Elbe-Seitenkanal

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Einmündungstrecke bei Artlenburg (Blickrichtung Süden)
Einmündung in die Elbe (Blickrichtung Norden)
Kombination Sperrtor/Brücke B209 bei Artlenburg

Der Elbe-Seitenkanal (ESK) ist eine Bundeswasserstraße[1] im Bundesland Niedersachsen zwischen dem Mittellandkanal bei Edesbüttel (MLK-km 233,65) westlich von Wolfsburg und der Elbe bei Artlenburg (Elbe-km 572,97). Eröffnet wurde der Kanal nach achtjähriger Bauzeit am 15. Juni 1976 durch den damaligen Bundesminister für Verkehr Kurt Gscheidle, den Bürgermeister der Hansestadt Hamburg Hans-Ulrich Klose und den Ministerpräsidenten von Niedersachsen Ernst Albrecht. Zuständig für die Verwaltung des ESK ist das Wasser- und Schifffahrtsamt Uelzen.

Bauzweck

Elbeseitenkanal während des Baus im September 1971 bei Lüneburg
Elbeseitenkanal 1971 bei Lüneburg mit Blick in den leeren Kanal

Der Hauptzweck des Kanalbaues bestand darin, innerhalb der Bundesrepublik Deutschland eine Verbindung zwischen Elbe und Mittellandkanal zu schaffen; die ursprüngliche Verbindung – das Wasserstraßenkreuz Magdeburg – lag während der deutschen Teilung in der DDR. Der Bau wurde dazu genutzt, ein Hindernis für Panzertruppen in Ost-West-Richtung zu erstellen. Die Kanalböschungen wurden als Sperre für Panzer aus Richtung Osten angelegt, aus Westen können die Böschungen in Richtung Osten in bestimmten Bereichen befahren werden. Die Brücken waren oder sind teilweise noch heute mit Sprengschächten ausgestattet, in den Unterführungen gab oder gibt es Panzersperren. Wirtschaftlich profitieren konnten von dem Kanal besonders die damals bundeseigene Salzgitter AG und weitere Industrieunternehmen im Raum Hannover-Braunschweig. Für den Kanalbau, insbesondere zum Aufschütten der bis zu sechs Meter hohen Kanalböschungen, wurden große Mengen an Sand benötigt. Das Material wurde teilweise in Kanalnähe entnommen, wodurch Baggerseen entstanden, die vielfach zu Badeseen wurden, wie der Bernsteinsee und der Tankumsee.

Seit der deutschen Wiedervereinigung wird der Kanal nicht nur als Abkürzung zwischen nördlicher Elbe und westlichem Mittellandkanal genutzt, sondern auch auf dem Weg zwischen nördlicher Elbe und östlichem Mittellandkanal, wenn die Elbe zwischen Schnackenburg und Magdeburg Niedrigwasser führt.

Verlauf

Straßenbrücke zwischen Altenmedingen und Edendorf bei km 86

Die Länge des Kanals beträgt 115,14 km[2] bei Wassertiefen von 4–4,5 m und Wasserspiegelbreiten von 54–70 m. Die Kilometrierung beginnt am Mittellandkanal. Der Höhenunterschied von 61 m vom Staubereich der Elbe oberhalb von Geesthacht bis in die Scheitelhaltung wird mit zwei Aufstiegsbauwerken überwunden. Die Scheitelhaltung des ESK oberhalb Uelzen schließt an die Scheitelhaltung des Mittellandkanals an. Der Kanal wurde vorwiegend im Trapezquerschnitt mit einer Wasserspiegelbreite von 53 m errichtet. Über weite Strecken, zum Beispiel bei Isenbüttel, verläuft der Kanal als Dammstrecke, das heißt, der Wasserspiegel des Kanals liegt höher als das umgebende Gelände. In diesen Bereichen wird der Kanal mittels Trogbrücken über Straßen, Eisenbahnstrecken und Gewässer geführt.

In der Scheitelhaltung sind bei den Orten Osloß, Weißes Moor und Bad Bodenteich Liegestellen für die Schifffahrt sowie in Wittingen ein Hafen errichtet worden. In der mittleren Kanalhaltung zwischen der Schleuse Uelzen und dem Hebewerk Scharnebeck wurden in Bad Bevensen und Wulfstorf (bei Bienenbüttel) Liegestellen sowie in Uelzen und Lüneburg Häfen gebaut. In der unteren Kanalhaltung gibt es keine Anlegestellen oder Häfen.

