Liebe und Zorn

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Film
Titel Liebe und Zorn
Originaltitel Amore e rabbia
Produktionsland Italien, Frankreich
Originalsprache Italienisch
Erscheinungsjahr 1969
Länge 100 Minuten
Stab
Regie
Drehbuch
  • Carlo Lizzani
  • Pier Paolo Pasolini
  • Bernardo Bertolucci
  • Jean-Luc Godard
  • Marco Bellocchio
Produktion Carlo Lizzani
Musik Giovanni Fusco
Kamera Alain Levent, Sandro Mancori, Aiace Parolin, Ugo Piccone, Giuseppe Ruzzolini
Schnitt Nino Baragli, Franco Fraticelli, Agnès Guillemot, Roberto Perpignani
Besetzung
Gleichgültigkeit:

Die Geschichte einer Papierblume

Todeskampf

Liebe

Wir reden und reden

Liebe und Zorn (Amore e rabbia) ist ein Episodenfilm aus dem Jahr 1969, dessen Teile von den Regisseuren Marco Bellocchio, Bernardo Bertolucci, Jean-Luc Godard, Carlo Lizzani und Pier Paolo Pasolini inszeniert wurden.

Grundidee[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Film setzt sich mit christlichen Glaubensgrundsätzen und deren Gültigkeit in der Moderne auseinander. Die Idee dazu kam von zwei katholischen Journalisten, Pucio Pucci und Piero Badalassi, die sie den nicht als besonders katholisch bekannten Regisseuren unterbreiteten. Als ursprünglicher Titel war Vangelo ’70 vorgesehen, also Evangelium ’70.[1]

Die fünf Episoden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Gleichgültigkeit“ von Carlo Lizzani[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Gleichgültigkeit (L'indifferenza) wird in New York ein Autofahrer von der Polizei angehalten, um ein verletztes Verkehrsopfer in ein Krankenhaus zu fahren. Plötzlich flüchtet er auf eine andere Route und wird dann verfolgt.

„Die Geschichte einer Papierblume“ von Pier Paolo Pasolini[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die etwa 12 Minuten lange Episode La sequenza del fiore di carta zeigt einen jungen, unbekümmerten Mann, der fröhlich mit einer Papierblume durch den Verkehr einer belebten Straße, der Via Nazionale in Rom, läuft; dabei werden immer wieder monochrome Bilder von bedrohlichen aktuellen politischen Ereignissen, wie dem Vietnamkrieg oder den Ost-West-Beziehungen in der Zeit des Kalten Krieges, über die Szene geblendet. Gegen Ende der Episode ist aus dem Off die Stimme Gottes zu hören, die den Jungen, der von all dem nichts weiß, auffordert, aufzuwachen und sich seiner Welt bewusst zu werden. Doch der versteht nichts, und so lässt Gott ihn sterben.

Pasolini bezieht sich in dieser Episode auf die Verfluchung des Feigenbaums durch Jesus (Mt 21,18–22 ELB): Jesus kommt am Tag nach der Tempelreinigung hungrig an einen Feigenbaum und lässt ihn verdorren, weil dieser keine Früchte trägt. Pasolini interpretiert die Geschichte neu: „Es gibt Augenblicke in der Geschichte, in denen man nicht unschuldig sein kann, in denen man wach sein muss; nicht wach zu sein, heißt sich schuldig zu machen.“[2]

„Todeskampf“ von Bernardo Bertolucci[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Episode Todeskampf (Agonia) stammt von Bernardo Bertolucci, der in jenen Jahren für einen längeren Spielfilm keine Mittel fand und hier eine Gelegenheit sah, endlich wieder zu drehen.

Der ursprüngliche Titel Il fico infructoso verwies auf das Gleichnis vom Feigenbaum ohne Früchte aus dem Lukas-Evangelium (13,6–9 ELB). Darin stellt ein Weinbauer fest, dass ein vor drei Jahren gepflanzter Feigenbaum an seinem Berg keine Frucht trägt, doch Land beansprucht, und will ihn schlagen. Doch sein Gärtner will ihn düngen und ihm noch ein Jahr geben; sollte der Baum dann noch immer nicht fruchten, soll er umgehauen werden. In der Episode ist es ein alter Mann, der nichts Böses getan hat, aber aus Feigheit vor dem Leben auch nichts Gutes; der Sterbende war schon zu Lebzeiten eher ein Toter, „einer der Lauen aus dem dritten Gesang.[3][4]

