Heinz Billing

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Heinz Billing im Jahre 2012 in Garching bei München

Heinz Billing (* 7. April 1914 in Salzwedel) ist ein deutscher Physiker und Pionier im Bau von Computeranlagen und Datenspeichern sowie bei der Erforschung von Gravitationswellen.

Leben und Wirken

Heinz Billing gilt als einer der bedeutendsten Söhne der Stadt Salzwedel. Sein Vater Walter Billing war dort Rektor der Mädchenvolksschule, der nach dem Zweiten Weltkrieg die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands mitbegründete und in Salzwedel als Bürgermeister regierte. Billing gehörte zu den Ersten, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung in Deutschland arbeiteten und der sich später auch der Erforschung von Gravitationswellen widmete.

Der gebürtige Salzwedeler wuchs im elterlichen Haus als Sohn von Helma Billing, geborene Jaritz (* 18. November 1881 in Hadmersleben; † 31. Mai 1955 in Salzwedel) und Walter Billing (* 25. November 1877 in Magdeburg; † 6. Mai 1958 in Salzwedel) am Großen Stegel 55 auf. Die ersten beiden Schulklassen übersprang er. 1932 legte er am Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasium in Salzwedel[1] sein Abitur ab. Danach studierte er Mathematik und Physik, die ersten beiden Semester in Göttingen und dann in München. Nach dem Mathematik- und Physikstudium wurde er 1938 in München auf dem Gebiet der Kanalstrahlen mit der Gesamtbewertung „summa cum laudepromoviert. Im Rahmen dieser Arbeit führte er den von Albert Einstein im Jahre 1922 und später noch einmal 1926 vorgeschlagenen Spiegeldrehversuch durch, mit dem der Welle-Teilchen-Dualismus erneut experimentell bestätigt werden konnte. Zwar hatte Emil Rupp bereits 1926 im Rahmen seiner Habilitationsschrift behauptet, diese experimentelle Bestätigung gefunden zu haben, jedoch stellte sich in den 1930er Jahren heraus, dass Rupp seine experimentellen Daten gefälscht hatte.[2]

Am 3. Oktober 1943 heiratete er Anneliese Oetker (* 8. Juli 1921 in Salzwedel; † 31. Dezember 2008 in Garching b. München) in Salzwedel. Billing hat drei Kinder: Heiner Erhard Billing (* 18. November 1944 in Göttingen), Dorit Gerda Gronefeld geb. Billing (* 27. Juni 1946 in Göttingen) und Arend Gerd Billing (* 19. September 1954 in Göttingen). 1967 erhielt er die Honorarprofessur für Informatik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU).

Nach dem zehnsemestrigen Studium bewarb sich Heinz Billing bei der Aerodynamischen Versuchsanstalt (AVA) in Göttingen, um mit dieser Arbeit, wie einst sein Vater, dem Wehrdienst zu entgehen. Sein Vater wurde im Ersten Weltkrieg nicht Soldat und konnte bei der Familie bleiben. Im November 1938 wurde Heinz Billing dann doch zum Wehrdienst einberufen, und zwar zu einem Scheinwerferregiment nach Wolfenbüttel. Er wurde dann aber Anfang 1941 überraschend als UK (= unabkömmlich) gestellt. Das bewirkte sein ehemaliger Institutsdirektor Hans Georg Küssner[3][4] von der AVA in Göttingen. Er konnte sich so dem aktiven Wehrdienst und Kriegstreiben entziehen und sich seiner beruflichen Aufgabe widmen.

