Barockgarten

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 5. September 2016 um 11:13 Uhr durch J-m.s (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Blick von der Kuppel des Schlosses auf den Garten von Vaux-le-Vicomte. Die Sichtachse führt in den Horizont, vor der Fassade liegen die Broderiebeete, der Hintergrund ist mit ruhigen Rasenflächen gestaltet

Die ersten Barockgärten wurden in der Zeit des Barocks in Frankreich angelegt, man nennt sie deswegen auch französische Gärten. Die formal strenge Gartenanlage des Französischen Gartens bildet mit dem naturnaheren Englischen Garten bis heute einen der beiden grundlegenden Ausprägungen der traditionellen europäischen Gartenarchitektur.

Die Entwicklung der Barockgärten

Konzeptionell geht der Barockpark auf die italienischen Gärten der Renaissance zurück. War jedoch der Garten der Renaissance kleiner, weniger differenziert, durch Addition zahlreicher so genannter Kompartimente gebildet und oft ohne Bezug zum jeweiligen Gebäude, so ist der Barockgarten Teil des architektonischen Gesamtkonzeptes des Schlosses. Die Entwicklung barocker Architektur und Gartenkunst verlief weitgehend parallel, die Entwürfe der großflächigen Gartenanlagen waren Teil des Selbstverständnisses der absolutistischen Fürsten, die mit Hilfe der gebändigten Natur Macht und Wohlstand ausdrückten. Als Meilenstein der barocken Gartenkunst sind Schloss und Schlosspark von Vaux-le-Vicomte anzusehen. Der bedeutsamste Gartenarchitekt des Barock war André Le Nôtre. Seine Werke und die Arbeit seiner Schüler, wie zum Beispiel Dominique Girard, beeinflussten die Gartengestaltung der gesamten Epoche. Die Planung der Parkanlagen erfolgte in direkter Zusammenarbeit mit den Architekten der Residenzen.

Der Schlosspark, das Schloss, die Nebengebäude und oft auch noch eine der Residenz vorgelagerte Ortschaft, wie in Karlsruhe, Mannheim und Versailles, bilden ein gestalterisches Ganzes. Auch der Garten selbst wird geometrisch gegliedert mit Haupt- und Nebenachsen, die durch Kanäle, Bassins oder Wege gebildet werden. Meist wird eine zentrale Sichtachse umgeben von einem System paralleler und sich in regelmäßigen Abständen rechtwinklig und sternförmig schneidender Wege. Die so abgetrennten Kompartimente werden durch geometrisch beschnittene Bäume und Sträucher, Hecken und Blumenbeete in ornamentalen Formen, Rasenflächen und südländische Pflanzen (die im Winter in einer Orangerie untergebracht werden) gestaltet. Dazu ergänzend werden oft Akzente durch Treppenanlagen, Kanäle, Grotten, Brunnen und Wasserspiele gesetzt. Dem Zeitalter des Rationalismus entsprechend ist der Barockgarten ein ganz und gar künstliches, durch den Menschen geschaffenes Gebilde. Bei der Planung wurde höchster Wert auf Regelmäßigkeit und Symmetrie gelegt.

Die Anlage, Pflege und Organisation der Barockgärten erforderte manchmal Tausende Arbeitskräfte. Vielerorts mussten großflächig Sumpf- oder Waldgebiete urbar gemacht werden, kilometerlange Kanäle wurden aus gestaltungstechnischen Gründen, aber vor allem zur Be- oder Entwässerung gezogen. Heerscharen von Gärtnern waren mit der Aufzucht von Blühpflanzen ebenso beschäftigt wie mit dem Beschneiden der Hecken. Die großen und kleinen Fürstenhöfe der Epoche waren mit ihrer gewaltigen Hofhaltung und den großen Gärten wichtige Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktoren.

Ab 1750 wurde der Barockgarten durch den Englischen Landschaftsgarten abgelöst, der dem Geist der Empfindsamkeit besser entsprach. Vollständig erhaltene Gärten des Barocks sind heute nur noch selten zu finden. Vielerorts verschwand der pflegeintensive Barockgarten vollständig, häufig vermischte er sich auch mit dem neuen Stil des Landschaftsparks.

