nordrhein-Westfalen) ist ein deutscher Amtsrichter und Autor des Buches Wenn Deutschland so scheiße ist, warum sind Sie dann hier? (2018). Das Buch löste deutschlandweites Medienecho aus. Zantke war daraufhin 2019 unter anderem in den Talkshows Eins zu Eins und Markus Lanz zu Gast.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zantke wuchs in Nordrhein-Westfalen auf und studierte Rechtswissenschaften an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Nach dem Referendariat im Sächsischen Staatsministerium für Kultus war er ab 1993 Staatsanwalt in Zwickau. Seit 2000 ist er Amtsrichter beim Amtsgericht Zwickau. Daneben hält er Vorträge für Organisationen wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).[1]

Bekanntgewordenes Urteil[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2017 führte Zantke die Verhandlung gegen den 29-jährigen Mohammed F., der im Sommer 2015 als angeblicher libyscher Kriegsflüchtling Asyl beantragt hatte (die libysche Herkunft wurde später von einem Dolmetscher vor Gericht angezweifelt, der F. als Tunesier einordnete).[2] Der Angeklagte hatte den Mitarbeiter eines Asylbewerberheims mit einem Messer angegriffen und dort erheblichen Sachschaden verursacht, in einem Supermarkt eine Bierflasche auf ein siebenjähriges Kind geworfen, Polizisten bespuckt und Frauen als „Nazi-Hure“ und „Scheißdeutsche“ beschimpft. Zuvor war F. bereits durch Ladendiebstahl, einen Angriff mit einer abgebrochenen Bierflasche, bei dem das Opfer Schnittverletzungen im Gesicht erlitt, Drogenbesitz und mehrfaches Randalieren im Asylbewerberheim aufgefallen. Als der Angeklagte noch im Gerichtssaal von „Scheißdeutschen“ und „Scheißdeutschland“ sprach, hielt Zantke ihm entgegen: „Wenn es bei uns so scheiße ist, warum sind Sie dann hier?“ Anschließend verurteilten er und zwei Schöffen den Mann zu zweieinhalb Jahren Haft, während die Staatsanwaltschaft nur 15 Monate auf Bewährung gefordert hatte. In der Urteilsbegründung führte er aus: „Sie erhalten von unseren Steuern ein Dach über dem Kopf – und jetzt müssen wir noch Ihren Schaden bezahlen. (...) Was wäre passiert, wenn wir solche Straftaten in Libyen begehen?“[3][4]

Zantke erhielt daraufhin enorme Resonanz, Proteste seien zunächst ausgeblieben: „Ich habe nur Zustimmung bekommen, europaweit (...) Von Lieschen Müller, von Polizeibeamten, von Politikern. Es gab keine einzige negative Stimme.“[5] Der Verurteilte stand kurz darauf erneut vor Gericht, nachdem er einen Marokkaner mit einer abgebrochenen Bierflasche angegriffen hatte.[6][7][8][9]

Buchveröffentlichung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2018 veröffentlichte Zantke das Buch Wenn Deutschland so scheiße ist, warum sind Sie dann hier? mit Berichten über seine drastischsten Fälle und Einblicken in Parallelgesellschaften, kriminelle Milieus, die sich die Schwäche des Staates zunutze machten, und eine Justiz, die überfordert sei und unter Sparzwang stehe. Landgerichte als nächsthöhere Instanz würden harte Urteile „nicht nur gelegentlich, sondern täglich“ aufheben und ließen eine „teilweise nicht nachvollziehbare Milde walten.“[10][11] Zwar habe jeder eine zweite Chance verdient, doch zu viel Milde sei falsch.[12] Zantke beschrieb anonymisiert zehn echte Fälle, in denen es unter anderem um häusliche Gewalt, Körperverletzung und Raub ging.[13]