Heinz Billing (links) mit Konrad Zuse auf der Systems '91

Trotz der Isolation Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg forschte und arbeitete er am Institut für Instrumentenkunde in der Max-Planck-Gesellschaft, das auf dem Gelände der AVA in Göttingen angesiedelt war, wo er 1948 den Magnettrommelspeicher erfand und Rechenmaschinen entwickelte. Billing verwendete dafür hauptsächlich Verstärkerröhren. In dieser Zeit erfuhr er von der neuartigen Maschine ENIAC aus den USA. Gefesselt von der Leistung dieses elektronischen Rechenautomaten, wollte Billing mehr erfahren. 1947 fand ein Austausch mit hochrangigen, englischen Wissenschaftlern und Computerfachleuten aus dem National Physical Laboratory (NPL) in Teddington statt, an dem u. a. John Roland Womersley (1907–1958), Arthur Porter und Alan Turing beteiligt waren. In Form eines Kolloquiums befragten die britischen Fachleute deutsche Wissenschaftler, wie Heinz Billing, Konrad Zuse, Alwin Walther und Helmut Schreyer. Heinz Billing wurde so das erste Mal mit der Idee der Dualzahlen und der Datenspeicherung konfrontiert. Im Gegensatz zu den Engländern, die mit akustischen Speichern arbeiteten, griff Billing auf seine Erfahrungen zurück und verwendete für Musikaufnahmen gedachte Magnetophonbänder. Billing nutzte 1948 die auf eine rotierende Trommel geklebten Bänder, um Zahlen zu speichern.

Nach einem Aufenthalt von einem dreiviertel Jahr an der Universität in Sydney wurde er von Werner Heisenberg an das Max-Planck-Institut für Physik in Göttingen geholt, wo er 1952 den ersten Elektronenrechner G1 (Göttingen 1) für den Astronomen Ludwig Biermann entwickelte. Der Rechner konnte zwei Operationen pro Sekunde ausführen und hatte einen Trommelspeicher für 26 Wörter mit jeweils 32 Bit. Später konstruierte er dessen Nachfolger G2, dessen Planung bereits vor der G1 in Arbeit war, und entwickelte die G3, die 1960 bis 1972 in Betrieb war. Die Eingabe erfolgte bei allen drei Rechnern als Dezimalzahlen über eine umgebaute Schreibmaschine, der Rechner übersetzte diese Eingaben in Dualzahlen, gab das Ergebnis jedoch wieder in Dezimalzahlen aus. Später wurden Lochbänder verwendet. Die G3 hatte als Hauptspeicher einen magnetischen Kernspeicher mit einer Zykluszeit von 10 μs, der aus 4096 Worten zu je 42 Bit bestand.[5]

G3

Das Max-Planck-Institut wurde 1958 nach München verlegt und in Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik umbenannt, die Abteilung Astrophysik zog 1979 als Max-Planck-Institut für Astrophysik nach Garching. Im Jahr 1961 wurde er zum "Wissenschaftlichen Mitglied" der Max-Planck-Gesellschaft berufen. [6] Im Namen des Freistaates Bayern wurde Billing am 26. Juli 1967 zum Honorarprofessor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg bestellt. 1968 wurde Billing Vorsitzender des neu gegründeten Beratenden Ausschusses für Rechenanlagen in der Max-Planck-Gesellschaft (BAR)[7] und blieb dies bis 1986. Danach gehörte er dem Gremium noch bis 1998 an.

1993 wurde der Heinz-Billing-Preis zur Förderung des wissenschaftlichen Rechnens [8] von der Heinz-Billing-Vereinigung zur Förderung des wissenschaftlichen Rechnens e.V., einem innerhalb der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) gegründeten Verein, unter dem Leitmotiv „EDV als Werkzeug der Wissenschaft“ ins Leben gerufen. Er ist mit 5.000 Euro dotiert und wird alle 2 Jahre vergeben. Mit dem Preis sollen die Leistungen derjenigen anerkannt werden, die in zeitintensiver und kreativer Arbeit die notwendige Hard- und Software entwickeln, die heute für neue Vorstöße in der Wissenschaft unverzichtbar sind. Bis 2005 wurde der Preis von der Heinz-Billing-Vereinigung zur Förderung des wissenschaftlichen Rechnens e.V. vergeben. Seit 2006 wird die Vergabe vom Stiftungsrat der Heinz-Billing-Stiftung der Max-Planck-Gesellschaft vorgenommen. Dem Kuratorium gehört auch Heinz Billing selbst an.

