John Dickie (Sänger)

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John Dickie (* 5. September 1953 in London; † 6. Jänner 2010 in Baden bei Wien) war ein österreichischer Kammersänger und ein Opern- und Operettensänger in der Stimmlage Tenor.

Leben

John Dickie wurde als Sohn des Sänger-Ehepaars Murray Dickie (* 3. April 1924 in Bishoptown, Renfrewshire, Schottland; † 19. Juni 1995 in Kapstadt, Südafrika[1]) und Maureen Springer-Dickie (1928–1976) in London geboren. Er wuchs in Wien und, vor allem, in Baden bei Wien auf[2], wo er 1972 am Bundesrealgymnasium maturierte[3] und wo er Mitglied im Badener Kammerchor war.[4]

Dickie absolvierte zunächst eine dreijährige Gesangsausbildung an der Musikhochschule Wien, dann eine zweijährige am Konservatorium der Stadt Wien. Zu seinen Lehrerinnen gehörte unter anderem die bekannte Sopranistin Hilde Zadek. An der Wiener Volksoper debütierte er 1977 in der Rolle des Ersten Priesters in Mozarts Oper Die Zauberflöte.[5] 1978 gehörte er dort auch zur Premierenbesetzung der Ballettoper Preußisches Märchen von Boris Blacher.[6]

Dickie begann dann eine Karriere in Deutschland als lyrischer Tenor mit Festengagements am Opernhaus Wuppertal (1979–1982) sowie am Nationaltheater Mannheim (1982–1985). Ab 1985 war er dann als sogenannter „Erster lyrischer Tenor“ Ensemblemitglied an der Hamburger Staatsoper.[7]

1983 debütierte Dickie an der Wiener Staatsoper in der Rolle des Conte Almaviva in Gioacchino Rossinis komischer Oper Der Barbier von Sevilla. In der Saison 1987/88 wurde Dickie festes Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper. Dort sang er sowohl das Rollenfach des Buffotenors und des Spieltenors, wurde aber auch regelmäßig als Haustenor im lyrischen Tenor-Fach eingesetzt. Zu seinen lyrischen Rollen an der Staatsoper gehörten unter anderem Tamino in Die Zauberflöte, Ferrando in Così fan tutte und Narraboth in Salome. Außerdem übernahm er regelmäßig zu Silvester und Neujahr den Eisenstein in der Operette Die Fledermaus. Im Buffo-Fach sang er unter anderem Monostatos, Valzacchi in Der Rosenkavalier, Steuermann in Der Fliegende Holländer und die vier Dienerrollen in Hoffmanns Erzählungen. Im Mai 1995 wirkte er an der Wiener Staatsoper als Don Fabrizio in der Uraufführung der Oper Gesualdo von Alfred Schnittke mit.[8] Intensiv widmete sich Dickie der Interpretation von Werken der Klassischen Moderne. 2000 sang er in Wien in dem Oratorium Die Jakobsleiter von Arnold Schönberg, 2001/02 sang er Red Whiskers in der Neuinszenierung der Oper Billy Budd von Benjamin Britten. In der Saison 2006/07 übernahm er an der Wiener Staatsoper in einer Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf die Rolle des Graf Elemer in einer Neueinstudierung der Oper Arabella.[9]

Seit der Saison 1987/88 war Dickie unter der Direktion von Eberhard Waechter, der Dickie dauerhaft nach Wien zurückholte, gleichzeitig auch festes Mitglied der Wiener Volksoper[10], wo er ebenso im lyrischen Fach auftrat und häufig als Operettentenor besetzt wurde. An der Volksoper sang Dickie unter anderem Fenton in Die lustigen Weiber von Windsor, Ferrando in Così fan tutte, Don Ottavio in Don Giovanni, Caramello in Eine Nacht in Venedig und ebenfalls den Eisenstein, der zu seinen besonderen Glanzrollen gehörte. In der Spielzeit 1988/89 übernahm er kurzfristig die Partie des Wilhelm Meister in einer Neuinszenierung der Oper Mignon (Premiere: Oktober 1988, Regie: Robert Herzl).[11] In der Spielzeit 1991/92 übernahm er an der Wiener Volksoper den Graf Stanislaus in einer Neuinszenierung der Operette Der Vogelhändler.[12] An der Volksoper trat Dickie 1998 als Padre in dem Musical Der Mann von la Mancha auf.[13] Dort erweiterte Dickie 2007 mit der jugendlichen Heldentenor-Rolle des Mathias Freudhofer in Wilhelm Kienzls Oper Der Evangelimann auch sein Rollenspektrum und beging mit dieser Partie zugleich sein 30-jähriges Bühnenjubiläum.[14]