Resonanz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reinhold Michels verglich Zantke bei RP Online mit der Richterin, „mutigen Kollegin und bürgerlichen Tabubrecherin“ Kirsten Heisig, deren Bestseller Das Ende der Geduld – konsequent gegen jugendliche Gewalttäter 2010 erschienen war und die sich kurz vor dessen Erscheinen das Leben genommen hatte. Zantke und Heisig stünden für die Erfahrung der Praktiker, dass der Staat noch immer zu langsam oder zu verzagt sei, um jugendlichen Kriminellen und gewalttätigen Familienclans ihre Taten und deren Konsequenzen deutlich zu machen.[14]

Ulrich Wickert nannte den Fall, auf den Zantkes Buchtitel sich bezog, 2019 „symptomatisch“ für die Probleme des deutschen Rechtsstaates, sich gegen unberechtigte und integrationsunwillige Asylbewerber durchzusetzen. Die öffentliche Erregung nach dem Urteil sei „kaum fassbar“. Zantke habe klargestellt, er sei weder auf dem rechten noch dem linken Auge blind, spiele aber „in seinen pointierten Aussagen natürlich mit den Vorurteilen der Menschen.“[2]

Lorenz Leitmeier kritisierte im November 2020 in der Legal Tribune Online, Zantkes Buch als eines von mehreren, die von einer „Justiz-Apokalypse“ schrieben. Leitmeier gestand Zantke „Fünf-Minuten-Berühmtheit als Richter“ zu. Eine Frage sei zu einem „gequält originellen Titel“ geworden, das Buch sei „nicht mal Trivialliteratur“.[15]

Der ehemalige Vorsitzende des Deutscher Richterbundes Jens Gnisa nahm Zantke 2020 gegen Kritik in Schutz. Zwar stimme er solchen Veröffentlichungen „überwiegend in der dargestellten Dramatik nicht zu“, doch sei eine offene und ehrliche Debatte ohne persönliche Angriffe nötig. Stattdessen werde durch Verhöhnung der Autoren ein bewusster Vernichtungsfeldzug geführt.[16]

Kristian Stemmler verglich Zantke in der Jungen Welt mit Ronald Schill, der „absurd hohen Urteile gegen Migranten mit ausländerfeindlichen Sprüchen“ garniert habe. Inzwischen gebe es viele Richter dieser Art, wobei Zantke derzeit (2017) „von der bürgerlichen Presse gehypt“ werde.[17]

Im September 2018 wurde Zantke als Sprecher des Amtsgerichts Zwickau abgesetzt. Gründe wurden nicht bekanntgegeben, Medien vermuteten jedoch eine Disziplinarmaßnahme in Zusammenhang mit seiner Buchveröffentlichung.[18][19] Kurz darauf gab es eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Zantke[18] beim Oberlandesgericht wegen des Titels seines Buches, der gegen das Neutralitäts- und Sachlichkeitsgebot verstoße und „an den Grundfesten des Rechtstaates gerüttelt“ habe. Das Ergebnis wurde vertraulich behandelt.

Die erste Auflage des Buches war zu diesem Zeitpunkt bereits vergriffen.[19][18][13] Ende 2019 erschien bereits die siebte Auflage. 2019 erschien ein Hörbuch, das von Michael A. Grimm gelesen wurde.[20]