Die Wasserversorgung des Kanals für die Schleusungen, aber auch für Industrie und Landwirtschaft sowie für eine zusätzliche Versorgung der Scheitelhaltung des Mittellandkanals erfolgt ausschließlich aus der Elbe mittels Pumpwerken an den beiden Kanalstufen.

Bauwerke

Schiffshebewerk Lüneburg: Kanalbrücken zwischen oberem Vorhafen und den Trögen
Schleuse Uelzen I (rechts) und II (links)
Schleuse Uelzen, Luftaufnahme (2014)
Hochwassersperrtor bei Artlenburg

Schiffshebewerk Lüneburg

Das Schiffshebewerk Lüneburg in Scharnebeck (km 106,16) ist mit einer maximalen Fallhöhe von 38 m das zweitgrößte Senkrecht-Hebewerk Europas. Es handelt sich um ein Doppel-Schiffshebewerk mit zwei voneinander unabhängigen Trögen. Jeder Trog hat eine Länge von 105 m und eine Breite von 12 m, aufgrund von Schutzvorrichtungen gegen Schiffsstöße an den Trogtoren ist die nutzbare Länge auf 100 m beschränkt. Zur Zeit des Baus war das Standardschiff das so genannte Europaschiff mit 85 m Länge und 9,5 m Breite. Für diese Schiffe war die Troglänge ausreichend, die heutigen GMS (Großmotorschiffe) von 110 Meter Länge und die ÜGMS (Übergroßmotorschiffe) von 135 Meter Länge können das Hebewerk nicht passieren. Schubverbände müssen auseinandergekoppelt und einzeln gehoben oder gesenkt werden. Dies setzt voraus, dass beide Teile des Schubverbandes jeweils kürzer als 100 m sind. Der Zeitmehrbedarf hierfür gegenüber der 190 m langen Schleusenkammer Uelzen wird durch den Zeitgewinn beim Heben und Senken des Troges ausgeglichen.

Schleusengruppe Uelzen (Schleusen I und II)

Die Schleuse Uelzen I (km 60,62) überwindet als Sparschachtschleuse einen Höhenunterschied von 23 Metern. Sie hat die Abmessungen von 185 Metern Länge und zwölf Metern Breite und kann somit von GMS und ÜGMS passiert werden. Die Schleuse Uelzen ist eine sogenannte Sparschleuse; bei Talschleusungen wird ein Großteil des Wassers in drei seitliche Sparbecken geleitet. Dieses Wasser wird bei Bergschleusungen wieder zurück in die Schleusenkammer gelassen. Durch die Sparbecken werden so ca. 60 % des Wassers für die nächste Schleusung wiederverwendet. Nur ca. 40 % des Schleusenwassers fließen in die untere Kanalhaltung ab. Neben der Schleuse befindet sich ein Pumpwerk, mit dem nachts das verbrauchte Wasser in die obere Kanalhaltung zurückgepumpt wird. Aufgrund des erhöhten Verkehrsaufkommens auf dem Elbe-Seitenkanal und der Tatsache, dass die Schleuse Uelzen I bereits mehr als dreißig Jahre in Betrieb war, wurde östlich davon die Schleuse Uelzen II gebaut und im Dezember 2006 für die Schifffahrt freigegeben. Die neue Schleuse hat mit 190 Metern Länge und 12,5 Metern Breite leicht vergrößerte Abmessungen und kann auch von 185 Meter langen Schubverbänden passiert werden.

Hochwassersperrtor Artlenburg

Die Einmündungsstrecke unterhalb des Schiffshebewerks wird durch ein Sperrtor in Artlenburg bei km 114,74 gegen Elbehochwasser bei Wasserständen über NN + 8,0 m abgesperrt.

Sicherheitstore

Um bei Schäden das Auslaufen einer gesamten Kanalhaltung zu verhindern, sind im Kanal bei Wasbüttel (km 0,97), Osloß (km 9,72), Wieren (km 56,32) und Erbstorf (km 103,72) Sicherheitstore eingebaut.

Kreuzungen mit Verkehrswegen

Acht Eisenbahnstrecken, 65 Straßen und Wege werden mittels 55 Brücken und 14 Unterführungen (einige für mehrere Verkehrswege zugleich) gekreuzt.