Insgesamt trat Dickie in Wien an Staats- und Volksoper in insgesamt 987 Vorstellungen auf: in 86 verschiedenen Partien, 81 verschiedenen Werken und 28 Premieren.[15]

1981 debütierte Dickie bei den Bregenzer Festspielen als Tamino in der gefeierten Inszenierung von Jérôme Savary.[16] 1982 folgte der Arturo in Lucia di Lammermoor.[17] 1984 sang Dickie dann in Bregenz auf der Seebühne Graf Stanislaus in Carl Zellers Operette Der Vogelhändler.[18] Von Deutschland aus gastierte er auch in dieser Zeit sehr erfolgreich immer wieder an der Wiener Volksoper, unter anderem 1984 als Lyonel in der Oper Martha von Friedrich von Flotow.[19] Im Februar 1986 war Dickie Solist bei einem Operetten-Konzert mit dem Münchner Rundfunkorchester, gemeinsam mit seiner Wiener Kollegin Ulrike Steinsky.[20] In der Spielzeit 1993/94 gastierte er am Landestheater Linz als Hans in der Oper Die verkaufte Braut. 1998 sang er beim Niederösterreichischen Operettensommer auf Schloss Haindorf in Langenlois den Leutnant Niki in der Operette Ein Walzertraum von Oscar Straus.[21]

John Dickie Grabstätte

Dickie gastierte auch bei den Salzburger Festspielen. Dort sang er 2002 den Sebas in der Oper Der König Kandaules von Alexander Zemlinsky.[22] 2004 war er der Haushofmeister bei der Feldmarschallin in Richard Strauss’ Oper Der Rosenkavalier.[23]

2006 gastierte er erfolgreich als Stewa in der Oper Jenůfa von Leoš Janáček an der Staatsoper Prag.[24]

Gastspiele gab er auch an der Deutschen Oper Berlin, an der Covent Garden Opera in London, an der Grand Opéra in Paris, am Grand Théâtre de Genève und an der Deutschen Oper am Rhein.

Die Stimme von John Dickie ist durch mehrere Tonaufnahmen auf Schallplatten, CDs sowie in Rundfunkaufnahmen dokumentiert. Bei dem Label Naxos erschienen zwei Gesamtaufnahmen mit John Dickie (Ferrando in Così fan tutte und Eisenstein in der Operette Die Fledermaus).

John Dickie starb nach langer, schwerer Krankheit in Baden bei Wien. Posthum erschien 2012 das Album Debts Paid mit acht Songs, die Dickie selbst geschrieben und kurz vor seinem Tod zusammen mit seinem Bruder David aufgenommen hatte.[25]

Ehrungen und Auszeichnungen

Am 3. Juni 2008 wurde John Dickie in Anerkennung seiner künstlerischen Verdienste sowie seines über 25 Jahre dauernden Wirkens an der Wiener Staatsoper mit dem Berufstitel Kammersänger ausgezeichnet.[26]