Als Hardware-Spezialist für Computerspeicherung, als 1961 berufenes wissenschaftliches Mitglied des Max-Planck-Institutes, als berufener Honorarprofessor der Universität Erlangen-Nürnberg seit 1967, als wissenschaftlicher Leiter des Fachausschusses für Tagungen von Industrie und Hochschulen, als Mitbegründer und langjähriger Mitarbeiter der Fachzeitschrift „Elektronische Rechenanlagen“ und als Mitinitiator für die Schaffung erstmals einheitlicher Begriffe, einheitlicher Lehrbücher für: „Computer“ und „Informatik“ sowie als Begleiter der Münchener Messegesellschaft bei Ausstellungen und internationalen Kongressen über Mikroelektronik tat Billing auch alles in seinen Kräften Stehende, um das entscheidende Hindernis, im Weltmaßstab mit Schritt zu halten, abzubauen.

Billings wissenschaftlicher Schwerpunkt war seit 1970 die Erforschung von Gravitationswellen.[9] Er konstruierte eine Reihe von Laserantennen, um diese Wellen nachweisen zu können. Wenige Wochen vor seinem 100. Geburtstag kam die Nachricht, dass Gravitationswellen möglicherweise durch Forscher des Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) nachgewiesen wurden.[10] Doch das erwies sich später als Irrtum.[11] Der Nachweis ist erstmals am 14. September 2015 durch Forschern am LIGO, der Detektoranlage in den USA, gelungen.[12] [13] Auch daran hat Billing einen großen Anteil.

"Billing muss nicht nur als deutscher Computerpionier in einem Atemzug mit Konrad Zuse genannt werden, er hat sich seit Anfang der 1970er-Jahre auch intensiv mit der Erforschung der Gravitationswellen befasst. In jedem Fall war Heinz Billing beides, Computerpionier und Gravitationswellenpionier. Seine Beiträge zu Computern sind sicher vergleichbar mit denen von Konrad Zuse. Ohne seine Arbeit wären Projekte, wie der britisch-deutsche Gravitationswellendetektor bei Hannover (GEO600) und das US-amerikanische Laser-Interferometer Gravitationswellen-Observatorium (LIGO) nicht möglich gewesen," betonte Karsten Danzmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) und Professor an der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover anlässlich des 100. Geburtstages von Billing.

Nachdem der Salzwedeler Mark Bluhm (CDU) im Jahre 2008/2009 mehrere Berichte über Billing geschrieben hatte und diesen für jegliche Ehrungen der Stadt Salzwedel bis zur Ehrenbürgerschaft vorschlug, beantragte die FDP-Stadtratsfraktion im Jahre 2013, Heinz Billing zum Ehrenbürger seines Geburtsortes Salzwedel zu ernennen. Auf der Sitzung des Stadtrates am 12. Juni 2013 wurde beschlossen, Billing die Ehrenbürgerschaft zu verleihen. Die Verleihung der Ehrenbürgerwürde fand im Rahmen einer Feierstunde in Salzwedel am 9. August 2013 statt, bei der sich Billing auch ins Goldene Buch der Stadt Salzwedel eintragen durfte. Darüber hinaus wurde er zum Ehrenmitglied der Vereinigung der Ehemaligen des Jahn-Gymnasiums zu Salzwedel ernannt.

Auf Vorschlag und Initiative des Mark Bluhm wurde Heinz Billing im Jahre 2015 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Der Bundespräsident Dr. Joachim Gauck war der Empfehlung des Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer aufgrund der Anregung von Bluhm gefolgt und hatte der Verleihung mit Urkunde vom 27. Mai 2015 zugestimmt. Der Verdienstorden wurde ihm aus gesundheitlichen Gründen in seinem Hause in Garching am 8. Oktober 2015 durch die stellvertretende Ministerpräsidentin des Freistaates Bayern und Bayerische Staatsministerin für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie, Frau Ilse Aigner, im Rahmen eines feierlichen Festakts überreicht.

Billing lebt seit mehr als 40 Jahren in Garching b. München. Am 7. April 2014 feierte er seinen 100. Geburtstag.