Wenige Kilometer nördlich der Abzweigung des ESK aus dem Mittellandkanal unterquert die Bahnstrecke Lehrte–Berlin (als Teil der Schnellfahrstrecke Hannover–Berlin) den Kanal im 1974 fertiggestellten 965 m langen Elbe-Seitenkanal-Tunnel[3], dem längsten Eisenbahntunnel Norddeutschlands.

Die Durchfahrtshöhe unter Brücken und sonstigen Überbauten beträgt auf dem Elbe-Seitenkanal 5,25 m bei normalem Kanalwasserstand.

Straßenüberführung Nähe Schleuse Uelzen, Luftaufnahme (2014)

Kreuzungen mit Gewässern

Elf Flüsse und Kanäle, 14 größere Vorfluter und zwölf Gräben werden mit zwei Kanalbrücken über Aller und Ilmenau, 14 Durchlässen (mit freiem Wasserspiegel) und 16 Dükern (Unterführung unter Druck), z.B. dem Neetzedüker, gekreuzt.

Regelschiff auf dem ESK

Der Elbe-Seitenkanal entspricht der Wasserstraßenklasse Vb, diese erlaubt die folgenden Schiffsgrößen:

  • Schubverband: Länge 185 m, Breite 11,4 m, Tiefgang 2,8 m, Tragfähigkeit ca. 3500 t
  • Großmotorgüterschiff (GMS): Länge 110 m, Breite 11,4 m, Tiefgang 2,8 m, Tragfähigkeit ca. 2100 t (durchgehende Fahrt begrenzt auf 100 m Länge wegen Schiffshebewerk Scharnebeck)

Nutzung

Im Jahr 2015 wurden am Schiffshebewerk Lüneburg und an der Schleuse Uelzen Binnenschiffe mit rund 11 Millionen Tonnen Gütern bewegt. Dabei wurden fast 100.000 TEU befördert.[4]

Der Gesamtverkehr des ESK nahm im Jahr 2009 mit 7,819 Mio. t gegenüber dem Vorjahr um 0,905 Mio. t bzw. 10,4 % ab. Dadurch sank das Transportaufkommen erstmals seit 2005 wieder unter 8 Mio. t. Der Anteil des Durchgangsverkehrs am Gesamtverkehr auf dem ESK lag bei 7,35 Mio. t (ca. 94 %). Im Gebietsverkehr (0,49 Mio. t) waren insbesondere landwirtschaftliche Erzeugnisse, Düngemittel, Sand/Kies, Kohle/Koks, Metall, Erze und chemische Erzeugnisse sowie seit 2009 auch verstärkt Mineralöl umgeschlagen. Der Umschlag des Gebietsverkehrs fand im Jahr 2009 (nach Gewichtung absteigender Reihenfolge) in den Häfen Uelzen, Wittingen und Lüneburg statt.

Die Zahl der transportierten Container lag 2009 bei 70.047 TEU und sank damit im Vergleich zu 2008 (79.855 TEU) um etwa 14 %. Im Jahr 2014 stieg der Containertransport erstmals auf über 80.000 TEU, 2015 um weitere 20 % auf fast 100.000 TEU.

Dammbruch 1976

Gebrochene Kanalböschung bei Lüneburg, Juli 1976

Am 18. Juli 1976, wenige Wochen nach Eröffnung des Kanals, kam es zu einem Dammbruch bei Lüneburg. Der Kanal brach an einer Unterführung in der Gemeinde Adendorf im Ortsteil Erbstorf, kurz südlich des Schiffshebewerks Scharnebeck. Knapp vier Millionen Kubikmeter Wasser überfluteten etwa 15 km² Umland. Auf Luftaufnahmen ist noch heute das Ausflussgebiet gut zu erkennen.

Die ausgelaufene Wassermenge wäre noch um ein Vielfaches höher gewesen, wenn der gesamte Kanalabschnitt zwischen der Schleuse Uelzen und dem Schiffshebewerk Scharnebeck leergelaufen wäre. In Richtung Scharnebeck konnte ein Sicherheitstor bei Erbstorf geschlossen werden – die hierdurch zurückgehaltene Wassermenge war aber vergleichsweise gering. Wesentlich bedrohlicher war die Strecke in Richtung Uelzen, wo die nächste Absperrung mit Spundwänden erst in mehr als 25 Kilometer Entfernung bei Jastorf südlich von Bad Bevensen verfügbar war. Um das Auslaufen dieses Kanalabschnittes zu verhindern, wurde zunächst versucht, ein Binnenschiff im Kanal querzustellen, um so eine erste Barriere zu bilden und die Strömung zu bremsen. Nachdem dies gescheitert war, da die Halteseile des Schiffes rissen, fuhren stattdessen schwere Bergepanzer der Bundeswehr in den Kanal. Durch die Beruhigung der Strömung gelang es nach 15 Stunden endlich, eine provisorische Absperrung aus Metallteilen, Sandsäcken, Steinen und Kies zu errichten.[5]

Anschließend konnte der Kanal wiederhergestellt und im Juni 1977 endgültig dem Verkehr übergeben werden.

