Andreas Bodenstein

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Andreas Bodenstein von Karlstadt, Holzschnitt 1. Hälfte 16. Jahrhundert
Andreas Bodenstein von Karlstadt, Holzschnitt 1. Hälfte 16. Jahrhundert
Gedenktafel am Haus Kirchplatz 11, in der Lutherstadt Wittenberg

Andreas Rudolf Bodenstein, genannt Karlstadt (* um 1486 in Karlstadt; † 24. Dezember 1541 in Basel) war ein deutscher Reformator des 16. Jahrhunderts.

Leben

Andreas Bodenstein entstammte vermutlich der bürgerlichen Führungsschicht seiner Heimatstadt. Als sein Vater wird der bischöflich würzburgischer Kellermeister Peter (Rudolf) Bodenstein angenommen,[1] der für 1481 als Bürgermeister belegt ist. Der junge Andreas besuchte wahrscheinlich zunächst die örtliche Lateinschule, bevor er 1499 an der Universität Erfurt immatrikuliert wurde. Diese verließ er 1503 mit dem Grad eines Baccalaureus und wechselte an die Universität Köln, wo er mit den Lehren des Thomas von Aquin vertraut gemacht wurde.

Wirken vor der Reformation

1505 begab Andreas Bodenstein von Karlstadt sich an die neu gegründete Universität Wittenberg, wo er noch im selben Jahr zum Magister artium promoviert wurde. In der Folgezeit wirkte er als Dozent an der Artistenfakultät und hielt vor allem Vorlesungen über Thomas von Aquin, setzte sich jedoch unter anderem auch mit den Schriften von Johannes Duns Scotus und Wilhelm von Ockham auseinander. 1510 empfing er die Priesterweihe, wurde kurz darauf zum Doktor der Theologie promoviert und nahm 1511 eine Stelle als Dozent an der Theologischen Fakultät an, mit der auch das Archidiakonat an der Stiftskirche Allerheiligen (Schlosskirche) verbunden war. Darüber hinaus übernahm er mehrmals leitende Funktionen an der Universität. Als Dekan promovierte er 1512 Martin Luther zum Doktor der Theologie. Zugleich setzte er seine universitäre Ausbildung auf juristischem Gebiet fort. Zwischen 1515 bis 1516 erwarb er während eines längeren Italienaufenthalts, u.a. besuchte er Rom[2], während dessen er auch als Schreiber an der Kurie beschäftigt war, den Doktorgrad beider Rechte.

Zunächst Gegner der Hinwendung Luthers zur Theologie des Augustinus von Hippo, entwickelte er sich später zum Anhänger dieses Reformators. Außerdem wurde er von den Schriften Johanns von Staupitz und von der Mystik Johannes Taulers beeinflusst.

Karlstadt als Wittenberger Reformator

1518 eröffnete Karlstadt mit den Apologeticae conclusiones, in denen er unter anderem zum Verhältnis zwischen menschlichem Willen und göttlicher Gnade Stellung bezog, die Auseinandersetzung mit Johannes Eck. In der Leipziger Disputation 1519 beschränkte er sich auf diese Themen und hielt sich in der Frage des päpstlichen Primats zurück. Eck hielt danach eine Verständigung mit Karlstadt noch für möglich, nicht jedoch mit Luther.

Erst nach der päpstlichen Bannandrohungsbulle Exsurge Domine gegen Luther und seine Anhänger im Jahr 1520 vollzog Karlstadt den offenen Bruch mit der Papstkirche und der Tradition.

Für eine kurze Zeit wirkte er in Dänemark, kehrte aber bald nach Wittenberg zurück. Dort wurde er während Luthers Aufenthalt auf der Wartburg zum wichtigsten Protagonisten der Wittenberger Bewegung. Weder der Rat der Stadt noch Melanchthon setzten dieser großen Widerstand entgegen.

Karlstadt predigte für eine Erneuerung des Gottesdienstes, die Abschaffung der Heiligenbilder und der Kirchenmusik, die seiner Meinung nach von der Andacht abhielten, sowie des Zölibats. Eine zentrale Frage wurde für ihn die Feier des Abendmahls in beiderlei Gestalt, d. h. unter Austeilung von Brot und Wein an die Gemeinde. Zum Weihnachtsfest 1521 feierte Karlstadt die erste evangelische Messe auf Deutsch. Er trug dabei weltliche Kleidung und feierte das Abendmahl in beiderlei Gestalt, wobei die Laien den Kelch selbst in die Hand nahmen. Damit wurde die Heilsvermittlung durch Priester praktisch aufgehoben. Die Heirat mit Anna von Mochau Anfang des Jahres 1522 bezeugte seinen Bruch mit dem Zölibat. Im Februar 1522 kam es schließlich zu Tumulten und Ausschreitungen bei der Beseitigung der Bilder aus den Kirchen.