Literatur

  • Karl J. Kutsch und Leo Riemens: Großes Sängerlexikon. Dritte, erweiterte Auflage. München 1999. Band 2: Davislim–Hiolski, ISBN 3-598-11419-2, S. 894.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Elizabeth Forbes: Obituaries: Murray Dickie. In: independent.co.uk. (englisch). 29. Juni 1995, abgerufen am 3. September 2012
  2. Habsburgerstraße 40. Adresse online. Abgerufen am 29. April 2016 (Siehe: (Für Murray Dickie): Deutsches Bühnen-Jahrbuch. Spielzeit 1979/80. Band 88.1979/80, ZDB-ID 1232-4. Druck und Kommissionsverlag F. A. Günther & Sohn, Hamburg 1979, S. 468).
  3. Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium, Baden, Niederösterreich, Biondekgasse (Hrsg.): Jahresbericht über das Schuljahr 1971/72. 109. Bestandsjahr. Band 109.1972, ZDB-ID 2192914-2. Baden 1972.
  4. Alfred Willander: Baden bei Wien – Stadt der Musik. Kral, Berndorf 2007, ISBN 3-902447-23-0, S. 80. – Inhaltsverzeichnis (PDF).
  5. Tenor John Dickie gestorben (Memento vom 14. Januar 2010 im Internet Archive). In: oe1.orf.at, 7. Jänner 2010, abgerufen 3. September 2012.
  6. Herbert Prikopa: Die Wiener Volksoper. Die Geschichte eines notwendigen Theaters. Zum hundertsten Geburtstag im Dezember 1998. Ibera-Verlag, Wien 1999. ISBN 3-900436-67-3, S. 201.
  7. Orpheus. Ausgabe Nr. 5/1984, ISSN 0932-6111. Künstlernachrichten, S. 392
  8. Rollenverzeichnis von John Dickie in: Andreas Láng: Chronik der Wiener Staatsoper 1945 bis 2005. Aufführungen, Besetzungen, Künstlerverzeichnis. Löcker, Wien 2006, ISBN 3-85409-449-3, S. 367/368.
  9. Marianne Zelger-Vogt: «Leid und Freud und Wehtun und Verzeihn» (Aufführungskritik). In: Neue Zürcher Zeitung online, 13. Dezember 2006, abgerufen am 3. September 2012.
  10. Wilhelm Sinkovicz: Erinnerung an John Dickie. Nur ein Haus, in dem ein Tenor wie er einfach „da“ ist, ist ein Weltklassehaus. In: diepresse.com, 11. Jänner 2010, abgerufen am 3. September 2012.
  11. Michael Blees: Langeweile statt Poesie. Aufführungskritik. In: Orpheus. Ausgabe 11, November 1988, S. 880.
  12. Michael Blees: Lieblose Pflichtübung. Aufführungskritik in: Orpheus. Ausgabe 3, März 1992, S. 45
  13. Christoph Wagner-Trenkwitz, Felix Brachetka (Mitarb.): „Es grünt so grün …“. Musical an der Wiener Volksoper. Amalthea, Wien 2007, ISBN 978-3-85002-632-1, S. 166.
  14. Wilhelm Kienzl: Der Evangelimann Besetzungsdetails und Pressestimmen auf der Homepage von Elisabeth Kulman.
  15. John Dickie 56-jährig verstorben. In: derstandard.at, 7. Jänner 2010, abgerufen am 3. September 2012.
  16. Vita John Dickie MOZART: Tenor Arias, Begleit-Text zur CD bei Naxos
  17. Horst Koegler: Opera Review--Donnizetti: Lucia di Lammermoor (Memento vom 18. Januar 2004 im Internet Archive). (Aufführungskritik, englisch). The Metropolitan Opera Guild, 1982, abgerufen am 3. September 2012.
  18. Orpheus. Ausgabe Nr. 5/1984, ISSN 0932-6111. Besetzungen der Bregenzer Festspiele 1984, S. 378
  19. Orpheus. Ausgabe Nr. 6/1984, ISSN 0932-6111. Aufführungskritik Flottes Glück, S. 459: „Den Lyonel JOHN DICKIE kann man ohne Übertreibung als den Star des Abends bezeichnen. Mit seinem strahlenden und höhensicheren Tenor machte Dickie wieder einmal auf sich aufmerksam als eine der großen jungen Hoffnungen des lyrischen Fachs.“
  20. Freundeskreis des Münchner Rundfunkorchesters e. V. Konzertprogramm der Saison 1985-1986
  21. Archiv. (…) 1998: "Ein Walzertraum" von Oscar Strauß. In: operettensommer.at, abgerufen am 2. August 2013.
  22. ALEXANDER ZEMLINSKY • DER KÖNIG KANDAULES
  23. RICHARD STRAUSS • DER ROSENKAVALIER. Homepage der Salzburger Festspiele, abgerufen am 26. April 2016.
  24. CESKY VERISMO – Jenufa, Staatsoper, 16. Mai 2006. Aufführungskritik. Ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 29. April 2016.@1@2Vorlage:Toter Link/www.theaterspielen.ch (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  25. John Dickies Vermächtnis in: Niederösterreichische Nachrichten; abgerufen am 31. März 2013
  26. John Dickie zum Österreichischen Kammersänger ernannt Klassik.com vom 6. Juni 2008.