Ort des Dammbruchs: 53° 15′ 40,2″ N, 10° 29′ 7,1″ O

Trogbrücke des Elbe-Seitenkanals über die B 188 bei Gifhorn
Der durch die Sandentnahme beim Kanalbau entstandene Tankumsee bei Isenbüttel

Städte und Gemeinden am Elbe-Seitenkanal

Von Süden nach Norden:

Veranstaltungen

Alljährlich findet ein Marathonlauf statt, der fast komplett (40 von 42,2 km) auf dem westlichen Betriebsweg des Elbe-Seitenkanals gelaufen wird. Der Wettkampf wird im Landkreis Gifhorn zwischen Stüde (Start und Ziel) und einem Wendepunkt nahe Wittingen ausgetragen. Organisator ist der Marathonverein Stüde.

Radfahren und Wandern

Der Kanal verfügt an den Seiten über Schotterwege, die sich über die gesamte Länge erstrecken. Auf ihnen kann man vom Mittellandkanal bis zur Elbe mit dem Fahrrad fahren.

Trivia

Der Elbe-Seitenkanal wird manchmal scherzhaft auch „Heide-Suez“ genannt.[6][7] In der Anfangszeit wurde er auch als „Elbe-Pleitenkanal“ verhöhnt.[8]

Literatur

  • Karin Brundies/Harald Utecht: Elbe-Handbuch. Bd. 3, ESK und ELK (DSV-Verlag), ISBN 3-884123068
  • Ute Spieker: Der Elbe-Seitenkanal. Ein neuer Verkehrsweg im Hinterland der Häfen Hamburg und Lübeck. In: Wasserwirtschaft, Heft 10, 1973
  • Wasser- und Schifffahrtsdirektion Hamburg: Der Elbe-Seitenkanal. Hrsg. WSD Hamburg, August 1973
  • Wasser- und Schifffahrtsdirektionen Mitte und Nord: Binnenschifffahrt zwischen Hamburg und Salzgitter über den Elbe-Seitenkanal. Hrsg. WSD Mitte und Nord, Juli 1978
  • Horst Büttner/Dierk Schröder: Alles Wissenswerte über den Elbe-Seitenkanal. Hans-Christians-Verlag, Hamburg 1976
  • M. Eckholdt (Hrsg.): Flüsse und Kanäle – Die Geschichte der deutschen Wasserstraßen. DSV-Verlag, 1998

Einzelnachweise

  1. Verzeichnis E, lfd. Nr. 12 der Chronik, Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes
  2. Längen (in km) der Hauptschifffahrtswege (Hauptstrecken und bestimmte Nebenstrecken) der Binnenwasserstraßen des Bundes, Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes
  3. http://www.eisenbahn-tunnelportale.de/lb/inhalt/tunnelportale/6107.html nach STREDA der DB
  4. Eckhard-Herbert Arndt: Containerrekord auf Elbe-Seitenkanal. In: Täglicher Hafenbericht vom 11. Januar 2016, S. 3
  5. Dammbruch: Der Elbe-Seitenkanal läuft aus. Norddeutsche Geschichte. Norddeutscher Rundfunk, abgerufen am 17. Juli 2014.
  6. Egbert A. Hoffmann: Ärger mit „Heide-Suez“. In: Die Zeit. 22. Februar 1980, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 18. Oktober 2016]).
  7. Lars Gröning: "Heide Suez" verbucht erneut Rekordzahlen. In: www.ndr.de. NDR, 12. Januar 2016, abgerufen am 18. Oktober 2016.
  8. "Heide-Suez" besteht seit 25 Jahren. In: Die Welt. 12. Juni 2001, abgerufen am 18. Oktober 2016.

Weblinks

Commons: Elbe-Seitenkanal – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 52° 42′ 56″ N, 10° 39′ 42″ O