Die Episode wurde in zwölf Tagen in einem Cinecittà-Studio abgedreht. Die Theatertruppe ist das Living Theater.[5] Die Dreharbeiten begannen in freundlicher, familiärer Stimmung, doch fiel es Bertolucci zunehmend schwer, die Truppe zu disziplinierter Arbeit anzuhalten.[6] Die Stimmung besserte sich bei der Vorführung des Endergebnisses. Die Theatertruppe war es gewohnt, von Filmern ohne Budget und mit wackelnder Kamera dokumentiert zu werden. Sie freuten sich, sich selbst auf stabilen Bildern, in Farbe und im Breitformat zu sehen.[5]

Die Kritik sprach teils von einem Talent einer klaren poetischen Kraft und einer überzeugenden visuellen Strenge,[7] teils von einem Experiment, dessen Tragweite die Neugier auf die Gesichter der Theaterdarsteller nicht übersteigt.[8]

„Liebe“ von Jean-Luc Godard[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zwei Liebespaare reden in L'amore auf einer üppig begrünten Terrasse abwechselnd auf Französisch und Italienisch über Politik und soziale Strukturen.

„Wir reden und reden“ von Marco Bellocchio[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Discutiamo, discutiamo: In einem Schulzimmer führen ultralinke und konservative Studenten eine Redeschlacht mit Rollenspielen. Dabei „tritt die Wechselwirkung von Repression und Gewalt und die ohnmächtige Wut der studentischen Opposition von 1968 zutage.“ Nach Goffredo Fofi zeigt die Episode „die Wirklichkeit und Vitalität der ersten Periode der Studentenbewegung.“[9]

Kritiken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Ein schwieriger Episodenfilm, der jedoch thematisch und formal beachtlich ist.“

„Fünfteiliger Episodenfilm, dessen einzelne Teile nur sehr locker etwas mit dem Oberthema zu tun haben. […] Obwohl die Qualität unterschiedlich ist und auch der Grad der Schwierigkeit, ein insgesamt lohnender und des Nachdenkens fördernder Film.“

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei den Internationalen Filmfestspielen 1969 in Berlin nahm der Film am Wettbewerb um den Goldenen Bären teil.

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Il giorno, 22. September 1967, abgedruckt in: F. Gérard, T.J. Kline, B. Sklarew (Hrsg.): Bernardo Bertolucci: Interviews. University Press of Mississippi, Jackson 2000, ISBN 1-57806-204-7, S. 31
  2. Pier Paolo Pasolini: Pasolini über Pasolini: im Gespräch mit Jon Halliday. Folio Verlag, Wien, Bozen 1995, S. 130/131
  3. Kuhlbrodt, Dietrich: Bernardo Bertolucci. Reihe Film 24, Hanser Verlag, München 1982, ISBN 3-446-13164-7, S. 117
  4. Bernardo Bertolucci im Gespräch mit Il giorno, 22. September 1967, abgedruckt in: F. Gérard, T.J. Kline, B. Sklarew (Hrsg.): Bernardo Bertolucci: Interviews. University Press of Mississippi, Jackson 2000, ISBN 1-57806-204-7, S. 29
  5. a b Ungari, Enzo und Ranvaud, D.: Bertolucci par Bertolucci, Calmann-Lévy, 1987, ISBN 2-7021-1305-2, S. 44
  6. Tonetti, Claretta Micheletti: Bernardo Bertolucci. The cinema of ambiguity. Twayne Publishers, New York 1995, ISBN 0-8057-9313-5, S. 48
  7. La revue du cinéma, Nr. 145, 1969, zit. in: Pitiot, Pierre und Mirabella, Jean-Claude: Sur Bertolucci. Editions Climats, Castelnau-le-Lez 1991, ISBN 2-907563-43-2, S. 97
  8. La Saison cinématographique, 1970, zit. in: Pitiot, Pierre und Mirabella, Jean-Claude: Sur Bertolucci. Editions Climats, Castelnau-le-Lez 1991, ISBN 2-907563-43-2, S. 98
  9. zitiert nach dem Programmheft des Arsenal Kinos Oktober 2012, Retrospektive Marco Bellocchino, S. 10
  10. Liebe und Zorn. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 28. Mai 2017.
  11. Evangelischer Presseverband München, Kritik Nr. 132/1970

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]