Buch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auftritte in Rundfunk und Fernsehen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Autorenprofil von Stephan Zantke. In: Münchner Verlagsgruppe. Abgerufen am 17. Dezember 2019.
  2. a b Ulrich Wickert: Identifiziert euch!: Warum wir ein neues Heimatgefühl brauchen. Piper, 2019, ISBN 978-3-492-05954-1, S. 7 (google.de – Ausschnitt bei Google Books).
  3. „Wenn es hier so scheiße ist, warum sind Sie dann hier?“ – Satz eines Richters zu libyschem Intensivtäter hat Folgen. In: DerWesten.de. 17. November 2017, abgerufen am 22. Dezember 2023.
  4. Intensivtäter in Zwickau: Richter fragt Flüchtling – „Warum sind Sie dann hier?“ In: welt.de. 8. Dezember 2017, abgerufen am 22. Dezember 2023.
  5. Er wies Angeklagten in die Schranken: Klartext-Richter kriegt Fanpost. In: Focus Online. 18. Dezember 2017, abgerufen am 22. Dezember 2023.
  6. Fall in Zwickau: Richter platzte Kragen: Krimineller Libyer schon wieder vor Gericht. In: Focus Online. 12. Dezember 2017, abgerufen am 22. Dezember 2023.
  7. Cornelia Karin Hendrich: „Als er dann noch ‚Scheißdeutschland‘ sagte, reichte es mir“. In: welt.de. 12. Dezember 2017, abgerufen am 22. Dezember 2023.; Die juristische Presseschau. In: Legal Tribune Online. 13. Dezember 2017, abgerufen am 22. Dezember 2023: „Amtsrichter Stephan Zantke: Die Welt (Cornelia Karin Hendrich) stellt den Zwickauer Amtsrichter Stephan Zantke vor.“
  8. Prozess in Zwickau: Krimineller Flüchtling bringt Richter in Rage. In: Focus Online. 8. Dezember 2017, abgerufen am 22. Dezember 2023.
  9. Nach Urteil gegen Asylbewerber: Richter wollte nicht "rechte Szene bedienen". In: Hessische/Niedersächsische Allgemeine. 14. Dezember 2017, abgerufen am 22. Dezember 2023.
  10. Klartext-Richter heute bei Lanz: "Wenn Deutschland so scheiße ist..." In: TAG24. 14. März 2019, abgerufen am 22. Dezember 2023.
  11. Stephan Zantke: Knallhart-Richter über Justiz: "Landgerichte lassen zu viel Milde walten". In: Focus Online. 8. Oktober 2018, abgerufen am 22. Dezember 2023.
  12. Karin Schlottmann: „So dumm können wir Richter gar nicht sein“. In: Sächsische Zeitung. 29. Dezember 2018, abgerufen am 22. Dezember 2023.
  13. a b Wegen Buch: Dienstaufsichts-Beschwerde gegen Klartext-Richter. In: Tag24. 5. Dezember 2018, abgerufen am 22. Dezember 2023.
  14. Reinhold Michels: Ein Hoch auf zwei zornige, aber mutige Strafrichter. In: RP Online. 15. Dezember 2017, abgerufen am 22. Dezember 2023.
  15. Lorenz Leitmeier: Apokalyptische Richter. In: Legal Tribune Online. 21. November 2020, abgerufen am 22. Dezember 2023.
  16. Jens Gnisa: Politik selber machen! Warum ich mein Richteramt aufgebe und in die Politik gehe. Herder, Freiburg im Breisgau 2020, ISBN 978-3-451-07219-2, S. 38 (google.de).
  17. Kristian Stemmler: Gnadenloser des Tages: Stephan Zantke. In: Junge Welt. 15. Dezember 2017, abgerufen am 22. Dezember 2023.
  18. a b c "Knallhart"-Richter Zantke nicht mehr Sprecher am Amtsgericht. In: Radio Zwickau. 27. Oktober 2018, abgerufen am 22. Dezember 2023.
  19. a b Maulkorb für Klartext-Richter? Zantke kein Gerichtssprecher mehr. In: Tag24. 27. Oktober 2018, abgerufen am 22. Dezember 2023.
  20. DNB 1188637908
  21. Gunnar Tichy: Klartext-Richter Stephan Zantke hat ein Buch geschrieben. In: Radio Dresden. 6. Oktober 2018;.
  22. DennisO: Stefan Zantke bei Markus Lanz, ZDF, 14. März 2019 (ab 0:05:28) auf YouTube
  23. Stephan Zantke, Strafrichter. In: Bayern 2, Eins zu Eins. Der Talk. ARD Audiothek, 16. April 2019, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Dezember 2019;.
  24. Maik Teschner: Interview mit "Richter Klartext" Zwickauer Richter Zantke: "Das Volk hat mitentschieden". In: MDR Sachsen. 4. April 2019, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 6. April 2019; (Interview, nur als Textversion, Audio wurde nicht archiviert).
  25. TV Westsachsen: Richter Stephan Zantke im Studio auf YouTube, 18. Oktober 2019.