Das System der Barockgärten

Gemeinsam ist allen Bereichen des Barockgartens das Dekorationsprogramm. Die griechische und die römische Mythologie waren beliebte Themen der Epoche, die Ereignisse und Figuren wurden in prächtigen Brunnen und Figurengruppen dargestellt. Mit Beginn des 18. Jahrhunderts nahm zudem die Exotik eine größere Rolle ein, und die Gärten wurden mit Interpretationen von chinesischen Tempeln oder türkischen Teehäusern ausgestattet. Da der Barockpark vor allem der Verherrlichung seines Besitzers diente, sind auch Allegorien auf dessen Taten oder seinen Rang zu finden. Ein Beispiel sind die Wasserbassins vor dem Schloss von Versailles; diese sind mit Statuen geschmückt, die Frankreichs größte Flüsse darstellen und somit symbolisch von der Größe des Landes künden.

Der klassische Barockpark französischer Prägung gliedert sich in eine bestimmte Abfolge von Gartenbereichen:

Das Parterre

Vor der Gartenfassade des Schlosses befindet sich das Parterre. Die terrassenartigen Flächen in nächster Nähe des Schlosses sind am prächtigsten dekoriert und für die Draufsicht aus der Beletage geschaffen. Ornamentale Rasenflächen, Blumenrabatten, nach Ars Topiaria beschnittene Buchsbäumchen und Wasserspiele bilden barocke Formenelemente und Figuren. Die Flächen werden mit buntem Kies bestreut und ahmen feine Stickereien nach, diese so genannten Broderieparterres sind der künstlerische Höhepunkt eines Barockgartens. Sie leiten den Übergang ein von der Gartenwelt zu den meist ebenso reich dekorierten Fassaden des Schlosses. In weiterer Entfernung vom Schloss werden weniger Blumenpflanzungen kultiviert und stattdessen Rasenteppiche, sogenannte Tapis vert, oder große Wasserbassins angelegt, diese ruhigen Flächen sollen die Sinne auf die eigentlichen Prachtbeete vor der Hauptfassade einstimmen. Eine besondere Form des Parterres ist das Parterre de pièces coupées pour les fleurs.

Das Boskett

Das Boskett ist der Hecken- und Niederwaldbereich des Barockgartens. Seine zumeist geradlinigen Außenseiten werden durch dichte, in geometrisch exakte Formen geschnittene Hecken oder niedrige Bäume gebildet. Die Boskette sind fast immer spiegelsymmetrisch aufgebaut und liegen zumeist parallel auf beiden Seiten der Hauptachse des Gartens. Die derart gegliederten Bereiche beinhalten kleine Salons im Freien, sie wiederholen gewissermaßen den Innenraum des Schlosses in der Außenwelt. Den Bosketten sind unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten zugedacht, so finden sich hier oft Heckentheater, Irrgärten oder offene "Konzertsäle". Sie können auch den Rahmen für Pavillons oder kleine Lustschlösser bieten.

Der Wald

Von den Bosketten führen die Wege in den weitläufigen Waldbereich des Parks. Lange Alleen werden in Fächern oder sternförmigen Schneisen zusammengeführt, der Horizont spielerisch in die Ferne verlängert. Durch die axiale Gliederung konnten die Jagdflächen leicht erreicht werden und waren durch die Vielzahl angelegter Wege auch bequem mit Kutschen zu durchfahren. Der eigentliche Wald diente als Jagdgebiet für die Hofgesellschaft, er erfüllte damit gleichermaßen die notwendige Funktion als Nahrungserwerbsfläche wie auch als Stätte des Vergnügens.

Stilistische Entwicklung

Ursprünglich ausgehend von Frankreich entwickelten sich die barocken Gärten Europas zum Teil stilistisch weiter. Die Grundmotive des französischen Gartens blieben üblicherweise erhalten, wie beschnittene Boskette, ein mythologischer Skulpturenschmuck und die Gliederung durch Sichtachsen, doch wurden die einzelnen Bestandteile später unterschiedlich komponiert.

Barockgärten niederländischer Prägung

Besonders prägend wurde die Gartenarchitektur der Niederländer. Während sich der durch Le Nôtre geprägte französische Garten vor allem durch die Verwendung von weiten Wasser- sowie Rasenflächen, tiefen Sichtachsen und einem verhältnismäßig bescheidenen Blumenschmuck auszeichnet, sind die holländischen Gärten kleinteiliger gestaltet und weniger auf Fernwirkung bedacht, aber dafür üppiger mit prächtigen Broderien geschmückt. Die schon damals weitreichenden Handelskontakte der Niederländer führten zu einer intensiven Nutzung importierter Blumen in den Gärten. Das bekannteste Werk eines holländischen Gartens findet sich in Het Loo. Durch holländische Vorbilder beeinflusste Anlagen sind zum Beispiel der Große Garten in Hannover und die Parkanlagen von Schloss Frederiksborg in Dänemark.