Auszeichnungen und Ehrungen

Veröffentlichungen

  • Heinz Billing: Ein Interferenzversuch mit dem Lichte eines Kanalstrahles. J. A. Barth, Leipzig 1938.
  • Heinz Billing, Wilhelm Hopmann: Mikroprogramm-Steuerwerk. In: Elektronische Rundschau. Heft 10, 1955.
  • Heinz Billing, Albrecht Rüdiger: Das Parametron verspricht neue Möglichkeiten im Rechenmaschinenbau. In: eR – Elektronische Rechenanlagen. Band 1, Heft 3, 1959.
  • Heinz Billing: Lernende Automaten. Oldenbourg Verlag, München 1961.
  • Heinz Billing: Die im MPI für Physik und Astrophysik entwickelte Rechenanlage G3. In: eR – Elektronische Rechenanlagen. Band 5, Heft 2, 1961.
  • Heinz Billing: Magnetische Stufenschichten als Speicherelemente. In: eR – Elektronische Rechenanlagen. Band 5, Heft 6, 1963.
  • Heinz Billing: Schnelle Rechenmaschinenspeicher und ihre Geschwindigkeits- und Kapazitätsgrenzen. In: eR – Elektronische Rechenanlagen. Band 5, Heft 2, 1963.
  • Heinz Billing, Albrecht Rüdiger, Roland Schilling: BRUSH – Ein Spezialrechner zur Spurerkennung und Spurverfolgung in Blasenkammerbildern. In: eR – Elektronische Rechenanlagen. Band 11, Heft 3, 1969.
  • Heinz Billing: Zur Entwicklungsgeschichte der digitalen Speicher. In: eR – Elektronische Rechenanlagen. Band 19, Heft 5, 1977.
  • Heinz Billing: A wide-band laser interferometer for the detection of gravitational radiation. progress report, Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik, München 1979.
  • Heinz Billing: Die Göttinger Rechenmaschinen G1, G2, G3. In: Entwicklungstendenzen wissenschaftlicher Rechenzentren, Kolloquium, Göttingen. Springer, Berlin 1980, ISBN 3-540-10491-7.
  • Heinz Billing: The Munich gravitational wave detector using laser interferometry. Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik, München 1982.
  • Heinz Billing: Die Göttinger Rechenmaschinen G1, G2 und G3. In: MPG-Spiegel. 4, 1982.
  • Heinz Billing: Meine Lebenserinnerungen. Selbstverlag, 1994.
  • Heinz Billing: Ein Leben zwischen Forschung und Praxis. Selbstverlag F. Genscher, Düsseldorf 1997.
  • Heinz Billing: Fast memories for computers and their limitations regarding speed and capacity (Schnelle Rechenmaschinen- speicher und ihre Geschwindigkeits- und Kapazitätsgrenzen). In: IT – Information Technology. Band 50, Heft 5, 2008.

Literatur und Artikel

Weblinks

Commons: Heinz Billing – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasium Salzwedel
  2. Emil Rupp, Albert Einstein and the Canal Ray Experiments on Wave-Particle Duality: Scientific Fraud and Theoretical Bias
  3. Hans Georg Küssner in der Deutschen Biographie
  4. Thomas Bührke: Fliegen ohne Flattern (PDF; 2,9 MB), In: DLR Nachrichten. Nr. 117, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), S. 44–49
  5. Eigenschaften des Rechners G3
  6. Im Jahr 1982 wurde er emeritiert. Siehe für beide Daten Kazemi/Henning: Chronik der KWG und MPG, Berlin 2011, Seite 960.
  7. Ernst von Biron, Reinhard Hennings: Die Geschichte des BAR. Eine Dokumentation aus Anlass der 200. Sitzung des BAR am 30. November 2001 (PDF; 670 kB), S. 81–124
  8. Heinz-Billing-Preis zur Förderung des wissenschaftlichen Rechnens
  9. Gravitationswellendetektor Garching
  10. "Urknall: Erster direkter Beweis für kosmologische Inflation - Gravitationswellen"
  11. "Der Sensationsfund ist zu Staub zerfallen"
  12. "Die Gravitationswellen sind nachgewiesen"
  13. "Erstmals Nachweis von Gravitationswellen gelungen"