Um diese zu beenden rief der Rat der Stadt Luther zu Hilfe, der gegen den Rat des Kurfürsten Friedrich die Wartburg verließ und im März 1522 seine Invokavitpredigten hielt. In diesen kritisierte er die Umsetzung der reformatorischen Gedanken durch Karlstadt, da jener keine Rücksicht auf die Schwachen genommen habe. Zugleich stellte Luther die alten gottesdienstlichen Formen wieder her und setzte ein Predigtverbot für Karlstadt sowie eine Zensur und Beschlagnahme seiner Schriften durch die Universität durch.[3].

Enttäuscht von Luther zog er sich von der Universität und aus Wittenberg auf ein erworbenes Gut bei Wörlitz zurück und betrieb dort Landwirtschaft. Als „Bruder Endres“ arbeitete er auf dem Hof seiner Ehefrau, um dann im Jahre 1523 schließlich die [4] die dem Allerheiligenstift zu Wittenberg inkorporierte Pfarrstelle in Orlamünde anzutreten.

Pfarrer in Orlamünde

Im Sommer 1523 wurde Karlstadt zum Pfarrer von Orlamünde gewählt[5], nachdem sich die Gemeinde mit seinem Vorgänger wegen der Zehntleistungen überworfen hatte. Hier setzte er die Reformation mit Unterstützung der Gemeinde in seinem Sinne durch, reformierte die Liturgie, schaffte die Kindertaufe ab und entfernte die Orgel und die Heiligenbilder. Er nahm im gesamten Saaletal Einfluss auf die reformatorische Bewegung. Insbesondere nach Jena, wo zu dieser Zeit Martin Reinhart als erster evangelischer Pfarrer sowie Gerhard Westerburg wirkten, pflegte er intensive Kontakte. Dort wurden auch mehrere seiner Schriften gedruckt.

In vielen Punkten wie der Bilderfrage und der Abendmahlsfrage ähnelten seine Positionen denen Zwinglis und Calvins. Kurze Zeit stand er auch mit Thomas Müntzer in Verbindung, trat jedoch dem Allstedter Bund nicht bei, da er Gewalt als Mittel zur Durchsetzung der Reformation ablehnte. Die Gemeinde in Orlamünde verhielt sich später während Bauernunruhen entsprechend passiv. In der Ablehnung von Gewalt und in der Konzeption einer abseits der Welt stehenden Gemeinde ähnelten seine Positionen auch denen der ab 1525 in Erscheinung tretenden Schweizer Täufer. Dennoch sah Luther in ihm einen Anhänger Müntzers und betrieb seine Absetzung und Ausweisung. Im August 1524 kam es während Luthers Visitationsreise durch Thüringen zu zwei Disputationen in Jena und Orlamünde. Daraufhin wurde Karlstadt im September 1524 aus Kursachsen ausgewiesen.

Weitere Stationen

Die Folgezeit war durch eine unstete Wanderschaft gekennzeichnet, die ihn durch verschiedene oberdeutsche Städte führte. Jedoch wurde er überall nach kurzer Zeit wieder ausgewiesen. Auf Vermittlung Luthers konnte er 1525, nachdem er seine Abendmahlslehre widerrufen hatte, nach Wittenberg zurückkehren, blieb jedoch von Predigt und Universität ausgeschlossen. 1529 kehrte er Kursachsen endgültig den Rücken. Er wandte sich zunächst Norddeutschland zu. Während eines achtmonatigen Aufenthalts in Ostfriesland (unter anderem in Pilsum) traf er mit dem Täufer Melchior Hofmann zusammen.[6]

Schweiz

1530 ging Karlstadt mit den Zwischenstationen Straßburg und Basel nach Zürich, wirkte dort zunächst als Diakon des Spitals und nahm 1531 die Pfarrstelle in Altstetten an, die er aufgrund des Sieges der altgläubigen Kantone im Zweiten Kappelerkrieg wieder aufgeben musste. Anschließend wirkte er in Zürich an der Schule des Grossmünsters. Auf Fürsprache Heinrich Bullingers wurde er 1534 Dozent und Pfarrer in Basel. 1537 war er Rektor der Universität Basel. Nach einem bewegten Leben starb er dort 1541 in der Weihnachtsnacht an der Pest.

Wirken und Werke

Titelblatt: Von der Abtuung der Bilder. 1522

Zunächst Förderer und Weggefährte Luthers, entwickelte Karlstadt bald eine eigene reformatorische Konzeption. Insbesondere in seinen Vorstellungen von der Laienkompetenz ging er weiter als viele andere Reformatoren.

Abendmahlsfrage

1524 eröffnete er mit einem Traktat zur Abendmahlsfrage den Abendmahlsstreit zwischen Martin Luther und Ulrich Zwingli, der zur Spaltung zwischen Wittenberger und oberdeutscher Reformation beitrug.

Seinen Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung dann im März des Jahres 1536. Bei dem Basler Buchdrucker Thomas Platter erschien die erste Ausgabe der Institutio Christianae Religionis von Johannes Calvin. Als eines der wichtigsten Bücher der Reformation wurde die Institutio das theologische Lehrbuch der französischsprachigen reformierten Kirche und Grundlage der Theologie der reformierten Kirche außerhalb Frankreichs (siehe auch Hintergründe der späteren Hugenottenkriege von 1562 bis 1598). Im Mai desselben Jahres schließen reformatorische Theologen die Wittenberger Konkordie. Dabei ging es um die Auslegung des Abendmahls, die zwischen Vertretern der Schweizer sowie die „oberdeutschenReformation strittig waren. An den Verhandlungen vom 21. Mai bis 28. Mai nahmen teil die Wittenberger Martin Luther, Philipp Melanchthon, Johannes Bugenhagen, Caspar Cruciger der Ältere, Matthäus Alber und Johannes Schradin aus Reutlingen, Jacob Ottner aus Esslingen am Neckar, Johann Bernhard aus Frankfurt am Main, Martin Bucer und Wolfgang Capito aus Straßburg, Martin Frecht aus Ulm, Justus Menius aus Eisenach, Friedrich Myconius aus Gotha, Wolfgang Musculus und Bonifacius Wolfhart aus Augsburg, Gervasius Schuler aus Memmingen, und der erst später eingetroffene Johannes Zwick aus Konstanz. Justus Jonas der Ältere unterzeichnete die Konkordie nachträglich. Mit Ausnahme des Konstanzer Predigers Zwick, der vorgab hierzu nicht legitimiert zu sein, nahmen die oberdeutschen Städte die Konkordie an, nicht aber die Schweizer.

Verfasserfrage

Ob Karlstadt der Verfasser der anonymen, 1525 publizierten Bauernkriegs-Flugschrift An die Versammlung gemeiner Bauernschaft ist, ist in der Geschichtsforschung umstritten und bisher nicht bewiesen.

Bilderfrage

Aber (got klag ichs) mein hertz ist von Jugend auff yn eher erbiethung vnd wolachtung der bildnis ertzogen vnd auffgewachßen. vnd ist mir ein schedliche forcht eingetragen / der ich mich gern wolt endletigen / vnd kan nit. Alßo stehn ich in forcht / das ich keynen olgotzen dorfft verbrennen. Ich hette sorg der Teuffels narr mocht mich beleydigen. Wie wol ich die schrifft (an einem teyll) hab / vnd weiß. dz Bilder nicht vermogen / haben auch weder leben / bluth / nach geyst. Idoch helt mich forcht am andern teyll / vnd macht / das ich mich vor eynem gemalten teuffell / vor eynem schatwen / vor eynem gereusch eines leychten bletlins forcht / vnd flihe das / das ich menlich solt suchen.

Zitat: Andreas Bodenstein: Von abtuhung der Bylder. Wittenberg 1522[7]

Andreas Bodensteins radikale Aufforderung zur Beseitigung der Bilder scheint als Versuch, sich in einem Gewaltakt von der eigenen Bilderfurcht zu lösen. Der Bildersturm wurde zum symbolhaften Bruch mit seiner früheren „Abgötterei“.

Literatur

Belletristik

Weblinks

Commons: Andreas Bodenstein – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Philipp Melanchthon (bearbeitet von Heinz Scheible, unter Mitwirkung von Corinna Schneider): Melanchthons Briefwechsel. Band 12 der Regesten. Stuttgart-Bad Cannstatt 2005 (Fromann-Holzboog). ISBN 3-7728-2258-4. S. 399
  2. Renate Meincke: Editionsdesiderate zur Frühen Neuzeit: Beiträge zur Tagung der Kommission für die Edition von Texten der Frühen Neuzeit. Bände 24-25 von Chloe (Amsterdam), Band 1, Rodopi, Amsterdam 1997, ISBN 9-0420-0332-4, S.553 f.
  3. Johannes Wallmann: Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation. Tübingen 2005, S. 44.
  4. Gottfried Seebass: Geschichte des Christentums. Band 2, W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-1701-8780-5, S. 150 f.
  5. Vgl. TRE 17, 652,12–21
  6. Ostfriesische Landschaft: KARLSTADT (Andreas von BODENSTEIN)
  7. Transkription auf Wikisource