Rokokogärten

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelten sich aus den großzügigen Barockgärten zum Teil intimere Gärten des Rokoko. In den Anlagen des Rokoko wurde zumeist auf die überdimensionalen Freiflächen der französischen Gärten verzichtet und die einzelnen Bereiche erhielten bescheidenere Dimensionen. Auch das symmetrische Grundkonzept des klassischen französischen Gartens wurde zum Teil aufgegeben und auf eine mächtige Hauptachse verzichtet. Im Figurenschmuck fand eine Abkehr von schweren, mythologischen Motiven statt, hin zu heiteren Darstellungen mit Puttengruppen oder Bacchanten. Die Boskette erhielten Ausstattungen in Form verspielter Eremitagen und Ruinen, sogenannter Follies.

Als beispielhaft für einen Garten des Rokoko gelten der Garten von Schloss Veitshöchheim oder die Anlagen der Bayreuther Eremitage. In Norddeutschland war der Garten von Schloss Traventhal gerühmt, eine historistische Variante wurde im 19. Jahrhundert am Schloss Linderhof erschaffen.

Auswahl verschiedener Barockgärten

Schloss Versailles in Versailles bei Paris, mit ornamentalen Rasenflächen gestaltetes Orangerieparterre
Plan der Parkanlagen von Versailles; man erkennt, wie tiefgreifend das Wegesystem die Landschaft einbezieht
Gestell (nach historischen Vorbildern) zum Zurechtschneiden von Hecken im Park von Schloss Schönbrunn in Wien
Detail eines Broderiebeets im Großen Garten in Hannover-Herrenhausen
In Architekturformen geschnittener Heckengang, Schloss Schwetzingen
Das Boskett des Kegelspiels, Schloss Nymphenburg. Historische Ansicht nach Disel, 1722
Typischer französischer Garten am Schloss Fontainebleau
Broderiefläche im Garten von Schloss Frederiksborg auf Seeland
Schlosspark Neustrelitz – Blick auf einen der zwei Marmorspringbrunnen auf der erhaltenen barocken Sichtachse

Zu bemerken ist, dass nicht alle Barockparks vollständig erhalten sind und vielerorts Teilbereiche der Gärten im Laufe der Jahrhunderte umgestaltet wurden.

Deutschland

Österreich

Frankreich

Italien

Polen

Russland

Literatur

  • Marie Luise Gothein: Geschichte der Gartenkunst. Band 2: Von der Renaissance in Frankreich bis zur Gegenwart. Herausgegeben mit Unterstützung der Königlichen Akademie des Bauwesens in Berlin. Diederichs, Jena 1914. Nachdruck der 2. Aufl./1926 als 4. Aufl. 1997 ISBN 978-3-424-00935-4
  • Dieter Hennebo und Alfred Hoffmann: Geschichte der deutschen Gartenkunst, 3 Bände, Hamburg 1962–1965
  • Torsten Olaf Enge, Carl Friedrich Schröer: Gartenbaukunst in Europa. 1450–1800. Vom Villengarten der italienischen Renaissance bis zum englischen Landschaftsgarten. Taschen, Köln 1994, ISBN 3-8228-0402-9.
  • Hans Sarkowicz (Hrsg.): Die Geschichte der Gärten und Parks (= Insel-Taschenbuch 2723). Insel-Verlag, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-458-34423-3.
  • Gartenlust – Lustgarten. Die schönsten historischen Gärten in Deutschland. Offizieller Führer der Schlösserverwaltungen in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin-Brandenburg, Dessau-Wörlitz, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen. Schnell + Steiner, Regensburg 2003, ISBN 3-7954-1535-7.
  • Érik Orsenna: Portrait eines glücklichen Menschen. Der Gärtner von Versailles André le Nôtre 1613–1700 (dtv 20684). Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2004, ISBN 3-423-20684-5.
  • Ehrenfried Kluckert (Hrsg.): Gartenkunst in Europa. Von der Antike bis zur Gegenwart. Könemann, Köln 2005, ISBN 3-8331-1044-9.
  • Wilfried Hansmann, Kerstin Walter: Geschichte der Gartenkunst. Von der Renaissance bis zum Landschaftsgarten. DuMont-Literatur-und-Kunst-Verlag, Köln 2006, ISBN 3-8321-7670-5.
  • Barocke Gärten der Literatur. Eine europäische Anthologie. Herausgegeben und (weitgehend) übersetzt von Werner von Koppenfels. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 2007, ISBN 978-3-87162-066-9.

Weblinks

Commons: Barockgärten in Frankreich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien